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Verlassen von Borderlinerin + J.

M
Hallo ihr Lieben,

Sie und ich waren 3 Jahre zusammen. Wir waren damals beide 19, also noch sehr jung. Ich hatte gerade mein Studium begonnen, arbeit gefunden und war neu in die Stadt gezogen. Als wir uns kennenlernten, sind wir 3 Tage später zusammengekommen. Nach einer Woche habe ich durch einen Wasserschaden meine Wohnung vorübergehend verloren und wir sind zusammengezogen.
Ich weiß noch, dass ich damals meine Bedenken hatte, aber irgendwie war dieser Gefühlscocktail und ihre Liebesbekundungen waren so stark (und ich so unbedarft), dass ich mich auf eine Beziehung mit ihr einließ, bevor wir uns richtig kannten. Ein Fehler den ich bald darauf bereute.

Die Probleme begannen eigentlich direkt nachdem wir zusammen waren. Wenn wir bei ihr waren, fiel mir auf, dass sie bereits vor dem Frühstück mit dem Trinken begann, außerdem *beep* sie am laufenden Band und auch sonst fanden sich in dieser kleinen Einzimmerwohnung sämtliche Substanzen, die die Dro. so auf dem Lager hat. Ich hatte mit sowas vorher nie Kontakt gehabt, vielleicht ein, zweimal gek. mit Freunden, aber mehr nicht.
Des Weiteren war ihre Wohnung derart zugemüllt, dass ihre Mutter ihr bereits mehrfach die Entrümpelung der Wohnung bezahlt hatte, sie war hochverschuldet und ohne Ausbildung.

Ich setzte sie vor ein Ultimatum: Wenn sie die Beziehung wirklich wolle, müsse sie den Konsum komplett einstellen und ihr Leben in den Griff bekommen. Ich zog bei einem Freund ein und sie kämpfte wie eine Löwin, um von allem wegzukommen. Nach anderthalb Monaten näherten wir uns wieder an und sie war - soweit ich das beurteilen kann - clean.

Nach weiteren 2 Monaten zogen wir zusammen, sie machte verschiedene stationäre Therapien und es war - die beste Zeit die wir jemals gemeinsam hatten. Sie machte mir einen Heiratsantrag, ich lehnte ihn ab mit der Bitte, mehr Zeit verstreichen zu lassen. Trotzdem war in dieser Zeit alles gut. Unsere gemeinsame Wohnung sah schön aus, die Schulden hatte sie mit meiner Hilfe abbezahlt, ich verhalf ihr zu einem Job und sie blieb clean.
Dann irgendwann setzten die Probleme natürlich wieder ein. Sie hatte immer wieder Rückfälle, auf die ich mal verständnisvoll, mal enttäuscht reagierte. Ein paar Mal versuchte ich mich zu trennen, aber jedes Mal erpresste sie mich mit Suizidandrohungen, landete sie im Krankenhaus oder in der Psychiatrie. Am Ende blieb ich jedenfalls doch. Ein Fehler. Heute weiß ich es besser.

Je mehr ich versuchte, ihren Konsum zu regulieren, desto mehr hasste sie mich, desto mehr flogen die Fetzen. Dann wieder war sie der anhänglichste, liebevollste Mensch auf der Welt und machte mir Liebesbekundungen, brachte mir Blumen. Am Ende kroch ich nur noch auf Allen Vieren und hätte beinahe mein Studium abgebrochen. An meinem absoluten Tiefpunkt trennte sie sich per Whatsapp. Ich war am Boden zerstört, legte ein Krankheitssemester ein und ließ mich selbst mehrere Monate stationär behandeln, da ich in eine schwere reaktive Depression gestürzt war.
Online sah ich Bilder von ihr mit ihren neuesten Bekanntschaften und konnte vor Wut kaum schlafen. Innerhalb einer Woche hatte sie mich ersetzt durch jemanden, der mir auch noch ziemlich ähnlich sah, beruflich das gleiche tat wie ich. Es tat verdammt weh, aber ich war nie wirklich wütend. Nur verletzt. Während meines Aufenthalts kam keine Frage wie es mir ginge, kein Hallo, nichts.

Als ich nach dem Aufenthalt letzten November zuhause ankam, war ihr Leben mal wieder aus den Fugen geraten. Ich holte meine Sachen bei ihr ab und zog in eine neue Wohnung. Ihren Job hatte sie verloren, unser früherer gemeinsamer Hafen eine Trümmerhalde, überall Konsummaterial, die ganze Küche voller Bierpfand, ihre neueste Beziehung war gescheitert. Ich tröstete sie, sagte, ich sei nach wie vor für sie da, wenn es ihr nicht gut ginge, aber brauche einfach Zeit, um eine Freundschaft aufzubauen, die sie sich wünschte.
Ich half ihr mal wieder bei allem, weil ich die Leere nie verarbeitet hatte, die sie in meinem Leben hinterlassen hatte. Irgendwie war ich. warum auch immer . glücklich dabei. Ich war nie über sie hinweggekommen trotz aller Versuche, liebte sie noch immer.
Wir räumten gemeinsam auf, brachten ihr Pfand weg, strukturierten ihre Schulden, unternahmen Aktivitäten. Zunächst nur als Freunde, die sich gegenseitig in einer schweren Lage halfen, irgendwann einige Monate später, als ich wieder selbst im Leben stand, kamen wir wieder zusammen. Sie sagte, es sei der größte Fehler gewesen, mich zu verlassen und diesmal würde sie nicht gehen, diesmal würde sie alles tun. Ich gab ihr die Chance.
Das Muster, das ich der Anker war, setzte sich fort. Bloß diesmal versuchte ich nicht mehr, ihren Konsum zu regulieren. Das ging einige Zeit gut und sie reduzierte ihn zumindest deutlich von einer Flasche Wodk. am Abend zu 4 B. am Tag. Ich fokussierte mich auf meine Uni und einen neu gefundenen Teilzeitjob, kümmerte mich um unseren Hund und fand wieder zu neuer Lebensfreude. Auch sie begann mit der Zeit wieder mit verschiedenen Hobbies, fand einen Job - wenn auch nur geringfügig - und wir verbrachten viel Zeit mit Freunden. In den letzten Monaten vor der Trennung lief es so gut wie nie zuvor. Wir schrieben Bewerbungen für sie, planten unser gemeinsames Leben, machten jeden Tag Unternehmungen, wenn meine Zeit es zuließ. Sie kochte für mich, wenn ich von der Arbeit gestresst war und ich kümmerte mich mit ihr um ihre Probleme.
Sie begann eine Therapie, verschwieg dem Therapeuten jedoch den Konsum, wie sich später herausstellte.
Doch irgendwie hatte sich durch die Trennung etwas verändert. Sie war sich meiner plötzlich zu sicher geworden. Sie gab mir kaum noch Nähe, worunter ich irgendwann zu leiden begann. Sie schlief nicht mehr mit mir in einem Bett, blieb nächtelang mit Freunden weg ohne es abzusprechen und reagierte verständnislos wenn es mir mal nicht so gut ging. Sie stellte es immer so hin, als ob ich zu viel verlangte.
Wenn wir uns früher gestritten hatten, kam sie innerhalb weniger Stunden weinend zu mir und wir vertrugen uns. Jetzt drohte sie immer wieder mit der Trennung. Bei jeder noch so kleinen Meinungsverschiedenheit. Plötzlich war ich bei jedem Streit die schlechteste Person auf der Welt und die Worte, mich zu verlassen, gingen ihr immer leichter über die Lippen. Oft zog sie dann noch ihren Therapeuten oder Freunde mit ins Spiel und spielte das Opfer, während sie mich aufs übelste beschimpfte (ich sei das letzte, ich sei dumm, sämtliche Beleidigungen). Ich kann wirklich mit recht behaupten, dass ich nicht ein einziges Mal laut ihr gegenüber wurde. Wenn ich ansprach, wie sie mit mir umging, sagte sie, ich würde übertreiben und wäre überempfindlich und schwach.

Trotzdem hielt ich zu ihr und verzieh ihr immer wieder. Jetzt letzte Woche hat sie sich dann entgültig getrennt. An unserem dreijährigen Jahrestag. Ich wollte eigentlich nur einen schönen Tag mit ihr und war enttäuscht darüber, dass sie bereits besoffen war, als ich zu ihr kam. Als ich das Ansprach, kam dann plötzlich die Trennung. wieder per Whatsapp. So jemanden wie mich will sie nicht mehr. Ich sei sch., das letzte etc. etc.

Danach kamen noch ein oder zweimal irgendwelche belanglosen Nachrichten . Ich solle ihr doch bitte helfen, einen neuen Job zu finden und irgendein bescheuertes Kochvideo. Ich ging nicht darauf ein. Sollte sie noch mal ein klärendes Gespräch führen wollen, solle sie den Kontakt suchen, ansonsten solle sie mich nicht mehr kontaktieren. Sie meinte, es gäbe nichts zu sagen, schrieb mir dann aber doch wieder. Ich schrieb daraufhin einen respektvollen, aber bestimmten Abschiedsbrief, der ihr auch künftig den Kontakt zu mir untersagt, und blockierte sie auf allen Kanälen. Danach traf ich sie mehrmals zufällig vor meinem Haus.

Jetzt eine Woche später etwa wurde ich von sämtlichen Menschen aus ihrem Umfeld angeschrieben als sei ich der letzte Dreck. Offensichtlich erzählt sie überall, ich hätte sie geschlagen. Mein Mitbewohner hätte dabei zugesehen. Man muss dazu sagen, ich arbeite seit einiger Zeit in einem Gewaltschutzprogramm für misshandelte Frauen und mir so etwas zu unterstellen, macht mich nicht nur fertig, es kann auch meine gesamte Existenz ruinieren. Meine Arbeit ist eine große Stütze für mich und ich mache meinen Job gut.

Seitdem bin ich am Boden zerstört. Ich habe gegen diese Frau in 3 Jahren nicht auch nur einmal die Hand erhoben, habe sie nicht einmal angeschrien! Im Gegenteil, 3 Jahre lang wurde ich immer wieder angeschrien, wenn kein B. im Haus war oder ihr irgendwas nicht passte und wurde runtergemacht nur, um kurz darauf wieder gut genug zu sein, um ihr zu helfen. Meine Freundinnen waren oft Zeugen davon. Wir waren in dem letzten halben Jahr nie alleine, weil eigentlich immer ein Mitbewohner in der Wohnung war, sodass ich zumindest nicht vollkommen alleine gegen diese Behauptung da stehe.

Ich habe alles für diese Frau gegeben, hätte mich fast selbst aufgegeben.

Dass es nun sein Ende findet, ist besser so. Ich selbst hätte schon viel früher gehen sollen. Doch bewahrt hätte mich das vor alldem auch nicht. Nun ist sie wieder da, die Sehnsucht, aber gleichzeitig auch Wut und Trauer und vor allem viele Fragezeichen.
Was auch da ist, ist die Wut auf mich selbst und die Frage, weshalb ich all das zugelassen habe.

06.06.2022 13:31 • x 1 #1


Ayaka
Zitat von mondschnecke:
Was auch da ist, ist die Wut auf mich selbst und die Frage, weshalb ich all das zugelassen habe

die Kernfrage erkannt zu haben bringt dich schon ein riesiges Stück weiter

geh gut mit dir um, du hast dieselbe liebevolle Hingabe verdient die du ihr angedeihen hast lassen - sei ebenso gnädig aber konsequent zu dir selbst. Wut hilft dir nicht viel - versuche zu verstehen und es dann zu ändern.

Du musst niemanden retten oder helfen um geliebt zu werden, du bist das auch so wert. Klingt jetzt nach Wattebäuschchen BlaBla - aber es ist so.

Kopf hoch, es kann auch wieder besser werden *virutellendrückerdalass*

06.06.2022 13:53 • x 3 #2


A


Verlassen von Borderlinerin + J.

x 3


M
Da hast du Recht. Danke für deine aufbauenden Worte. Da ist viel wahres dran.

Wer sich auf eine solche Beziehung einlässt (gleich zweimal) und auch dann nicht von selbst geht, wenn man eigentlich nichts mehr an Liebe und Aufmerksamkeit erhält, hat seine eigenen Themen und da muss man hinschauen, um daraus zu lernen.

Ich für mich habe begriffen, dass es auch für mich viel um Selbstschädigung und Angst vor dem Alleinesein ging. Wenn ich schlecht behandelt werde, darf ich gut zu mir selbst sein. Wenn ich gut behandelt werde, setzen meine Selbstzweifel ein. Also an und für sich sind das Themen, die denen von Borderlinern gar nicht mal so unähnlich sind, mit dem Unterschied, dass sie bei uns Otto-Normal-Verbrauchern eher im Verborgenen mitschwingen, was der BL intuitiv - nicht bewusst - erkennt.

Ich glaube das ist auch irgendwo die Crux mit dieser Art von Beziehung. Man geht rein als der Anker, sonst wäre der BL-Partner gar nicht interessiert (ist es aber nicht, weil kein komplett ungeschädigter Mensch so etwas mitmacht). Irgendwann geht man aus der Beziehung raus und fühlt plötzlich die Zerrissenheit des Gegenparts gepaart mit den eigenen Dämonen, die dadurch hervorgerufen werden. Man wird plötzlich zum Symptomträger der anderen Person.

Ist vermutlich wichtig, sich immer wieder hervorzurufen, dass es normal ist so zu fühlen und dass es ja nun mal ein Kernelement dieser Störung ist, den Partner zu schädigen, auch wenn es nicht bewusst geschieht.
Und ja, du hast Recht. Liebe sollte sich nie erarbeitet werden müssen.
Wie gesagt. Vielen Dank.

07.06.2022 11:06 • #3


Cagy
Hallo Mondschnecke,
eine Beziehung in der einer der Partner immer nur auf die Eskapaden des anderen reagieren kann ohne gemeinsame Ziele, Struktur und Respekt wird nicht funktionieren.
Wenn aus einem der Partner der Therapeut, Helfer in allen Situationen und der seelische Mülleimer wird schon gar nicht.
Mit gegenseitiger Achtung, Zuneigung und Liebe hat das nichts zu tun.Wenn man eine Sucht (teilweise) aufgibt damit der andere einem das Leben *wieder aufräumt* kommt der Entschluss nicht aus Überzeugung sondern aus einer gewissen Berechnung...natürlich funktioniert auch das nicht lange....
Es tut trotzdem weh weil Du soviel investiert hast und die Hoffnung hattest das sie sich ändert. Fatalerweise üben oft die aussichtslosesten Beziehungen die größte Anziehung aus....
Ich kann Dir nur raten DEIN Leben zu leben , bevorzugt mit einem Partner der es wert ist .
Alles Gute Dir.

07.06.2022 11:30 • x 1 #4


M
@Cagy
Nein. Mit Respekt, Zuneigung und Liebe hatte es auch schon lange nichts mehr zu tun. Ich wurde eher abgerichtet wie ein Hund, der jedes Quäntchen Liebe und Aufmerksamkeit schwanzwedelnd entgegengenommen hat.

So habe ich es um ehrlich zu sein noch nie gesehen, aber du hast Recht. Sie hat oft gesagt, sie will sich an ihrer Angst, von mir verlassen zu werden aus der Sucht ziehen. Dass man mit einer solchen Aussage den anderen instrumentalisiert ist mir so nie bewusst gewesen. Dass sie berechnend ist und nichts ohne Gegenleistung macht - auch in Freundschaften nicht - hat sie selbst oft gesagt und sich dafür sehr fertig gemacht (oder damit kokettiert). Wollte es wohl nie wahrhaben, dass es bei uns genauso ist.

Zitat:
Fatalerweise üben oft die aussichtslosesten Beziehungen die größte Anziehung aus....

Das hast du wunderschön und sehr treffend ausgedrückt. Psychologisch ist das eigentlich leicht zu erklären. Intermettierende Belohnungen führen zu größerer Emotionalen Response als stetige Belohnungen. Aber vielleicht spricht da auch die Sozialpädagogin aus mir. Dank dir für deine hilfreichen Worte!

07.06.2022 21:13 • #5




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