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Vom Zerrissenwordensein

M
In diesem schrecklichen Moment fällt mir nichts besseres ein als dieses Forum zu betreten und meine Situation zu schildern. Denn alle hier kennen Liebeskummer verschiedenen Ausmaßes. Deshalb schreibe ich also zu euch. Bitte lest mich. Das ist das einzige, was ich mir gerade wünsche.

Ich bin 32, männlich, berufstätig und in einer Art Schein-Beziehung. Meine Brust ist eng, es strömt eine enorme Unruhe in den Kopf, während meine Hände zittern. Gleichzeitig ist da ein sehr scharfer, durchbohrener Schmerz, der vom Bauch zum Hals hochwabert, immer und immer wieder. Ich fühle, dass es Verzweiflung ist. Ich würde gerne schreien und weinen und schreiend weinen, aber ich sitze in einem übervollen Zug und verpalisadiere mich hinter angespannten Muskeln und Nerven.

2017 bin ich nach einigen Jahren einer Frau (27) wiederbegegnet. Ich war schon fünf Jahre zuvor fasziniert von ihr, ein wenig verliebt sogar. Sie ist eine wunderschöne Menschenblume, zart, grazil, hell und warm.
Da sie erfuhr, ich sei seit 2015 wieder Single, fragte sie mich nach meiner Handynummer. Kurz darauf rief sie mich an. Sie drückte starkes Interesse aus, initiierte ein Date. Sie küsste mich, verführte mich, sprach bald darauf von einer Beziehung, die sie mit mir wolle und überschlug sich im weiteren Verlauf beim Komplimentemachen, beim Liebkosen, beim Versprechen enormer Dinge. Sie sagte mir als erstes, dass sie mich liebe. Dass sie mich nicht mehr loslassen werde. Und dann ging von ihr die Idee aus, zu mir zu ziehen, da wir uns so sehr brauchten und aneinander entwickelten und endlich das Nachhausekommen fühlten. Ihr merkt, da hat sich ein Rausch abgespielt. Ein Feuerwerk wurde abgebrannt. Von ihr gingen alle wesentliche Schritte aus, nicht, weil ich es nicht selbst getan hätte, sondern, weil sie die Sache offenbar schnell einzurahmen bemüht war. Und ich war natürlich glühend verliebt und so ewig und unendlich dankbar, dass mich endlich eine Frau, für die ich nichts als Bewunderung und Liebe empfand, als ganzen Menschen wertschätzte, wollte, an sich band.

Aber es gab Auffälligkeiten. Sie hat einen Freundeskreis, der aus vielen Männern und wenigen Frauen besteht. Fast alle dieser Männer stehen auf sie, manche beichteten ihr ihre Liebe. Sie tun wirklich alles für sie. Damit habe ich von Anfang an nachvollziehbarerweise große Probleme gehabt. Ich habe sie als Narzistin, als düstere Harpyie gewähnt und ihr mehrfach gesagt, ich würde genau hinschauen und sollte ich das nicht verstehen können, mich selbst schützen. Ich bin nach wenigen Wochen unserer jungen Liebe aus einem starken Moment heraus auf Abstand gegangen, da sie derart umringt von Nebenbuhlern war, dass ich sie kaum noch sehen konnte. Sie hat das folgendermaßen verargumentiert: sie könne wesentlich bessere und ehrlicher Freundschaften mit Männern als mit Frauen führen. Sie würde sich wünschen, weniger attraktiv zu sein, damit sie gewöhnliche und nicht derart problembehaftete Freundschaftsbeziehungen mit Männern führen könnte. Sie hänge an ihren Freunden und würde sie ungern verlieren wollen. Dennoch brach sie, um mich zu wahren, fast alle diese Freundschaften ab. (Ich bat nie darum.)

2018 wohnten wir zusammen auf engem Raum. Es war das erste Mal für mich, dass ich mit einer Partnerin in derselben Wohnung lebte. Sie hat außerdem einen Hund, der ebenfalls mit uns wohnte. Trotz der enge und dem Sich-schlecht-Ausweichen-Können war es eine Wonne für mich. Die Wohnung befindet sich in einer großen Stadt, in die ich eineinhalb Jahre zuvor gezogen war und in der ich kaum jemanden kannte, einsam war und viele trostlose Abende verbracht hatte. Plötzlich war sie da, mit ihrer starken Wirkung, ihrer Kreativität, ihrer stilsicheren Wohnungsgestaltung und ihrer massiven Zuwendung. Ich kam nachhause, alles duftete nach Essen. Wir aßen und kuschelten uns ins Bett und ließen über Wochen und Monate kaum voneinander ab.

Dann geschahen Dinge. Einmal waren wir auf dem Geburtstag ihres besten Freundes, der, das hatte ich zuvor erfahren, seit vielen Jahren in sie verliebt sei, mehr oder minder unsterblich. Er hatte es ihr allerdings erst wenige Wochen zuvor gebeichtet und eine Kontaktsperre ausgelöst, die für sie unaushaltbar war, da sie sehr an ihm hänge, platonisch wie sie mir sagte. Auf dieser Party war sie auffallend gut gelaunt und mir sehr zugewandt, aber ihm auch und ich meine das im körperlichen Sinne. Mal tanzten sie eng, mal schlug er ihr auf den Po und zum Ende der Party hin entdeckte ich wie sie gemeinsam auf der Couch lagen, sie nahezu komplett auf ihm, während er ihr den Bauch streichelte (sie hatte ein leichtes Kleid an). Ich bin rückwarts aus dem Raum getorkelt, was sie mitbekam und mir folgte. Ich war vollkommen entsetzt, da mir das nicht wie eine platonische Freundschaftskuschelei aussah. Vor dem Hintergrund, dass er außerdem unsterblich in sie verliebt sei, konnte ich das alles überhaupt nicht fassen. Ich erklärte ihr auf eine recht drastische Art und Weise, dass ich mich von ihr zurückziehzen müsse. Allerdings wohnte sie bereits bei mir und schrie mehrfach verzweifelt, wo sie denn nun hingehen solle. Ich sagte sinngemäß na, zu ihm!. Und dann weinte sie immer mehr und tat mir plötzlich leid. Zorn mischte sich mit Trauer und Verlustsangst. Obwzwar ich nicht schlief und lange noch über diese Situation nachdachte, die durchaus wie ein Giftstachel in meinem Gedächtnis steckenblieb, fuhren wir gemeinsam zurück in unsere Wohnung und setzten die Beziehung fort.

Dann bekam ihr Vater nach Jahren der Rekonvaleszenz erneut Krebs. Wir hatten eine wirklich lichte, romantische Phase, doch als diese Nachricht eintraf, wurde es ganz düster. 15 Jahre lang hatte er gekämpft, gemacht, getan. Unzählige Chemos überstanden, Operationen erduldet und weitergekämpft. Eine Woche nachdem die Diagnose kam, probierte er sich umzubringen. Ich weiß noch, wie ich nach ihrem alarmierenden Anruf von der Arbeit nachhause raste und sie auffing und in meinen Armen hielt, bis sie keine Kraft mehr zum Weinen hatte. Wie ich darauf tagein tagaus nach der Arbeit den Haushalt schmiss, den Hund versorgte, sie hindurch begleitete. Sie fing nach einer langen Pause wieder an zu *beep*. Erst spärlich. Dann immer häufiger, heftiger. Ich bin weder Raucher, noch *beep*, allerdings sehr sensitiv und merkte, wie sich ihr Gemüt und schließlich auch ihr Wesen immer stärker veränderten. Sie wurde blutärmer, abwesender, antriebsloser und depressiver. Sie hatte einen kleinen Job, den sie gut machte, aber nur 3 Tage die Woche für 2-3 Stunden. Den Rest der Zeit schlief sie, schaute Serien und konsumierte. Ihrem Vater ging es nun in vielerlei Hinisicht absolut dreckig und er lehnte unsere Unterstützungsbemühungen mit ganzer Kraft ab. Soetwas ist wirklich furchtbar.

Sie war wie beschrieben zu mir gezogen und hatte wie ebenfalls beschrieben einen größeren Freundeskreis aus Kontrahenten aufgelöst. Zurück blieben also insbesondere ich und ihr Hund. Der Hund ist ihr absolutes Epizentrum. Ich würde nicht übertreiben, wenn ich sagte, dass der Hund etwa 97% mehr Zuwendung als ich empfangen hätte. Aber das nur am Rande. Ich habe sie sehr stark motiviert, unter Leute zu gehen, Hobbys auszuleben, sich mit Bekannten, die nicht unbedingt in sie verliebt sind, zu treffen. Denn ich konnte nicht leisten, was sie brauchte. Als Partner war ich ihr nunmal ein solcher und auch ein Freund, aber nicht an allen Themen interessiert und auch nicht allen Hobbys gewachsen und so fort. Zudem stellte sich ein immer stärkeres Desinteressement von ihrer Seite auf mich bezogen ein, sodass wir kaum noch reden konnten. Ich kann wirklich gut und viel erzählen und bin ein sehr neugieriger, aufmerksamer Mann. Aber für das war einfach kein Raum mehr vorhanden und das nach etwa einem Jahr Beziehung. Schließlich war ich 45-50 Stunden unter der Woche auf der Arbeit, kam oftmals ausgelaugt nachhause und konnte mich nicht mehr gut aufraffen, sie in irgendeiner Weise zu fordern oder zu bespaßen, zumal das nicht in meiner Verantwortung lag.

Es geschahen dann zwei weitere Katastrophen, die diesmal mich betrafen. Ich will nicht stark darauf eingehen. Das eine war eine absolute Ungerichtigkeit, die mir in der Arbeitswelt widerfahren ist und eine komplizierte juristische Situation hervorrief. Das andere eine Krebsverdachtsdiagnose, die mich in Mark und Bein erschütterte, meine Freundin überforderte und ihr ohnehin stark belastetes Verhältnis zu diesem Thema zusätzlich verschlimmerte. Es gab wochenlang Untersuchungen und Oha-Aussagen verschiedener Ärzte, ehe ein kleiner chirurgischer Eingriff die Gutartigkeit des Tumors bestätigte. Das war eine herrliche Erleichterung. Doch unsere Beziehung war in dieser Zeit steinhart geworden. S. gab es ohnehin kaum noch, Liebkosungen selten. Wir hatten eine widerliche Serienkultur entwickelt und schauten stundenlang TV. Sie hatte dieses Gerät mitgenommen und mich lange von der Wertigkeit zu überzeugen versucht, weil ich ein Lesenarr bin, der Bücher als größtes Unterhaltungsmedium verehrt. Am Anfang unserer Beziehung habe ich sehr häufig vorgelesen, bis sie einschlief. Das wurde immer seltener, bis schließlich Netflix und Co. das Vorlesen vollstänidg abgelöst hatten.

Es kündigte sich ein Vertragsende an und ebenfalls eine Entscheidung, wie es mit uns weitergehen sollte, denn es musste was passieren. Die Wohnung war zu klein, der Ort zu groß. Ich begann mich in ganz Deutschland zu bewerben, insbesondere dort, wo es mir sehr gut gefiel. Klar hatte sie anfangs gesagt, sie würde mir überall hin folgen. Zu diesem Zeitpunkt allerdings wuchs ihr Bestreben, in die gute Heimat zu den wohlbekannten Leuten zurückzukehren, aus der sie ein knappes Jahr zuvor mit wehenden Fahnen zu mir geflüchtet war. Abends betäubte sie sich immer mit einer der stärksten THC-Sorte, die es wohl so auf den Märkten gibt. Tagsüber hatte sie im ganzen Körper, vor allem aber im Kopf Schmerzen. Ich habe auf alle Weisen versucht, ihr zu helfen. Ich hätte sie in jede Klinik, zu jedem Therapeuten begleitet und mit ganzer Kraft unterstützt. Aber sie wollte nicht. Und das machte mich wahnsinnig.

Als wir an einer Art Bruder-Schwester-Beziehung angekommen waren, da Romantik und Leidenschaft nicht mehr stattfanden, habe ich mich für die Trennung entschieden. Wir wussten, wenn ich eine Stelle auf der anderen Seite von Deutschland annähme, würde sie zurückbleiben und damit die Trennung besiegeln. Es war so sehr schwer. Ihr wisst, was Trennung bedeutet. Sterbenlassen. Und selbststerben. Immerhin wird man ja wiedergeboren, oder?

Und dann, es herrschte die übliche Stimmung zwischen uns und ich wollte es nur noch aussprechen, kam ich Anfang Dezember von der Arbeit und es hing ein wunderbar großer, zurechtgeschnitzter Ast über meinem Bett, um den sich eine Lichterkette rangte. An ihm waren 24 selbstverpackte, niedliche Geschenkpakete befestigt. Und jetzt weine ich doch. Kann nicht anders.

Okay, da hing also dieser Adventskalender und ich war so unfassbar entzückt. Und sie lächelte mich an und nahm mich in die Arme und küsste mich. Ich hatte keine sehr harmonische Kindheit und soetwas wie einen Adventskalender, der sogar noch selbst angefertigt war, sehr lange nicht mehr gesehen. Diese Geste war sehr stark. Und plötzlich waren wir einander wieder nah. Das ist so, als würdet ihr mit einem Menschen einen Weg gehen und um euch herum findet zäher Nebel statt. Der Nebel breitet sich aus und der Mensch an eurer Seite verschwindet im selben. Ihr seht manchmal seine Silhouette, manchmal seht ihr ihn gar nicht mehr. Und plötzlich tritt er aus den Schwaden hervor, lächelt euch zu und ist in seiner ganzen Erscheinung hell und klar.

Am Morgen darauf saß sie am Frühstückstisch vor mir. Sie lächelte und hatte eine kleine Träne im Augenwinkel. Seit Monaten war sah sie nicht so klar und zugewandt aus. Dann sprach sie, sie habe nachgedacht und würde eindeutig fühlen, dass sie mich liebe, dass sie bei mir bleiben und den Weg mit mir gemeinsam gehen wolle. Sie fragte nach einem Kompromiss, dass wir also nicht zuweit weg von ihrer Heimat, nicht zuletzt wegen ihres Vaters ziehen würden. Und dann sagte sie, sie wolle endlich in eine Klinik und sich helfen lassen. Ich musste vor Freude, Erleichterung und Ergriffensein weinen. Und sie sagte immer wieder Ich liebe dich. Wir kriegen das hin.

Nein. Das haben wir nicht. Ich habe erstmal alles in die Wege geleitet, Verträge gekündigkt, Zelte abgerissen, nach Orten gesucht. Gleichsam fiel mir alles zu, was wir für einen neuen Nestbau benötigten. Ein neuer, flexibler Vertrag, eine kostenloses Pendlerzimmer bei einem Freund in der Nähe meiner Arbeitsstelle und vor allem wunderbare Wohnungsangebote in Waldes- und Wiesennähe. Ich wollte ab März 2019 nur noch 50 % arbeiten und mir mit ihr die Lebenskosten vernünftig teilen. Ausgemacht war, dass ich zwei Tage die Woche vor Ort arbeite und einen Tag von zuhause aus. So hätten wir fünf Tage zusammen verbringen und zwei Tage Luft holen können. Sie war damit einverstanden.

Wir hatten nach dem Gespräch einige gute Tage. Dann kam Weihnachten und wir fuhren in unsere weit voneinander entfernten Heimaten. In der Zeit hatten wir kaum Kontakt, was okay ist. Allerdings wollte sie Silvester nicht mit mir, sondern mit oben genannten besten Freund verbringen. Das verstand ich nicht so wirklich. Zudem fuhr sie schon einige Tage zuvor zu ihm und wusste, dass ich selbst keine Alternative hatte. Tatsächlich hatte ich damit gerechnet, dass wir zusammen Silvester verbrächten und mich nicht um andere Optionen gekümmert. Allerdings muss ich sagen, dass ich nach dem Vorfall damals mit dem Typen ausführlich sprach und ihm gewaltfrei meine Empfindungen kommunizierte. Er ist selbst sehr feinfühlig und taktvoll und hat mir komplett beigepflichtet, dass das damals schräg gewesen sei, er außerdem keine Verliebtheit mehr spüre und das schon lange. Ich fühle, dass ich ihm vertrauen kann. Und so ist das auch, er ist ein guter Kerl, in dem mit Sicherheit aber noch irgendetwas auf sie hofft.

Am Silvestertag fragten mich beide, was ich denn jetzt täte und als ich sagte, nichts, wurde ich eingeladen. Es war okay, zwischen den beiden fand mitnichten irgendeine für mich spürbare Spannung statt. Außerdem freuten wir uns tatsächlich beide sehr, uns wiederzusehen und wir hatten in der Nacht sogar S.. Am nächsten Tag, an dem sie also wieder nüchtern war, wandte sich die Stimmung jedoch massiv. Wir stritten, sie fuhr in ihre Heimat zurück, ich in unsere Wohnung. Sie folgte trotz enormer Beschwichtigungsbemühungen erst Tage später.

Im Januar ging es rapide bergab. Sie war notorisch gereizt und abweisend. Meinen ständigen Gesprächsbemühungen, um vor allem die Wohnsituation zu klären, wich sie gekonnt aus. Kurz bevor mein Urlaub beginnen und damit mein letzter Vertrag auslaufen sollte, sprach sie zu mir. Ich kam von der Arbeit, sie saß verheult und betrunken im Bett. Ich setzte mich zu ihr, schaute ihr gutmütig in die Augen und fragte, was denn los sei. Ihr wisst es bereits. Oder spürt es. Sie könnte nicht mit mir zusammenziehen, sagte sie. Weil sie mich nicht mehr wirklich liebe. Weil sie Angst habe, es würde furchtbar werden. Weil sie ihre Freunde und ihre Heimat vermisse.

Zwischen dem Adventskalendergespräch und diesem lagen etwa zwei Monate. Es gab keine Eskalationen, keine wesentlichen Ereignisse. Es war im Gegenteil endlich wieder romantischer geworden. Zumindest in der Anfangszeit. Ich erspare euch meine vielen Ideen, was die Gründe gewesen sein könnten. Fakt ist, dass sie Dinge an mir störten, die sie nicht kommunizieren wollte oder konnte. Und das wohl seit Monaten. Das ist schwer. Nicht zu wissen, was man falsch (?) gemacht haben könnte. Oder ob es das überhaupt war. Ich glaube, am meisten hat sie gestört, dass ich nicht konsumiere und Dro. gegenüber kritisch eingestellt bin.

Ich habe respektvoll reagiert und konnte die ganze Tragweise auch überhaupt nicht spüren. Ich sagte, es sei menschlich. Sagte, sie sei schön und solle glücklich werden und all soetwas. Sei weinte meine Tränen. Erst Tage später, als ich alleine in den Urlaub fuhr und niemanden um mich herum hatte, der mich trösten konnte, brach alles hervor. Der ganze Schmerz, Frust, Kummer. Es war unerträglich.

Sie blieb zunächst in der Wohnung, da sie beruflichen Verpflichtungen nachgehen musste. Sie meinte, wir sollten uns das so schön wie möglich gestalten. Mittlerweile war ich so geschlagen und gegen die Wand gespielt, dass ich das einfach mitmachte. Wir führten eine Quasi-Beziehung, nannten uns Schatz und waren sogar mal zärtlich. Nur dass sie mich liebe, sagte sie nie mehr. Und erwiderte es auch nicht, wenn ich es mal in einem ungeschickten Moment aussprach.

Dann zog sie aus und es brach mir das Herz. Hui. in einer solch benetzten Wohnung weiterzuleben und sei es nur für einen Monat, war eine echte Katastrophe, da mich einfach alles triggerte. Ich war einsamer denn je und selbst den Hund vermisste ich schmerzhaft. Bevor sie auszog, kam es nochmal zum Streit, in dem ich brüllte, sie hätte mir im Dezember nicht diese Dinge sagen dürfen. Das hätte sie wirklich nicht tun sollen, denn da war ich entschlossen und ausgerichtet. Ich hatte mehrere gute Stellen wegen ihr sausen lassen und meinen Vertrag für die kommenden sechs Monate unwiderruflich auf 50 Prozent heruntergehandelt. Ich wurde komplett orientierungslos zurückgelassen, denn einen Plan B hatte ich mich dummerweise nicht überlegt.

Ich weiß nicht, was ihre Motivation war, ob Mitleid, Helferwillen oder tatsächliche Zuneigung, aber sie verblieb mit mir in dieser Quasi-Beziehung. Ihr ging es plötzlich wieder richtig gut, da sie in eine WG mit drei jungen (sehr attraktiven) Männern zog und ihren alten Freundeskreis wieder um sich herum hatte, also jeden Tag Action erlebte. Einer ihrer Mitbewohner wurde dann zum engsten Vertrauten, mit dem sie fortan jede freie Minute vebrachte. Wir telefonierten ab und an und ich besuchte sie zwei Mal. Es war nicht schön. Bevor ich mit dieser Frau zusammenkam, war ich ein kreativer, aufrecht gehender und absolut frohmütiger Kerl, der ein gesundes Selbstbewusstsein beseitzt. Seit dem Trennungsgespräch im Januar bin ich matt, blass, ernst und traurig. Das ist nicht attraktiv, sondern bemitleidenswert, ja.

Ich führte nachdem ich sie zum zweiten Mal besuchte und keine sättigende Zuwendung erfuhr, ein weiteres Gespräch mit ihr, in dem ich eine endgültige Trennung anpeilte, aber nicht erreichte. Ihre Aussage: Ich bin niemand, der etwas einfach so komplett aufgibt. Ich könnte und es täte mir weh, aber ich käm schon klar. Liegt also an dir. *beep*, ich konnte es nicht.

Na ja, ich hatte dann kürzlich Geburtstag und lud sie ein. Sonst niemanden. Und, man glaubt es kaum, es war wunderschön. Wir waren innig, liebevoll und gütig zueinander. Zwei Tage lang, dann fuhr sie wieder. Donnerstag folgte ich und habe unerträglich frustrierende Tage bei ihr verbracht. Im Grunde waren ständig Menschen da und vor allem ein Mann, ein gutaussehnder, großer und durchtrainierter (mittlerweile Ex-)Mitbewohner war ständig in ihrer Nähe. Ich spüre, dass zwischen den beiden eine enorme Spannung abläuft. Plötzlich war ich im Nebel. Und wurde nicht mehr gesehen und gesucht. Mir tuen die Finger vom Schreiben weh und ich habe gerade keine Kraft mehr, noch weitere Details zu veröffentlichen.

Das hier ist meine Version, meine subjektive Sicht auf das alles. Sie würde euch mit Sicherheit eine andere liefern. Ich weiß, dass es dysfunktional ist, diesen Kontakt aufrecht zu erhalten. Ich weiß, dass Opfersein sehr einfach ist, denn da brauche ich nichts zu tun. Ich weiß, dass Joggen, Freunde, Ausgehen, Sonne und all soetwas hilft. Und ich weiß auch, dass ich ein attraktiver Mann sein kann, wenn ich in meine Kraft finde. Aber vor allem herrscht gerad dieser enorme Schmerz. Dieses Vernichtetsein. Die Enttäuschung.

Danke allen, die das hier gelesen haben. Ihr seid wertvoll.

Mercurius

08.04.2019 09:24 • x 13 #1


Rosa-91
Hallo Mercurius,

selbst mir hat es beim Lesen Tränen in die Augen getrieben.
Mir fehlen leider im Moment die Worte, um genauer einzugehen.

Du bist in meinen Augen ein sehr intelligenter, wortgewandter, hilfsbereiter, starker Mann.
Du stellst dich nicht in die Opferrolle. Deine Gefühle sind so gut nachzuvollziehen.

Ich wünsche Dir viel Kraft, was immer dir begegnen mag.

08.04.2019 09:43 • x 1 #2


A


Vom Zerrissenwordensein

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Sandwich
Deine Geschichte ist so wunderschön geschrieben und traurig zugleich.

Es schmerzt, wenn man deine Traurigkeit und Verwirrung liest.

Menschen die Dro. konsumieren, wissen meistens selbst nicht, was sie möchten. Sie sind ständig im Gefühlswechsel.

Für mich liest es sich, als ob deine Freundin dich ausgenutzt hat, sicherlich auch finanziell.
Denn so wie ich es verstehe, warst du der Hauptverdiener von euch beiden.

Es ist mir bewusst, dass ein Schicksalsschlag, wie die erneute Krebsdiagnose ihres Vaters, sie aus der Bahn werfen konnte, aber dort kann man durch Stärke auch wieder herausfinden.
Sie betäubt allerdings lieber ihren Schmerz und ist nicht stark.
Sie wird ihre Sucht nicht bekämpfen, dafür muss sie noch mehr am Boden liegen. Erst wenn sie gar kein Licht mehr am Ende des Tunnels sieht und keine Freunde mehr hat, die sie betüdeln, wird sie hoffentlich wach und begibt sich in Therapie.

Ich wünsche dir viel Kraft für diese heftige Zeit. Lass dich nicht unterkriegen und komm wieder in deine Selbstsicherheit zurück

08.04.2019 10:18 • x 3 #3


M
Life in all its beauty!

08.04.2019 11:10 • x 2 #4


M
Wow, nicht oft liest man einen so gefühlvollen und intensiven Text. Als Opfer stellt Du Dich nicht dar. Du bist eine sehr empfindsame Seele und als solche leidest Du nun entsprechend. Es tut mir leid für Dich, dass Du so viel Schmerz hast.
Sie scheint mir keine Narz zu sein, obgleich sie ausgeprägte Tendenzen haben mag. In ihr schlummert etwas anderes. Nichts was sich durch einen Mann heilen ließe.
Solche Geschichten können lehrreich sein. Etwas in Dir war bereit, sich ihr hinzugeben, trotz eines beklemmenden Gefühls hin und wieder. Schau dorthin.

08.04.2019 13:00 • x 3 #5


D
Man liest Deine Liebe zur Sprache und Literatur aus jedem Wort heraus.
Du wirkst sensibel, feingeistig und in Dir ruhend.
Zwar zerrissen vom Schmerz, aber aufrecht stehend.

Deine junge Dame mag blütenzart und hell sein, liebenswert und innerlich und äußerlich schön, aber sie hat eine Unruhe in sich, sie sucht, ohne das selbst so klar zu erkennen.
Das Geschmuse und Zeit verbringen mit einem oder mehreren Männern ist ein klares Indiz dafür.
Droogen und ständig auf Achse sein passt da ebenfalls ins Bild.
Ich meine nicht einmal, dass sie einen neuen Partner sucht, das ist zwar möglich, aber ich glaube, sie sucht etwas, was sie festigt.
Vielleicht auch, ganz Kindfrau, Grenzen.

Es ist traurig, Deine Geschichte zu lesen, denn die Zeichen standen ja gut für Euch.
Ratschläge brauchst Du nicht, denn Du weisst, was zu tun ist.
Aber es tat Dir bestimmt gut, diese Geschichte zu erzählen.

08.04.2019 19:55 • x 3 #6


M
Ihr tut mir sehr gut. Fühlt sich an als würde sich eine kühlende Hand auf meine lodernde Stirn legen. Ihr macht also alles richtig.

Ich habe 2016 geträumt, dass ich sie wiederträfe und wir zusammenkämen. Es existiert noch irgendwo ein Tagebucheintrag darüber. Dieser Traum hat sich bewahrheitet. Wie viele andere auch... Aber das nur am Rande.

Liebe Rosa-91, deine Anteilnahme ist wunderschön, ich spürte ein seichtes Prickeln als ich las, du hättest selbst Tränen in den Augen. Danke auch für die Komplimente...

Liebes Sandwich,

es ist gut, dass das Hübsche und Ungnädige gleichsam in meiner Erzählung zum Vorschein kommt. Ich denke, so sollte es natürlicherweise sein. Sie ist ein Suchtmensch. Ich finde immer wichtig zu fragen, ob in diesem Fall des Menschen Bühne oder sein Bühnenspiel beschädigt ist. Bei Ersterem liegt eine tiefe Schädigung der Persönlichkeit vor. Bei Zweiterem finden dysfunktionale Verhaltensmuster statt, die sich aber (noch) nicht in die Tiefe hineinmanifestiert haben. Jedenfalls spüre ich, dass bei ihr Ersteres gilt. Das tut weh. Aber es hilft auch, sie zu begreifen. Wenn ihr wüsstet, wie schön sie ist... Nicht die Hülle. Der Mensch ist wie eine Lampe, deren Schirm nur dann wirkt, wenns im Innern glüht. Ich habe gerade zu Beginn unserer Zeit viel Augenbonding betrieben. D.h. wir haben uns minutenlang in die Augen geblickt und gefühlt, was kam. Ich habe das mit einigen gemacht. Doch mit ihr war es wundersam. Soetwas habe ich noch nicht gefühlt. Soviel Durcheinandergewirbeltes. Ich hätte das gerne mit ihr in Ordnung gebracht. Etwas in mir wollte sie retten. Immer noch. Ach...

Ja, ich habe die überwiegenden Kosten getragen, weil ich gut verdiene und es auf eine gewisse Art und Weise schön fand. Sie hat sich mit dem, was ihr zur Verfügung stand, beteiligt. Ich kam und komme mir nie ausgenutzt vor.

Ich pflichte dir bei, dass sie hätte mit neuer Kraft aus dem Drama ihres Vaters hervorgehen können. Und ja, sie betäubt und betäubt und betäubt selbst, wenn sie schon ganz taub ist. Als sie das noch nicht mit THC und anderem tat, hat sie sich wohl an mir betäubt. Verliebtsein ist wie wir wissen eine stark psychoaktive Erfahrung mit enormen Ausschüttungen. Da ich für sie sehr intensiv war, hat sie mich auf ihre Weise verzehrt und zwar so lange, bis sie eine Toleranz entwickelte, ich an Konzentration verlor und vielleicht einmal ganz fad schmeckte. Und ich weiß: Ich werde nie mehr diese Faszination und Wirkung auf sie haben. Natürlich sucht sie anderes. Denn ihr erkennt es ja alle bereits: Das, was sie sucht, ist das, was sucht.

Liebe MeineMeinung1

indeed.

Liebe Mitsubi,

du hast eine sehr kühle Hand auf meine Stirn gelegt. Ich kann sie nicht heilen, das hast du sehr richtig bestätigt. Und wohin ich zu schauen habe, fühlt sich wichtig an. Danke dir.

Liebe Dattel,

Wow, das ist ein hübsches Feedback. Gerade fühle ich mich aufrecht stehend. Gestern kriechend, lechzend und zerrissen. Es wirbelt sehr massiv in mir. Es ist wie es ist. Sie hat meine Hand losgelassen und verschwand im Nebel. Jetzt spielt sie Hasch mich. bis ihr das zu langweilig wird. Dann wird sie ganz verschwinden.

Ich möchte zu ihr eines sagen: Das Wesentlichste in unserer persönlichen Evolution geschieht im Kinderzimmer und da ist bei ihr viel Schädigendes passiert. Sie hat die notwendigen Entwicklungsstufen, die wir fürs Vertrauenkönnen benötigen, einfach übersprungen, hingegen irgendwelche bizarren Flucht- und Maskeradestrategien entwickelt. Das wurde schon versucht, therapeutisch aufzuarbeiten, aber mit wenig Erfolg. Ihre selbstzerstörerische Tendenz, die einer unbefehlbaren Selbstverachtung folgt, macht jegliches Resilientseinkönnen zunichte. Deshalb habe ich so vor Erleichterung geweint als sie im Dezember meinte, sie würde in eine Klinik gehen und sich helfen lassen wollen. Ich wünsche ihr genau das. Dass sie, bevor alles in ihr intoxikiert und irreversibel verwüstet ist, kapituliert, sich helfen lässt.

Danke euch allen nochmals herzlich

Mercurius

09.04.2019 15:14 • x 2 #7


M
Seit gestern Abend fühle ich mich besonders schlecht. Ich habe berichtet, dass wir eine Scheinbeziehung führen. Das bedeutet, dass sie Annäherungsbemühungen nicht abschmettert, auf die meisten Nachrichten reagiert, mich immer noch Schatz nennt, mir manchmal Kuss- und Hab dich Lieb-Botschaften schickt, mich also im Großen und Ganzen erduldet. Ich habe die irrationale Vorstellung, dass es, solange sie nicht definitiv sagt das war's, Hoffnungen gibt.

Ich war am letzten Wochenende bei ihr, u.a., damit ich auf den Hund aufpasse, der gemeinsam mit ihr bei mir gewohnt hatte und den ich lieb habe. Sie konnte ich kaum spüren, nur diese Wolke, von der sie ständig umhüllt zu sein schien. Ihr primäres Thema, ich könnte fast sagen, ihr derzeitiger Kosmos, ist dieser Ex-Mitbewohner (Sie wohnten etwa 4 Wochen zusammen). Jeder zweite Satz drehte sich um ihn. Schwärmereien, Staunen, Achtung, Bewunderungen. Im Prinzip derselbe Stil, in dem sich mich zu Beginn verehrt hat. Vielleicht überhöhe ich das Ganze jetzt auch, um mir irgendetwas Starkes einzubilden, das meine Situation dramatisiert und ich einen gewichtigeren Grund habe, good bye zu sagen. Keine Ahnung. Sie spricht sehr viel über ihn. Er ist ausgezogen, da er sich mit einer anderen Mitbewohnerin zerstritten hat, es ging um einen Betrugsvorwurf, welcher an ihn gerichtet wurde und mir plausibel erscheint, allerdings bin ich nicht wertneutral, sondern ziemlich eingefärbt von meinem Konkurrenzempfinden. Sein Problem wurde ihr Problem, sie hat sogar etwas gegreint, als es hieß, er würde Hals über Kopf die Wohnung verlassen. Sie schrieb einen Brief mit ihm an besagte Mitbewohnerin und fing an, diese zu verachten, obzwar sie ihr nie begegnet war, es herrschen nämlich Semesterferien und alles wurde aus einer größeren Distanz kommuniziert.

Dieses massive Parteiergreifen ekelte mich an. Erst recht als es vom ersten Moment an, in dem ich die Wohnung betrat, nur noch darum ging. Ich hab sie dann durch eine Art Sokratischen Dialog dahin gebracht, dass er eben doch nicht so ganz unschuldig und im Gegenteil hoch manipulativ sein könnte. Whatever. An diesem Abend sollte eigentlich diese Mitbewohnerin erscheinen, was für sie ganz furchtbar war, denn dadurch wäre er nicht erschienen. Sie hatte alles mögliche in Bewegung gesetzt, nochmal ausgiebig Zeit mit ihm zu verbringen und schließlich für Sonntag ein buntes Programm zusammengestellt und irgendwie geschafft, sich auf ihrer komplett neuen Arbeitsstelle frei zu nehmen. Es ist mir klar, dass ich solche Bemühungen gerne für mich gesehen hätte. Dass ich nur danebenstehe, der Weit-Angreiste, der bettelnde Quasi-Exfreund, der überwiegend verfrachtet und missachtet wird. Wäre es auf meinem Geburtstag zuvor nicht derart liebevoll und leidenschaftlich zugegangen, hätte ich diesen Aufwand niemals betrieben.

Am Samstag wollte ich, da sie arbeitete, den Hund betreuen und freute mich auf die Zeit mit ihm. Sie schlug plötzlich vor, ich könne mich ja bei ihrem Exmitbewohner melden, der würde dann mit mir spazieren gehen. Nach einiger Überlegung dachte ich mir, ich könnte ein gewisses Gespräch mit ihm führen und ihn etwas abklopfen, um herauszufinden, was da so zwischen den beiden stattfindet. Also meldete ich mich bei ihm und arrengierte eine Uhrzeit. Und jetzt kommt's: Sie hatte quasi gerade die Haustüre zur Arbeit verlassen, rief mich dann auf mein Handy an, was ich jedoch verpasste. Als ich zurückrief, erklärte sie, dass sie nicht viel auf der Arbeit zu tun hätte und demnächst wieder nachhause käme. Das war für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, da sie zum einen eine sehr disziplinierte Angestellte ist, zum anderen ganz neu in diesem Betrieb und außerdem sehr wohl einiges zu tun war, wie sie mir vorher erzählte und nachher durchschienen ließ. Jedenfalls meinte sie, dass der Exmitbewohner mit ihr gesprochen hätte und wir dann alle zusammen spazieren gehen könnten. Schon etwas schräg...

Er blieb den ganzen Tag. Abends wurde ein Spieleabend abgehalten, zu dem viele Leute kamen, mit Alk. und so. Als Gruppen gemacht wurden und sie in meine Gruppe kam, wehrte sie sich solange, bis sie in die Gruppe des Ex-Mitbewohners wechseln konnte. Ihr Bruder war davon vollkommen geschockt und fragte mehrfach, was dieses Getue solle. Es kam zu einem unangenehmen Showdown zw. ihrem Ex-Mitbewohner und mir, da wir jeweils die Geheimdienstchefs (das Spiel nennt sich Codenames) waren und die Gruppe mehr oder minder zum Erfolg führen konnten. Ich hab mich dann etwas in Rage gespielt, um es ihm zu zeigen; sehr welpenhaft, ich weiß. Irgendwann endete der Spieleabend und alle gingen nachhause, er auch.

Wir schliefen in der Nacht nebeneinander und sie kuschelte leicht mit mir. Morgens hatte sie die Teilnehmer des Spieleabends zum Frühstück geladen. Er war auch dabei. Ich habe ihn dann ab und an beobachtet, sie ebenfalls. Wieder gilt der Erhöhungsverdacht, aber ich müsste mich schon stark irren, wenn es nicht vor allem von seiner Seite permanente Musterungsblicke gab. Sobald sie aufstand, wanderten seine Augen richtung Po, einmal rutschte ihr Shirt hoch und man konnte den Ansatz ihres Slips sehen, den er ausgiebig studierte. Ähnliches gilt für sie.

Ich weiß nicht, ob ich schon mal derart eifersüchtig war. Meine Jugendliebe hat mich vor 13 Jahren ganz furchtbar mit einem gemeinsamen Bekannten betrogen, worauf ich lange sehr misstrausich war. Bis heute ist jedoch ne Menge passiert und wenn ich vertraue, dann vertraue ich. In dem Fall aber war ich ganz und gar argwöhnisch. Unsexy.
An dem Sonntag, das war mein letzter Tag bei ihr, hatte ich das starke Bedürfnis, sie für einige Minuten alleine sprechen und erleben zu können. Diesen Raum gab es nicht. Sobald ich mich in ihre Nähe setzte, wechselte sie nach einiger Zeit den Platz. Als dann der Exmitbewohner und fast alle anderen zum Pizzamachen in die Wohnnung gingen - wir waren überwiegend im großen Garten - fing sie an, den Schuppen auszuräumen, anstatt mir etwas Zuwendung zu schenken. Ich könne ja mithelfen, war ihre Aussage, als ich fragte, ob sie einen kurzen Moment habe.

Dann näherte sich meine Heimfahrt und ich musste zum Bahnhof gebracht werden. Für mich war selbstverständlich, dass sie es tut. Als ich sie fragte, reagierte sie patzig und genervt und meinte, ich könne doch auch die Überlandbusse nehmen (45 Min. Fahrt statt wie mit dem Auto 10). Sie hätte schließlich Besuch (nur ihre beste Freundin und der Ex-Mitb. waren noch da). Ich sagte, es gehöre sich so, dass sie mich fahre. Kurz darauf saßen wieder alle im Garten und ich verabschiedete mich. Sie schaute auf ihren Exmitbewohner, entschuldigte sich, dass sie nun für 20 Minuten weg sei und fragte mit kehliger Stimme, ob er denn noch da sein würde, wenn sie wieder käm. Ich hab den ganzen Tag Zeit, war seine Antwort, worauf gewisse Blicke ausgetauscht wurden.

Sie fuhr mich, aber wie. Ich hatte noch recht viel Zeit, bis mein Zug kam und hoffte, dass es endlich zu einem kurzen Gespräch käme, aber sie donnerte nur so die Straße entlang. Als der Bahnhof in Sichtweite war, fragte sie mich, ob ich nicht an der Ampel eben aussteigen könnte. Ich sagte, ich wolle mich vernünftig verabschieden und finde die Straßensitation für das auch nicht ungefährlich. Dann hielt sie einige Meter weiter im Absoluten Halteverbot und schmiss mich raus. Immerhin habe sie Besuch.

Ich bin derartig geprügelt zu den Bahngleisen und später in den Zug, in welchem ich den obigen Eingangstext formulierte, gekrochen, dass mich die anderen Passagiere als schwer krank wähnten.

Nun denn. Vorgestern wollte ich sie anrufen und ihr sagen, wie ich mich fühle. Mitteilen, was das alles in mir auslöst. Ich finde, dass darf ich nach allem tun. Sie hat mich aber abgewimmelt und meinte zu einer für sie ausgesprochen frühen Uhrzeit, sie würde schon im Bett liegen und chillen. Ist okay. Also vertagten wir auf gestern. Sie schrieb mir abends, dass sie nun Zeit hätte, ich war jedoch in einer bescheidenen Verfassung. Mir war weder nach Streiten, noch nach Auskotzen zumute und außerdem fiel mir ein, dass ich ihr im Dezember Karten für eine ganz tolle Akrobatikshow Ende April geschenkt hatte, die sehr teuer waren. Ich ging also wieder mit der Intention, eine harmonische, schöne Ebene zu erreichen, in dieses Gespräch. Doch als ich schon ihr genervtes Hallo.. in rauchiger, dürrer Stimme hörte und im weiteren Verlauf nichts als Desinteresse, Lakonie und Es schnell hinter sich bringen erfuhr, zerbarst diese Intention. Als ich die Tickets ansprach, meinte sie Ach kacke, da war ja noch diese Sache. Boar, ätzend. Ich kontrollierte meine Stimme mühevoll, während mir Tränen die Wange runterliefen und sagte, ich könnte das Ganze ja stornieren (kann ich nicht). Sie meinte, sie würde das schon mit mir machen, müsse halt einen Hundesitter finden. Ich sagte, ich hätte ihr das damals geschenkt, damit wir einen gemütlichen und aufregenden Abend zusammen verbringen, aber damals war ja eh alles noch anders. Wir ließen das so stehen und legten auf.

Es gibt die eine Stimme in mir, die ganz nüchtern und rational ausspricht: Sie liebt dich nicht mehr. Sie hat abgeschlossen. Diese Stimme war nach dem Gespräch so laut wie nie zuvor. Dummerweise tauchte ich dann in die schönen Erinnerungen mit ihr ein. Es ist einfach nur unfassbar, wie heftig ihre Liebe zu mir niedergebrannt wurde. Sie ist ein gänzlich anderer Mensch als vor einem Jahr. Und das habe ich nicht verdient. Ich weiß nicht, wie lange es weh tun wird. Und was für Essenzen ich aus dieser Erfahrung mitnehmen werde. Ich weiß nicht, ob ich mich nochmal so verlieben (können) werde. Und wann überhaupt ich wieder Freude empfinde. Jedenfalls tue ich mir das nicht mehr länger an. Nicht weil ich nicht will, sondern weil ich nicht mehr kann.

Danke fürs Lesen.

10.04.2019 08:21 • x 2 #8


DieSeherin
puh, was für ein drama!

auch, wenn ich vielleicht ein wenig die spaßbremse werde, aber für mein gefühl haben sich da zwei menschen getroffen, die emotionale tretminen sind - nur schmeißt du deine ganzen gefühle auf diese frau und ihre gefühle scheinen sich mehr um sie selbst zu drehen, als um eure beziehung.

insgesamt klingt das wirklich sehr ungesund, wie du ja schon selber gemerkt hast.

die frage, die du dir selber beantworten solltest ist, ob du tief in dir drin dieses drama als energielieferanten brauchst, oder ob du dich endlich von ihr löst, um mal wieder zu dir zu kommen, ruhe zu finden und nach vorne schauen zu können

10.04.2019 08:38 • x 3 #9


Rosa-91
Guten Morgen Mercurius,

also mir fallen in deinem Text einige Dinge auf, die ich gerne herausfiltern möchte.

Zitat:
Annäherungsbemühungen nicht abschmettert, auf die meisten Nachrichten reagiert, mich immer noch Schatz nennt, mir manchmal Kuss- und Hab dich Lieb-Botschaften schickt

Kein Wunder, dass du dir Hoffnung machst. Wenn es vorbei ist verhält man sich nicht so.

Zitat:
Ihr primäres Thema ist dieser Ex-Mitbewohner. Dieses massive Parteiergreifen...gewisse Blicke zuwerfen...

Sie scheint für ihn mehr Interesse zu haben, als für dich. Tut mir wirklich leid es so zu sagen.
Ich weiß, wie hart es ist und kann es mir kaum selbst eingestehen, dass mein Ex kein Interesse mehr an mir hat.

Zitat:
Jeder zweite Satz drehte sich um ihn. Schwärmereien, Staunen, Achtung, Bewunderungen.

Erst Recht als es vom ersten Moment an, in dem ich die Wohnung betrat, nur noch darum ging.

Sie schlug plötzlich vor, ich könne mich ja bei ihrem Exmitbewohner melden, der würde dann mit mir spazieren gehen....dass sie nicht viel auf der Arbeit zu tun hätte und demnächst wieder nachhause käme

Sie hatte alles mögliche in Bewegung gesetzt, nochmal ausgiebig Zeit mit ihm zu verbringen...

Sobald sie aufstand, wanderten seine Augen richtung Po, einmal rutschte ihr Shirt hoch und man konnte den Ansatz ihres Slips sehen, den er ausgiebig studierte. Ähnliches gilt für sie.

Sobald ich mich in ihre Nähe setzte, wechselte sie nach einiger Zeit den Platz.

Ich könne ja mithelfen, war ihre Aussage, als ich fragte, ob sie einen kurzen Moment habe.

Absolute No-Gos. Damit verletzt sie dich mit voller Wucht. Kannst du es ertragen bzw. aushalten? Willst du das?
Du scheinst gut genug zu sein um ihr zu helfen. Sie genießt die Aufmerksamkeit von dir.
Sei dir bitte mehr wert!

Zitat:
Als der Bahnhof in Sichtweite war, fragte sie mich, ob ich nicht an der Ampel eben aussteigen könnte. Ich sagte, ich wolle mich vernünftig verabschieden und finde die Straßensituation für das auch nicht ungefährlich. Dann hielt sie einige Meter weiter im Absoluten Halteverbot und schmiss mich raus. Immerhin habe sie Besuch.

Das schlägt dem Faß den Boden völlig aus. Kann es nicht glauben!

Zitat:
Als ich die Tickets ansprach, meinte sie . Ach kacke, da war ja noch diese Sache, Boar, ätzend.


DAS setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Bin echt geschockt über so viel Gefühlskälte.

Sei dir bitte wirklich mehr wert als dieses Theater. Sie behandelt dich wie einen Hund. Unter aller sau.
Lass es nicht zu, dass jemand überhaupt so mit dir umgeht. Sie weiß dich leider nicht zu schätzen.
Du scheinst ein wirklich gefühlvoller, wortgewandter, intelligenter Mann zu sein. Ich hoffe du findest eines Tages eine Frau, die dich zu schätzen weiß!

10.04.2019 08:54 • x 2 #10


P
Zitat von Mercurius:
Nicht weil ich nicht will, sondern weil ich nicht mehr kann.


Deine Art zu schreiben ist wirklich sehr liebevoll, empathisch und in einem schönen Stil.
Nur ist dies gerade total konträr zu deinen Gefühlen und es ist absolut nachvollziehbar, daß du mit deinen Kräften am Ende bist.
Schließlich hast du gegeben wie ein Verrückter, immer in der Hoffnung, dass deine Liebe ausreicht und sie erreichen und heilen mag. Auch wenn dein Verstand dir mitgeteilt hat, dass s i e weitere Hilfe braucht und du das nicht alleine stemmen kannst, hast du dennoch alles auf sie ausgerichtet, deine Gefühle, deine Hoffnungen, deine Verträge, dein Leben.
..und es kommt nichts adäquates zurück. Im Gegenteil.
Du bist ausgelaugt, kannst ihr nichts mehr geben, damit bist du für einen Süchtigen unbrauchbar geworden. Im Gegenteil, du wirst gerade mit deinen Forderungen zu einer Last. Andere Hilfe (oder Kraft-) quellen haben sich aufgetan für sie, sodass sie sich ablenken kann und gut genug fühlen kann ohne aus ihrer Situation aussteigen zu müssen. Da kannst du gar nichts machen, wenn sie nicht möchte.

Ich weiß, so ein Zustand kann einem das Herz heraus reißen. Man selber ist gezwungen hilflos zuzuschauen, wie ein geliebter Mensch ins Verderben rennt.

Lieber @Mercurius
du hast bei dieser ganzen Situation eines vergessen DICH.
Auch wenn du dich immer wieder irgendwo zurück gerudert hast und in gesunden Bereichen versucht hast aufzuhalten, hast du d i r keine Hilfe geholt, die d u dringend benötigt hättest um mit einem süchtigen Menschen richtig umzugehen ohne selber dabei kaputt zu gehen.

Hier wäre die Frage, wo D U jetzt, außer im Forum, Hilfe bekommen könntest. Denn du brauchst sowohl akute Unterstützung als auch den grundlegenden Check, warum du in so eine toxische Situation verhaftet bliebst.
Du hast wunderschön beschrieben, wie du da hinein geschlittert bist. Das Leben kann brutal ehrlich sein mit bestimmten Konstellationen, die einem die eigenen Mankos vor Augen führen, ob man will oder nicht.
Aber das erklärt nicht, warum du da drin geblieben bist. Das darfst du demnächst irgendwann anschauen, wenn du soweit bist.

Jetzt fühle dich erstmal verstanden, daß man als liebender Mensch wirklich alles tun und geben möchte, um dem anderen zu helfen. Diese Selbstlosigkeit ist ja unglaublich wichtig und besonders zwischen Menschen.
Nur leider gelten bei Süchtigen andere Regeln. Und diese Regeln gilt es zu lernen und auch anzuwenden, auch wenn es einem noch so schwer fällt.
Es sieht so aus, als müsstest du als - im Moment - letzten Liebesakt sie gehen lassen.


Edit
in deutlichen Worten zusammen gefasst ist dein anscheinender Altruismus in Wirklichkeit eine Co-Abhängigkeit.


Hier kommt eine virtuelle Umarmung für dich!

10.04.2019 09:15 • x 2 #11


M
Du solltest nun langsam die romantisch eingefärbte Sehnsuchtsbrille abnehmen. Ich verstehe Deinen Schmerz, nur, scheinst Du an eine Frau geraten zu sein, die Dir den Himmel bietet um Dich sogleich ins Feuer zu schicken. Ich bin mir relativ sicher, dass Du weder der erste bist, noch der letzte sein wirst, der so für sie empfindet. Sie macht das sicher nicht mit böser Absicht, aber die Zuwendung von Männern ist ihr Tank und sie wählt bestimmte Männer als Projekt, welches dann ihre ganze Aufmerksamkeit bekommt. Mit Liebe hat das leider nichts zu tun. Eine Weile bist Du solch ein Projekt gewesen, nun ist es ihr ExMitbewohner. Ich bin sicher, sie macht das nicht mit Absicht oder bewusst. Sie macht das, weil sie nicht anders kann und wohl auch nichts anderes kennt. Nach allem was Du beschrieben hast, braucht sie Männer um sich herum. Das hat einen Grund und dieser wird sie noch lange dieses Leben führen lassen.
Um Deinetwillen, löse Dich von ihr und schau auf Dich. Du bist verstrickt in etwas, was nicht gesund ist. Du solltest das aufarbeiten.

10.04.2019 09:34 • x 3 #12


A
Ich beteilige mich auch eher als Bremse denn als gerührt.
Deine Texte habe ich eher sachlich gelesen, ich konnte mich da nicht einfühlen.

Sie ist ja schon seziert, ihre Psyche und Unzulänglichkeit bis ins Atom zerlegt.
Sie steht also *beep* vor Dir und Du betrachtest sie aus einer Distanz heraus und Euch wie aus der Metaebene.

Was bleibt als Quintessenz?

Du siehst auf Euch herab, auf die Situationen welche Dich stark gekränkt haben, auf die Zeiten in denen sie Dir gut tat, auf die Gegenwart in der Du Dir sagst Ich will noch, doch kann nicht mehr, Du siehst Dich schon in der Zukunft in der Du in der Vergangenheit verhaftet bist.

Was siehst Du wenn Du runtersteigst und Dich Dir mal gegenüber setzt.
Dir die Frage stellst welche Entscheidung Du nun triffst.

An Informationen hast Du genug gesammelt für ein ganzes Buch.
Was tust Du damit?
Oder fehlt Dir noch eine Information?

Hast Du sie mal konkret gefragt oder konfrontiert mit dem was unter Deinem Lampenschirm brennt?

Auch wenn Du viele Worte verwendest und viele vermeidest, klingt doch Wut mit.

Kannst Du Dich selbst wütend ertragen?
Dich wütend sehen?
Aushalten, dass andere Dich wütend sehen?
Ohne Dir Männlichkeit abzusprechen - kannst Du raus aus der Anima - rein in den Animus wechseln und aus diesem Energiefeld heraus nochmals auf Eure Beziehung in den drei Zeitformen sehen?

Freundliche Grüße

10.04.2019 09:56 • x 2 #13


M
Ich werde das hier sich setzen lassen. Coabhängig bin ich mit Sicherheit. Und ich sehe wohl meine junge Mutter in ihr. Mehr bald.

Dankend
Mercurius

10.04.2019 10:05 • x 1 #14


G
Guten Tag,
nüchtern betrachtet hat sie Dich einfach überrollt..und als es ihr gefiel rollte sie weiter.......mit oder zu wem auch immer.
Ich lese sie als eine Frau die sich ihrer Wirkung bewußt ist, weiß was SIE will und sich nimmt was sie kriegen kann.Um ihrer eigenen Befriedigung willen.
Eine Beziehung auf Augenhöhe hat es nie gegeben, auch nicht wenn man den lyrisch-rosa Nebel noch so dicht über die *Sache* wabern lässt....
Vielleicht schlägt sie Dir ja demnächst vor das ihr zusammen eine WG aufmacht in der sie mit dem knackig-erotischen Seelenverwandten ein Zimmer teilt ( damit es nicht so teuer wird...) und Du für*s leibliche, finanzielle und sonstige Wohl weitersorgst....und gelegentlich den Hund ausführst....
Deine Entscheidung, wie DEIN Leben weitergehen soll.
Alles Gute Dir.

10.04.2019 10:18 • #15


A


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