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Allein, statt einsam

W
Bist du schonmal abends alleine an deinem Küchentisch gesessen und hast gegessen? Vielleicht etwas, das du dir davor selbst gekocht hast? Ein Glas Wein vor dir, eine Kerze angezündet?
Allein, ohne dich abzulenken. Ohne Smartphone neben dir, ohne Buch, ohne Laptop oder laufendem Fernseher im Hintergund?

Du, als dein einziger Gesprächspartner. Und hast du dich mit dir unterhalten? Nicht laut natürlich. Leise, in Gedanken.
Und warst du dir dessen bewusst und hast den Gedanken zugelassen, dass du da alleine sitzt und alleine isst und das Flackern der Kerze die einzige Bewegung im Raum ist und das Klappern deines Besteckes das einzige Geräusch?
Und war dir bewusst, dass du da alleine sitzt, ohne Backup von einem Partner, der nur heute keine Zeit hat und dich später noch anruft oder den du morgen wieder triffst?

Ich war mir dessen bewusst.
Aber davor habe ich versucht, die Illusion aufrecht zu erhalten, dass ich nicht alleine bin.
Ich habe vor dem Fernseher gegessen, neben mir das Handy. Habe belanglose Nachrichten geschrieben und belanglose Antworten erhalten, habe mich wie wild durch Foren geklickt, um nicht das Gefühl zu haben, der einzige Mensch zu Hause vor dem PC zu sein. Habe, egal wie kalt es draußen war, das Fenster aufgelassen, damit die Stimmen von draußen diese unerträgliche Stille übertönen.
Und all das hatte auch seine Berechtigung.
Aber ich habe mich trotzdem so einsam gefühlt. Einsam, nicht alleine.

Und da habe ich gemerkt, dass ich mich genau durch die Dinge, mit denen ich mein Alleinsein übertönen wollte, einsam war. Denn sie haben mir nur vorgegaukelt, nicht mehr allein zu sein.
Die Menschen im Fernsehen, die Bekannten, die Freunde. Und genauso der Ex, den ich in Gedanken heraufbeschworen habe, wenn ich mich in meiner Einsamkeit daran erinnert habe, wie schön es doch mit ihm gewesen wäre.
Akzeptieren ist besser, als zu Verleugnen. Akzeptieren heißt allein sein, verleugnen heißt einsam sein.

In dem Moment, wo ich diese Illusion versucht habe, aufrecht zu erhalten, war ich nicht bei mir. Ich war nicht alleine. Ich war da, zusammen mit diesen Illusionen und das hat mich einsam gemacht, weil ICH nicht da war.
In dem Moment, in dem ich da also bewusst alleine am Küchentisch saß und die Illusionen ausgesperrt habe, da war ich bei mir. Man kann auch zu zweit einsam sein.
Alleine ist man nur, wenn man sich selbst nicht sieht.

Das alleine essen, nur mit mir, das war gar nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte.
Es hat mich schließlich zu all diesen Gedanken geführt, die mich einen Schritt weiterkommen lassen in meiner Verarbeitung.
Hätte ich weiter vor der Glotze gelegen und auf mein Handy gestarrt, hätte ich weiter den Illusionen eine größere Gewichtung als mir selbst gegeben, so hätte ich ein wunderbares Gespräch verpasst. Mit mir.
Und ich bin gute Gesellschaft.
Man kann schließlich nicht mit jedem philosophieren.

Ich war also alleine. Aber nicht mehr einsam. Ich war da.

09.11.2015 22:24 • x 2 #1


W
Edit/Korrektur:
* Einsam ist man nur, wenn man sich selbst nicht sieht.

09.11.2015 22:35 • #2


A


Allein, statt einsam

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C
Wow sehr inspirierender Gedanke! Mir geht es auch wie dir mit dem Ablenken vom alleine sein...Doch so wie du hab ich das noch garnicht betrachtet das hat mir grade sehr weitergeholfen, danke dafür!
Wünsch dir alles Gute !
Liebe grüße

09.11.2015 22:41 • #3


W
Hallo Cecilia,

danke! Und es freut mich, dass du für dich etwas mitnehmen konntest aus meinen Gedanken.
Es kostet ein bisschen Überwindung und ist sicherlich noch nicht machbar, wenn man erst ein paar Tage getrennt ist. Aber wenn ein bisschen Zeit vergangen ist, dann schmeckt das Essen sogar
Ich wünsche Dir auch alles Gute!

Wintercrown

09.11.2015 22:46 • #4


M
danke, ich fand deine Gedanken auch hilfreich!

Mit den Illusionen hast du recht. Ich denke sehr viel über Illusionen nach.
Die Illusion unserer Liebe, die geplante Zukunft, die macht mich immer noch traurig, wenn ich daran denke. Es ist nicht das Alleinsein im Sinne von mein rechter rechter Platz ist frei, dass da jemand neben mir fehlt, dass da Gesellschaft fehlt, es ist diese Illusion von der gemeinsamen Zukunft, von der Nähe, dem Glück, dem Heil, Sicherheit, Geborgenheit... ein rundum-wunschlos-glücklich Gefühl, aus dem ich mit der Trennung gerissen wurde.
Ich habe mich mit mir alleine noch nie einsam gefühlt, nur allein. Allein sein ist nichts schlimmes. Ich will nur die positiven Gefühle für mich zurückerobern, und das ist schwer... Ich trete diesen Kampf auch zum ersten Mal in meinem Leben so richtig an, denn bisher gab es immer eine Liebe, auf die ich all diese Gefühle projezierte... Ich will all diese Gefühle *in mir* finden und *spürbar* machen.

Eine Gute Nacht...

09.11.2015 23:04 • x 1 #5


K
Was für ein toller text..

Als ich ihn jetzt gerade in der pause gelesen habe musste ich mir die tränen verkneifen

Mir fällt es nämlich unheimlich schwer 11 wochen nach der trennung auch nur einen nachmittag allein zu sein.. ich weiß nicht ob es gut ist wenn ich viel unter menschen gehe oder ob es besser wäre mich dem allein-sein ganz bewusst auszuliefern..

Wenn ich das tun würde..käme ich dann an einen punkt der sich irgendwann gut anfühlt? Ist das notwendig?

Irgendwie geht es mir jetzt sehr mies.. durch den Inhalt deines Textes..und ich weiß nicht so recht was mir meine Traurigkeit jetzt sagen will...

10.11.2015 12:46 • #6


Kora

Zitat von MalOhneScherz29:
danke, ich fand deine Gedanken auch hilfreich!
...
es ist diese Illusion von der gemeinsamen Zukunft, von der Nähe, dem Glück, dem Heil, Sicherheit, Geborgenheit... ein rundum-wunschlos-glücklich Gefühl, aus dem ich mit der Trennung gerissen wurde.
Ich habe mich mit mir alleine noch nie einsam gefühlt, nur allein. Allein sein ist nichts schlimmes. Ich will nur die positiven Gefühle für mich zurückerobern, und das ist schwer...
...
bisher gab es immer eine Liebe, auf die ich all diese Gefühle projezierte... Ich will all diese Gefühle *in mir* finden und *spürbar* machen.
...


Genau das ist es!
Dieses Heile Welt Gefühl in einem selbst entdecken...
Aber nicht nur durch ein einsames Diner beim Kerzenschein, ich glaube, das wäre nichts für mich...

Vielleicht sind wir da ja schon auf dem Weg hin, weil wir das wünschen und für uns finden wollen..!? Ich hoffe doch sehr..

10.11.2015 14:40 • #7


C
@kaempfer
Deine Trennung ist noch frisch , da ist es vollkommen normal dass man in einem Gefühlschaos steckt, mir ging es da nicht anders. Es ist in Ordnung wenn man jetzt eben eine Zeit lang traurig ist und nicht mehr weiter weiß. Aber nur wenn du diese Traurigkeit zulässt gibst du dir chance die Vergangenheit zu verarbeiten und somit weitermachen kannst. Mach das wonach der gerade ist, egal was!
Zb. : - neues Hobby zulegen
-sich etwas gönnen/Gutes tuen
-mit freunden ausgehen
-einem freund sein Herz ausschütten
- malen/ texte schreiben
- sich bei traurigen liedern ausheulen
Ich hoffe ich konnte dir helfen!
Glaub mir es wird (auch wenn es länger dauern kann..) alles wieder gut, versprochen! Kopf hoch
Wünsch dir alles Gute:)
Cecilia

10.11.2015 18:57 • x 1 #8


K
@ceciliax3,

danke für deine worte!

Auch wenn es dafür keine allgemein gültige antwort gibt.. aber was meinst du wie lange man nach einer 3jährigen beziehung trauern darf und sollte?

Ich meine damit das ich manchmal nicht weiß ob ich mir zu viel stress mache...oder aue der andren Seite noch zu sehr in der vergangenheit hänge.. ich habe da einen großen zwiespalt...

Viel kraft auch dir!

10.11.2015 21:41 • #9


W
Hallo an alle!

Danke erst mal fürs Lesen und für eure Kommentare!

@malohnescherz:
Zitat:
denn bisher gab es immer eine Liebe, auf die ich all diese Gefühle projezierte... Ich will all diese Gefühle *in mir* finden und *spürbar* machen.

Ja, ich denke genau darum geht es ja. Dass man eben nicht mehr auf andere projiziert sondern sich eben auf sich selbst besinnt. Natürlich trauert man der Vergangenheit hinterher und auch der Zukunft, die man sich so schön ausgemalt hat, die es aber in dieser Form, also mit diesem Partner nie geben wird. Ich denke, wenn man das Allein-Sein angenommen hat, dann lebt man nicht mehr in dieser Vergangenheit und/oder Zukunft, sondern im Hier und Jetzt.
Klar ist das alles leichter gesagt als getan und die wenigsten von uns wollen wohl für immer ohne Partner bleiben. Aber mir hat es zumindest sehr geholfen, diesen Zustand des Allein-Seins für mich einmal anzunehmen und zu sagen: Jetzt, in genau diesem Moment, bist du alleine. Und du kannst dich jetzt in Gedanken an Vergangenheit und Zukunft verlieren, um wieder eine Illusion aufrecht zu erhalten. Aber das bringt nichts. Ich will es schaffen, mich ohne Aussicht auf etwas Neues selbst anzunehmen und versuchen, mir selbst das zu geben, wa sich bisher von anderen gebraucht habe. Wie du so schön geschrieben hast: die Gefühle in mir finden und spürbar machen.

@kaempfer:

Zitat:
Mir fällt es nämlich unheimlich schwer 11 wochen nach der trennung auch nur einen nachmittag allein zu sein.. ich weiß nicht ob es gut ist wenn ich viel unter menschen gehe oder ob es besser wäre mich dem allein-sein ganz bewusst auszuliefern..

Wenn ich das tun würde..käme ich dann an einen punkt der sich irgendwann gut anfühlt? Ist das notwendig?

Ich sag dir was: 11 Wochen nach der Trennung hätte ich nie das schreiben und denken können, was ich da oben geschrieben habe. 11 Wochen nach der Trennung dachte ich, mein Leben ist vorbei, ernsthaft. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es jemals besser wird.
Jetzt ist es 1 Jahr her. Und ich kann auch noch nicht sagen, dass es jetzt perfekt ist. Aber es ist Welten besser als am Anfang. Und ich weiß, dass es noch besser wird.

Ich hätte mich 11 Wochen nach der Trennung nie und nimmer alleine in die Küche setzten und essen können ohne Ablenkung. Also, keine Sorge, dass du dich gerade so fühlst ist normal.
Für mich war es aber ein wichtiger Schritt zu spüren, dass ich das irgendwann annehmen konnte, mit dem Allein sein. Dass es ok war und dass es mir nicht das Herz zerrissen hat (und das hätte es bis vor ein paar Monaten noch!). Für mich war es ein ganz entscheidener Schritt in meiner Verarbeitung, dass ich das Alleinsein angenommen habe.

Die Tipps von Cecilia sind gut. Am Anfang hilft es einem aus dem Tief zu kommen, wenn man all diese Dinge tut, die sie dir aufgezählt hat. Und irgendwann kommt dann auch der Punkt, wo man ruhiger wird, wo die Verzweiflung nicht mehr allumfassend ist, wo man beginnt, sich selbst zu reflektieren und sich überlegt, was man aus dieser ätzenden Situation für sich rausziehen kann. Du wirst noch viel über dich selbst lernen. Bleib dran, es lohnt sich.

Tu das, was dir im Moment gut tut. Sei es unter Leute gehen, sei es bewusst allein zu sein. Meist merkt man von ganz alleine, wann was angebracht ist. Ich wünsch dir viel Kraft! Deinen Namen trägst du ja hoffentlich nicht umsonst

@Kora:

Zitat:
Dieses Heile Welt Gefühl in einem selbst entdecken...
Aber nicht nur durch ein einsames Diner beim Kerzenschein, ich glaube, das wäre nichts für mich...

Vielleicht sind wir da ja schon auf dem Weg hin, weil wir das wünschen und für uns finden wollen..!? Ich hoffe doch sehr...

Es muss natürlich kein Dinner bei Kerzenschein sein. Ich fand auch immer, ich bin nicht der Mensch für sowas. Aber als ich es dann gemacht hab, da hab ich gemerkt, dass es mir genau deshalb was gebracht hat. Weil ich sowas nämlich normalerweise nicht mache. Weil ich mir komisch dabei vorkommen würde. Weil ich mich ablenken wollte/musste. Vielleicht ist es für dich auch etwas anderes, das du normalerweise nicht alleine machen würdest und wo du aber merkst, dass es auch alleine gut oder zumindest ok sein kann. Vielleicht allein in ein Cafe gehen, eine Wanderung machen, in eine Ausstellung gehen etc.

Am Anfang haben mich diese Dinge unglaublich viel Überwindung gekostet. Ich dachte, ich kann nur ins Museum gehen, wenn zb eine Freundin mitgeht. Bis dann mal ein Wochenende lang niemand Zeit hatte und ich mir dachte: entweder du hockst jetzt zu Hause rum und machst nichts oder du machst etwas, was dir Spaß macht. Es ging mir soviel besser danach und ich war auch ein bisschen stolz auf mich

Ich wünsche euch allen eine gute Nacht.
Es wird besser!

10.11.2015 22:58 • #10


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