Zitat von Heidi12345: Hallo, zuerst einmal möchte ich dir mitteilen, dass ich von meiner Frau verlassen wurde. Ähnliche Worte: Die Liebe war weg, die Neue war nicht der Auslöser aber das i-Tüpfelchen usw. Wenn ich deines so lese, dann denke ich, dass es ihr mit mir ähnlich ging. Dass sie sich nicht mehr geliebt gefühlt hat von mir ...
Hallo,
ich habe großen Respekt davor und Bewunderung dafür, dass Du diese Krise für Dich nutzt, um an Dir zu arbeiten. Ich wünsche meinen Mann, dass er das auch kann, jedenfalls irgendwann.
Sehr lange hab ich immer gedacht, dass mein Mann perfekt ist. Dass er keine Fehler hat, immer alles richtig macht. Dass ich die Gestörte bin, die mit der seltsamen Familie, von der sie einen Schaden abbekommen hat, dass ich unzulänglich bin und froh sein kann, dass er mich genommen hab.
Heute weiß bzw kann erkennen, dass das so nicht ganz stimmt. Ich sehe, dass ich da ein Muster habe - meinen Vater hab ich auch immer als perfekt und unfehlbar angesehen. Und ich sehe, dass auch mein Mann sein Päckchen mitbringt, dass er keineswegs ohne Fehler oder perfekt ist - so wie wir alle. Allerdings habe ich bei ihm nie erlebt, dass er das reflektiert. Er spricht nicht über sein Innenleben, auch nicht über seine Kindheit oder wie er seine Eltern erlebt hat. Beispielhaft dafür ist auch, dass er sich nie für irgendetwas bei mir entschuldigt hat oder einen Fehler offen eingeräumt hat, und damit meine ich jetzt auch und vor allem Kleinigkeiten. Zum Beispiel wenn er mir versehentlich auf den Fuß getreten ist, oder irgendetwas verbockt/vergessen hat. Er konnte auch kein Mitgefühl zeigen, sei es, dass ich mir den Kopf an einer offenen Schranktür gestoßen oder dass ich mir mit dem Brotmesser ein Stück vom Finger abgesäbelt hab. Als mein Vater ganz plötzlich viel zu früh gestorben ist, hat er mich kein einziges Mal in den Arm genommen und getröstet, wenn ich um ihn geweint habe.
Gleichzeitig hat er mir oft das Gefühl gegeben, dass ich psychisch krank sei (seit ich nach dem Tod meines Vaters eine depressive Episode mit Panikattacken hatte), und auch jetzt bei der Trennung hat er mir das so gesagt und mir empfohlen, mir therapeutische Hilfe zu holen. Ich muss dazu sagen, dass es mir niemals so schlecht ging, dass ich auch nur einen einzigen Tag krank geschrieben war, ich hab damals mein Studium und die Prüfungen weiter planmäßig durchgezogen und mir völlig selbständig eine ambulante Therapie organisiert und die auch abgeschlossen. Und jetzt mit der Trennung hab ich zwar meine Höhen und Tiefen, besonders als ich diesen schrecklichen Liebeskummer hatte, aber depressiv bin ich gewiss nicht und ich hab auch nie wieder eine Panikattacke gehabt.
Und bevor mir jetzt wieder irgendjemand vorwirft, ich würde die Schuld nur bei meinem Mann suchen und meinen Anteil nicht sehen wollen: dem ist gewiss nicht so. Ich bin mir bewusst, dass ich meine Macken und Glaubenssätze habe, die mich und uns dahin geführt haben, wo wir heute stehen. Wir müssen immer alle schauen, wo wir herkommen, wie wir aufgewachsen sind, und da gibt es bei mir einiges, das ich ins Erwachsenenleben mitgeschleppt habe und von dem ich mich befreien muss. Auch ich begreife diese schwere Lebenskrise als Chance, mich nochmal weiterzuentwickeln, an mir zu arbeiten, alte Muster aufzubrechen, um dieselben Fehler nicht nochmal zu machen.
Zitat von Heidi12345: Ich vermisse sie nach wie vor, das dauert und vermutlich wird es deinem Mann ebenso gehen. Denn eigentlich ist von heute auf Morgen der Mensch, mit dem man sehr sehr lange alles geteilt hat wie tot. Ihr, die Verlasser, hattet euch darauf vorbereitet. Wie du schreibst hast du dich schon sehr sehr lange innerlich darauf vorbereitet. Das konnten oder haben wir als Verlassene eben nicht. Der sichere Hafen bricht von einem Tag auf den anderen weg. Die Frau, beste Freundin, Lebensgefährtin usw.
Naja. Wirklich darauf vorbereitet habe ich mich nicht. Ich habe den Gedanken ja immer wieder verdrängt und weggewischt. Bis wenige Monate vor der Trennung hatte ich immer wieder die Hoffnung, dass es schon wieder wird. Ich habe mir viele Dinge überhaupt nicht vorher überlegt, die Trennung war gefühlsbasiert, eine Bauchentscheidung. Ich habe nicht bedacht, dass ich meine Kinder an manchen Tagen gar nicht mehr um mich haben werde. Oder aus dem Haus würde ausziehen müssen. Unsere Katzen zurücklassen würde müssen.
Auch ich habe meinen sicheren Hafen, sogar mein Zuhause verloren, auch mir fehlt mein bester Freund. Mein gesamter Lebensentwurf liegt in Trümmern, ich habe meinen Kindern wehgetan und sie in ihren Grundfesten erschüttert, gemeinsame Freunde wenden sich (jedenfalls unbewusst) ab. Ich bereue meine Entscheidung deshalb nicht und würde, könnte auch mit diesem Wissen nicht anders entscheiden. Und ich will auch nicht jammern, ich habe es selbst so entschieden und trage die Konsequenzen. Aber es ist so, wie du sagst: es gibt immer zwei Seiten einer Medaille, und hier will ich gerne von meiner Seite erzählen.
Auch von mir für euch alles Gute!