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Dieser Weg war einfacher als ich dachte

K
Hallo zusammen,
Noch vor vier Wochen dachte ich, mein Leben ist vorbei. Genau wie ihr habe ich geweint, gelitten, zuviel geraucht und mich gehen lassen.
Mich hat die Insel der Freundschaft gerettet. Meine Gedanken dazu habe ich aufgeschrieben. Vielleicht machen sie dem einen oder anderen Mut und helfen über die schwere Zeit hinweg.
Schreiben ist für mich zum heilsamen Mittel geworden. Einfach die Gedanken fließen lassen.
Ich kann es nur jedem empfehlen.
Hoffe, die kurze Geschichte gefällt euch. Mir ging es nach dem Schreiben sofort besser.
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Wir lebten alle glücklich und zufrieden auf dieser Insel. Jeder hatte dort in seiner Hütte seinen Alltag zu bewältigen. Der einzige Platz, an dem wir immer zusammen fanden, war dieser bombastische Strand. Weißer Sand, Palmen, tropische Sonne und immer fand eine Party statt. Es war unser Club Tropicana

Eines Tages kamen einige von uns auf die wahnwitzige Idee, aufs Meer hinaus zu segeln. In einer entlegenen Bucht lag ein altes Segelschiff vor Anker. Wirklich seetüchtig schien es nicht mehr zu sein. Unsere Abenteuerlust war größer, als unsere Angst vor dem Untergang. Und so machten wir die Leinen los, hissten die Segel und stachen in See. Mein Mann, seine Freunde und ich. Die See war ruhig und wir setzten unsere Parties einfach auf dem Schiff fort. Ab und zu schossen wir ein paar Leuchtraketen ab, damit die Zurückgebliebenen auf der Insel wussten, dass es uns gut ging. Wir hatten uns längst aus den Augen verloren. Wir trieben auf dem offenen Meer weit weg vom sicheren Ufer. Noch nicht einmal die Umrisse der Insel konnten wir am Horizont ausmachen.

Auf See ist es nicht immer ruhig. Und eine leichte Brise kam auf. Die ersten wurden seekrank. Andere übernahmen deren Aufgaben an Bord. Die Wellen schlugen höher. Es war nass an Bord. Niemand hatte mehr trockene Sachen am Leib. Die Stimmung war unerträglich. Da lag man sich vor einigen Wochen noch johlend und sich zuprostend in den Armen. Jetzt bekämpfte man sich. Jeder gegen jeden.
Am Horizont baute sich ein Unwetter auf. Donner grollte, Blitze zuckten, es stürmte und die Wellen spielten ein fieses Spiel mit unserem Segelschiff. Die ersten gingen von Bord. Wir waren nicht bereit, einen Rettungsring hinterherzuwerfen. Wir waren zu sehr mit uns beschäftigt.
Das Unwetter kam. Schneller als erwartet. Wir waren trotzig und abenteuerlustig. Dieses kleine Stürmchen war doch ein Klacks für uns.
Das Schiff kenterte bei der ersten großen Welle. Binnen weniger Minuten war es untergegangen und hatte alle mit sich auf den Meeresboden gezogen.

Ich war ein Stück voraus geschwommen. Ich wollte nicht ertrinken. Uns so trieb ich ohne Orientierung in stürmischer See und drohte mangels Kraft doch eines Tages zu ertrinken.
Plötzlich trieb eine Rettungsboje auf mich zu. Sie war hell erleuchtet und drin war es trocken und warm. Du lächeltest mich an, öffnetest den Reißverschluss und hast mich ins Innere geschoben. Blöd, dass es nur eine Ein-Personen-Boje war.
Ich war erschöpft, kraftlos, müde. Und ich war so froh, im Inneren dieser Boje nichts von der tosenden See mitzubekommen.

Du bist während der ganzen Zeit um mich herum geschwommen. Bei Wind und Wetter. Hast mir Nahrung gebracht. Hast mir mit deinem Lächeln Mut zugesprochen. Ab und zu habe ich dich an den Rand der Boje gelassen. Damit du dich mal ausruhen konntest. Und in diesen Momenten redetest du von Liebe und all diesen Dingen, die ich kurz vorher auf stürmischer See verloren hatte. Zumindest dachte ich das. Das wollte ich nicht hören. Liebe. Das bedeutet doch, sich auf einem alten Segelschiff aufs offene Meer treiben zu lassen um dann im kleinsten Unwetter zu kentern. Mit meinen Füßen habe ich dich vom Rand weggetreten. Immer und immer wieder. Deine Erschöpfung habe ich nicht bemerkt. Ich war doch zu sehr mit meiner eigenen beschäftigt. Aber ich wusste, dass du immer um die Boje kreist. Aus eigener Kraft. Du hast gewartet und gehofft, dass ich eines Tages endlich eine Richtung vorgebe. Egal wohin. Nur weg von der offenen See.

Der Sommer ging vorbei. Und ich wollte noch einmal die Sonne am Horizont untergehen sehen. Ich öffnete die Boje. Und du triebst kraftlos vor mir im Wasser. Dein flehender Blick tat so weh. Am liebsten hätte ich dich in die Boje geholt. Doch du warst zu schwer und ich hatte keine Kraft. Außerdem wollte ich nicht wieder darüber reden, wie schön eine Reise auf so einem Segelschiff doch sein kann. Ich wollte plötzlich zurück auf diese Insel. Lange hab ich in deine traurigen, erschöpften Augen geblickt. Und ich sah darin meinen Egoismus und meine eigene Machtlosigkeit hinter deiner Wut und Enttäuschung.

Am Horizont erblickte ich die Umrisse der Insel. Land in Sicht. Ich sagte, dass wir gerettet sind. Es ist nicht weit. Das schaffen wir zusammen. Ich kramte nach den Paddeln und wollte los. Meine Kraft war zurückgekehrt. Doch du dachtest, ich will dir mit den Paddeln noch eines überziehen. Du packtest mich an den Füßen und zerrtest mich aus der Boje. Gut, dachte ich, dann geh du jetzt in die Boje und ich ziehe dich an Land. Aber du wolltest nur noch weg. Schwimm endlich! Hast du mir noch zugerufen und dann bist du auf die offene See gepaddelt. Du wolltest lieber eine Reise ins Ungewisse antreten, statt mit mir ans sichere Land zu gehen. Du wolltest einfach nicht mehr auf meine Insel.
Ich mobilisierte alles und schwamm dir hinterher. Doch es machte keinen Sinn. Du warst schon zu weit weg. Kurz ließ ich los. Ich sank immer tiefer. Und sah unter der Oberfläche die Haie, die unter Wasser deine Boje verfolgten und sie umkreisten. Bald würden sie dir ihre Flossen zeigen und wenn die Zeit gekommen war, dich mit Haut und Haaren zerfleischen.
Gegen riesige Haie hatte ich keine Chance. Und da du mich ja so gemein zurückgelassen hattest, war ich sauer. Komm doch klar mit diesen Haien. Ich schwimme zurück an Land. Mit letzter Kraft tauchte ich wieder auf und schwamm. Zügig. Denn ich wollte mein Ziel so schnell wie möglich erreichen. Denn dort wollte ich Ausschau halten nach einem Schiff, mit dem ich in See stechen wollte, um dich zu retten.

Die Umrisse der Insel wurden deutlicher und größer. Bald schon konnte ich die Palmen und den weißen Sand sehen. Meine Kraft ließ nach. Es war anstrengend, gegen die Strömung zu schwimmen. Mein Wille war stärker. Und so tauchte ich rhythmisch die Arme in die Fluten und vergaß das Atmen nicht. Die Insel kam näher, das Wasser wurde wärmer und hörte schon leise die Musik, die der sanfte Wind herüber trug.

Die Späher auf der Insel hatten alles beobachtet. In Windeseile bauten sie ein Floß. Sie waren sich nicht sicher, ob ich den Rückweg allein schaffen würde. Einige setzten sich auf das Floß und paddelten mir entgegen. Ich war so glücklich, als ich sie erblickte. Ich schwamm schneller und schneller und kurz vor der Insel trafen wir uns. Sie zogen mich auf das Floß, hüllten mich in warme Decken und gaben mir einen heißen Kaffee und eine Zig.. Ich blickte in deine Richtung. Die Haifischflossen waren schon deutlich zu erkennen. Was ist da? fragten mich die Inselbewohner.
Die Liebe. Sie konnte mich nicht retten und wird nun von Haien verfolgt.
Komm erstmal mit an Land und dann schauen wir, ob wir sie zurückholen können.

Alle waren da, als ich zum ersten Mal nach vielen Monaten wieder Boden unter den Füßen hatte. Sie stützten mich bei den ersten wackligen Schritten im heißen Sand. Ich erfuhr Geborgenheit und tiefen Respekt. Wie gerne hätte ich dieses berauschende Glücksgefühl mit der Liebe da draußen auf offener See geteilt.

Ich saß oft am Strand und blickte auf den Horizont. Ab und zu konnt ich die Lichter deiner Boje sehen. Du bist immer noch orientierungslos auf offener See in Richtung Unwetter gekreist. Da braute sich wieder etwas heftiges zusammen. Und wenn du nicht umkehrst, wird es dich verschlingen. Du bist auf unserer Insel herzlich Willkommen. Aber du musst aus eigener Kraft herkommen. Auf halbem Weg kommen wir dir mit dem Floß entgegen. Aber nur dann, wenn du auch die Richtung änderst. Und wenn du dich von diesen Haien befreist. Die wollen wir hier nicht haben. Noch nicht mal in der Suppe.

27.01.2014 11:31 • x 2 #1


F
Wow die Geschichte trifft glaube ich auf alle hierzu. Ich bin überwältigt. Du hast genau den Punkt getroffen. Sie gibt aber auch zum nachdenken.

Die Geschichte sollten die lesen die gegangen sind. Einige werden dann vielleicht wach gerüttelt.

27.01.2014 16:21 • #2


Traumtänzer
Wow sag ich nur. Ich bin so frei und speicher mir die Geschichte ab. Vielen Dank dafür .

27.01.2014 20:16 • #3




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