Fernbeziehung verletzt mich

D
Hallo,
Ich bin's nochmal mit einem Roman, sorry, aber auch das ist ein Problem, was mich schon lange beschäftigt und mich überfordert. Über Hilfe wäre ich sehr, sehr dankbar.

Ich bin seit Mai mit meinem Freund zusammen, und in den meisten Hinsichten bin ich glücklich mit ihm. Er ist verständnisvoll, humorvoll, ein guter Zuhörer und rücksichtsvoll und interessiert sich ehrlich für meine Sorgen etc.
Allerdings bin ich seine erste Freundin, wohl weil er in dieser Hinsicht recht schüchtern und auch ein eher ungewöhnlicher Mensch ist. Er ist schon 33 (ich bin 22).
Und bevor wir zusammenkamen, hat er mir mehrmals gesagt, dass er zwar manchmal darüber traurig ist, Single zu sein, aber auch die Unabhängigkeit mag. Ich hab ihm da ehrlich geantwortet, dass ich auch in Beziehungen Unabhängigkeit wichtig finde und nicht zu viel von zwanghaften Verpflichtungen halte.
Als er mir schließlich die Liebe gestanden hat (die ich erwidere), hat er danach erwähnt, dass diese Aussage von mir dazu beigetragen hat, dass er sich überhaupt erst getraut hat mir seine Gefühle zu gestehen.

So weit, so gut.
In den ersten Wochen der Beziehung hat er sich dann aber teils überhaupt nicht wie in einer Beziehung verhalten, es mit der Unabhängigkeit dann doch auch für meinen Geschmack extrem übertrieben. Es ist eine Fernbeziehung (wir leben ca. 1,5 Bahnstunden auseinander) und er meinte sinngemäß: Wie wäre es, wenn ich immer zu dir komme, wenn ich gerade sowieso in Düsseldorf bin? Bin ja hier auch öfters wegen unserer Rollenspiele [wir sind gemeinsam in einer Rollenspielgruppe]. Dann würden wir uns regelmäßig alle paar Wochen sehen und würden uns die Bahnfahrten sparen.
Ich hab dann vorsichtig nachgehakt, ob die Bahnfahrten denn so teuer für ihn sind - woraufhin er meinte, dass er zwar ein VRS-Ticket hat, aber die Verspätungen der Deutschen Bahn ja immer so lästig wären und es doch praktisch wäre, unsere Treffen mit den Rollenspielen zu verbinden.
Ich habe das geschluckt, obwohl es mich verletzt hat, aber ich wollte nicht aufdringlich sein und ihn zu etwas zwingen. Er hat dann noch gefragt Oh, ist das dir zu selten?, aber ich habe verneint, um ihn nicht unter Druck zu setzen.

Regelmäßig gechattet haben wir zumindest, auch wenn er z.B. (was mich irritiert hatte) zwischendurch mal für zwei Tage nicht online war und die Erklärung dann nur sinngemäß war Ich bin gerade so in diesem neuen Computerspiel versunken, normalerweise zocke ich selten, aber dieses Spiel begeistert mich. Aber keine Sorge, in paar Tagen lässt das nach und dann bin ich auch wieder oft online. Ich hoffe, es kam nicht blöd rüber, dass ich nicht on war?
Eine Woche nach dem Liebesgeständnis haben wir uns wiedergesehen, allerdings nur bei einer Feier mit unseren gemeinsamen Freunden, danach musste er wieder nachhause, weil es wochentags war. Ich hatte während der Feier einen Spaziergang vorgeschlagen, um etwas Zeit zu zweit zu haben. Er wollte dann aber erst noch dies und das machen und hat dann beim Spaziergang immer wieder unsicher gefragt: Wollen wir zurückgehen? Ich möchte nicht, dass unsere Freunde nachher denken, wir würden sie vernachlässigen, weil wir jetzt zusammen sind .

Bei unserem ersten richtigen Date (einem gemeinsamen Wochenende drei Wochen nach dem Liebesgeständnis) ist er dann wegen irgendwelchen nebensächlichen, nicht dringenden Belanglosigkeiten (es ging um irgendwelche Aufbackbrötchen für den nächsten Morgen, obwohl er noch anderes Frühstück hatte) drei Stunden früher gegangen als er eigentlich musste, was mich auch verwirrt hat. Ich habe ihm gesagt Es kommt irgendwie merkwürdig rüber, dass du nur wegen der Brötchen früher gehen willst. Er hat mein Problem nicht verstanden, hat aber kompromisshalber gesagt Weißt du, ich nehme eine Bahn später, dann ist es zwar nicht 100% sicher, dass ich die Brötchen noch vor Ladenschluss bekomme, aber wahrscheinlich.

In der Woche nach diesem ersten richtigen Treffen fingen wir dann an, zusätzlich zum Chatten regelmäßig, bald schon fast täglich zu telefonieren. Das ging zwar ursprünglich von mir aus, er hatte aber auch schnell viel Freude daran - wir hatten viele tolle Gespräche, sowohl witzige als auch tiefsinnige, unterhaltsame als auch sehr persönliche, und das hat in ihm merklich etwas verändert. Er fing innerhalb kurzer Zeit an, viel anhänglicher zu werden und das hält bis heute gleichbleibend an. Später hat er mir gestanden, dass er in den ersten Beziehungswochen unsicher war, was genau er wollte, weil das alles noch so neu für ihn war. Er hat es zwar nicht so ausgesprochen, aber ich vermute, dass seine Vorstellung anfangs mehr in Richtung Freundschaft Plus ging (ohne dass er es selbst so genannt häte) und er sich erst im Laufe der Wochen auch stärker emotional an mich gebunden hat.
Aber jetzt ist er wie gesagt viel anhänglicher, ungefähr seit knappen drei Monaten. Er hat mich inzwischen seiner ganzen Familie vorgestellt, mir oft gesagt, dass er hofft, dass unsere Beziehung sehr, sehr lange hält, zeigt mir immer wieder, wie er mich liebt; hat mir mehrmals aufgezählt, was er an mir alles charakterlich toll findet.
Inzwischen treffen wir uns auch längst unabhängig von Rollenspielrunden und sehen uns im Durchschnitt alle zwei Wochen. Telefonieren tun wir noch immer fast täglich und selten kürzer als 30 Minuten.

ABER:
Er scheint mich immer noch weniger zu vermissen als ich ihn umgekehrt und mein Vermissen nicht wirklich ernst zu nehmen.
Wenn es mal zwei, drei Tage nicht klappt, dass wir länger telefonieren, vermisse ich ihn schon etwas. Das weiß er und hat mich trotzdem nur ein paarmal und dann immer auch nur kurz angerufen, als er letztens eine Woche im Urlaub war und ich nicht dabei sein konnte. Dabei gilt seine Flatrate auch aus dem Ausland.
Ich habe vorsichtig nachgehakt, ob er sich unter Druck gesetzt fühlt, weil mir das Telefonieren so wichtig ist. Er meinte sinngemäß. Nein, unter Druck gesetzt fühle ich mich ehrlich nicht. Ich finde es ja schön, dass du so gerne mit mir redest. Ich rede genauso gerne mit dir, nur vermisse ich irgendwie grundsätzlich nicht so schnell. Ich hoffe, das nimmst du nicht persönlich, es hat nämlich nichts mit dir zu tun. Ich bin wohl irgendwie ein komischer Einzelgänger.
Okay. Es hat bei ihm also nichts mit Unbehagen oder so zu tun und die Angst, nicht unabhängig genug zu sein hat mein Freund inzwischen also überwunden. Trotzdem hält er es nicht für nötig, mehr Rücksicht darauf zu nehmen, dass ich ihn vermisse?
Wichtig: Eher einzelgängerisch veranlagt bin ich auch, weshalb mir Fernbeziehungen lieber sind, es wäre auch mir zu viel, meinen Freund 3mal die Woche oder so zu treffen. Auch das ist schon eher ungewöhnlich, aber er ist da nochmal extremer als ich.

Dann kam es auch schon paarmal vor, dass ein Treffen nicht stattfinden konnte, weil mein Freund zu viel mit Vorbereitungen für die Arbeit zu tun hatte. Das ist ja natürlich verständlich. Aber stattdessen hat er Zeit, in den Tagen vor dem eigentlich geplanten Treffen stundenlange private Zeichnungen zu zeichnen (er ist Hobbykünstler)? Das hat mich auch irritiert.
Ich hab ihn mal vorsichtig (nicht vorwurfsvoll) deshalb gefragt und er meinte nur, dass es ihm schon wichtig ist, seine Arbeit so aufzuteilen, dass auch immer etwas Zeit für seine Hobbys bleibt. Das verstehe ich ja, ich bin auch künstlerisch aktiv, aber etwas verletzend ist es, dass ihm das wichtiger ist als das Treffen mit mir.

Ich bin nicht übermäßig was das Vermissen angeht, solange wir regelmäßig telefonieren. Die üblichen zwei Wochen Pause zwischen den Treffen sind okay für mich, ohne dass ich ihn groß vermisse (wie gesagt, ich bin auch eher einzelgängerisch drauf), aber wenn mal ein Treffen ausfällt und der Zeitraum länger wird beginne ich schon ihn zu vermissen. Nicht extrem oder so, dass es mir die Tage ohne ihn verderben würde, aber dennoch. Er weiß, dass das
bei mir normalerweise also eher gemäßigt ist, aber ich hab ihm auch mal anvertraut:
Wenn ich sehr depressive Tage habe, vermisse ich dich aber irgendwie manchmal total und werde noch trauriger.
Ich hoffe, dass es klappt, dass wir uns dieses Wochenende treffen.
Er meinte: Ich kann wegen der Arbeit nicht versprechen, dass es klappt
Aber wenn du dich mal schlecht fühlst und mich vermisst, kannst du mich jederzeit anrufen und ich versuche, für dich da zu sein.
Ich: Danke.
Er: Das ist doch klar, wofür sind Freunde da.
Er ist einfühlsam, wofür ich wirklich dankbar bin, sieht es aber auch anscheinend nicht als seine Aufgabe in einer Beziehung, so regelmäßige Treffen einzurichten, dass es die Depressionen der Freundin NICHT eventuell noch zusätzlich belastet.
Er ist wie gesagt wirklich toll für mich da, wenn ich Probleme habe, und bemüht sich merklich ein verständnisvoller, guter Freund zu sein. Aber in dieser Hinsicht gehen unsere Meinungen wohl auseinander, was Aufgaben in einer Beziehung angeht.

Es kam auch schon paarmal auch vor, dass er noch ein paar Stündchen Arbeit erledigen musste, während wir uns getroffen haben. Währenddessen konnten wir zwar größtenteils auch reden (Multitasking eben), es war aber trotzdem nervig und hätte er es gewollt, hätte er die Arbeiten bestimmt auch vorher erledigen können. Darauf hab ich ihn angesprochen und er sagte: Du hast Priorität. Wenn es dich total nervt und mal wirklich gar nicht mehr geht, sag bitte Bescheid. Ich möchte dich nicht traurig machen oder so. Aber ich finde, wir können da schon ein bisschen Kompromiss eingehen.

Oft schreibt er auch zwischendurch mal kürzere Hobby-Dinge am PC (vor allem auf seiner Kunstseite), während wir uns treffen. Das stört mich so erstmal nicht, ich bin ja nicht kleinlich (ich rede hier von vielleicht insgesamt 40 Minuten am Tag). Aber wenn wir z.B. noch einen Spaziergang machen wollen, bevor wir seine Schwester besuchen, und es dann deshalb nur ein kurzer wird ist das schon ärgerlich. Er nimmt das wohl aber nicht so wahr, sagt zwar mal floskelhaft Sorry, ich bin schlimm, ich bin gleich fertig, scheint sein Verhalten aber irgendwie ganz normal und nicht unhöflich zu finden.

Dazu muss man sagen, dass mein Freund ansonsten sehr zuvorkommend ist und bei gemeinsamen Aktivitäten und Tagesplanungen IMMER auf meine Wünsche Rücksicht nimmt und sich erkundigt.
Das ist bei ihm ehrliche Freundlichkeit, nicht schleimig oder so, und er ist eigentlich manchmal fast schon übertrieben rücksichtsvoll und regt sich über Unhöflichkeit/Egoismus anderer sehr auf, selbst wenn sie nicht gegen ihn gerichtet ist. Er ist auch ein wahrer Gentleman, der mir immer seine Jacke anbietet, meine Taschen trägt, früher aufsteht um Frühstück zu machen, während er mich noch schlafen lässt. (Was alles wirklich gar nicht sein müsste.)

Aber er scheint einfach nicht zu begreifen, dass man in einer Fernbeziehung, in der man sich nur ca. alle vierzehn Tage sieht, die Treffen wirklich für die Freundin freihalten sollte. 33 Jahre Single-Leben haben ihn wahrscheinlich einfach etwas einzelgängerisch/starrsinnig oder wie man es auch ausdrücken mag gemacht, aber es verletzt mich immer wieder.

Sorry für den Roman und ein großes DANKE an dich, wenn du wirklich bis hier gelesen und mir so lange zugehört hast. Eine außenstehende Meinung zu der Angelegenheit würde mir sehr, sehr helfen. Meine Frage ganz konkret:
Ich bin ansonsten immer offen zu meinem Freund, aber in dem Fall kann ich nicht mit ihm über dieses Problem reden. Der Grund:
Es würde das Problem in jedem Fall verschlimmern, über meine Gefühle zu reden. Denn es gibt zwei Möglichkeiten, wie er reagieren könnte:

1.) Er reagiert stur und möchte sich nicht ändern, dann bringt es nicht und das Thema steht in Zukunft unangenehm zwischen uns.

2.) Er ist bereit sich zu ändern, wenn er erfährt, dass sein Verhalten nicht nur bewirkt dass ich ihn vermisse (das weiß er ja schon), sondern mich auch darüber hinaus verletzt. Dann zwingt er sich aber nur zu Treffen, Anrufen etc., um mich nicht zu verletzen / verärgern / verlieren - und es kommt nicht von Herzen. Ich möchte nicht, dass er unter einem solchen Zwang steht. Aufmerksamkeit, von der ich weiß, dass sie erzwungen ist, wäre mir alles andere als angenehm.

Also bleibt mir eigentlich nur übrig, sein Verhalten zu akzeptieren und zu lernen, damit umzugehen, es mir nicht mehr nahe gehen zu lassen. Vielleicht hilft es da auch, es mir hier ein bisschen von der Seele zu reden.

Fändet ihr es schlimm, wenn ich versuchen würde, diesen Weg zu gehe? Findet ihr, ich habe dann zu wenig Stolz oder lasse mir zu viel gefallen? Da wäre ich für eine Meinung total dankbar.
(Ich weiß ja nicht, wie ihr das Verhalten meines Freundes empfindet. Also als wirklich schlimm/unfair oder als einen Wesenszug, den man schon akzeptieren kann, wenn man nichts erzwingen möchte.)


Vielen Dank schonmal für jede Antwort!
Duaba

13.09.2017 16:39 • #1


Kuraina
Hm.
Was soll man dir da sagen?
Also, das ist jetzt ganz und gar nicht böse gemeint, aber hat dein Freund psychisch vielleicht ein Problem, dass er so gar nicht emphatisch zu sein scheint? So liest sich das jedenfalls, auch, dass er mit 33 noch keine ernstzunehmende Beziehung hatte.

Du schreibst von Depressionen - Depression ist eine Krankheit und nicht zu vergleichen mit einem 'bad mood day' daher die Frage, ob du da einfach nur das falsche Wort gewählt hast.

Die Frage danach was man sich gefallen lassen muss, kann dir niemand beantworten. Meine ehrliche Einschätzung ohne euch zu kennen - nein, das musst du nicht hinnehmen.Du stellst deine eigenen Bedürfnisse extrem zurück und bist unglücklich. Das ist nicht Sinn einer Beziehung, insbesondere wenn man erst so frisch verliebt ist und eigentlich noch auf Wolke 7 schwebe sollte.

Und ja, ich würde ihn darauf ansprechen. Vorsichtig verpackt, nicht als Vorwurf (also nicht Du hast nie Zeit für mich!, sondern eben freundlich Ich würde gerne mehr Zeit mit dir verbringen. Es hat mich verletzt als x.).
Die klassischen Tipps für Streit halt

Und - du hast immer eine Wahl. Auch, ob du lernen MÖCHTEST, das zu akzeptieren. Denn das bedeutet, dass du immer wirst zurückstecken müssen. Und dann, nach 3, 5, 10 Jahren, kannst du dich nicht hinstellen und ihm an den Kopf knallen, dass dich das schon immer gestört hat, zumindest ist es dann mit einem klärenden Gespräch nicht mehr getan.
Liebe bedeutet Kompromissbereitschaft - aber das ist nun mal keine Einbahnstraße.
Und auch, wenn das so gerne suggeriert wird in Filmen und Romanen... ich persönlich glaube, dass nur Liebe für eine glückliche Partnerschaft nicht reicht.
Sich selbst und seine Bedürfnisse für den Partner immer zurückstellen, das ist keine Liebe. Man muss sich auch selbst lieben und achten, um auf Dauer glücklich zu sein.

13.09.2017 17:06 • #2


L
Über kurz oder Lang solltet ihr eine Lösung finden mit dem Entfernungsproblem.

13.09.2017 17:22 • #3




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