29

Hoffnungslos nach ungeglückten Beziehungen Narzissmus

B
@YsaTyto Danke für deine lieben Worte.

Ich denke, dass du die Situation ziemlich richtig einschätzt. Genau das ist es:

Zitat von YsaTyto:
wenn ich mich nur gaaanz doll anstrenge, oder- wenn ich nur die Richtige wäre, oder- wenn ich nicht minderwertig wäre, dann würde er bei mir mehr Initiative zeigen, liebevoller sein.


Das ist wohl aus der Zeit mit meinem narzisstischen Ex entstanden, der mir immer wieder das Gefühl gab, minderwertig zu sein und ich dachte, dass ich nur das und das tun muss, damit er sich endlich für mich und gegen andere entscheidet.
In dem jetzigen Fall ist es so, dass er durchaus seine netten Seiten hatte, sonst wäre es auch nicht so weit gekommen. Ich glaube das Körperliche hatte eine enorme Auswirkung auf mich, weil er in diesen Momenten sehr zärtlich war. Für mich ist es schwer zu begreifen, dass Menschen solche Intimitäten für banal halten; mich vor jemandem buchstäblich *beep* zu machen ist ein großer Schritt, der mit Vertrauen einhergeht. Man kann sich verletzlich zeigen, mit all seinen Makeln. Ich weiß, dass sowas für viele keine große Sache ist, aber das trifft leider nicht auf mich zu... Gerade weil ich ihm bei unserer letzten Begegnung meine Sorgen und Ängste anvertraut habe, fühlt es sich an, als hätte er mich irgendwie hintergangen, weil er - obwohl sehr einfühlsam in diesem Moment - dennoch einfach abgehauen ist. Diese Ignoranz empfinde ich als richtigen Schlag ins Gesicht. In jedem Fall hätte es niemals so weit kommen dürfen, weil das offenbar ein Mensch ist, der unreif und prinzipienlos ist und ich mal wieder versucht habe, denjenigen von mir zu überzeugen und ihn zu retten. Ohman.

19.01.2020 12:19 • x 1 #16


T
Sei mal nicht so streng mit dir. Ist alles ein Prozess und Spätfolgen nach einer solchen Beziehung sind leider nicht auszuschließen.

Merke, deine eigenen Werte und Gedanken sind deine, der andere muss das nicht gleichfalls fühlen. Diese Übertragung geschieht, weil wir nur unsere Perspektive haben. Aber man kann davon ausgehen, dass der andere eben so handelt, wie er handelt, weil er anders, denkt, fühlt und bewertet.

19.01.2020 12:49 • #17


A


Hoffnungslos nach ungeglückten Beziehungen Narzissmus

x 3


B
Zitat:
Sei mal nicht so streng mit dir

Es ist gut, das von außen nochmal gespiegelt zu bekommen. Auch meine Therapeutin weist mich immer wieder darauf hin - das Gefühl, unbedingt fehlerfrei funktionieren zu müssen, sitzt tief. Besonders Nahestehenden gegenüber habe ich manchmal die Angst, dass sie mich für verrückt halten und sich von mir abwenden könnten - was bisher nicht passiert ist. Ich spreche auch offen über meine Sorgen, damit sie verstehen, warum es mir manchmal nicht so gut geht. Gleichzeitig spiele ich das oft herunter und will sie damit nicht belasten. Unter anderem ist das glaube ich der Grund, warum dieser genannte Schlag ins Gesicht so schwer wiegt, weil es die Angst, eine Belastung für andere zu sein, schürt.

19.01.2020 15:40 • x 1 #18


T
Ja, es gibt Menschen, die mit bestimmten Belastungssituationen anderer nicht umgehen können. Ich hatte zwei Personen, die in der schlimmsten Phase nahezu bedingungslos für mich da waren. Dafür bin ich sehr dankbar, bin mir jedoch bewusst, wie grenzwertig es insbesondere für meine Mama gewesen sein muss.

Es gab jedoch auch Menschen, die mit mir nicht umzugehen wussten, andere die mir den Rücken zugekehrt haben, welche, die mir bewusst sagten, dass sie das nicht handeln können und andere die es zeigten, oder beides.

Anfänglich war das sehr schlimm für mich, mittlerweile habe ich damit meinen Frieden geschlossen, wie mit weiteren Verhaltensweisen. Das bedeutet für mich ein großer Teil an Heilung. Anderen ihre Grenzen zu lassen und ihnen zu verzeihen, aber auch selbst Grenzen zu setzen.

19.01.2020 15:59 • #19


B
Das klingt sehr weise und zeigt, wie wichtig Akzeptanz allgemein im Leben ist - ich befürchte, dass das sogar die schwierigste Aufgabe ist.

Man sagt ja immer, dass gerade Grenzsituationen zeigen, wer die wahren Freunde sind (gut, wenn es sogar mehr als eine Person ist). Das ist zwar oft eine schmerzhafte Erkenntnis, allerdings kann man auch dankbar sein, dadurch die Spreu vom Weizen trennen zu können. Umso wichtiger, dann den Fokus auf die positiven Aspekte zu legen und nicht so sehr über die Enttäuschung und den Verlust nachzudenken. Wenn du sagst, dass vor allem deine Mutter für dich da war, ist das aus meiner Sicht die wichtigste Stütze - mit keinem anderen Menschen hat man so eine Verbindung, und wenn meine Mama nicht hinter mir stehen würde, wäre alles auch noch viel viel schlimmer.

Es klingt immer traurig, wenn man sagt, dass man sich im Grunde auf niemanden verlassen kann - ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das so unterschreiben würde...

19.01.2020 16:40 • #20


T
Ich sehe es nicht mehr so schwarz weiß. Wie gesagt, sich selbst verzeihen und anderen, ist jedoch ein Prozess. Der kann äußert befreiend sein. Zudem muss jeder selbst entscheiden, wie sehr er für andere da sein kann, möchte. Evtl. Ist es dir schon mal passiert, dass du für jemand anderen da warst und nicht gemerkt hast, wie dich das an deine Grenzen bringt und dir Energie raubt. Da ist keiner schuld dran, es ist einfach nur ein stetiger Prozess des Auslotens von eigenen Grenzen, Grenzen anderer. Das ist absolut mein Thema, weil ich erhebliche Schwierigkeiten damit in der Vergangenheit hatte. Es ist ein verwirrender Prozess für mich.

19.01.2020 17:17 • #21


B
Jetzt, wo ich darüber nachdenke, ist es mir auf jeden Fall mit meiner besten Freundin so gegangen. Es hat sich wie eine Trennung angefühlt, weil ich einerseits diese Dynamik nicht mehr ertragen habe, ihre persönlichen Probleme, das sich-im-Kreis-drehen. Gleichzeitig habe ich sie unglaublich vermisst und mich sehr gesorgt. Wir haben nach zwei Jahren Pause wieder seichten Kontakt, was schön ist, vor allem weil es ihr deutlich besser geht. Vielleicht sind es auch manchmal Phasen, in denen man nicht zueinander passt. Ich hoffe, dass dieser Prozess sich für dich trotz Verwirrung wie ein lohnenswerter anfühlt. Die eigenen Grenzen in Freundschaften zu kennen kann auch in anderen Situationen weiterhelfen. Vor allem lernt man sich selbst dabei gut kennen.

19.01.2020 17:33 • x 1 #22


Y
@Berlinerin91

Zitat:
Gerade weil ich ihm bei unserer letzten Begegnung meine Sorgen und Ängste anvertraut habe, fühlt es sich an, als hätte er mich irgendwie hintergangen, weil er - obwohl sehr einfühlsam in diesem Moment - dennoch einfach abgehauen ist. Diese Ignoranz empfinde ich als richtigen Schlag ins Gesicht.


als ich Deinen Text las und dann an diese Stelle kam, in der Du das beschreibst, dachte ich etwas wie: waaas?! Diesem Mann vertraut sie sich an?! Gerade ihm erzählt sie von den schmerzlichen Erfahrungen mit dem Ex?
Keine Unterstellung oder Diagnose, aber ich dachte: Autsch, sie erzählt einem Narzissten von ihrem Leiden an einem anderen Narzissten.
Damit will ich sagen, dass meinem Eindruck nach schon vor diesem Erlebnis absolut deutlich war, dass dieser Mann Dir nicht gut tut. Und gerade ihm hast Du Dich geöffnet.
Ich würde einfach sagen: absolut falsche Wahl.

19.01.2020 21:37 • #23


B
Zitat:
Autsch, sie erzählt einem Narzissten von ihrem Leiden an einem anderen Narzissten.

Darüber habe ich natürlich auch schon nachgedacht, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass es sich hier nicht um einen Narzissten handelt, sondern eher Egozentriker oder was ähnlich anstrengendes, möchte das gar nicht pathologisieren. Dafür war er viel zu verunsichert in meiner Gegenwart und tatsächlich sensibel. Ich hatte das Gefühl, dass er versucht mich zu beeindrucken aber gleichzeitig signalisiert, dass er intellektuell nicht wirklich mit mir mithalten kann; beim letzten Mal hat er gemerkt, dass ich sehr nachdenklich bin und gefragt, was mich beschäftigt und mir Mut gemacht, was mich selbst überrascht hat. Ich wollte vor allem selbst diese Mauer des Selbstschutzes einbrechen und nicht mehr unnahbar bzw. locker wirken, sondern offen über meine Gedanken und Empfindungen sprechen, weil ich das in der Vergangenheit kaum getan habe. Er war einigermaßen erstaunt, dass ich solche Selbstzweifel hatte und auch gesagt, dass ich unerschütterlich wirke und er nicht gedacht hätte, dass ich solche Selbstwertprobleme habe. Man muss dazu sagen, dass das alles in einer gewissen Situation war, in der der Austausch von Initmitäten meinerseits nicht funktioniert hat. Er meinte aber, dass ich aufhören soll, mir Druck zu machen und er es schön findet, auch einfach neben mir zu schlafen. Ich glaube, dass genau das mich berührt hat.

20.01.2020 14:22 • #24


B
Hey ihr Lieben,
vielleicht liest das hier ja noch jemand - aber es tut möglicherweise auch einfach gut, es runterzuschreiben. Vorhin war ich mit meiner Mutter ein wenig bummeln und bin da der (vermutlich noch) Freundin des Mannes begegnet, um den es in diesem Thread geht.
Ich war erstmal ein wenig aufgewühlt, weil ich sie auch noch nie in natura gesehen habe und ich natürlich sehr neugierig war. Ziemlich direkt wurde aber meine Stimmung schrecklich, weil mir bewusst geworden ist, dass sie sicherlich noch zusammen sind (eig. wohnen beide, meines Wissens, in einer anderen Stadt und sind nur zu Besuch hier; es war auch die Gegend, in der er aufgewachsen ist). Es hat sich wie eine erneute Ablehnung angefühlt und Bestätigung, dass ich es nie schaffen werde, eine Partnerschaft einzugehen. Ich war so neidisch, dass sie etwas teilen kann, ein Sechsualleben hat, etc. Genau wissen kann ich das natürlich nicht, aber das Kopfkino war immens. Am schlimmsten ist dieser unnötige Vergleich, der überhaupt nichts bringt. Ich bin jetzt wieder etwas zurückgeworfen und möchte, dass das einfach weggeht...

05.03.2020 20:49 • #25


C
Oh je, blöde Begegnung. Das sind immer sehr scheußliche Gedanken und dann Gefühle (in der Reihenfolge, also achte auf deine Gedanken und was du für wahr hältst).
Ich glaube, es gibt aber wenig Grund, sie, ihn oder sie beide als Paar zu beneiden. Sie wird von ihm hintergangen, vielleicht fühlt sie sich unbegehrt; er trägt auch sein Päckchen Weltschmerz und unsichere Bindungserfahrung und dürfte sein eigenes Handeln und seine Getriebenheit verabscheuen, wenn er denn mal über sich nachdenkt.
Er kann dir ja wohl auch nicht das Wasser reichen in mancherlei Hinsicht.

Ich würde jetzt mal nicht so viel drüber nachdenken, ob du wieder jemanden findest. Das wäre vielleicht zum jetzigen Zeitpunkt sogar kontraproduktiv, weil du dich wieder angezogen fühlen würdest von Männern, die dich nicht lieben, sondern deine Qualitäten für ihre Selbsterhöhungsbedürfnisse nutzen wollen -- und du würdest wieder nicht verstehen, was da abgeht. Weil ein Moment der Zärtlichkeit dich glauben lässt, dass das Gegenüber tiefe Gefühle hegt. Ich spreche da aus Erfahrung. Manchmal werden einem Dinge erst nach Jahren klar, wenn auch der letzte Rest Verklärung gewichen ist.

05.03.2020 22:24 • x 2 #26


B
Danke für deine klugen Worte Carlaa.
Du hast vollkommen recht und das doofe ist ja, dass man das alles eigentlich auch weiß, es aber irgendwie etwas anderes ist, wenn einem das nochmal von außen gespiegelt wird.
Zitat von Carlaa:
Sie wird von ihm hintergangen

Da habe ich mich im nachhinein nochmal gefragt, ob es wirklich schon ein hintergehen ist, wenn er mir bei whatsapp Komplimente macht und mir schreibt - ohne wirklich zu signalisieren, dass er eine Freundin hat o.ä.
In jedem Fall ist dieses idealisieren ein großes Problem für mich, weil ich mich automatisch schlechter damit mache. Es fällt mir schwer, den Glauben an die Liebe - so pathetisch es auch klingt - nicht zu verlieren. Ich hatte neulich ein Tinder-Date, das eigentlich ganz nett war, der mich direkt am nächsten Tag wiedersehen wollte aber: keine Nachricht, keine Antwort auf meine Rückfragen mehr danach. Diese Respektlosigkeit macht mich sprach- und mutlos. Deswegen sind Begegnegungen, wie diese von heute, irgendwie noch schmerzhafter.

05.03.2020 22:43 • #27


Nachtlicht
Liebe Berlinerin91,

ich glaube, es ist ganz gut dass du hierher gefunden hast, um dir ein bisschen den Rücken stärken zu lassen. Du liest dich wie jemand der sich selbst durchaus gut reflektieren und an sich arbeiten kann - was bedeutet, dass du noch sehr viel für dich selbst erreichen kannst, um dich so aufzustellen, dass du anfängst Gutes und Schönes in dein Leben zu ziehen. Auch im Hinblick auf Beziehungen.

Einige hier haben dir schon sehr wertvolle Gedanken mit auf den Weg gegeben. Ich empfehle dir, diese Beiträge ruhig mehrmals zu lesen und sacken zu lassen, vielleicht auch mit deiner Therapeutin zu besprechen.

Eltern und Freunde sind wichtige Begleiter in der Not, aber in Beziehungsfragen manchmal nicht die besten Ratgeber, weil sie einem einfach zu nahe stehen. Da sind Einschätzungen von mehr oder weniger neutralen Fremden manchmal tatsächlich hilfreicher.

Was mir auffiel beim Lesen deiner Geschichte ist, dass du mehrfach wichtige Warnhinweise (sogenannte rote Flaggen) übergangen hast, obwohl du sie durchaus bemerkt hast:

Zitat von Berlinerin91:
Dieser Mann war sehr engagiert und machte einen seriösen Eindruck auf mich, wobei dieser sich nach dem ersten Treffen (Mai 2017) geändert hat. Ich hatte das Gefühl, dass er zu sehr an mir interessiert war, obwohl dieses Treffen recht kurz ausgefallen ist, weil er es in der Nacht erzwungen hat (...) und ich abgelehnt habe, ihn mit zu mir zu nehmen.


Dein zunächst guter Eindruck hatte sich beim ersten Treffen geändert, er hat sich ein Treffen erzwungen. Da hab ich gestutzt: Wer versucht mich zu einem Treffen zu nötigen, den treffe ich garantiert nicht. Wenn man dich dazu zwingen kann, stimmt etwas Wichtiges nicht mit deinen Grenzen oder deiner Fähigkeit, Grenzen zu setzen. Diese Baustelle zieht sich wie ein roter Faden durch deine weitere Geschichte:

Zitat von Berlinerin91:
Eigentlich wollte ich das abhaken, weil er mir zu anhänglich wurde, (...), aber zum zweiten Treffen sollte es erst viele Monate später kommen


... weil er eine andere hatte und auf dich zurückgriff, als es mit der nicht klappte. Liebe Berlinerin91, es ist nie eine gute Idee, sich selbst zu einer zweiten Wahl zu machen. Besser wäre es gewesen, bei deiner ursprünglichen Entscheidung zu bleiben, die ja auch einen guten Grund hatte: er war dir zu anhänglich, und dir kam das zu recht merkwürdig vor.

Zitat von Berlinerin91:
... relativ spät am Abend bei ihm war, meine Übernachtung dort erzwingen musste und er mich am nächsten Morgen mehr oder weniger rausschmiss, weil er im Home-Office arbeiten musste. Danach ging es mir unglaublich schlecht


Erneut haben deine Systeme nach dieser schlechten Erfahrung Alarm geschlagen. Offensichtlich funktioniert bei dir also einiges richtig! Die Frage bleibt, warum du selbst nach diesem eindeutigen Erlebnis und deiner erneuten Feststellung, dass diese Verbindung dir nicht gut tut ...

Zitat von Berlinerin91:
Ich bestätigte dies und habe ihm offen gesagt, dass ich nach diesem Rausschmiss sehr verletzt war und ich nicht weiß, was er jetzt eigentlich von mir will.


... du dich ihm hier erneut passiv überlässt. Es spielt keine Rolle, was er (noch oder wieder) von dir will. Er hat sich bereits zweimal disqualifiziert, und obwohl du das weißt und spürst, ignorierst du es erneut und gibst dieser Sache erneut die Chance, dich zu verletzen. Warum? Weil er halt nochmal ankommt und du immer noch nicht glauben willst, dass er auf menschlicher Ebene nichts taugt.

Jemand hier schrieb, dass dein Bericht Elemente von Selbstverletztendem Verhalten zeige, und das sehe ich definitiv genauso. Als ich das Folgende las, wollte ich dich am liebsten in den Arm nehmen und dir das gefährliche Werkzeug aus der Hand nehmen:

Zitat von Berlinerin91:
wir hatten eine schöne Nacht, in der er mir das Gefühl gab für mich da zu sein, weil wir offen über alles sprachen und ich mich überwunden habe ihm zu sagen, dass ich eine sehr selbstzerstörerische Beziehung hinter mir habe und sich daraus starke Selbstzweifel entwickelt haben.


Liebe Berlinerin91, ich persönlich denke, dies ist ein häufiger, aber auch oft fataler Denkfehler von Frauen, vor allem von jungen Frauen (ich hab das auch hinter mir). Du denkst, mit so einer Offenbarung geht einher, dass das Gegenüber besonders rücksichtsvoll sein wird. Aber das stimmt nicht. Das Verhalten deines Gegenübers steht und fällt mit dessen Gefühlen für dich, nicht mit dem Wissen über deine Verletzbarkeit. Im Gegenteil - für die meisten Männer dürfte es eher eine Bürde sein, mit so einer Verletzbarkeit konfrontiert zu werden, es kann abschrecken und Druck ausüben. Im schlimmsten Fall gerätst du an jemanden, der dieses Wissen gezielt gegen dich anwendet.

In keinem Fall aber ist es eine gute Idee, im Rahmen eines Kennenlernens einem Menschen, den man noch nicht gut kennt, auf so eine Weise eine viel zu große Verantwortung für das eigene Wohlergehen aufzuerlegen. Da hattest du schlichtweg zu große Erwartungen an ihn, die zudem, wie du eigentlich aus eurer Vorgeschichte hättest wissen können, kaum Aussicht auf Erfüllung hatten.

Zitat von Berlinerin91:
Ich war völlig fertig und konnte das nicht begreifen, weil er mir während der Treffen das Gefühl einer Verbundenheit gab. Es sah so aus, als wäre er regelrecht vor mir geflüchtet, was ich als Bindungsangst interpretierte.


Und prompt bekommst du die schmerzhafte Quittung. Nein, dieser Mann ist wahrscheinlich nicht bindungsängstlich. Er wollte sich schlichtweg nicht an dich binden. Monatelange Sendepause, dann mal wieder ranpirschen, späte spontane Treffen - so verhält sich kein Mann, der sich verliebt hat und eine Beziehung zu seiner Herzdame aufbauen möchte. Er hat einfach nicht genug Gefühle für dich. Und du ja, wenn du mal ehrlich bist, eigentlich auch nicht für ihn. Es ging dir, so liest du dich zumindest, mehr um die Chance auf eine Beziehung als um die tatsächliche Person, die du eigentlich kaum kanntest, wie du hier sehr schön formulierst:

Zitat von Berlinerin91:
Im Grunde passt dieser Mensch also überhaupt nicht zu mir. Ich war geblendet von seinen wenigen, liebevollen Gesten und sehne mich nach Nähe, Anerkennung, wie jeder Mensch.


Liebe Berlinerin91, ich denke dieser Mann hatte von Anfang an nur se*uelles Interesse an dir. Das hat er auch sehr deutlich gezeigt, durch sein von dir hier beschriebenes Handeln. Du hast das auch gemerkt, aber nicht auf deine Wahrnehmung gehört sondern deine eigenen Warnsignale konsequent und mehrfach ignoriert. Du hast dich aufgrund deiner Sehnsucht nach Liebe einem unpassenden Partner überlassen, ihm noch die ungeschützte Kehle gezeigt (dich ihm als schwach offenbart und unterworfen) und kaust jetzt daran, dass er dich so behandelt hat, wie er es tat, weil er es mit dir tun konnte.

Das klingt bestimmt gerade sehr hart für dich, aber bitte sei versichert, dass ich nur versuchen möchte dir aufzuzeigen welche Dynamiken ich da zu sehen glaube und ich denke, dass es dir wirklich helfen wird, wenn du sie dir auch anschaust. Auf keinen Fall möchte ich dich verletzen oder dir irgendeine Schuld suggerieren, aber wenn man aus solchen Mustern nicht ausbricht, wiederholen sie sich immer wieder, daher ist es so wichtig sie zu erkennen.

Weiters: Ich habe den Eindruck, dass du bisher noch nicht gelernt hast worauf man bei einem Menschen achten sollte, wenn man ihn als potentiellen Partner in Betracht zieht. Woher sollst du das auch wissen, wenn du bisher nur ungeglückte Beziehungen hattest - und den Unterschied nicht aus eigenem Erleben kennst?

Mein Rat wäre daher, neben der dir bereits empfohlenen Arbeit am Selbst, dich ganz grundlegend mit dem Thema Männer und Frauen zu befassen - lies ein paar Dating-Ratgeber, schau dir die Coaches auf YouTube an, lies in den Strängen hier über die Regeln der Anziehung und lerne, das Verhalten der Männer besser zu deuten und vor allem, es stets mit deinen eigenen Wünschen und Bedürfnissen abzugleichen. Im Grunde musst du lernen, geeignete von ungeeigneten potentiellen Partnern zu unterscheiden. Dazu musst du dich vor allem mit deinen Wünschen und Bedürfnissen auseinander setzen. Wie soll dein idealer Partner sein? Was zeichnet ihn aus? Welche Eigenschaften sind unverzichtbar für dich, welche eher zweitrangig? Welche sind Ausschlusskriterien, welche tolerabel? Mach dir ruhig mal eine Liste - so lernst du auch sehr viel über dich selbst.

Hier wurde dir geraten, erstmal Abstand von der Partnersuche zu nehmen um dich selbst zu finden. Ich halte das für einen guten Rat, aber falls du dennoch weiter daten möchtest, solltest du das vielleicht mit einem anderen Ziel tun: nämlich nicht, so schnell wie möglich den Nächsten zu finden, sondern so viel wie möglich über Männer zu lernen und vor allem auch, über deinen eigenen Umgang mit ihnen. Triff viele, ohne Absichten, probiere dich aus, mach deine Erfahrungen. Lerne, deine Grenzen zu erkennen und sie bewusst abzustecken.

Zitat von Berlinerin91:
Es hat sich wie eine erneute Ablehnung angefühlt und Bestätigung, dass ich es nie schaffen werde, eine Partnerschaft einzugehen.


Liebe Berlinerin91, lass dir von einer alten Schachtel sagen, dass du noch jung bist und viel Schönes auf dich wartet. Leben ist Lernen und eines Tages schaust du zurück auf alte schlechte Erfahrungen und bist dankbar für die wertvollen Lektionen die sie dir gebracht haben, weil sie dir bessere neue Erfahrungen ermöglicht haben.

06.03.2020 01:16 • x 2 #28


B
Liebes Nachtlicht,

gestern war ich viel unterwegs und habe nun Zeit gehabt, deinen Eintrag zu lesen, über den ich mich wirklich gefreut habe. Deine Worte sind überhaupt nicht hart, sondern sehr ehrlich und hilfreich - deswegen bin ich so dankbar, dass es solche Foren gibt, in denen man Trost und andere Perspektiven bekommen kann.
Zitat von Nachtlicht:
Liebe Berlinerin91, es ist nie eine gute Idee, sich selbst zu einer zweiten Wahl zu machen. Besser wäre es gewesen, bei deiner ursprünglichen Entscheidung zu bleiben, die ja auch einen guten Grund hatte: er war dir zu anhänglich, und dir kam das zu recht merkwürdig vor.

Ja! Dieser Fall hat mir auch nochmal gezeigt, dass man weniger auf andere und eher sein Bachgefühl hören sollte. Ich weiß nicht, ob es so weit gekommen wäre, hätte ich das Thema nicht so mit anderen besprochen - aber im Nachhinein bringt es auch nichts, darüber nachzudenken.
Zitat von Nachtlicht:
du dich ihm hier erneut passiv überlässt.

Das Wort passiv hast du treffend ausgesucht. Obwohl ich an sich ein eher anpackender Typ bin und Konflikte nicht scheue, hatte ich hier zu große Verlustängste.
Zitat von Nachtlicht:
Du denkst, mit so einer Offenbarung geht einher, dass das Gegenüber besonders rücksichtsvoll sein wird. Aber das stimmt nicht.

Dieser ganze Absatz, auch die Erwartungen betreffend, fasst es für mich ganz gut zusammen. Ich glaube, dass ich vielmehr über die Tatsache, dass Menschen so anders als man selbst agieren verletzt und erstaunt war, weil ich nach meinem eigenen Maßstab gemessen habe; bzw., dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, dass jemand dieselbe Situation so anders empfindet, als ich. Diese Lektion habe ich nun auf schmerzhafte Weise lernen dürfen.
Zitat von Nachtlicht:
Er hat einfach nicht genug Gefühle für dich. Und du ja, wenn du mal ehrlich bist, eigentlich auch nicht für ihn.

Das finde ich so absurd an der Sache. Die Tatsache, dass ER mich abgelehnt und mir quasi zuvorgekommen ist, lässt mein Ego nicht ruhen, weil ich dann denke dass er ja froh sein kann, jmd. wie mich zu haben. Da spricht wohl mein narzisstischer Anteil aus mir.
Zitat von Nachtlicht:
sondern deine eigenen Warnsignale konsequent und mehrfach ignoriert

Genau. Ich dachte immer, dass ich einfach nur dieses und jenes tun muss, um das zu bekommen, was ich mir wünsche - als ob das ein Projekt wäre. Viel mehr ging es mir darum, das bisherige Programm in einer völlig falschen Art und Weise zu beenden, indem ich es endlich schaffe, jmd. von mir zu überzeugen, anstatt sich selbst zu verändern und die richtigen Personen in mein Leben zu lassen.
Zitat von Nachtlicht:
Wie soll dein idealer Partner sein? Was zeichnet ihn aus?

Gute Frage. Eigentlich habe ich ziemlich genaue Vorstellungen und bin selbst erschüttert, dass ich so einen Mann anziehend fand, obwohl so vieles nicht gepasst hat. Aber ich weiß auch, dass hier mein Unterbewusstsein überhand nahm und schlicht ein Gefühl des Angenommen-werdens erreichen wollte. Ich muss auch zugeben, dass wohl sein gesellschaftlicher Status eine Rolle für mich gespielt hat, weil ich selbst Arbeiterkind mit Migrationshintergrund bin und meine akademische Laufbahn alleine mit Depressionen und Jobs bewältigen musste (auch, wenn meine Eltern mich wahnsinnig gut unterstützt haben blieb das Gefühl, mehr leisten zu müssen, als andere). Er hingegen kommt aus einer sehr wohlhabenden Familie mit allen Privilegien, die man sich vorstellen kann. Weil ich selbst ursprünglich aus einer anderen Stadt komme und er quasi Einheimischer ist, hatte ich die romantische Vorstellung, Teil seiner Familie und Welt zu werden, um mich in meiner Wahlheimat angekommen zu fühlen.
Zitat von Nachtlicht:
Liebe Berlinerin91, lass dir von einer alten Schachtel sagen, dass du noch jung bist und viel Schönes auf dich wartet.

Dieser Satz hat mich berührt und mir Hoffnung gegeben, so simpel, wie er ist. Also danke, dass du dir die Zeit genommen hast und so passende Worte gefunden hast. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende

07.03.2020 14:33 • #29


B
Liebes Forum,

vielleicht liest das hier ja noch jemand - ich habe nun seit ziemlich genau einem Jahr nichts mehr geschrieben, allerdings ist in der Zwischenzeit einiges passiert, das ich nun doch loswerden möchte. Obwohl ich - denke ich - alles mit dem Kopf verstehe, braucht es vielleicht noch eine Rückmeldung von außen, die mich in meiner Entscheidung stützt.

Mit dem Mann (J.), um den es in diesem Thread geht, hatte ich im vergangenen Sommer zufälligerweise wieder Kontakt. Ich hatte bei Tinder mit einem Typen geschrieben, der - so abwegig, wie es ist - ein Freund von ihm war, was ich nicht wusste; der Verflossene hat das mitbekommen und mich angeschrieben. Der besagte Kontakt zog sich schließlich über insgesamt drei Monate hin: allerdings (das nehme ich vorweg) ohne ein Treffen.

Er war direkt erpicht auf ein Treffen, was ich anfangs abwehrte. Ich dachte bis zu diesem Zeitpunkt, dass er noch in einer Beziehung ist, was ich ihn auch relativ bald gefragt habe - er verneinte. Jedoch fragte ich vorher den besagten Tindertypen (der nach diesem Zufall zu einem freundschaftlichen Gespräch übergegangen ist), der meinte, das bei J. alles todeskompliziert sei - ich wurde also stutzig, habe aber nicht weiter nachgehakt, weil ich sehen wollte, wohin sich der Kontakt mit J. entwickelt.

Er hat sich sofort zu Beginn für sein rücksichtsloses Verhalten entschuldigt, Reue gezeigt, mir gesagt, was ich für eine großartige Frau sei. Alles, was ich damals als verletztend empfand, hat er von sich aus angesprochen und als Fehler eingestanden. Er sagte, dass er damals in einer schlechten Phase gewesen sei, alle negativen Gefühle auf sein Umfeld projizierte und es zwischen uns sicherlich anders abgelaufen wäre, hätten wir zu dem Zeitpunkt in einer Stadt gelebt. Ich war natürlich sehr geschmeichelt, aber immer noch misstrauisch. Immer wieder wollte er sich treffen, was ich aus Angst hinausgezögert habe, weil ich mich sicherer fühlen wollte.

Irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich nun bereit wäre - da haben wir dann ausgemacht, dass wir uns nach seinem einwöchigen Urlaub sehen. Er hatte mich davor nach Buchempfehlungen gefragt, mir erzählt, was er dort alles vorhat - jedoch nicht erwähnt, mit wem er fährt. Irgendwann hatte ich den Gedanken, dass er ja möglicherweise mit vermuteter noch-Freundin weg ist - die, die ich auch schon in diesem Thread erwähnt habe. Auch, wenn er beteuert hat, Single zu sein, erschien mir das durchaus wahrscheinlich - was meine Mutter zB total absurd fand. Obwohl ich mir schwor, nicht bei Insta zu gucken (habe nur einen fake-account, über den ich mit niemandem verbunden bin) habe ich es nicht ausgehalten und gesehen, dass besagte Freundin tatsächlich ein Bild von ihm gepostet hat. Ich war fassungslos.
Weil ich meine Stalkingergebnisse nicht zugeben wollte, wartete ich erstmal ab. Er meldete sich zum Ende seines Urlaubs mit einem Zitat aus dem Buch, das ich ihm empfohlen hatte, worauf ich nur einsilbig antwortete und das Gespräch auslaufen ließ.

Er ließ nicht locker und schrieb eine Woche später, worauf ich wieder nicht reagierte und er schließlich nach einer Woche fragte, ob bei mir alles okay sei. Um es an dieser Stelle abzukürzen: Er fragte, ob ich mit ihm zusammenziehen will (what?!), plante schon eifrig die Zukunft (Kinder, warum auch nicht? lol), was ich befremdlich fand, weil wir uns ja noch nicht gesehen haben. Und er ja mit dieser Frau im Urlaub war?! Irgendwann fragte ich, ob er alleine wohnt, um auf den Zahn zu fühlen, was er mit ja klar beantwortete. Ich war verwirrt und wusste nicht mehr, was ich glauben soll. Ich wollte all diese Fragen bei einem Treffen klären bzw. schauen, wie sich dessen Planung gestaltet, um daraus Rückschlüsse zu ziehen.

Allerdings haben wir uns viel über uns und unsere tiefsten Gedanken ausgetauscht, Ängste, all sowas. Ich habe emotional wieder Anschluss gefunden.

Als es schließlich soweit war, dass wir uns treffen wollten, hatte ich das Gefühl, dass er zurückhaltend wurde, weil er keine klaren Ansagen gemacht hat - zB wollte er mich VOR einem Fußballspiel sehen, was ich ablehnte und sagte, dass ich gerne mehr Zeit mit ihm hätte und daher ein Treffen nach dem Spiel vorgeschlug. Er eierte rum, meinte, dass er dann sicherlich ein paar Biere drinhätte und er sich nicht so gut damit fühlen würde. Total dumm - dann beherrsch dich halt?! Wir verblieben ergebnislos aber hatten ausgemacht, nochmal zu schreiben; spontan (was mich wieder provozierte - nach so vielen Wochen nur spontan Zeit zu haben). Als der angepeilte Tag näherrückte und er sich nicht meldete, zog ich alle Register und schrieb ihm, dass ich das Interesse verloren habe, weil meine Intuition mir sagt, dass es da etwas gibt, was ich wissen sollte, er aber verschweigt; alles fühle sich diffus und widersprüchlich für mich an und wenn er mir dieses Gefühl nicht erklären kann, ich den Kontakt abbrechen möchte. Keine Antwort.

Einen Monat später sah ich dann, dass er bei Whatsapp auf einmal ein Profilbild mit dieser Freundin drinhatte (vorher hatte er gar keines, wir hatten eigentlich auch nur über Telegram Kontakt, wo er sein altes drinließ). Meine Wut kannte keine Grenzen mehr, ich fühlte mich komplett verarscht und schickte eine letzte, vorwurfsvolle Nachricht, in der ich durchscheinen ließ, dass ich über seine zweigleisige Strategie bescheid wüsste. Es tat gut, seine Gedanken und Gefühle auf diese Weise herauszulassen. Ich blockierte ihn direkt, das war Ende November.

Erst hatte es sich gut angefühlt, dann jedoch überkam mich wieder große Trauer: Darüber, dass mein Vertrauen an das Gute wieder enttäuscht wurde und mein Misstrauen gerechtfertigt war. Ich hatte auf eine positive Wendung gehofft und ärgerte mich im nachhinein über meine Naivität. Ich denke, dass er nach wie vor mit dieser Frau zusammen ist - kurzzeitig hatte ich überlegt, sie zu kontaktieren, ließ es dann aber sein. Diese Lügen sind für mich schwer zu verstehen, vor allem, weil er sich vorher so viel entschuldigt hat und er wusste, wie verletztend all das für mich war. Ich fühle mich benutzt, hatte ihm innerlich eine Chance gegeben, obwohl ich allem Anschein nach nur ein Egopush war. Wieso ist so jemand dennoch in einer Beziehung?

Mein Winter war geprägt von vielen Rückschlägen, ich musste alles alleine aushalten, musste funktionieren - schließlich fiel ich wieder in ein depressives Loch, aus dem ich mich immer noch herauskämpfen muss.

Der Eintrag ist wieder sehr lang geworden - aber das runterzuschreiben, tat trotzdem gut. Vielleicht mag jemand etwas dazu sagen, ich würde mich freuen. Euch einen schönen Mittwoch und danke an alle, die bis hierher gelesen haben.

10.03.2021 21:42 • x 1 #30


A


x 4




Ähnliche Themen

Hits

Antworten

Letzter Beitrag