Lieber reini,
vielleicht verdränge ich auch viel. Es gibt ein ständiges Auf und Ab und ich trauere nach wie vor um diesen Mann.
Aber eins weiß ich ganz sicher, dass es mir besser geht, seit dem ich nicht mehr hoffe. Ich lasse ihn los und zwar auch im guten Sinn. Wahrscheinlich hat ihn auch die Fernbeziehung in ein solches Tief gebracht. Bestimmt geht es ihm jetzt besser. Sicher wollte er mir nicht schaden und ganz sicher nicht meinem Kind. Aber dieses Kind liebe ich noch viel mehr als alles andere und er braucht mich und zwar als Mama, die mit beiden Beinen auf dem Boden steht.
Als er mich verlassen hatte kurz vor Nikolaus, musste ich trotzdem funktionieren. Mit meinem Sohn die Stiefel putzen und mit Süßem füllen, ein Weihnachtsfest ausrichten, obwohl ich wirklich dachte ich schaffe es nicht. Musste die Starke spielen, weil auch meine Eltern ihn so sehr mochten und ihn vermissen. Ich konnte mir nicht leisten nicht zu funktionieren. Oft denke ich, hoffentlich verdrängst Du das alles nicht und dann kommt es mit wucht.
Aber ich merke langsam eine innere Ruhe. Der Schmerz ist noch da, aber dumpf und nicht mehr erstechend und atemraubend. Ich kann seit einer Woche ohne Schlafmittel schlafen und versuche meine Lebensbalance wieder zu finden. Die Schritte sind klein, aber ich merke, dass die Schritte sicher sind.
Ich habe zwei Scheidungen hinter mir und so manche andere Trennung. Aber diese war die körperlich und seelisch schwierigste. Ich hatte so viel Hoffnung, dass es diesmal passt. Aber ich werde daran nicht zugrunde gehen.
Ganz sicher bin ich noch lange nicht über dem Berg. Das wäre auch viel zu schnell, aber ich finde meine innere Mitte und mein Kopf schafft es auch mal nicht daran zu denken. Einfach mal nicht an den Kummer denken. Auch etwas anders wahr nehmen. Sich über Musik freuen und wenn auch nur ein wenig. Nicht sich fast übergeben müssen, wenn im Radio eines unserer Lieder kommt. Und diese Lieder auszuhalten, ganz bewust.
Mein Sohn hilft mir natürlich auch mich abzulenken. Wie alle Mütter und Väter mir sicher zustimmen, ist es aber auch schwierig, nicht vor dem Kind zusammen zu brechen und sich seine Trauer aufzuheben, bis der Kleine im Bett ist.
Aber ich will mich auch ganz bewust aus meiner Trauer rausziehen. Das nächste Jahr wird schwierig. Ich muss irgendwie alle Feiertage, Geburtstage und Urlaub etc. alleine erleben und mir klar machen, letztes Jahr war er noch dabei. Das kennen alle, man erlebt das Vergangene dann noch mal. Diesen Zyklus muss man wohl durchleben.
Wie gesagt, ein kleines Licht ist am Ende des Tunnels und darüber freue ich mich. Und ich hoffe nicht mehr und lasse los..