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Ich träumte - er ist gestorben

T
hallo ihr,
ich muss meine geschichte loswerden. ich komme nicht klar damit.
verzeiht, wenn dass auf euch vielleicht so wirkt, als würde ich einen Mülleimer brauchen.
aber es ist alles so unwirklich, so unfassbar für mich.

ich bin 51 jahre alt.
meinen mann habe ich beim theologiestudium kennengelernt.
seitdem sind wir ein paar.
23 jahre lang waren wir ein echtes dream-team.
daran konnte noch nicht einmal die tatsache etwas ändern, dass wir leider keine gemeinsamen kinder bekommen haben.
wir haben den gleichen glauben geteilt. hatten dieselbe art von humor.
wir konnten miteinander genauso gottesdienste gestalten, wie zusammen am rügendamm heringe angeln.
noch heute hängen in unserer wohnung überall bilder von uns als paar.
und auf allen strahlt uns die liebe aus den augen.
2012 ging er als militärseelsorger mit der bundeswehr in einen afghanistan-einsatz.
als er nach vier monaten wieder kam, war er ein anderer mensch.
er ist nur noch zynisch und höchst aggressiv.
er vergräbt sich in seiner arbeit, danach geht er zum Sport und fällt ins bett.
er schläft mit anderen Frauen, was er früher nie getan hat.
und jedes mal wenn er fremdgegangen ist, erzählt er es mir danach.
mich hat er seit seiner heimkehr nicht mehr berührt.
keine zärtlichkeiten mehr, keine vertrauten gespräche, keine gemeinsam verbrachte zeit und gemeinsame freude mehr.
er war zweimal für je sechs Wochen im Krankenhaus. zuletzt auf einer trauma-station.
es hat nicht geholfen. er sagt: er könne nur noch hass empfinden.
obwohl er in afghanistan unter beschuss war, obwohl er stundenlang todesangst hatte und danach unter panikattacken und Depressionen gelitten hat,
will er jetzt doch nur eins - so schnell wie möglich wieder in den einsatz im kriegsgebiet.
ich hab ihm gesagt, dass ich alles mit ihm durchgestanden und ertragen hätte - aber das kann ich nicht noch mal.
ich kann nicht noch einmal monatelang diese furchtbare angst um ihn ertragen.
und ich kann auch nicht verstehen, dass er jetzt den Einsatz im Kriegsgebiet regelrecht sucht.
ich habe einen Pastor geliebt - keinen Soldaten.
wir haben noch eine paartherapie versucht. aber auch das hat keine Annäherung mehr gebracht.
am donnerstag abend haben wir ausgesprochen, dass wir uns scheiden lassen.
und es zerreisst mir einfach nur das herz. ich kann nicht mehr aufhören, um diese liebe zu heulen.
aber ich habe geträumt:
ich hielt sein gesicht in meinen Händen. es war das gesicht meines mannes, bevor er in den Einsatz gegangen ist.
in mir ist soviel liebe für dieses gesicht und diesen menschen - aber es war das gesicht eines toten, kalt und grau und leblos.

08.02.2014 20:45 • #1


G
hey du

was für eine heftige geschichte.
tut mir sehr leid dass du da grad durch musst.

ich finde deinen traum sehr aussagekäftig.
der mann, den du geliebt hast, ist gestorben.
liebst du den mann, der aus dem krieg zurückkam?
du sagst selbst er ist verändert.
er hat sich im krieg verloren.

wenn du versuchst ihn zu finden wirst du dich in seinem dunkel verlieren.
und ob er sich je wiederfinden wird....das kann nur die zeit finden..

ich wäre hin und hergerissen zwischen dem in guten und in schlechten zeiten....und dazwischen mir eingestehen zu müssen, dass die person die du liebtest vielleicht nicht mehr die selbe ist.

wen hast du gehalten als er tot war?
den pastor?
oder den kriegsheimkehrer`?

08.02.2014 20:54 • #2


A


Ich träumte - er ist gestorben

x 3


T
danke für deine einfühlsamen worte, pugsley!

mit genau diesen Gedanken habe ich mich in den letzten 12 Monaten gequält:
ja, ich habe ihm versprochen, zu ihm zu halten in guten und in bösen tagen.
ich würde das auch jetzt noch wollen, mit jeder faser meines herzens.
aber er ist eben nicht mehr der mann, dem ich das versprochen hatte.
und ich hab keine kraft mehr, um allein für uns beide zu lieben

als ich im traum sein totes gesicht hielt, war es das gesicht des mannes und pastors,
der er war, bevor er in Afghanistan war.

08.02.2014 21:08 • #3


G
Die stille Fahrt

1)
Ich bitt´ dich, Herr. Mein Köper ist so müde
und kann nicht ruhen, hier in diesem kalt.
Er fühlt sich kraftlos an und fühlt sich alt.
Sein träges Auge sieht nicht Baum noch Blüte.
An diesem Ort seh´ ich, oh Herr, nur Schmerz.
Kein Sonnenstrahl erwärmt dies kalte Land.
Und kalt geht auch der Tod mir von der Hand,
Und nichts regt dabei mein gefror´nes Herz.
Oh sag mir Herr, wo hab ich mich verloren?
In dieser Stadt? In diesem weiten Land?
Ein Lächeln gabst du mir als ich Geboren;
Und heut´ erfrörst du mir an meiner Hand.
Schimpf mich verirrt, doch nenn´ mich keinen Toren;
Ich zog mit stolz im Herz ins Unbekannt.

2)
Wie habe ich gefehlt, jetzt wo ich sehe
Wie groß der Schmerz ist, dessen Teil ich bin.
Es treibt mich aus mir raus und vor mich hin
Dass ich nur Leid bring, wohin ich auch gehe.
Vergib mir Welt. Mein Irren war so groß.
Ich zog so ganz voll Eifer in die Schlacht.
Was hat es mir und euch am End´ gebracht?
Und heut´ nun leg ich meine Seele bloß.
Ich habe keine Tränen, - sie gefrören.
Dies kalte Land will meine Tränen nicht.
Sie würden es nur ein Stück mehr zerstören.
Hier steh´n Ruinen schweigend dicht an dicht,
Und weinen um die Stadt der sie gehören
Die ich zerstört hab, darum wein ich nicht.

3)
Vergib mir Herr, zum Wolf bin ich geworden,
In deiner Herde war ich einst ein Lamm.
Vergib mir, Herr, dass ich mit diesen Horden
Entfesselt wie ein Sturm ins wüten kam.
Als Knabe tat ich keinem Mensch ein Leid,
Was trieb mich zu dem Menschen der ich bin?
Ich weiß es nicht, doch weiß ich immerhin,
Uns allen ist beschieden eine Zeit.
Ich nahm so manches Leben durch die Jahre.
Und vielen Menschen war ich wohl ein Feind.
Heut´ kenn´ ich mich nicht mehr, jetzt da ich fahre.
Heut´ fürchte ich mich selber, wie es scheint.
Mein Körper liegt ermattet auf der Bahre
Und wird so fern der Heimat nicht beweint.

4)
Ich bitt´ dich Herr, vom Tage bin ich müd´.
Ich möchte leise von der Heimat träumen,
Von Tagen wo es grünt und in den Bäumen
Der Mai die stillen Knospen zart erblüht.
Ich möchte all den Donner nicht mehr hören.
Er bringt nur Tod und Frieden bringt er nicht.
Nur kalten Schrecken auf so manch Gesicht
und alte Zeiten, die wir hier zerstören.
Ich bitt´ dich Herr, lass all den Schrecken enden.
Ich habe keine Kraft mehr in den Gliedern
Ich möchte all mein Sinnen Heimwärts senden;
will dessen stilles Sehnen still erwidern
und dort, wo hohe Linden Schatten spenden
Willkommen sein, in aller Vögel Lieder.

5)
Ich bitt´ dich, Herr. Mein Köper ist so müde
und kann nicht ruhen, hier in diesem kalt.
Er fühlt sich kraftlos an und fühlt sich alt.
Sein träes Auge sieht nicht Baum noch Blüte.
An diesem Ort seh´ ich, oh Herr, nur Schmerz.
Kein Sonnenstrahl erwärmt dies kalte Land.
Und kalt geht auch der Tod mir von der Hand,
Und nichts regt dabei mein gefror´nes Herz.
Oh sag mir Herr, wo hab ich mich verloren?
In dieser Stadt? In diesem weiten Land?
Ein Lächeln gabst du mir als ich Geboren;
Und heut´ erfrörst du mir an meiner Hand.
Schimpf mich verirrt, doch nenn´ mich keinen Toren;
Ich zog mit stolz im Herz ins Unbekannt.


6)
Vergib mir Herr, ich bin vom Weg gekommen.
Und vieles was ich tat bereu´ ich sehr.
Es treibt mich immer wilder, immer mehr,
es macht mich müde und macht mich benommen.
Ich bin erschöpft, ich fühle nicht mal Grauen,
Und Stalingrad, steht stumm und tot und leer.
Hier stirbt man nur, hier lebt man nimmer mehr.
Ich will den nächsten Morgen nicht mehr schauen.
Es ist genug! Ich sinke auf die Bahre.
Es ist genug mit diesem kalten Krieg.
Ich danke dir, oh Herr, dass ich jetzt fahre.
Ich schließe meine Augen nun und flieg,
ins weite, stille Land für tausend Jahre…
Und Stalingrad, bleibt unter mir zurück.

08.02.2014 21:15 • x 1 #4


G
tut mir leid...aberan das gedicht musste ich denken, als ich deine geschichte gelesen hab....


hm...das ist ein wichtiger konflikt den du da führst...es ist ein konflikt mit dir, deinem moralempfinden und deinem gewissen.
und diesen konflikt musst du ganz alleine lösen....wirst du versuchen ihn wieder auf seinen weg von früher zurückzuführen?
oder wirst du ihn ziehen lassen als der, der er ist?

was sagt dein herz? was dein verstand?

stell dir diese fragen, bevor du dich entscheidest

08.02.2014 21:17 • #5


S
Hallo tag2,

deine Geschichte ist wirklich sehr traurig.
Ich finde es wirklich schlimm, dass dieser sinnlose Krieg eure Beziehung auf dem Gewissen hat.
Weißt du, warum dein Mann nun unbedingt wieder in den Einsatz will? Und was seine Motivation damals war, dort überhaupt hinzufahren?
Wie verhält er sich denn dir gegenüber; realisiert er denn, dass er als veränderter Mensch heim kam und du deshalb leidest?
Ich habe das Gefühl, dass er sich mit den anderen Frauen betäuben will und dich deshalb so ignoriert, weil seine Seele verletzt ist und er Angst hat, dass Gespräche mit dir ihn noch mehr aufwühlen.
Es ist wirklich schlimm, was du gerade durchmachen musst.
Als Pastor ist er ja auch ein sehr gläubiger Mensch. Vielleicht kommst du ja darüber an ihn ran?
Ich wünsche dir viel Kraft und vielleicht ist die Ehe ja doch noch zu retten.

08.02.2014 21:33 • #6


S
Liebe Tag2,
schon gestern las ich Deine Geschichte in einem anderen Thread.
Sie hat mich sehr aufgewühlt, weil ich mit meinem Mann so und so lange lebe, wie es euch vor dem Einsatz ging. Unvorstellbar, wenn sich das ändern würde.
Dein Leid kommt mir fast untragbar vor - seines auf andere Weise auch.

Dass er nochmal in einen Kriegseinsatz kann, halte ich für ausgeschlossen. Durch seine Behandlungen ist das ja auch aktenkundig.

Hast Du schon mal mit anderen Pastoren Kontakt aufgenommen, die auch als Militärseelsorger in Afghanistan waren? Spricht er mit Dir über seine Erlebnisse dort? Gibt es Kontakte zu Menschen, die dort mit ihm zusammen waren?
Hat er seinen Glauben verloren?
So viele Fragen, weil es einfach nicht fassbar ist.

08.02.2014 21:45 • #7


T
lieber pugsley,
bitte entschudlige dich nicht,
das gedicht ist der hammer!

die seele, die sich im Krieg verliert.
der nicht enden wollende schrecken des Krieges.
das lamm, das zum wolf wird,
die Todessehnsucht, weil man den schmerz nicht mehr ertragen kann.
und das eingefrorene herz - mein mann sagt, er fühlt sich, als wäre er innerlich eingefroren.

hab vielen Dank!
auch für die mühe, die vielen zeilen hier reinzustellen.

und Sarafschan,
du wirst es nicht glauben, aber er sagt, er will deshalb wieder in den Einsatz,
weil er sich in Afghanistan ernsthaft darüber bewusst geworden ist,
dass es mit dem leben ganz schnell vorbei sein kann.
er merkt, dass er älter wird und bevor es nicht mehr geht, will er noch die welt kennen lernen.
ich hab gesagt, um die welt kennen zu lernen, muss man doch nicht in Kriegsgebiete gehen
und sein leben dabei aufs spiel setzen. darauf antwortet er dann nicht mehr.

08.02.2014 21:52 • #8


A
Zitat von tag2:
er war zweimal für je sechs Wochen im Krankenhaus. zuletzt auf einer trauma-station.
es hat nicht geholfen. er sagt: er könne nur noch hass empfinden.
obwohl er in afghanistan unter beschuss war, obwohl er stundenlang todesangst hatte und danach unter panikattacken und Depressionen gelitten hat,
will er jetzt doch nur eins - so schnell wie möglich wieder in den einsatz im kriegsgebiet.

aber ich habe geträumt:
ich hielt sein gesicht in meinen Händen. es war das gesicht meines mannes, bevor er in den Einsatz gegangen ist.
in mir ist soviel liebe für dieses gesicht und diesen menschen - aber es war das gesicht eines toten, kalt und grau und leblos.
willkommen

dein mann ist schwer traumatisiert worden, er hat den hass gespürt, der die kriege auslöst und fühlte wahrscheinlich auch die ohnmacht in sich, nicht wirklich etwas dagegen tun zu können.
traumatisierungen können den menschen sehr verändern.

deine psyche hat dir mitgeteilt, dass es den mann, so wie du ihn kanntest, nicht mehr gibt.
es sieht so aus, als wäre er auf der flucht, er betäubt sich mit den verschiedenen aktivitäten, fernab von dir und hat einen selbstschutz aufgebaut, der mit liebe nicht viel zu tun hat.
hinter den aggressionen hat er meiner einschätzung nach gefühle versteckt, die er nicht fühlen will weil sie so schmerzhaft sind.

wenn er sich wieder für die liebe öffnen und sein herz weit machen könnte, würden all die schrecklichen emotionalen erinnerungen mitten ins herz fliessen und wohl kaum aushaltbar sein.

er muss lernen diese schrecklichen erfahrungen und energiebilder, die er neuronal abgespeichert hat umzuwandeln und damit inneren frieden machen. es gibt gute therapien, die diese traumen auflösen können, man muss nur die richtige für sich finden.

schaue jetzt auf dich, schütze du dich gut und sage ihm wie verletzend sich sein verhalten auf dich auswirkt, zeige ihm aber auch, dass du für ihn da bist.

das du jetzt tieftraurig bist über diese entwicklung hat seine berechtigung, lasse deine trauer dosiert zu, auch wenn es oft nicht so wahrgenommen werden kann in dieser situation, alle anderen gefühle sind auch noch da und auch sie wollen gelebt werden. versuche so einen ausgleich zu schaffen, tue dir gut, mach all dass, was dir kraft geben kann in dieser schweren zeit.

ich wünsche dir viel kraft in dieser schweren zeit und deinem mann auch!
alles gute!

08.02.2014 21:56 • x 1 #9


W
Du tag2!
So leid wie es mir tut für dich, aber deinen Mann hast du für immer verloren!
Diese sogenannte Kriegspsychose ist nicht heilbar. Glaub mir bitte das ich weiß wovon ich red. Bei manch einen nach Weltkrieg und Gefangenschaft war es sogar noch schlimmer.
In einem Krieg bist du kein Mensch mehr, es zählt nur noch: der oder ich.
Alle anderen Werte verblassen daneben weil du überleben willst und das möglichst nicht als Krüppel.
Wenn du dann wieder daheim bist löst sich diese Anspannung nicht mehr. Du hast zerfetzte Leichen gesehn und feststellen müssen das ein Menschenleben nichts gilt.
Dein Weltbild gerät ins Wanken und schließlich fällt es.
Wenn er dich jetzt nicht mehr berührt ist das für ihn normal, weil du ja zum heilen Weltbild gehörst was es für ihn nicht mehr gibt.
Der Krieg ist hart und man muß Todesängste ausstehn.
Hast du dir schon mal überlegt wie schwer es ist in vielleicht 5 Minuten einen Menschen töten zu müssen, weil er dich töten will?
Seine Demütigungen zu dir zeugen davon das er traumatisch ist und er nur deswegen wieder in den Krieg will weil ihn das Erlebte nicht mehr losläßt.
Er glaubt jetzt am richtigen Ort zu sein wo er gebraucht wird, nicht hier wo es friedlich ist.
Das er das mit eurer Liebe bezahlt ist echt hart für dich, doch der Moloch Krieg gibt seine Kinder nicht mehr her.

08.02.2014 22:14 • x 1 #10


G
er war ein mensch der an liebe und vergebung glaubte.
der friede unter den menschen wollte

und er geht in ein land wo menschen sich gegenseitig umbringen.
wo rational abgewogen und wirtschaftlich entschieden wird wer lebt und wer nicht....
wo er feststellen musste dass der gott, an den er glaubte, die kugeln nich umgeleitet hat als sie beschossen wurden.
da ging der himmel nicht auf und gott sprach es ist genug
gott bleibt den schlachtfeldern fern

und das wird er erfahren haben.
er ist der verlorene sohn

08.02.2014 22:15 • x 1 #11


S
Hallo tag2,

das, was Alena 52 gesagt hat, trifft meine Gedanken auf den Punkt.
Ich glaube auch, dass er einen Schutzwall aus Aggressionen um sich aufgebaut hat, um sein eingefrorenes Herz zu beschützen.
Er hat viel Leid dort gesehen und nichts dagegen ausrichten können.
Ich denke, dass es eine Schutzbehauptung war, dass er wieder dort hin zurück will, weil er noch mal die Welt sehen will, das ist unsinnig. Denn wie du ja schon richtig bemerkt hast, muss man nicht in den Krieg ziehen, um die Welt zu sehen. Darauf hat er auch nichts mehr geantwortet, weil es eine Lüge war...Mal ernsthaft...bei seinen Traumatisierungen, Depressionen und Panikattacken...könnte es vielleicht auch sein, dass er inzwischen Todessehnsüchte hat und dort hin zurückgehen will, um zu sterben?
Ich habe gehört, dass die Bundeswehr mit dem Problem kämpft, dass einige Helfer (Soldaten selber wohl weniger), die in einen Einsatz gehen, das tun, um sich dort umzubringen. Oft bekommen sie eine Waffe und nutzen dann die Gelegenheit. Hat mir vor Kurzem ein Bundeswehrpsychologe erzählt.
Ich will dir jetzt keine Angst machen, aber man sollte den Gedanken vielleicht nicht ganz ausschließen.
Aber wie Sevilla schon gesagt hat, er darf wahrscheinlich eh nicht mehr, weil seine Krankenakte im Moment da dagegen spricht.

08.02.2014 22:23 • #12


T
liebe sevilla und alena
ich versuche, so gut ich kann auf all diese fragen zu antworten,
weil ich sie mir ja auch selber immerzu stelle und so gerne wirklich verstehen möchte,
was in ihm vorgeht.
nur das vieles so irre und widersinnig klingt, gerade wenn ich versuche,
es hier noch einmal aufzuschreiben.

es gibt keine Gespräche mit anderen militärseelsorgern oder pastoren darüber,
wie es meinem mann nach dem Einsatz ergangen ist.
das liegt hauptsächlich daran, dass er selbst (also mein mann) auf keinen fall will,
dass etwas darüber bekannt wird.
wenn ich mich hier oute, dann handle ich also bewusst gegen seinen willen.
er hat mir regelrecht verboten, darüber zu reden, gerade deshalb weil er wieder
in den Einsatz will und zu recht befürchtet, man würde ihn nicht wieder einsetzen,
wenn seine Erkrankung bekannt wird.
als er in die Klinik ging, hat er deshalb offiziell nur gesagt, er würde zu einer kur fahren.
ich hab lange geschwiegen, weil ich mich nicht gegen seine Entscheidung stellen und ihn nicht verraten wollte.
aber zu allem, was zwischen uns passiert ist, nun nicht mal mehr darüber reden zu dürfen,
wie es bei uns zuhause seit Monaten zugeht - das hat mich fast verrückt gemacht.
wir sind ja ziemlich öffentliche Personen und überall mußte ich Theater spielen:
Oh, uns geht's gut, vielen dank...
ich war so einsam mit meinem schmerz und bin fast erstickt an den vielen tränen, die ich immer nur zuhause im
stillen weinen durfte. irgendwann hab ich ihm dann gesagt, dass ich das so nicht mehr ertragen kann.
dass ich zumindest ein paar alten freunden gegenüber jetzt endlich rede werde, wie es wirklich ist.
aber seit wir am donnerstag beschlossen haben, uns scheiden zu lassen, war der schmerz und das chaos in mir so
überwältigend, dass ich nach einer halbwegs anonymen Plattform im Internet gesucht habe.
ja, mein mann ist sicher schwer traumatisiert.
aber zwölf Wochen Klinik, traumatherapie und viele Sitzungen EMDR - ich hatte so sehr gehofft, dass irgendwas hilft,
hab so viel gebetet und immer wieder versucht zu verstehen und zu verzeihen.
dieses auf und ab, dieses wechselnde hoffen und verzweifeln - ich bin alle, leer, kaputt

08.02.2014 22:34 • #13


A
Zitat von tag2:
weil ich sie mir ja auch selber immerzu stelle und so gerne wirklich verstehen möchte,
was in ihm vorgeht.
nur das vieles so irre und widersinnig klingt, gerade wenn ich versuche,
es hier noch einmal aufzuschreiben.

es gibt keine Gespräche mit anderen militärseelsorgern oder pastoren darüber,
wie es meinem mann nach dem Einsatz ergangen ist.
das liegt hauptsächlich daran, dass er selbst (also mein mann) auf keinen fall will,
dass etwas darüber bekannt wird.
wenn ich mich hier oute, dann handle ich also bewusst gegen seinen willen.
er hat mir regelrecht verboten, darüber zu reden, gerade deshalb weil er wieder
in den Einsatz will und zu recht befürchtet, man würde ihn nicht wieder einsetzen,
wenn seine Erkrankung bekannt wird.
als er in die Klinik ging, hat er deshalb offiziell nur gesagt, er würde zu einer kur fahren.
ich hab lange geschwiegen, weil ich mich nicht gegen seine Entscheidung stellen und ihn nicht verraten wollte.

aber zwölf Wochen Klinik, traumatherapie und viele Sitzungen EMDR - ich hatte so sehr gehofft, dass irgendwas hilft,
hab so viel gebetet und immer wieder versucht zu verstehen und zu verzeihen.
dieses auf und ab, dieses wechselnde hoffen und verzweifeln - ich bin alle, leer, kaputt

dein mann ist seelsorger, das bedeutet für mich, dass er sich um die seelen sorgt und deshalb ist sein redeverbot fernab seines amtes.
wie kann er von dir verlangen, dass du schweigen sollst wenn du unter all dieser last fast zu ersticken glaubst ?
du bist kein judas wenn du deinem herzen und deiner seele luft verschaffst, denn das, was er von dir verlangt ist unmenschlich und unwürdig.

weil du es nicht selbst erlebt hast ist es schwer das zu verstehen, darum geht es auch nicht, es geht darum akzeptieren zu lernen, dass es so ist, wie es ist. das bedeutet aber nicht, dass es so bleiben muss.

du hast erste schritte gemacht, mit deinen engsten freunden zu reden und hier zu schreiben, es gibt auch für dich die telefonseelsorge und therapien, denn auch du wirst mit traumatisiert durch die geschehnisse. es ist wichtig, dass du deine gefühle zum ausdruck bringen kannst, denn sonst manifestieren sie sich irgendwann als symptom in deinem körper.

ich selbst wurde schon sehr früh traumatisiert und habe später, auf vielen umwegen da herausgefunden und ich kenne anfgrund meiner aktivitäten viele menschen, die es auch geschafft haben. jeder ist anders und braucht etwas anderes, die kunst ist, das richtige für sich herauszufinden.

du kannst deinen mann nicht ändern, er sperrt sich weil er sich meiner einschätzung nach schützen will, aber du kannst etwas für dich tun. du bist kein verräter, sondern hast die verantwortung für dich, für dein wohlgefühl und heil und der schöpfer will, dass es den menschen gut geht und nicht, dass sie leiden.

viele therapien bleiben ohne große wirkung weil sie zwar bewusstmachen helfen und versuchen ein anderes verhalten zu erarbeiten, aber tief im inneren bleiben die bilder dennoch erhalten und leben weiter, bis diese bilder, durch die arbeit mit dem unterbewusstsein und mit dessen inneren austausch mit den beteiligten umgewandelt werden. erst dann können sich, meiner erfahrung nach, neue heilsame neuronale vernetzungen bilden.

kümmere dich jetzt gut um dich, damit entlastest du deinen mann am besten, denn tief im innen weiss und spürt er, dass er z.z. nicht mehr er selbst ist und dein leid macht ihm zusätzlich druck, auch wenn er das mit aggressionen zu überspielen versucht, nur damit kann er sich schützen, auch vor den aggressionen, die er erlebt hat. er will sich lieber trennen als sich mit seinen schmerzen und dem horror, den er erlebt hat, auseinandersetzen. das ist seine entscheidung, du kannst sie nicht ändern.
sein eigenes verhalten kann ihn aggressiv machen, weil er mit sich selbst nicht mehr klar kommt.

aber vielleicht kommt er irgendwann an einen punkt, an dem er begreift, dass er anders handeln muss wenn er irgendwann mal da herausfinden will, weil seine psyche schon streikt und das auch irgendwann auf den körper übergehen kann.

08.02.2014 23:17 • #14


T
lieber waldi, lieber pugsley, liebe sarafschan und alena,

mein mann hat als Seelsorger in Afghanistan selbst keine waffen getragen und keine waffen benutzt.
d.h., er hat nie selbst auf andere menschen geschossen. aber er hat erlebt, wie auf ihn und seine
Kameraden geschossen wurde und wie von der Bundeswehr zurück geschossen wurde.
und ich denke auch, dass er glaubt, er wäre dort jetzt am rechten ort und nicht mehr hier, im reichen Deutschland.
er sagt, er empfinde alles hier jetzt so wie ein spielzeugland.
pugsley, auch deine worte berühren mich sehr.
ja, mein mann war ein mensch, der an liebe und vergebung glaubte und friede unter den menschen wollte.
dass er als militärseelsorger zur Bundeswehr ging, hatte folgenden banalen grund:
wir haben beide im gemeindepfarramt kurz nach einander einen burnout gehabt.
nach so was wird man demütiger, dünnhäutiger und deutlich weniger stress-resistent.
mein mann meinte damals, er würde in einer gemeindepfarrstelle nicht mehr bestehen können.
er suchte nach etwas - auch das klingt so makaber - wo er einen geregelten Feierabend und auch mal ein
freies wochenende haben würde. in der kaserne hier in S... war das auch so.
wie es im Einsatz in Afghanistan sein würde, konnte sich keiner von uns wirklich vorstellen.
danke alena, wenn du schreibst, dass es nicht falsch von mir ist, mich gegen das Redeverbot meines mannes zu entscheiden.
der gedanke, ihn damit verrraten zu haben, belastet mich sehr.
morgen habe ich Gottesdienste, deshalb kann ich erst abends wieder antworten.
aber ich danke euch allen, dass ihr so Anteil nehmt und mitdenkt und mitfühlt!
danke, dass ihr zuhört und ich endlich reden darf!
eine gute nacht euch allen

09.02.2014 00:17 • #15


A


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