Ihr Lieben, ich bin so froh, hier schreiben zu können. Ich stecke noch mitten in der wohl schlimmsten Phase des Schmerzes, und kämpfe jeden Tag ums Überleben.
Ich möchte gern meine Geschichte erzählen, die ohne Zweifel ganz banal ist, aber es ist eben meine Geschichte und ich muss sie einmal rauslassen.
Mein Freund und ich sind seit knapp 3 Jahren zusammen, er hat mir von Anfang an so wahnsinnig intensive Liebe gespiegelt, dass ich im Laufe der Zeit emotional total abhängig davon geworden bin.
So eine tiefe Liebe hatte ich bis dahin noch nie erlebt. Dass jemand mich so nimmt, wie ich bin, und mir wirklich die größtmögliche Zuneigung und Bezogenheit gibt, Wahnsinn. Ich habe mich allzu gern darauf eingelassen.
Z.T. ging es mir mit seinem Nähebedürfnis schon zu weit, weil er auch am Anfang oft zu eifersüchtig / misstrauisch war und mich auch tw ziemlich eingeschränkt hat.
Aber ich habe ihn wohl dazu – mehr oder weniger bewusst - auch ermutigt, habe es jedenfalls zugelassen, dass er auf JEDEN meiner Lebensbereiche sehr viel Einfluss nimmt - einfach alles. Ich fühlte mich total wohl damit, das gebe ich unumwunden zu, denn er hat mir natürlich auch vieles abgenommen, wozu ich weniger Lust hatte, bzw. hat sich unentbehrlich gemacht.
Ich bin grundsätzlich eine sehr selbständige, selbstbewusste Frau mit vielen Interessen und stehe auf eigenen Füßen, und er hat wirklich in jeden „meiner“ Bereiche komplett „infiltriert“ – das klingt jetzt irgendwie fies, und wie gesagt: ich habe es ja zugelassen und mich sogar aufgehoben gefühlt. Es war also mein Fehler.
Von Anfang an waren wir uns einig: Wir bleiben zusammen, wir wollen uns nicht mehr trennen. Alles war darauf angelegt, Testament, Hauskauf, Hund, Arbeitszeitreduktion etc. Und zusammen mit diesem unfassbar tollen Spiegel, den er mir durchgängig vorgehalten hat, war das einfach zu schön, um mich irgendwie zu schützen.
Er war mein Morgen und mein Abend. Ich brauche Euch das glaube ich nicht zu erzählen… Ihr kennt das vermutlich alle.
Er war mein bester Freund. Mein Geliebter. Mein Gefährte, Gesprächspartner. Er hat wirklich alles absolut passend abgedeckt. Wir waren uns auf jeder Ebene unglaublich nahe. Ich war früher in jeder Beziehung irgendwann unzufrieden und habe unbewusst / bewusst weitergesucht. Diesmal war es für mich das Ankommen, was ich immer gesucht habe. Und für ihn auch, jedenfalls sagte er das, machte mir auch einen Heiratsantrag !
Ich habe ihm vollends vertraut.
Wir haben Ringe gravieren lassen und uns Mitte November angesteckt mit dem Versprechen, Krisen zusammen zu meistern. Zum Jahreswechsel dann „plötzlich“ das Aus.
Jedenfalls fuhr er seine Liebe und die Nähe von einem Tag auf den anderen auf Null herunter.
Begründung: Ich hätte ihn die ganze Zeit schlecht behandelt, ihn die ganze Zeit mit der Brechstange ändern wollen, seine Liebe mit Füßen getreten und er hätte schon seit Monaten überhaupt nicht mehr das Gefühl, dass ich ihn liebe, sondern ihn nur unzulänglich fände, er habe seit Monaten massiven Leidensdruck. Er habe versucht, das mit sich selbst auszumachen, aber ich sei nun mal so und passe nicht zu ihm, nun könne er nicht mehr und sehe keinerlei Sinn mehr in der Fortsetzung unserer Beziehung.
Ich bin, wie Ihr Euch vielleicht vorstellen könnt, aus allen Wolken gefallen.
Meine Realität Zb vom letzten Jahr war vollkommen anders als die seine. Ich war total entsetzt, dass sich die beiden Realitäten so stark unterscheiden.
Wir haben zwar gestritten, ja! - weitgehend um Alltagsdinge. Und die Streitigkeiten liefen dann meist so ab, dass er dann 1000 Fässer auf einmal aufmachte und mir z.B. sagte, ich würde ihn „immer von oben herab, nicht auf Augenhöhe behandeln“ etc. – mich haben diese Pauschalangriffe stets sehr überfordert, ich wusste aufrichtig nicht, was er meint (ich habe ihn immer auf Augenhöhe gesehen!) und habe das dann immer auf meine Weise versucht zu hinterfragen und zu verstehen, zu versachlichen. Es ist so: ich bin durchaus durchsetzungsstark, aber ich bin nicht rücksichtslos und ich habe vor allem die Fähigkeit, Dinge rational und lösungsorientiert anzugehen. So habe ich mich vermutlich viel zu wenig in ihn eingefühlt, was ich jetzt zutiefst bereue… aber er hat seine Gefühle mir gegenüber einfach auch nie so kommuniziert, dass ich sie im Ansatz verstehen konnte. Das ist mein Hauptproblem bei der Verarbeitung dieser Ereignisse.
Am Ende solcher Streitigkeiten hat er meist eingeräumt, dass er in Zukunft besser/anders/gezielter kommunizieren würde und hat sich für irgendwas entschuldigt, obwohl ich ihm immer wieder gesagt habe, dass eine Entschuldigung absolut unnötig sei. Er hat dann wieder mit der gleichen Harmonie und wirklich weit überdurchschnittlichen Liebesbekundung fortgefahren und da er genau wie ich auch sehr selbstbewusst ist, hab ich nie an seinen Worten / Taten gezweifelt und ihm einfach geglaubt, dass die jeweilige Sache abgearbeitet war.
Im vergangenen Frühjahr haben wir ein Kommunikationsseminar für Paare besucht, weil ich dachte, das hilft uns, Eskalationen zu vermeiden, und dass beide ihre Anliegen fair vortragen können. Das Seminar fanden wir auch beide wirklich toll und haben dort zB gelernt, auch unangenehme Gefühle in ruhiger Atmosphäre anzusprechen usw..
Einige kleinere Konflikte konnten wir damit in Folge auch lösen, dh es hat wirklich funktioniert, allerdings habe immer ich den Aufschlag gemacht. Im Ernst: Nie hat er von sich aus den Weg auf mich zu gewählt, um mit mir über die Dinge zu sprechen, die ihm wirklich offenbar auf der Seele lagen, Leidensdruck erzeugten.
Ich ahnte absolut nichts von dem Leidensdruck in ihm. Hätte ich eher etwas gewusst / geahnt, hätte ich, so bin ich nun mal, mir oder uns Hilfe geholt und alles daran gesetzt, um das Problem zu lösen. Ich kann sehr gut an mir, an meinen Fehlern arbeiten. Aber ich hab sie nicht gesehen. Leider!
Nun habe ich „seine“ Wahrheit erfahren und es haut mich so dermassen um, erstens weil der Entzug dieser übergroßen Liebe einfach überwältigend schmerzhaft ist, und zweitens, weil ich – wie die meisten hier – absolut keine Chance zur Nachbesserung erhalte.
Er zieht wirklich alles ins negative, was immer es auch sei. Alles positive sei entwertet durch mein grausames Verhalten. Ich verstehe, dass es eben SEINE Realität ist, dennoch weiss ich, dass das kein objektives Bild der Wirklichkeit ist, denn wir hatten wirklich sehr viele wundervolle und sehr intensive Zeiten, Erlebnisse. Allein vom letzten Jahr gibt es unzählige wundervolle Bilder. Ich fühle mich hilflos gegenüber dieser massiven Schwarzmalerei. Das tut unendlich weh und vernichtet mein Vertrauen in meine Wahrnemungsfähigkeit.
Auch der Spiegel der Aussenwelt sagt: Ihr wirktet SO harmonisch, das verstehen wir nicht.
Ich habe mich im Nachgang sehr kritisch mit mir auseinandergesetzt, und ich verstehe heute, was ihn gequält hat. Ich sehe meine Fehler glasklar ein. Nur in der Situation habe ich sie nicht gesehen, und er hat mir nie gesagt, dass noch etwas in ihm ungeklärt ist.
Kurzum: ich konnte einfach keinen Leidensdruck sehen, bzw. ich habe es versäumt, meinen Freund genauer dazu zu befragen… und der Spiegel, den er mir vorhielt, war zu schön… somit erlahmte einfach meine Fähigkeit, mich kritisch selbst mit mir auseinanderzusetzen.
aber genau da zeigt sich ironischerweise, dass ich ihn eben SEHR WOHL auf Augenhöhe gesehen habe, denn ich habe immer gedacht: Wenn etwas ist, dann wird er es sagen! Wir sind ja beide in der Lage dazu.
Ich bin noch weit davon entfernt, zum Leben zurückzukehren, Im Moment ist es einfach ein Kampf ums Überleben.
es ist für mich im Moment absolut nicht vorstellbar, dass unser Leben vorbei ist und ich ohne ihn weiterleben soll.
es verursacht massive Symptome , die ihr alle kennt - die volle Palette!
extrem heftiger Schmerz!
Ich hoffe, dass Ihr mich in Eure Mitte aufnehmt und wir uns gegenseitig helfen.
Ich möchte hier ein Trennungstagebuch führen.
Irgendwann werde ich darüber weg sein. Aber derzeit ist alles einfach nur unerträglich.
Danke fürs Lesen, sehr lang geworden, entschuldigt bitte
Juliet
11.02.2016 16:44 •
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