Jenseits von Liebe und Hass

D
Ein altes Zen-Gedicht beginnt folgendermaßen:

Es ist nicht schwer, den WEG zu durchdringen, doch man muß frei sein von Liebe und Haß, von Neigung und Abneigung.

Wenn man sie oberflächlich liest, könnte man glauben, dass es in den zwei Versen einen Widerspruch gibt: Es ist nicht schwer, den Weg zu durchdringen klingt zuerst ganz optimistisch und tröstlich. Abe schon beim zweiten Vers werden die wesentlichen Bedingungen klar: Weder Liebe noch Haß, weder Neigung noch Abneigung. Und schon wird es schwierig, man beginnt, es nicht mehr ganz zu verstehen. Weder Liebe noch Haß. Beim Haß ist man einverstanden, aber bei der Liebe?

Die Liebe scheint für uns etwas Wesentliches im Leben der
Menschheit zu sein. In allen Religionen wird im allgemeinen
gepredigt: Liebet einander.

Weder Neigung noch Abneigung. Und dennoch besteht das ganze Leben aus einem Auswählen. Man muß sich ständig entscheiden. Wir sind fortwährend in Situationen gestellt, in denen man eine Wahl treffen muß.

Also was heißt das?

Es heißt, dass wir über das Stadium der Unterscheidungen, das Stadium des Dualismus hinausgehen müssen, wenn wir in den wirklichen WEG eindringen wollen. Das heißt, dass man lieben soll, aber mit einer Liebe, die jenseits von Liebe und Haß ist.

Das heißt, dass wir uns entscheiden müssen, aber unsere Wahl, unsere Entscheidung muß jenseits des 'Für-etwas-oder-gegen-Etwas'.

In Wirklichkeit heißt das, dass wir vor allem unseren Egoismus
aufgeben müssen. Sehr oft ist das, was wir Liebe nennen, nur die Projektion unserer Selbstliebe auf jemand anderen. Sehr oft ist das, was wir Entscheidung nennen, die Suche nach der bestmöglichen Befriedigung unserer egoistischen Wünsche.

Wenn wir aber verstanden haben, dass wir zuerst unser Ego aufgeben müssen, dann wird natürlich alles klar: wir müssen lieben, aber nicht uns selbst, wir müssen uns entscheiden, aber nicht, um unsere persönlichen Wünsche zu befriedigen. Dann ist unsere Liebe jenseits von Liebe und Hass, weil sie die Selbstliebe vergessen hat, um sich der wirklichen Liebe jenseits aller Unterschiede zu widmen.

-- aus: Lebendiges Zen ... wie das Mondlicht und das fließende
Wasser; von Claude Durix:

Schoenes WE allerseits!

Dom

14.03.2003 12:07 • #1


J
Hallo Dom,

Eine sehr interessante These. Das Ego weglassen? Glaube ich aber nicht, denn es ist ein Bestandteil von uns. Das Ego mach uns zu dem, was wir sind. Wäre es gänzlich weg, dann könnten wir nie verhindern, dass man uns wehtut. Ich glaube eher, dass die Worte, die Du versucht hast zu interpretieren wohl eher darauf zielen, dass man einfach einen Mittelweg gehen muss. Tötest Du nämlich Dein Ego komplett, dann wirst Du zu einer Marionette ohne eigenen Gedanken. Dein Partner könnte somit über Dich verfügen, wie es ihm gefällt.

Versuch doch mal diese Verse von mehreren Seiten aus zu sehen.

Liebe Grüsse, JessieBlue.

14.03.2003

14.03.2003 12:50 • #2


GNDQ
Zitat von JessieBlue:
Das Ego weglassen? Glaube ich aber nicht, denn es ist ein Bestandteil von uns. Das Ego mach uns zu dem, was wir sind.


einige wissenschaftler(?) meinen das es so etwas wie ein ego (= ich) gar nicht existiert!

http://www.focus.de/wissen/mensch/hirnf ... 19559.html

ich werde dazu keine weitere stellung beziehen, da dies nicht mein thema ist. aber eine interessante these ist es allemal. insbesondere wenn man bedenkt das damit die ganze ich-findungsquälerei mal eben ad absurdum geführt wird. ein wesentlicher bestandteil aller religionen vom tisch gefegt, (kommerziellem) hyper-individualismus die grundlage entzogen wird. sowie die psychologie wie sie sich bisher versteht neue ansätze suchen müsste. wäre das für das eigene ego, dass es doch (angeblich) gar nicht gibt, akzeptabel wären wir wirklich alle gleich!

24.07.2012 06:39 • #3




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