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Kontaktabbruch - und trotzdem sich mailen?

Charlotte12
Hallo ihr Lieben,

ich habe eine Frage, kurz dazu der Background: Ich bin vor 10 Tagen verlassen worden, für mich plötzlich und unerwartet, zwei Tage vor Weihnachten. Drei Wochen zuvor ist durch einen filmreifen Zufall herausgekommen, dass mein Mann eine Freundin hat. Wir waren 13 Jahre zusammen (verheiratet) und ich erlebte mit dem Beziehungsaus den brutalsten Einschnitt meines Lebens. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass sich Trennung und Verlassenwerden so anfühlt. Morphium hätte ich eigentlich in den ersten Tagen gebraucht!

Heute ist Tag 10 - und ich habe einen inneren Weg gefunden, die Trennung zu akzeptieren. Ich habe mir dazu ein Bild, eine Metapher, im Kopf gebaut: Ich wurde plötzlich und gegen meinen Willen narkotisiert und notoperiert. Es ging brutal um Leben und Tod (darum hatte ich keine Chance, mitzuentscheiden), mein Mann musste, in einem mehrstündigen schweren Eingriff aus mir herausoperiert werden. Ich habe die OP überlebt! Alle Schmerzen, die ich jetzt habe, sind Wundschmerzen. Nicht essen können, Herzrasen, alles sind OP-Folgen. Darf alles sein - und heilt jeden Tag mehr ab.

Die Metapher hilft mir total. Seitdem werde ich nicht mehr von den Horrorgefühlen, Paniken und Schmerzen geflutet. Habe sogar meinen Sport (ich schwimme und bike) als Reha-Maßnahme nach einer großen OP uminterpretiert - und so komme ich jeden Tag ein bisschen mehr ins Leben zurück. Ich kann wieder essen und ab und zu flammt sogar meine Lebensfreude wieder auf. Lachen ging gestern auch, mit einer Freundin.

Ich bin also auf meinem Weg in die Zukunft. Ich habe mich kein einziges Mal bei meinem Mann gemeldet, aber er, am Tag 5. Er bot mir kühl an, in einem guten Gespräch die Trennung zu erklären. Innerlich bin ich für zwei Tage total zusammengebrochen - aber habe nicht geantwortet, sondern die Mail still und leise archiviert.

Jetzt meine Frage: Irgendwann in den nächsten Wochen muss ich mit meinem Mann einiges Organisatorische klären (Gemeinschaftskonto, Mietvertrag, Versicherungen, Auto etc.). Aber ich will am liebsten keinen Kontakt zu ihm, weil ich ihn, ganz tief in meinem Herzen, liebe. Wenn er heftigst um mich kämpfen würde (irgendwann in den nächsten Monaten) würde ich mich (mit Paartherapie) neu auf ihn einlassen. Aber ich selbst, das ist mein Ziel, werde nichts mehr für ein Zusammenkommen tun, sondern offen (und hoffentlich irgendwann schmerzfrei) durch mein neues Leben gehen.

Aber meine Ziele und meine innere Metapher würden beim Hin- und Hergemaile wegen Orga-Kram ja gar nicht mehr funktionieren. Ich würde doch innerlich schlapp machen, wenn ich ab und zu Mails von ihm in meinem Postfach sehe. Oder? Wie macht ihr das, Kontaktabbruch und Organisatorisches zusammen abwickeln?

Liebe ratlose Grüße in den Morgen

07.01.2015 08:51 • x 1 #1


tamtam
Hallo,

zuerst einmal alle Achtung wie du das durchziehst. Dein Inneres Bild ist wirklich klasse, ich werde es auch mal versuchen, ich denke es kann mir durchaus in den schmerzhaften Zeiten helfen.

Zu deiner Frage. Ich würde mir an deiner Stelle ein separates Mailpostfach für den Kontakt mit ihm anlegen. Das schaust du dir 1x die Woche an und nicht mehr. Sag ihm in einer sachlichen Mail, dass ihr bei eurem Mailverkehr auf Sachlichkeit und Kürze achtet (kein Smalltalk).

Du wirst es wohl nicht ganz verhindern können, dass ihr Kontakt habt aber so behältst du die Kontrolle. Ich würde mir einen festen Tag ausmachen wo du die Mails liest und am besten sofort beantwortest. Falls es am Anfang zu schwer ist, kannst du ja jemanden fragen ob er dabei ist.

Ich hoffe, ich konnte dir auch ein wenig helfen.

Herzliche Grüße

07.01.2015 12:19 • x 2 #2


A


Kontaktabbruch - und trotzdem sich mailen?

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Jeanny80
Hallo Charlotte,

auch für mich ist es bemerkenswert wie du die Trennung meisterst.
Hut ab, nach so einer kurzen Zeit schon wieder so im Leben zu stehen.

Was das Organisatorische angeht. Das wirst du wirklich nicht verhindern können, dass ihr in Kontakt tretet.
Aber reicht es nicht, wenn ihr euch 1 max 2x Mal darüber unterhaltet, schreibt, etc. ?
Ihr müsst danach doch nicht weiterhin Kontakt halten, wenn du das nicht möchtest.
Oder habt ihr Kinder, wodurch ein häufiger Kontakt notwendig wäre?

Wie ist es denn sonst so bei euch? Wohnt ihr noch zusammen? Läuft ihr euch sonst irgendwie über den Weg?

Grüsse Jeanny

07.01.2015 12:39 • x 1 #3


Charlotte12
Danke tamtam und Jeanny,

gute Idee, einen eigenen Account dafür aufzumachen und nur 1 mal pro Woche reinzugucken. Kontrollierte Qual sozusagen! Vllt mache ich schon in der Mailadresse deutlich, worum es geht, damit man nicht vom Thema abkommt: beziehung-ist-zuende@gmx.de oder trennung-charlotte-thomas@gmx.de. So krieg ich es hin, alles sachlich abzuwickeln. Und fang nicht an, tief in meinem Herzen auf Mails zu warten oder zwischen den Zeilen nach Hoffnung zu forschen.

Nein, Kinder haben wir nicht zusammen. Aber wir haben drei Wohnungen an zwei Orten, alles Finanzielle unseres Lebens ist verknüpft, wir müssen Anschaffungen und Kredite aufteilen, Sachen verkaufen. Dann die Scheidung durchziehen ... Stop, soweit kann ich jetzt noch nicht denken, am Tag 10 Ich werde mir eh Zeit lassen und erst in zwei, drei Wochen mit dem Orga-Kram anfangen. Dann, wenn (um mal in meinem inneren Bild zu bleiben) meine Wunden nicht mehr bluten und sich erster Schorf gebildet hat. Ich will nämlich nicht, dass sich die Operationswunde entzündet. Jetzt bin ich eh noch in der Reha.

So schaff ich das, tausend Dank! Auch für euer Feedback, das hat mir so gut getan. Ich bin soo dankbar, dass es euch und dieses Forum gibt. Die ersten Nächte habe ich nicht schlafen können und hier gelesen, geweint, geschrieben - und wurde so mitfühlend und gut getröstet.

Lg

07.01.2015 14:47 • #4


Jeanny80
Hallo Charlotte,

in deinem Bild passt wirklich alles genau zusammen.
Ich glaube das kann einem echt helfen in einer solchen Situation.

Du machst mir wirklich den Eindruck, als wenn du mit der Situation gut umgehen kannst.
Aber ist es nur deine Metapher, die dich schon weit sein lässt?

07.01.2015 15:09 • #5


Charlotte12
Ja, ich denke ganz stark an das innere Bild, mit allen Geräuschen und Gerüchen, sehe die kalten Krankenhauslampen, höre die Rollen der Bahre, auf der ich hektisch über den leeren Flur in den OP geschoben wurde.

Es ist ja auch nur ein Mittel, nicht am Schmerz zu ersticken. Erst rollt eine wahnsinnige Schmerzwelle an, dann denke ich, dass ich operiert wurde, halte mir meinen Bauch - und habe sofort weniger und andere Schmerzen. Ich glaube, dass mein inneres Bild die Sehnsucht löscht, denn - ich bin ja schon operiert, es ist bereits geschehen, ich muss es akzeptieren.

Früher hatte ich in schweren Situationen Depressionen. Habe mich, vereinfacht ausgedrückt, in meinem Schmerz eingegraben und immer immer immer über den Verlust nachgedacht und nachgefühlt. Bis ich nicht mehr aufstehen konnte und sterben wollte. Das will ich nicht mehr. Mit meinem inneren Bild klappt das jetzt, gottseidank. Ich hatte sogar vor zwei Tagen ein Vorstellungsgespräch geschafft. Ohne das innere Akzeptieren der Trennung (der Operation) wäre das nie möglich gewesen.

Ich bin allerdings auch sehr wackelig (wie nach einer Operation). Heute morgen habe ich eine Stunde geheult und geheult. Vorhin bekam ich einen irren Schmerz als mir durch dein Posting klar wurde, dass ich Thomas nie mehr sehe, irgendwann, wenn alles Organisatorische abgewickelt ist. Das war zuviel, ich musste mir Stop sagen: Ich bin in der Reha und kann noch nicht so weit denken. Ich schone mich.

Was ganz in meinem Bild fehlt, ist Wut. Ob das gut ist, weiß ich nicht. Vielleicht kommt das später, wenn die Wunden verheilt sind. Erstmal bin ich froh, überlebt zu haben.

Kannst du was damit anfangen?

07.01.2015 15:31 • x 1 #6


tamtam
Oh, das ist so toll, ich werde das auch probieren. Ich denke ich habe nicht das recht schlecht über ihn zu denken weil ich die Trennung ja durch meine Krankheit mitverantwortet habe aber es haben viele andere Dinge auch nicht gestimmt und auch wenn er kein schlechter Mensch ist, hat er mich krank gemacht.

Wenn mein Sohn heute Abend im Bett ist werde ich mal versuchen in mich zu gehen und mir das genau so vor Augen zu holen.

Danke für diese tolle Anregung!

07.01.2015 17:48 • #7


Joey14
Liebe Charlotte,

du bist wirklich stark, ganz großen Respekt dafür. (Ich wurde im November nach einer sehr kurzen Beziehung von nur 2,5 Monaten - lächerlich, ich weiß - verlassen und habe immer noch daran zu knabbern und lag zwei Wochen lang quasi nur im Bett. Unfähig, irgendetwas zu machen.)

Im Frühling hatte ich allerdings eine deutlich schwerere Trennung durchzustehen. Mein Partner hat mich nach 18 Jahren verlassen. Er hatte seit fast einem Jahr eine andere. Das einzige, was geholfen hat, ist den Kontakt rigoros abzubrechen. Von daher bist du auf dem richtigen Weg, wenn du ihm abgesehen von organisatorischen Dingen nicht schreibst. Ich hatte leider viel zu lange immer noch Kontakt, und habe mir den Prozess damit deutlich erschwert. Zum Glück waren wir nicht verheiratet und haben auch nicht zusammengelebt, so dass es wenig zu organisieren gab. Aber die Trennung war trotzdem schwer, weil er der wichtigste Mensch in meinem Leben war.

Mein Rat: Klärt möglichst schnell das Organisatorische, am besten ganz sachlich per Mail, so wie es dir schon geraten wurde. Und lass dich ansonsten auf keinen Kontakt mehr ein. Das ist wirklich das einzige, was hilft. Und dann wird es irgendwann besser...

07.01.2015 18:10 • x 1 #8


Charlotte12
Liebe Joey, danke! Du hast zwei Trennungen hintereinander zu verarbeiten? Das tut mir leid. Was für eine Katastrophe für dein Herz

07.01.2015 18:22 • #9


Joey14
Ja, das war kein schönes Jahr. Der erste Freund hat mich sehr enttäuscht, weil er in der Zeit kurz vor der Trennung nicht für mich da war, als zu allem Überfluss mein Vater sehr krank wurde und gestorben ist. Er ist nicht mal zur Beerdigung gekommen - zu der Zeit hat er sich die neue Wohnung mit seiner neuen Freundin eingerichtet. (ich dachte bisher, sie wäre nur seine Kollegin und Mitbewohnerin - wir lebten aufgrund der Arbeit nicht zusammen sondern führten eine Fernbeziehung)

Alles Gute für dich!

07.01.2015 18:36 • #10


N
Hallo Charlotte,

ich habe eine Idee, wie du die organisatorischen Kontakte zu deinem Ex vielleicht in deine Metapher mit einbauen kannst. Du könntest diese ja als notwendige Nachuntersuchungen nach deiner OP interpretieren. Du musst quasi nochmal an den Ort des Geschehens, wirst daran erinnert und es tut auch weh, weil vielleicht jemand deine Wunde untersuchen muss oder Blut abnehmen muss oder Ähnliches. Aber das sind leider Dinge, die zu den Folgen der OP noch eine gewisse Zeit dazu gehören. Wär das was?

Viele Grüße
Niobi

08.01.2015 14:23 • x 1 #11


Charlotte12
Liebe Niobi, wie gut ist das denn! Danke für diese Integration in mein inneres Bild - so kann ich mir vorstellen, das Hin- und Hergemaile auszuhalten. In 2, 3 oder 4 Wochen beginnen also meine Nachuntersuchungen

Heute hatte ich einen schwachen Tag. Mein Bild wollte nicht funktionieren. Stattdessen guckte ich heftigst nach hinten (Warum? Was ist passiert? Was habe ich falsch gemacht? Was hat Thomas falsch gemacht?). Und habe mir meinen Mann mit ziehendem Herzen herbeigesehnt, viel geweint - und wurde von einer großen Einsamkeitswelle mit starken Bauchschmerzen erfasst. Sinnloser *beep*.

Ab in die postoperative Phase

Lg

08.01.2015 16:56 • #12


N
Freut mich, dass du mit meiner Idee was anfangen kannst, liebe Charlotte! Ich kann gut verstehen, dass du nicht nochmal Lust auf dieses am Boden zerstört sein hast. Und ich bewundere es, dass du aktiv versuchst, dem zu entgehen. Ich versuche das auch, aber es wird wohl kaum auf Dauer klappen. Die Frage ist, kostet es mehr Kraft, der Depression zu entgehen oder sich eben nicht zu wehren und es auszuhalten? Was denkst du?

08.01.2015 17:24 • #13


Charlotte12
Ich meine, wenn man ein trainierter Depressivdenker ist, kostet es eine wahnsinnige Kraft, sich nicht in den eigenen, wohlig warmen Gedankenschlamm zu ziehen. Ich habe Jahre gebraucht, mir die negativen Gedanken zu verbieten. So nach und nach habe ich dann die inneren Trampelpfade verlassen und geübt, anders mit schweren Zeiten umzugehen. Davon profitiere ich jetzt.

Mein Gedankenschlamm von früher fühlt sich nicht mehr heimelig und warm an, er ist mir heute fremd und kalt. Deshalb kann ich die Finger davon lassen. Auch, weil ich mich mittlerweile mag. (Das ist auch eine Folge davon, den depressiven Teufelskreis verlassen zu haben.)

Wenn du jetzt erstmalig ohne negative Trampelpfade schwere Zeiten aushalten willst, hast du es schwer. Ja, die depressive Gedankenwelt fühlt sich leichter an. Aber du weißt ja, dass das nur eine kurzfristige Mogelpackung ist. Schon nach einiger Zeit zieht es dich kilometertief runter. Ich glaube, es lohnt sich, diese dunkle Welt zu verlassen. Die Kälte der neuen Welt - hältst du aus! Es gibt viel Schlimmeres! Deine Helfer sind Wärmflasche, Körnerkissen, Heizung auf volle Pulle, Heulen bei einer Freundin!

Kannst du was damit anfangen?

08.01.2015 17:39 • #14


N
Danke Charlotte, für deine Meinung. Ich habe schon recht lange mit Depressionen und Angstgedanken zu tun, und ich weiß, was du mit Trampelpfaden meinst. Man gewöhnt sich eine bestimmte Denkweise an, und je öfter man das macht, desto mehr vertiefen sie sich, und desto weniger kann man noch nach rechts un links ausweichen. Das mit dem Trampelpfad ist also ein sehr stimmiges Bild für mich, damit kann ich sehr viel anfangen! Und ich habe den Wunsch, einen anderen Pfad einzuschlagen. Das definitiv. Das ist die eine Sache, meine generelle Denkweise.
Die andere Sache ist die konkrete Trennung, die ich gerade erlebe. Ich habe das Gefühl, es war noch nie so schlimm, weil ich eine Trennung noch nie so wenig akzeptieren konnte. Ich will einfach nicht, dass es wahr ist, ich will mir gar keine Strategien zur Bewältigung überlegen, weil ich es gar nicht bewältigen will! Und deswegen laufe ich vor dem Schmerz davon. Ich will die Realität nicht annehmen, also will ich gar keine neuen Wege finden, um mit der Trennung umzugehen. Hört sich bestimmt verrückt an.

08.01.2015 17:53 • #15


A


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