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Leere Stelle wo einst die Illusion von Liebe war

Tiefes Meer
Mein alter Gefährte,

Ich habe gerade in diesem Forum einen Thread über die wahre Liebe gelesen. So viele schöne Worte und Gedanken über die Liebe sind dort aufgeschrieben worden. Ich habe das alles gelesen und dachte oft, ja dieses und jenes klingt genau richtig. Und doch blieben die Worte allesamt Worte. Ich hatte das Gefühl einer leeren Stelle in mir, da wo sie etwas hätten anrühren sollen.

Diese leere Stelle, die hat was mit dem Für-Dich-Dasein zu tun und mit meinen frühkindlichen Erfahrungen mit Liebe. Meine Eltern waren keine schlechten Menschen. Ganz gewiß nicht. Nur hatten sie selber ein großes Päckchen zu tragen, waren traumatisiert durch die Kriegserfahrungen, die sie als Kinder machen mussten. Wie ihre ganze Generation.

Sie brauchten mich zu sehr, um ihre eigene Leere zu füllen. Liebe lernte ich als etwas kennen, was eine Belohnung ist, wenn man sich richtig verhält und den anderen glücklich macht. Ein schwieriges Strickmuster habe ich da mitgenommen. Schwierig, aber keineswegs selten glaube ich. Wenn ich mich hier so im Forum umschaue, scheinen viele Menschen so ähnlich zu ticken.

Ich habe mir trotz dieses Musters meinen Weg durch diese Welt gebahnt. Ich habe gelernt tough zu sein, mir einen Platz im beruflichen Leben erobert, mir eine Weltsicht zusammen gebastelt, die oft ein bißchen schräg war, aber mir im wesentlichen erlaubte, recht gut zu funktionieren und gut mit anderen Menschen umzugehen.

Aber Heimat in mir ? Woher sollte ich diese Heimat nehmen ? Ich habe mich immer wurzellos gefühlt, brauchte immer einen Bezugspunkt in einem Du. Ich dachte, daß ich nunmal so bin und daß die Sehnsucht nach einem Partner ja was ganz normales ist.

Als ich Dich geheiratet habe, habe ich geglaubt Dich zu lieben. Wir waren voller Pläne und Zuversicht. Haben darüber gesprochen wie wir miteinander umgehen, wie wir miteinander streiten wollen. Wir haben einander gesagt - ich liebe Dich. Doch was wußten wir von Liebe ?

Du wusstest, daß Du im Leben viel zu wenig Liebe erfahren hast und hofftest, daß ich diese Lücke füllen kann. Ich habe mir das in meiner Naivität zugetraut. Ich glaubte, daß meine Liebe zu Dir Dich glücklich machen kann. Daß im Gegenzug Du auch mich glücklich machen würdest. Und anfangs schien es sogar so zu sein.

Was ich nicht sehen konnte, war, daß mein Glaube an die Kraft meiner Liebe kindlich war, daß ich selber nichts von Liebe verstand und schon gar nichts von den Untiefen Deiner Lücke.

Auch ich hatte in meinem Leben zu wenig Liebe erfahren, jedenfalls nicht dieses bedingungslose Angenommen-Werden, was Kinder wohl brauchen, um seelisch gesund heran zu wachsen. Doch mir war das nicht bewußt. Ich war in der Illusion einer vermeintlich heilen Kindheit gefangen. So habe ich mich zutiefst geirrt. Dich zu meinem Bezugspunkt zu machen war fatal.

Als Du mich verlassen hast, wurden einige meiner Grundfesten zerstört. Dazu gehörte dieser Glaube, daß Liebe etwas ist, was man bekommt, wenn man gut zu dem anderen ist. Nein, ich bekam keine Belohnung, sondern einen Tritt in der Allerwertesten.

Du hast Dich für Dein Verhalten geschämt. Aber diese Scham war völlig nutzlos für mich.

Mein Schmerz war tief, doch ich sagte mir: Sieh hin. Das ist die Realität. Willst Du so weitermachen ? Aber wenn nicht so, wie dann ? Was ist denn dann überhaupt noch eine Richtschnur für mein Handeln ?

Es war so schwierig, diesen Scherbenhaufen zu sortieren. Ich habe mich inzwischen wieder einigermaßen gut zusammen gesetzt, Antworten auf einige Fragen gefunden, nicht auf alle. Ich bin jetzt bewußter. Die Trauer, die Wut und Enttäuschung haben sich ein wenig beruhigt. Ich kann akzeptieren, daß sie da sind. Ich habe wieder begonnen zu leben.

Doch wenn mich jemand nach der Liebe fragt, dann spüre ich in mir eine leere Stelle, da wo früher mein Bild von Liebe wohnte. Ich weiß jetzt nur noch, daß Liebe nicht das ist, wofür ich sie lange hielt und alles andere, was ich darüber lese, bleiben einfach nur schöne Worte.

Ich hoffe, eines Tages wächst etwas in mir, was in der Lage ist, diese leere Stelle zu füllen. Ich wünsche es mir sehr, denn diese leere Stelle macht mich traurig und ihre Existenz fühlt sich oft einfach nur bitter an. Und Bitterkeit, nee - die wünsche ich mir so ganz und gar nicht für mich. Da habe ich wohl noch eine Baustelle.

Aber Schluss jetzt. Es ist spät geworden. Hab ein gutes Leben alter Gefährte. Trotz alledem. Ich schreib Dir vielleicht noch das eine oder andere mal. Mal schauen.

04.01.2015 03:48 • x 17 #1


Sternle
Ein schöner Text, in dem so viel Wahrheit steckt.
DANKE.

04.01.2015 15:19 • x 2 #2


A


Leere Stelle wo einst die Illusion von Liebe war

x 3


S
nur Wahrheit steckt in diesem Text. Danke, dass die Möglichkeit besteht sich hier auszutauschen.

16.01.2015 19:49 • x 1 #3


E
Sehr schön geschrieben , Tiefes Meer .

Wie immer schreibst du Tolle Beiträge und Kommentare

Besonder das hier :

* Es war so schwierig, diesen Scherbenhaufen zu sortieren. Ich habe mich inzwischen wieder einigermaßen gut zusammen gesetzt, Antworten auf einige Fragen gefunden, nicht auf alle. Ich bin jetzt bewußter. Die Trauer, die Wut und Enttäuschung haben sich ein wenig beruhigt. Ich kann akzeptieren, daß sie da sind. Ich habe wieder begonnen zu leben.

Doch wenn mich jemand nach der Liebe fragt, dann spüre ich in mir eine leere Stelle, da wo früher mein Bild von Liebe wohnte. Ich weiß jetzt nur noch, daß Liebe nicht das ist, wofür ich sie lange hielt und alles andere, was ich darüber lese, bleiben einfach nur schöne Worte.

Ich hoffe, eines Tages wächst etwas in mir, was in der Lage ist, diese leere Stelle zu füllen. Ich wünsche es mir sehr, denn diese leere Stelle macht mich traurig und ihre Existenz fühlt sich oft einfach nur bitter an. Und Bitterkeit, nee - die wünsche ich mir so ganz und gar nicht für mich. Da habe ich wohl noch eine Baustelle. *

So wie es in der Bibel steht - Liebe Den Nächsten wie dich selbst . .

Ich hoffe du kannst diese Leere mit Selbstliebe fühlen und eine bedinungslose Liebe kennenlernen , die freiwillig gibt aber nichts zurückfordert .

Ich hoffe, du schaffst es wieder ganz aus dem tiefen Meer aufzutauchen .

Liebe Grü0e
Alex.

16.04.2015 18:32 • x 2 #4


Tiefes Meer
Danke Alex. Liebe Grüsse zurück

16.04.2015 18:36 • x 1 #5


L
Danke, tiefes Meer,
für Deinen Beitrag zu Liebe.

Ich stand vor einem Jahr da, mit Trennungsschmerz,
und sortierte SchockWutTrauer.

Ich finde, Liebe ist das, was in Dir Gutes für Dich selbst und für den anderen ist.
Schmerzlich ist, wenn der andere sie nicht oder nicht mehr will.

Was ich wieder verinnerlichen musste, dass Liebe zu einem anderen auf dem Boden der Selbstliebe wächst,
um gemeinsam miteinander zu leben, oder um loszulassen.

Und ich denke, wahre Liebe geht in Selbstliebe auch mal schwere Wege.
Doch an zu einseitiger Liebe zu hängen, ist Mangel an Selbstliebe.

03.12.2015 13:47 • x 3 #6


S
Wow das ist wirklich schön geschrieben und beschrieben! Sehr ehrlich, sehr einfühlsam. Danke dafür! Ich kann nur sagen ich finde mich in so vielem davon wieder. Vor Allem die Frage was denn Liebe überhaupt noch ist. Ob es sie gibt! Diese leere und die Kälte die das Fehlen der bisherigen Illusion von Liebe hinterlässt und der Zweifel sind unschön, damit habe ich zur Zeit auch sehr zu kämpfen!
Ich hoffe sehr, dass es da draußen echte Liebe gibt und das wir sie alle mal erfahren können. Jenseits von Abhängigkeit, Popkultur und irgendeinem biologischem Paarungsdrang muss es doch etwas geben was uns Menschen verbindet uns zueinander führt! Zumindest fühle ich das da noch etwas ist! Vielleicht hoffe ich es auch nur.

03.12.2015 23:02 • x 2 #7


Tiefes Meer
@luckyhappy - ja, Selbstliebe und Liebe zu einem anderen stehen in einem engen Zusammenhang. Anderen Menschen gegenüber eine klare Grenze zu ziehen ist mir immer sehr schwer gefallen. Das hängt unmittelbar mit einem Mangel an Selbstliebe zusammen schätze ich. .

Schön, dass Du diesen Beitrag von mir gefunden hast. Inzwischen ist er ja fast ein Jahr alt und ich war an meiner Baustelle fleißig. Momentan sieht es oft deutlich freundlicher aus in meinem Inneren als noch im Januar, und es gibt zunehmend Zeiten, in denen ich im Licht stehe und mich mit mir alleine wohl fühle.

@Schlenz - auch Dir danke ich für Deine Worte. Ich teile ganz deutlich Dein Gefühl, dass es da jenseits von Abhängigkeit und Popkultur noch etwas anderes gibt. Wie um mich darin zu bestärken, hat sich in meinem Leben eine neue, sehr innige Freundschaft entwickelt. Das ist toll. Auch, weil ich hier immer wieder mal Gelegenheit finde, mich im Setzen von Grenzen zu üben und es ist schön zu erleben, dass mein Gegenüber damit tatsächlich gut umgehen kann.

Manchmal ist es wie eine Ahnung davon, wie es mit einem passenden Partner sein könnte. Geht uns beiden so ... Dumm nur, dass wir beide das gleiche Geschlecht haben und hetero sind ....

Aber vielleicht ist mir diese Freundschaft auch nur deshalb möglich, weil ich hier hinter einer quasi natürlichen Grenze in Sicherheit bin vor noch mehr Nähe. Vielleicht ist sie das Maximum dessen, was ich im Moment an Nähe zulassen kann. Wie auch immer - ich bin dankbar dafür. Oft genug hatte ich das Gefühl, dass ich auf meinen Knien durch diese Krise gekrochen bin. Und doch ist die Strecke rückblickend recht beachtlich. Auch wenn ich wohl immer noch nicht ganz durch bin.

Liebe Grüsse

04.12.2015 01:41 • x 1 #8


L
Liebe TiefesMeer,

ich habe diesen Deinen wundervollen Thread und Text über die Liebe und die anrührenden Beiträge wiedergelesen.

In wahrer Selbstliebe liebe ich mich bedingungslos selbst, mein ganz persönliches individuelles Leben mit seinen Höhen und Tiefen.

Wahre Liebe liebt bedingungslos den anderen,
und wenn das gegenseitig so ist,
geht alles gut.

Dahin zu kommen ist ein Wachstumsprozess, der mit Trennungen verbunden sein kann.

lieben ist nicht die Belohnung für Liebe, lieben ist einfach lieben.
Und wenn es gegenseitig ist, ist alles gut.
Dass zu lieben gegenseitig ist, kann ein Wachstumsprozess sein.

Zu verlassen, ist keine Garantie, lieben zu lernen.
Kann leicht sein, dass Dein Exmann es wieder nicht lernt,
und Du schon !

Alles Liebe !

26.01.2016 10:16 • x 1 #9


Babs54
Hallo Tiefes Meer, ich habe gesehen, dass du mein Thema beobachtest und wollte mal schauen, wer du bist.
Du hast mich bis ins tiefste Innere berührt. Meine Kindheit war vergleichbar. Mein Vater Spätheimkehrer aus russ. Gefangenschaft, Mutter geflohen aus Ostpreussen.
In mir fühle ich ausser überwiegend Trauer und kurzer Schadenfreude wie gestern nichts.
Und ich habe Angst, dass das so bleibt.
Um 30 Jahre zu verarbeiten braucht es eine Weile und der Sand in der Eieruhr meines Lebens ist schon sehr deutlich reduziert, eigentlich ein überschaubarer Rest.
Liebe Grüsse
Babs54

10.11.2018 12:28 • x 1 #10


A


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