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Meine depressive Freundin trennt sich - was nun ?

U
Hallo zusammen,

Ich bin schon länger inaktiver Mitleser und bin immer wieder verwundert, was so alles in der Welt (und in den Menschen) vor sich geht. Vieles ist unvorstellbar. bis man selbst in so einer unglaubwürdigen Situation landet.

Ich bin 36 und hatte über die Jahre hin weg immer mal wieder Beziehungen, habe geliebt, gehofft, Träume gehabt (wer kennt es nicht). irgendwann kam die Trennung, wie das eben so läuft im Leben. So hat man über die Beziehungen hinweg immer mal wieder geliebt, gelitten, gehofft und doch erkannt es ist sinnlos. Die Gründe waren mehr oder weniger immer nachvollziehbar, wenn auch erst nach einiger Zeit. Immer hat es irgendwie wieder mit einem selbst funktioniert, alles wurde wieder in normale Bahnen gelenkt. Das Leben ging weiter.

Ich bin eigentlich niemand der seine Sorgen niederschreibt oder wenn, dann nur selten sie mit anderen teilt. Ich habe gelernt vieles mit mir selbst auszumachen. Bisher hat das alles ganz gut funktioniert. Bis zum heutigen Tag.

Ich kenne meine (ex)Freundin (gleiches Alter) schon sehr sehr lange (fast 20 Jahre), fand sie schon immer anziehend ohne Ende, aber es hat sich nie etwas ergeben. Keine großen Treffen, mal hatte sie nen Partner, mal ich eine Partnerin. Es sollte nie sein.

Die letzten 17 Jahre hatten wir dann schlußendlich gar keinen Kontakt.
Bis zum letzten Sommer. Mehr aus einer Laune heraus dachte ich hey komm, schreib ihr doch mal.
Gesagt getan, kurze Zeit darauf eine Antwort - wir müssen uns unbedingt mal treffen - sie meldet sich.
Nach über einer Woche Funkstille hatte ich schon fast die Hoffnung aufgegeben, als auf einmal eine Nachricht kam. Siehe da - das erste Date stand.
Was soll ich sagen. das zweite und dritte Date kamen , wir haben zueinander gefunden.
Es gab innerhalb kürzester Zeit eine Vertrautheit die ich so noch nie erlebt habe. Wolke sieben ist ein Witz dagegen.
Wir waren ein Herz und eine Seele. Es gab niemals Streit, es gab gemeinsame Interessen, wir hatten Spaß, die Eltern mochten die anderen, alles schien perfekt.

Relativ früh in unserer Kennenlernphase erzählte sie mir bereits, dass sie ab und an mal eine depressive Phase hat in der sie sich zurück ziehen wird. Sie entschuldigte sich schon damals und redete mir ein, dass es nichts mit mir zu tun haben wird. Sie brauche einige Zeit um sich zu heilen, dann kommt sie wieder. Sie werde mich nie wieder hergeben, da kann ich mir sicher sein.
Wir schmiedeten Pläne, wir wussten beide was wir wollen, alles schien perfekt.
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Da ihr Job sie zu dieser Zeit sehr belastet und der Tag stressig und auf Grund ewig langer Fahrtzeiten kräftezehrend, ja fast schon zerstörend war (16 Std außer Haus) musste dringend etwas an Ihrem Wohnort geändert werden. Das schob sie schon lange Zeit vor sich her. Heute weiß ich warum - zu viel psychische Belastung .
Zusammen ziehen wollte sie noch nicht, da es noch zu früh war. Das Stand für später auf unserem Plan. Es war für mich auch in Ordnung soweit, ich wollte sie unterstützen, ich sah eine endlose Zukunft für uns.

Nach langer Suche hat sie endlich eine neue Bleibe gefunden. Dann gingen die Ängste bei ihr los, Zweifel, Unsicherheiten. Ich sprach ihr Mut zu diesen Schritt zu gehen. Es war richtig für sie.
Da wir beide sehr eingespannt sind haben uns ohnehin nur zwei Tage die Woche gesehen.
Dies reduzierte sich ab dem Zeitpunkt Mietvertrag radikal auf einmal die Woche ein paar Stunden.
Sie musste immer wieder nach Hause, blieb nicht mehr über Nacht.
Wie sie selbst sagte die Wand anstarren. Immer und immer wieder beteuerte sie es hat nichts mit mir zu tun, ich brauche keine Angst haben. Wir wissen beide was wir wollen, sie braucht Zeit um klar zu kommen.
Sie zog sich immer weiter zurück, dennoch jeden Tag ein Anruf, WA Nachrichten, Herzchen, usw.
In der neuen Wohnung gab es viel zu tun, Ihre Stimmung wurde mit jedem Tag sichtlich immer schlechter. Ich musste dabei zu sehen wie sie an dieser für sie großen Hürde langsam kaputt geht.

Kurz vor dem Umzug wieder die gleiche Situation. sie muss Heim, es hat nichts mit mir zu tun, keine Sorge.
Das zog sich nun schon fast acht Wochen. An diesem Tag kam zum Abschied von ihr ein Satz, der mich zu tiefst berührt hat. Mach dir keine Sorgen, wir sind doch eigentlich schon verheiratet. uns fehlen doch nur die Ringe.

Bumm. ich war geflasht, sprachlos, gerührt, hatte Tränen in den Augen vor Freude auf die Zukunft.
Es gab mir einen Schub, endlich diesen sch. hinter uns zu kriegen und in die Zukunft zu starten.

Kurz darauf war es dann auch soweit. Der Umzug, ein Tag voller Katastrophen, wie das eben so ist bei Umzügen. Mit jedem Vorkomniss ist sichtlich eine kleine Welt für sie zusammen gebrochen, es war einfach alles zu viel.

Direkt am Tag nach dem Umzug kam dann das womit ich niemals gerechnet hatte.

Absolute Funkstille. Quälende sechs Wochen.

Keine Antwort mehr auf WA Nachrichten, nichts, sie ist komplett abgetaucht.
Immer wieder musste ich an Ihre Worte denken. und Ich gab ihr die Zeit um die sie mich gebeten hat, habe dennoch ein mal die Woche geschrieben, dass ich immer für sie da bin. Kein Zwang, kein Druck.
Mit Ihren Eltern habe ich in dieser Zeit zwei mal gesprochen, sie bekräftigten mich durchzuhalten, ihr liegt so viel an mir.

Ich musste mich an ihre Depressionen erinnern und habe in Folge dessen viel darüber gelesen. immer und immer wieder.
Da war sie also. die immer wieder beschriebene Distanz, das zurück ziehen, das abblocken und weg schieben von geliebten Menschen um sie nicht zu verletzen.Die Gefühle sind betäubt.

Das ging bis vor circa vier Wochen. Sie meldete sich bei mir, wollte vorbei kommen. Kein Schatz, keine Herzchen in der Nachricht. Ich ahnte schlimmes . und es kam schlimm.
Da stand sie also vor mir. Ihr Blick war leer, verstörend. Sie wollte mich nicht in den Arm nehmen, sie war sichtlich zerstört.

Sie entschuldigte sich für das nicht melden, sie brauche alle Zeit für sich um wieder gesund zu werden.Sie hat zu niemandem Kontakt, sie mag mich, es hat nichts mit mir zu tun, beteuerte immer wieder das es keinen anderen gibt, sie braucht Zeit um gesund zu werden, sie wollte mich nie verletzten. . aber so macht das keinen Sinn, so funktioniert das nicht mit uns.

Dann nahm sie mich doch noch in den Arm und hat für eine halbe Minute nicht los gelassen.
Mir liefen die Tränen. Sie war emotionslos (wie ich es so oft gelesen habe ein typisches Symptom für Depression).
Schließlich ging sie von mir.

Da war er also , der große Knall.

Meine Welt ist zusammen gebrochen wie ein Kartenhaus. Nun war auch ich zerstört.
Ich kann nur schlecht schlafen, wache nachts immer wieder auf. Unkontrolliertes Weinen den Tag über, das volle Programm.

Die Gedanken quälen mich, Tag ein Tag aus. Ich habe meinen Herzensmenschen an eine Krankheit verloren. Der absolute Horror.

In meinem Freundeskreis konnte ich das natürlich nicht lange verstecken, also erzählte ich meinen engsten Freunden was passiert war.
Sie sind sprachlos, so wie ich auch. Aber anstatt es mir auszureden (was man zwar nicht hören will, aber i.d.R. dennoch passiert) redeten Sie mir sogar gut zu.
Ich solle Ihr Zeit geben, sie haben sie erlebt, sie sind sich sicher, dass sie sich wieder melden wird.

Dennoch versuche ich aus Selbstschutz es mir auszureden, das ganze zu verdrängen, es kann ja nicht ewig so mit mir weiter gehen.

Gestern Abend verbrachte ich mit einem sehr guten Freund den Abend. Essen, ein paar B..
Trotz mehrfacher Aufforderung nicht mit dem Thema anzufangen und es einfach ruhen zu lassen fing er an und legte dann wieder Erwarten richtig los:
Ich solle den Kopf nicht hängen lassen, er kennt sie, sie meldet sich, er ist sich 1000% sicher.
Er wurde immer lauter , hat mich schon fast angeschrien. Ich solle an ihr festhalten, er hat uns gesehen, Sowas wie uns hat er noch nie zuvor gesehen, diese Frau würde mich über alles lieben.
Ich bat ihn immer wieder damit aufzuhören, mir liefen die Tränen. aber es ging immer weiter.
Bis ich vor lauter weinen zusammen gebrochen bin und mich in mein Bett verkrochen habe.

Das ist er also, der Status quo - Totalschaden.

Ich weiß einfach nicht mehr weiter. Ich weiß nicht was ich glauben soll, mir einreden soll.
Erwartungen habe ich aus Selbstschutz keine, dennoch gibt es irgendwo ein Fünkchen Hoffnung.

Sie ist krank, das muss man akzeptieren. Ich kann nicht helfen, kann nur da sein, falls sie sich meldet.
Sie ist jetzt seit dieser Zeit in Therapie (Diagnose Schwere Depression), ein guter und richtiger Schritt.

Aber. Sind die Gefühle betäubt , kommen sie wirklich wieder zurück?
Dauert es noch 4 Tage, 4 Woche, 4 jahre , oder wird es doch nie wieder ?
Ich weiß , dass jeder Fall und jeder Mensch anders ist, dennoch wäre ich um einige Meinungen oder Erfahrungen sehr dankbar.
Vielleicht kann ich daraus wieder etwas Kraft schöpfen.

Auf jeden Fall bleibt eine Erkenntnis. Depressionen sind Sc. und kein Spaß !

19.05.2022 00:37 • #1


Heffalump
Zitat von Undertaker:
Dauert es noch 4 Tage, 4 Woche, 4 jahre , oder wird es doch nie wieder ?

oder 40 Jahre?

Du kannst nichts beeinflussen, du kannst nur ihre Stimmungen aushalten - willst du das? Du gehst auf Dauer genauso vor die Hunde. Hast am Ende das exakt gleiche Krankheitsbild.

Es sollte nicht sein. Akzeptiere es. Heile. Geh zum Profi, der dir hilft zu verstehen - und nabele dich ab. Du siehst ja, du kannst ihr nicht helfen. Möglich sie lässt sich helfen, aber deswegen müssen ihre Gefühle nicht zurück kommen.

19.05.2022 06:07 • x 2 #2


A


Meine depressive Freundin trennt sich - was nun ?

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U
Ich danke dir für deine Antwort. Ich wundere mich ein bisschen, dass sonst keine Erfahrung oder Meinung dazu kam. Das Thema Depression scheint ein sehr sensibles Thema zu sein Über das man nicht so wirklich reden will oder kann .
Ich verstehe was du meinst, du hast auch grundsätzlich erst mal recht mit dem was du sagst, das zweifle ich überhaupt nicht an. Dennoch ist es sehr schwer zu verstehen was da gerade abläuft und vor allem warum. Ich habe diese Person erlebt, ich habe von außen viel Zuspruch erhalten wie glücklich sie ist (als wir noch zusammen waren) , von ihren Eltern und Freunden … es passt leider alles nicht ins Bild/Verhalten was gerade an den Tag gelegt wird . Ihr Verhalten ist komplett gegensätzlich. Es ist leider verdammt schwer zu akzeptieren…. Von verstehen will ich gar nicht erst anfangen …. Ich denke das ist unmöglich…

23.05.2022 00:27 • #3


tina1955
@Undertaker , was soll man Dir dazu schreiben?
Natürlich tut es mir leid, dass es Dir mit der Situation nicht gut geht.

Aber wir sind alle keine Psychologen und ich kann mich nicht mal annähernd in diese Diagnose hineinversetzen, kenne auch keine einzige Person in meinem Umfeld diesbezüglich.

Nach dem was ich aus Deinen Angaben heraus gelesen habe, würde ich jetzt denken, dass Deine Ex selbst eingesehen hat, dass sie derzeit und in naher Zukunft nicht in der Lage ist, eine Beziehung mit regelmäßigen Treffen und viel Nähe und Verpflichtungen zu führen.

Es nützt ihr nichts, wenn Du ihr Zeit lässt, Dich mit der Diagnose beschäftigt hast, denn das bedeutet sicher einen zusätzlichen Druck für sie, den sie nicht gebrauchen kann.

23.05.2022 01:08 • x 1 #4


tina1955
Ja, sie hat es versucht, ist in Deine Nähe gezogen und fühlte sich selbst gleichzeitig damit selbst überfordert.

Du kannst ihr selbst mit Rücksicht und Zeit nicht helfen..

Vielleicht ist ihr wirklich klar geworden, dass sie Dich und sich selbst auf die Dauer nicht glücklich machen kann.
Das hat auch bestimmt nichts mit Dir als Person zu tun...
Ihre Krankheit steht ihr im Wege und da kann ihr nur eine Therapie helfen.

Eigentlich finde ich es sehr vernünftig von ihr, die Beziehung zu beenden, so hast Du die Gelegenheit Dich auf Deine Zukunft zu konzentrieren.

23.05.2022 01:16 • x 1 #5


J
Hallo Undertaker,

was ist das für eine üble Sache, die euch da passiert. Das ist ja schrecklich. Es tut mir sehr leid.

Ich sehe das auch so, dass du passiv bist und da auch keine Wahl hast. Es sei denn, du bist bereit, deine seelische Gesundheit für eure Beziehung zu opfern. Ich war selbst einmal depressiv und kann aber diese wirklich schwere Depression mit Kontaktabbruch nicht nachvollziehen. Das ist ein ganz anderes Kaliber.

Das Verhalten und die Reaktion deines Freundes, der dich bedrängt hat, ist für mich absolut zuviel. Das geht gar nicht und würde bei mir nicht mehr unter Freund laufen. Das Thema war tabu und er redet dennoch auf dich ein.
Und natürlich hoffen ihre Eltern, dass du eventuell den Einfluss hast, ihre Tochter ein Stück weiter in Richtung Heilung zu bringen. Aber ich denke vielmehr, dass das nur deine Expartnerin kann. Ich weiß nicht, inwieweit da schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden.

23.05.2022 01:48 • x 2 #6


U
@JaNu ich denke ein großer Stressfaktor war einfach dieser Umzug, der hat sie komplett zerstört. Äußere Faktoren eben … Aber egal was es war, das ändert leider alles nichts am Resultat. Ändern kann ich selbst leider nichts daran. Mit den Eltern war/bin ich in Kontakt. Sie sind auch sehr bestürzt. Leider hilft auch das mir nicht weiter.

Zu diesem Freund habe ich den Kontakt abgebrochen. Er hat mich psychisch in Grund und Boden gestampft, obwohl ich ihm mehrfach gesagt habe er soll es lassen. Es als ob es nicht genug ist , dass einer psychisch kaputt ist …

23.05.2022 01:56 • x 2 #7


Charla
Zitat von Undertaker:
Ich habe diese Person erlebt, ich habe von außen viel Zuspruch erhalten wie glücklich sie ist (als wir noch zusammen waren) , von ihren Eltern und Freunden …
es passt leider alles nicht ins Bild/Verhalten was gerade an den Tag gelegt wird . Ihr Verhalten ist komplett gegensätzlich.

Tut mir leid, was du gerade durchmachst. Sie hat dich vorgewarnt, ihre Stimmungen können extrem schwanken und je nach Schweregrad spüren sich schwer depressive Menschen nicht mehr, sind voller Ängste, fühlen sich von allem überfordert und isolieren sich, dass ist Teil ihres Krankheitsbildes.
Sie schaffen es nicht mehr ihren Alltag, ihren Job und ihren Beziehungen gerecht zu werden.

Solange keine Heilung stattfinden kann, musst du damit rechnen, dass es immer wieder zu Rückfällen bei ihr kommen kann, du entscheidest ob du das mitmachen kannst und willst.
Es wird vermutlich keine stabile Beziehung miteinander möglich sein.

Alles Gute für dich !

23.05.2022 01:57 • x 2 #8


U
@Charla ja, die Warnung war da. Mehrfach. Ich wusste aber nichts damit anzufangen. Sie ist in Therapie, bekommt Medikamente und ist in Psychotherapie. Also volles Programm. Ob sie geheilt werden kann weiß ich nicht, aber ich habe heute von den Eltern erfahren , dass es etwas Berg aufgeht. Wie lange das dauert ist nicht absehbar. Was das bedeutet für sie, eventuell auch für uns….. das weiß niemand .

23.05.2022 02:05 • x 1 #9


Charla
Zitat von Undertaker:
Wie lange das dauert ist nicht absehbar. Was das bedeutet für sie, eventuell auch für uns….. das weiß niemand .

Richtig. Es ist eine Reise ins Ungewisse. Manchmal kann diese Krankheit etwas in den Hintergrund treten und dann kann ein kleiner Auslöser ausreichen um sie wieder vollkommen zurückzuwerfen, Auslöser sind meistens Veränderungen weil sie angstverstärkend wirken können.

23.05.2022 02:17 • x 3 #10


Zombie-Lady
Hallo Undertaker,

mir stiegen beim Lesen deiner Zeilen gerade fast die Tränen in die Augen. Weil ich vor vielen Jahren dasselbe erlebt habe wie du. Ich habe meinen damaligen Partner an die Depression verloren. Ich weiß, wie verflixt weh sowas tut. Wie hilflos man sich fühlt. Wie wund, wie geschunden. Mir wurde jedes Mal übel, wenn ich sah, wie schlecht es ihm tatsächlich ging. Vor Kummer fielen mir sogar die Haare aus!

Im Gegensatz zu deiner Freundin weigerte sich mein Partner vehement, ärztliche Hilfe anzunehmen. Das war irgendwann für mich der Dealbreaker.

Niemand kann dir sagen, wie lange es dauern wird, bis sie sich wieder besser fühlt. Vielleicht Monate, vielleicht Jahre. Sowas ist langwierig. Die Medikamente brauchen Zeit. Und selbst, wenn sie irgendwann gut eingestellt ist, wird es immer mal wieder lange Phasen geben, in denen sie sich mies fühlt.

Aber ich möchte dir auch ein bisschen Hoffnung machen. In meinem engsten Freundeskreis gibt es ein Ehepaar, das seit fast 20 Jahren recht gut mit ihrer Depression umzugehen gelernt hat. Ich hab neulich in einer medizinischen Fachzeitschrift gelesen, dass Frauen mit ihren Depressionen im Schnitt besser zurechtkommen als Männer. Weil sie eher um Hilfe bitten und weniger den Anspruch haben, alles alleine schaffen zu wollen/müssen.

Ich finde es stark und fair von deiner Liebsten, dass sie dich vorgewarnt hat. Sie scheint dich sehr zu lieben. Aber aktuell hat sie einen Schub. Währenddessen kann sie sich vermutlich nicht mal ausreichend um sich selbst kümmern. Außerdem will sie vermutlich nicht, dass du sie so siehst/erlebst. Mein Freund ist damals in einem akuten Schub ausgezogen, damit er vor mir keine Fassade mehr aufrecht halten musste. Auch er hat übrigens die Wand angestarrt. Einmal hat er sich drei Wochen lang so wenig bewegt, dass er vom Liegen ein Ekzem am Hinterkopf kriegte. Körperpflege, frische Kleidung anziehen - das alles war bereits nicht mehr möglich.

Wenn du dein Leben mit ihr verbringen willst, wirst du fast unmenschlich viel Geduld brauchen. Du wirst oft monatelang deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse zurückstellen müssen, ihr zuliebe. Es wird niemals ganz unbeschwert sein zwischen euch. Du wirst immer wieder warten müssen. Das bedeutet: Du musst der Stabile von euch beiden sein, der Fels in der Brandung. Kannst du das auf Dauer?

Gleichzeitig könnten sich all die Entbehrung aber durchaus auch lohnen! Menschen mit Depressionen sind in der Regel gleichzeitig unglaublich feinfühlig, sensibel, liebesfähig und treu. Sie empfinden tief und rein, sie kennen wenig Falsch und noch weniger Selbstsucht. Aber du musst dir echt im Klaren darüber sein, worauf du dich einlässt.

Ich habe mich damals an eine psychologische Institutsambulanz gewandt. Dort hat man mir als Angehöriger in sechs Sitzungen den Umgang mit Depressionspatienten beigebracht. Umgang mit Suiziddrohungen, Warnzeichen, Rechte, Pflichten, wann muss ich den Notarzt rufen, wann den Patienten zwangseinweisen lassen etc. Sie schulten mich aber auch in Selbstschutz und Selbstfürsorge und gaben zu bedenken, dass ich mit meiner Vorgeschichte (Gewalterfahrungen in der Kindheit) das Ganze auf Dauer wohl nicht mittragen könnte. Die Entscheidung hat mir am Ende mein damaliger Freund im Grunde abgenommen.

Puh, jetzt hab ich viel geschrieben. Recht unkoordiniert, fürchte ich. Hilft dir irgendwas davon? Bitte frag gerne, wenn du etwas Bestimmtes wissen möchtest.

23.05.2022 02:40 • x 4 #11


U
Hallo Zombie- Lady,
Ich danke dir sehr für diese Erfahrung dazu.
meine Freundin hat nach eigener Erzählung bisher (die letzten 20jahre) noch nie Hilfe angenommen. Tabletten hatte sie mal vor ganz langer Zeit, das hätte nichts gebracht. Also wieder abgesetzt.

Wie sie immer sagte, sie brauche ein paar Wochen für sich, dann geht das wieder.

Dieses Mal ist es nach ihrer eigenen Aussage "besonders schlimm". Mehr wollte sie mir damals nicht dazu sagen, da will sie nicht drüber reden. Aber es wird schon einen Grund haben warum sie auf einmal doch zum Arzt geht obwohl sie das die letzten Jahre komplett abgelehnt hat.

Die Sache mit der Therapie und den Tabletten habe ich dann von ihren Eltern erfahren während der Zeit in der sie mich komplett ignoriert hatte . Ich bin froh, dass sie diesen Schritt gegangen ist.
es scheint wohl auch etwas Berg auf zu gehen, so wie ich das mit kriege ist sie jetzt seit acht Wochen in Therapie und Tabletten Behandlung .
es scheint so, als ob es langsam zu wirken beginnt und zumindest der absolute Tiefpunkt abgewendet ist.

Du hast vollkommen recht wenn du sagst es wird eine harte Zeit werden, es wird immer hoch und Tiefs geben.
Die Grundfrage wird aber erst mal sein, ob ihr Liebesgefühl zurückkehrt. Das sie eins hatte steht für mich absolut außer Zweifel.


Man kann nicht so viel über die Rückkehr der Gefühle (oder nicht?)bei Depressionen im Netz lesen. Dennoch reicht es von "nur verschüttet, kommt auf alle Fälle wieder" bis hin zu "erloschen".
Schwer zu beurteilen. Daher habe ich ja auch nach Erfahrungen gefragt, wer hat das erlebt, wer kann was dazu sagen.
ich könnte mir auch vorstellen , dass sich dann viele aus Scham dem Partner gegenüber einfach nicht mehr melden.
Leider gibt es derzeit keinen Zugang zu ihr um etwas zu erfahren oder ihr einfach nur Mut zu zu sprechen.

Oder anders ausgedrückt, ich habe es nicht probiert, da ich respektiere, dass sie Zeit braucht für sich.

23.05.2022 09:28 • #12


Zombie-Lady
Zitat:
Die Grundfrage wird aber erst mal sein, ob ihr Liebesgefühl zurückkehrt.

Mir ist schon klar, dass dies DEINE Grundfrage ist. Ist ja auch völlig verständlich. Sie hat allerdings im Augenblick ganz andere Sorgen! Für sie geht es gerade um ihre Existenz, um ihre Gesundheit. Über dich kann und will sie im Augenblick nichtmal nachdenken, daher auch die Trennung. Leider kann ich keine verlässliche Prognose abgeben. Entgegen der landläufigen Meinung sind Depressionen ja nicht immer nur Gefühle von Traurigkeit. In den meisten Fällen geht es eher um Taubheit bzw. um das Fehlen von Gefühlen. Ich vermute, dass ihre Liebe für dich zurückkehrt, wenn sie sich insgesamt besser fühlt. Aber dafür gibt es keine Garantie.

Lass mich bitte versuchen, dir etwas Grundsätzliches zu erklären: Viele Depressionspatienten spüren einen immensen Druck, dass sie nicht genügen. Dass sie wertlos sind und dass ihre Liebsten ohne sie besser dran wären. Gegen dieses überwältigende Gefühl kommst du von außen nur schwer ran, egal wie nachdrücklich du beteuerst, dass es nicht so ist. Überhaupt sind Druck und Funktionieren-Wollen große Themen. Sie hat sich getrennt, WEIL sie dich liebt und weil sie deshalb Druck verspürt, an dieser Front funktionieren zu müssen.

Menschen mit Depressionen spielen oft Theater. Sie tun so, als ginge es ihnen gut, weil sie nicht wollen, dass man ihr Elend sieht. Man nennt das: die Fassade aufrecht erhalten. Doch irgendwann geht das nicht mehr, es kostet zu viel Kraft. Und dann kommt ein gnadenloser Rückzug. An diesem Punkt können die Betroffenen keine Rücksicht mehr auf andere Menschen nehmen. Je mehr Druck du dann ausübst, desto schlimmer wird es. Deshalb ist es sehr gut, dass du ihr Luft zum Atmen lässt.

Du wirkst auf mich sehr verzweifelt und instabil. Nicht falsch verstehen: Das ist verständlich und menschlich! Aber es ist möglich, dass sie das spürt und sich von deiner Verzweiflung distanziert. Als Partner eines Depressionspatienten darfst du Null abhängig sein von der Gemütslage deines Gegenübers. Ich weiß, das klingt paradox. Aber nur dann lässt sich eine stabile Beziehung aufbauen.

Ich fand damals viel Hilfe und Verständnis in einem Forum für Depressive und ihre Angehörige. Dort haben mich andere Betroffene beraten, mir Tipps für den Umgang mit meinem Depri gegeben und mir typische Verhaltensweisen erklärt. Wäre das vielleicht auch etwas für dich?

23.05.2022 10:12 • #13


U
@Zombie-Lady Ja. Du hast recht. Das ist meine Frage. Und das ist eine Frage die mich sehr beschäftigt, da ich diese Frau über alles liebe. Und ja , ich bin auch irgendwie verzweifelt… und du hast recht , ich bin auch immer mal wieder labil . Aber ich bin aber nicht empfänglich dafür zu versacken, falls man das so sagen kann . Ja, es belastet mich, es macht kaputt, aber ich stecke den Kopf nicht in den Sand. Zumindest nicht länger als ein paar Minuten. Auch wenn ich das ab und zu gerne dauerhaft tun würde .
Wahrscheinlich komme ich einfach nicht damit zurecht nichts tun zu können. Hilflosigkeit. Machtlos. Ein furchtbares Gefühl . Ich würde alles tun um ihr zu helfen.

23.05.2022 23:00 • #14


Zombie-Lady
@Undertaker: Ja, ich kenne diese Gefühle von Hilf- und Machtlosigkeit. Nicht schön.

Leider kannst du nichts tun. Nur geduldig sein - aber gleichzeitig dein Leben führen und keinesfalls auf Eis legen.

23.05.2022 23:37 • x 1 #15


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