Lieber Lars,
ich habe Deine Geschichte gelesen...Ich finde es gar nicht so ungewöhnlich dass man nach dem schmerzhaften Ende einer Beziehung, die einem sehr viel bedeutete, ersteinmal kein Bedürfnis mehr nach Beziehung oder S. hat.
Nimm diesen Zusatand doch erstmal so an wie er ist ohne ihn zu bewerten. Deine Seele wird ihre berchtigten Gründe dafür haben, im Moment weder berührt werden zu wollen, noch sich neu zu verlieben.
Das ist doch nichts schlimmes, auch wenn man sich vielleicht manchmal angesichts des Zeitgeists (schnell in einer Kontaktbörse anmelden und Dates zwecks Ablenkung suchen) etwas außerirdisch vorkommen mag.
Ich finde auch nicht, dass Du nun schon besonders lange solo bist.
Ich bin ein Mensch, der sich generell ganz ganz viel Zeit zum Abschiednehmen lässt. Ich erzwinge nichts und gehe durch alle Gefühle, die da in mir entstehen.
Das ist nicht immer angenehm aber darin steckt auch sehr viel Entwicklungspotential.
Ich bin dadurch dahin gekommen, nicht unbedingt einen Partner haben zu müssen. Mein Leben ist erfüllend und wenn dann ein Mann in mein Leben tritt, dann lasse ich es zu. Aber es muss nicht sein. Ich will damit sagen, dass man eine Zeit ohne Beziehung oder S. nicht unbedingt als Mangel empfinden muss.
Meine letzte Beziehung ist jetzt 5 Monate her und ich käme nicht im Traum darauf, jetzt auf die Jagd zu gehen. Auch ich wurde sehr verletzt und so nehme ich mir die Zeit zum Verarbeiten. Was übrigens durchaus nicht immer nur schmerzhaft ist. Ich habe gelernt, einfach sein zu lassen, das anzunehmen, was ist. Das mag schräg spirituell klingen aber so fühlt es sich an. Ich lasse es zu, dass ich ihn manchmal vermisse, ich habe alle paar Tage/Wochen neue Erkentnisse, Erinnerungen und je weiter das Beziehungende in die Ferne rückt, desto mehr verändert sich mein Blick auf alles. Ich hätte dabei stehen bleiben können, dass er fremdging und dies und das tat und hätte in der Enttäuschung verharren können aber durch die Zeit, die ich mir nahm, geschahen ganz andere Dinge in mir und ich kann heute das Schöne was wir teilten als Bereicherung für mein Leben sehen und die schlechten Dinge akzeptieren. Sie sind passiert weil wir Menschen unvollkommen sind und weil jeder einzelne Mensch seine ganz eigene Entwicklung durchläuft, die meistens an die des Partners stößt und daher nicht immer angenehm ist.
Ich habe nach manchen Beziehungen sogar über Jahre keinen neuen Partner oder Flirt kennengelernt. Aber nicht weil ich so bitter enttäuscht war, sondern weil es sich einfach nicht ergab oder weil Tränen geweint werden mussten.
Jede einzelne Beziehung berührt andere Punkte in unserer Seele. Die eine Beziehung ist vielleicht einach nur wohltuend, leicht und geht einen in der Tiefe nicht an. Die andere aber trift etwas Tiefes in uns und das betrachte ich als etwas sehr positives, wenn es auch fast immer mit Schmerzen verbunden ist. Und solch eine Beziehung ist eben nicht zuende wenn man auseinander geht. Sie wirkt nach und das hat einen Sinn.
Dass Du gerade keine Lust auf Nähe hast, zeigt doch nur dass etwas anderes gerade wichtiger ist, sei es, den Schmerz zu verarbeiten. Und dass Du noch sehr verletzt und enttäuscht bist, liest man ganz deutlich.
Und wenn die Zeit in Dir reif ist, Dich für etwas neues zu öffnen, dann wirst Du es spüren. Es fühlt sich dann leicht und lustvoll an aber solange das nicht geschieht, bist Du eben noch nicht so weit.
Du bist ja in meinen Augen auch noch sehr jung und wenn man so mitten im Lieben schlagartig verlassen wird, ist das zunächst einmal ein Realitätsschock. Man fällt tatsächlich aus allen Wolken und alle Annahmen über die Liebe und Beziehung werden durchgerüttelt und in Frage gestellt. Das will erstmal verarbeitet werden. Du bist erschüttert in Deinem Lieben und es dauert eine Weile bist sich die Wogen der Seele wieder glätten und man versteht...
Sieh es mal so: ein guter Freund von Dir leidet wegen irgend etwas und ist so voller Sorge dass er keinen Bissen herunter bekommt. Du sorgst Dich um ihn und willst ihn zum essen zwingen weil Du meinst, er brauche unbedingt Nahrung...Du kannst ihm aber auch einach nur zuhören, ihn in den Arm nehmen, ihn weinen lassen...Und irgendwann wenn er alles rausgelassen hat, dann wird sein Magen von ganz alleine wieder knurren So in etwa kannst Du jetzt auch mit Dir selbst umgehen. Behutsam und nachsichtig. Lasse alle Gefühle zu, dränge Dich zu nichts, Du musst jetzt nicht essen (S. oder Beziehung), wenn Deine Tränen geweint sind und Du getröstet bist, kommt der Appetit von ganz allein wieder
Noch sind zu viele Tränen im Weg, noch liegen zu viele Bruchstücke deiner Erschütterung im Wege als dass da Raum für Nahrung wäre.
Zitat:Heute Nacht habe ich von ihm geträumt...ich bin ihm auf einem Weg, in der Nähe von dem Ort wo
ich aufgewachsen bin, gefolgt. Er ging einfach vor mir und ich bin ihm den langen Weg hinter her
gelaufen. Bis er stehen blieb. Aber ich blieb nicht stehen und ging weiter. Das war ein ziemlich
seltsames Gefühl in meinem Traum...
Dass Du träumst, zeigt dass Du schon verarbeitest und das ist doch schon mal gut
Dass Du träumst, dass Dein Ex in der Nähe Deines Heimatortes ging, zeigt meines Erachtens, dass er Dich auf der emotionalen Ebene mit Deiner Vergangenheit/Kindheit in Berührung gebracht hat.
Vielleicht folgst Du ihm weil es momentan nur durch ihn möglich war, mit den Emotionen Deiner Kindheit/Jugend in Berührung zu kommen. Er geht voran in Deine Vergangenheit und Du folgst. Vielleicht bist Du bisher nicht alleine dorthin zurück gegangen weil es nicht nur schöne Erinnerungen und Gefühle sind, die dort auf Dich warten. Aber die Liebe nun hat Dich folgen lassen. So führt uns die Liebe eben immer wieder an schmerzhafte, wunde Punkte. Es tut weh aber es ist eine riesen Chance, sich weiter zu entwickeln. Warum Du an ihm vorüber gegangen bist, weiß ich nicht zu deuten. Du schriebst, dass Du nicht mit ihm befreundet sein möchtest. Vielleicht beschreibt diese Episode diesen aspekt Deines Fühlens: ohne seine Liebe möchtest Du ihm nicht mehr folgen, möchtest Du nicht auf den Straßen Deiner Kindheit gehen. Vielleicht bedeutet es auch, dass Du schon bereit bist, ohne ihn weiter zu gehen. Statt ihm hinterherzulauen, gehst Du an eurer Geschichte vorüber. Das wäre doch bereits ein zaghaftes Abschiednehmen und na klar, Abschiede fühlen sich seltsam an.