Muss ich wirklich ein schlechtes Gewissen haben?

S
Hallo an alle,
ich würde gerne mal objektive Meinungen hören, weil ich wieder mal mit meinem schlechten Gewissen kämpfe, wie so oft in meinem Leben.
Mein Exfreund hat seit ca. 4 Jahren nach abgebrochenem Studium keine Arbeit. Er ist jetzt 31 Jahre alt. Ich habe ihn vor ca. 2 Jahren kennengelernt. Seit fast einem Jahr ist es so, dass er absolut kein Einkommen hat. Sozialhilfe wurde gestrichen, da er Stellenzuweisungen nicht wahrgenommen hat. Ich bin mehr oder weniger alleinerziehende Mutter von drei Kindern und arbeite selbständig mit einem Onlineshop. Er hat eine Zeitlang bei mir gewohnt, aber durch unsere völlig verschiedenen Lebensrhytmen klappte es nicht. Er machte die Nacht zum Tag, schlief dann meist bis Mittags, beschwerte sich, wenn die Kinder morgens schon durchs Haus tobten und auf der anderen Seite irgendwann auch darüber, dass ich spät abends nicht mehr fit genug für seine Bedürfnisse war.
Er plante den Weg in die Selbständigkeit, ich wollte ihm dabei helfen, kaufte ihm einen neuen PC und nachdem wir wieder auseinandergezogen waren (er wohnt jetzt wieder bei seiner Mutter) zahlte ich seinen Internet- und Telefonanschluss.
Wir wollten drei gemeinsame Internetprojekte machen. Ich mietete einen eigenen Server an. Nach einiger Zeit teilte er mir mit, dass er zwei von drei Projekten nicht mehr machen könne, er schaffe es in seiner Lage nicht, da er sich ja nicht mal was zu essen kaufen könne. Also fing ich an, ihm Lebensmittelpakete zu schicken. Wenn ich mal Ideen für die Internetprojekte mit einbringen wollte, bekam ich zu hören, ob ich damit meine Machtposition darstellen wolle, weil ich ja die Möglichkeiten hätte, die Zahlungen einzustellen.
Am vergangenen Wochenende ist das Ganze eskaliert. Meine Festplatte war defekt, er hatte sich angeboten, mir meine neue einzubauen, natürlich für eine Gegenleistung. Erst wollte er Farbe und Malerutensilien zur Renovierung seines Zimmers bei seiner Mutter, dann doch lieber wieder Lebensmittel. Letztendlich bekam er beides und ich sagte auch okay, als er fragte, ob er den Schreibtisch mitnehmen könne, den ich mal für ihn gekauft hatte, als er noch hier wohnte. Dann fing er an, an meiner PC-Anlage ein Kabel abzumontieren, als ich ihn fragte warum? bekam ich zur Antwort, dass er so eines bräuchte. Als ich wagte zu erwidern, dass ich das aber auch noch bräuchte für den Internetzugang meines Sohnes, wurde er völlig sauer, hielt mir wie schon so oft vor, dass ich ihm immer wieder seine Lage vor Augen führen würde, er könne sich nun mal eben nicht selbst ein Kabel kaufen.
Daraufhin sagte ich, dass es mir jetzt reicht, ich kann doch nicht für alles in seinem Leben zuständig sein. Ich halte das auch gefühlsmäßig nicht mehr aus, dass es ihm wohl nur darum geht, alles mögliche von mir zu bekommen. Natürlich wirft er mir jetzt wieder meine Machtposition vor. Aber übt er nicht auch einen Druck auf mich aus, wenn er mir mitteilt, er könne jetzt nicht an dem Projekt weiterarbeiten, wenn er nichts zu essen hat?
Natürlich habe ich jetzt ein schlechtes Gewissen, nehme ich ihm die Chance ins Berufsleben zurückzukommen?
Danke fürs Lesen.

Herzliche Grüße an alle
Su

01.10.2002 09:16 • #1


F
Ich glaube, Du weißt die Antwort selber, oder? Jeder Mensch ist für SICH verantwortlich; Du bist also nicht für Dein Freund verantwortlich. Du solltest es nicht zulassen, daß er so auf Dir rumtrampelt und er soll endlich anfangen, sein Leben in Griff zu kriegen und nicht Dir immer den Schuld dafür geben, für alles was nicht klappt. Du solltest auch aber daran denken, welche Rolle Du hier dabei spielst. Willst Du wirklich in dieser Stil so weitermachen? Dein Freund wird sich nie ändern und Verantwortung für sich übernehmen, solange Du ihn weiter in diesem Stil unterstützt; also Du solltest auch handeln, wenn diese Situation sich ändern soll.

Allerdings kann meine Meinung nicht WIRKLICH objektiv sein, da ich nur Deine Seite der Geschichte kenne.

Viel Glück!
Felidae02

01.10.2002 09:40 • #2


A


Muss ich wirklich ein schlechtes Gewissen haben?

x 3


J
Hallo Susann,
ich bin wirklich sprachlos, nachdem ich Deinen Beitrag hier gelesen habe.

Er nutzt Dich aus. Und zwar auf die übelste und unübersehbarste Weise, wie es nur geht.
Was tut er für Dich ?
Ist er auch manchmal für Dich da und hat ein offenes Ohr für Deine Anliegen und Bedürfnisse ?

Das ging aus Deinem Beitrag leider nicht hervor.
Gibt es da irgendwas, wovon auszugehen ist, dass es ein Geben und Nehmen wie in einer Beziehung oder Freundschaft sein sollte ?!

Liebe Grüsse
Jacki

01.10.2002 10:14 • #3


E
Liebe Susann,

wenn alle Frauen deinen Freund normal behandelt hätten, dann wäre er gar nicht in dieser verzweifelten Lage. Schau einfach seine Mutter an, sie akzeptiert anscheinend ohne allzu viele Fragen zu stellen die Tatsache, dass ihr 31-jähriger ohne Einkommen vor der Tür steht. Vielleicht täusche ich mich, aber ich glaube wirklich, dass er nur deswegen so geworden ist, weil er Beschützerinstinkte und Helfersyndrom in den Mitmenschen auslösen konnte. Und meistens sind es Frauen, die auf sowas reinfallen. Somit tust du ihm meiner Meinung nach keinen Gefallen, wenn du ihn weiter auf dieser Weise unterstützt. Abgesehen davon, dass es DIR schlecht tut. Du hast 3 Kinder, brauchst ein viertes nicht und er scheint auch nicht allzu weit entfernt davon zu sein. Entschuldige wenn das alles zu unverblümt ist, du wolltest unsere Meinung hören, das ist die meine. Ich wünsche dir viel Kraft und Einsicht, Ella.

01.10.2002 13:03 • #4


S
Vielen Dank für eure Antworten!
Ella, du hast direkt angesprochen, was ich auch schon lange denke. Solange immer wieder jemand da ist, der Dinge für ihn erledigt, wird er es nicht schaffen selbständig zu werden. Vielleicht sollte ich mal meine Schwester fragen, sie kann ja mal horchen, ob in der Firma, in der sie arbeitet eine Stelle frei ist. Eine eigene Wohnung, ja meine Kusine arbeitet auf dem Amt - vielleicht kann sie was machen. Naja, ich warte erstmal, bis mein Bruder aus Amerika zurück ist. So geht es in einem fort.
Vielleicht ist es keine Bösartigkeit, sondern sogar eine Hilfestellung, wenn ich ihn mal, wie er es sieht hängenlasse. ???
Seine Mutter tut mir nur ein wenig leid dabei. Sie wird sogar beschimpft, wenn der Kühlschrank nicht ausreichend gefüllt ist, weil es interessiert keine Sau, ob ich was vernünftiges zu essen bekomme.
Wenn ich das jetzt hier so revue passieren lasse, frage ich mich eigentlich selbst, warum habe ich das solange mitgemacht? :(
Wahrscheinlich, weil mir auch meine Mutter schon seit Kindesbeinen an nur sagt, was ich alles falsch mache. Ich glaube deswegen habe ich ständig mit Schuldgefühlen zu tun.
Ja - er ist wie ein kleines Kind, der jedesmal bockig und wütend reagiert, wenn er seinen Willen oder die Aufmerksamkeit, die er will nicht bekommt.
Es ist schön, dass man sich hier aussprechen kann, es geht mir schon ein wenig besser.
Danke an alle
Susann

01.10.2002 14:15 • #5




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