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Trennung aus religiösen Gründen - Familie gegen uns

M
Hallo!
Mir geht es verdammt schlecht!
In Kürze, um niemanden zu langweilen:
Ich bin Mitte 40, selbstständig, habe 3 wunderbare Kinder (21,20,11). Ich bin in Deutschland aufgewachsen, stamme aber ursprünglich aus Prag. Ich bin jüdisch, allerdings überhaupt nicht religiös, dennoch respektvoll mit allen friedlichen Glaubensrichtungen. Meine jüdische Abstammung ist eben meine Abstammung und ich gehe damit recht gelassen um. Eine gewisse Identität ist möglicherweise nicht abzustreiten.
Meine bisherige Freundin, mit der ich 6 Jahre zusammen war, ist gebürtige Marokkanerin, Anfang 30, lebt aber seit ihrer Kindheit in Deutschland. Sie ist Muslima,mehr oder weniger gläubig, was auch immer das wirklich heißt. Wie ich ist sie auch geschieden und hat eine grauenvolle Ehe hinter sich.
Wir haben uns ineinander verliebt und hatten großartige Zeiten miteinander. Meine Kinder haben sie nicht nur akzeptiert, sondern lieben gelernt, wenngleich es in der Vorstellung wie man sein Leben führt schon erhebliche Unterschiede gab.
Das Thema Religion war allgegenwärtig, wenngleich wir uns immer um Leichtigkeit in dieser Sache bemüht haben. Eines Tages, so wussten wir, müssten wir eine Lösung für diese brisante Situation finden. Die Liebe würde alle Zweifel besiegen und alle kritischen Mitredner erstummen lassen.
Ich habe immer offen und ehrlich über diese Sache gesprochen und eine gemeinsame Zukunft nicht nur vorgegaukelt, sondern aktiv und überzeugend gelebt. Die gegensätzlichen Ansichten, die es gab, konnte ich weitgehend in Kauf nehmen.
Es war jedoch nicht nur der unterschiedliche Glaubensansatz, sondern auch der Lebensstil, der sich schnell einschlich.
Während ich täglich meiner Arbeit nachging, kümmerte sie sich vor allem um sich selbst. Beauty, Wellness, Restaurants, Parties etc. dolce Vita eben.
Arbeiten war schnell verpönt und wurde deswegen eingestellt. Ein Mann lässt seine Frau doch nicht arbeiten... usw.
Neues Auto, Urlaube(auch allein mit Freundinnen) und jede Menge Rechnungen für private Dinge und kein Ende in Sicht trotz vielfacher, offener Gespräche.
Meine Kinder haben das bald durchschaut, und das Verhältnis wurde schlechter.
Dennoch war sie ein Herz von einem Menschen. Hilfsbereit, lustig und immer auf meiner Seite. Sie stand zu mir wie ein Felsen.
Wir planten Familie, und ich nahm das sehr ernst. Ich sprach mit ihr über Werte, Erziehung und Verantwortung. Auch ihrerseits.
Ich bat sie, endlich wieder Arbeit aufzunehmen und mehr für sich und ihre Entwicklung zu tun. Es wäre sehr wichtig für uns beide.
Die Zeit verging und Heiraten wurde zum ersten Thema. Verständlich. Ich bin selbst ein Beziehungsmensch und will mich in einer Beziehung entwickeln. Also Heiraten, nochmal Kinder....kein Problem und gerne.
Ihre Familie kannte mich zwischenzeitlich und akzeptierte mich. Sie sahen, ihrer Tochter geht es gut.
Bedingung: Übertritt zum Islam, ohne wenn und aber. Kinder müssten Moslems sein und auch so leben......
Mit all meinem Freigeist und Anerkennung ihrer Herkunft habe ich versucht zu vermitteln, dass Kinder von uns eben die Eltern hätten, die sie haben. Wir müssten in dieser Sache über der Religion stehen. Gerne Werte vermitteln, die sich in beiden Religionen finden (wie auch in vielen anderen), aber kein eindeutiges Unterwürfnis. Vor nichts und vor niemandem. Den Übertritt habe ich klar abgelehnt, weil ich das für falsch und verlogen halte.
Es begann also eine Zeit der Versuche wie man diese Pflicht umgehen könnte. Lügen, Täuschungen, Heimlichtuerei. Stets eine neue Aussage, je nachdem, wer gerade vor einem stand. Nur ich und meine Kinder wollte den einen Weg gehen. Den der Wahrheit und der Anerkennung zweier Menschen, die sich liebten, frei von Zwängen und Bestimmungen der Familie und der muslimischen Gesellschaft.
Ich könnte hier noch Stunden schreiben und erschreckende Geschichten vortragen, die mit Freigeist und Ehrlichkeit recht wenig zu tun haben.
Fakt ist...wir sind auseinander gegangen und haben uns der Macht dieses Systems gebeugt.
Ihr Wunsch nach Familie und Kindern wurde sehr groß. Ich wollte uns diesen Traum erfüllen. Sehr sogar!
Aber als der Mensch, der ich bin. Und nicht als Marionette eines Systems, welches meine Sicht auf diese Welt völlig auf den Kopf stellt.
Dennoch...ich vermisse sie unendlich und sehne mich nach ihr, wenngleich mich ihre kompromisslose Art irgendwie auch ein wenig beleidigt.
Es hat mich gebrochen. 6 Jahre und jetzt ist es aus! Weil sie ihrer Familie nicht schaden will.......

23.11.2016 22:23 • #1


K
Hallo MAEH912H,
ich habe ähnliche Erfahrungen wie du mit meinem Freund gemacht. Nachdem wir drei Jahre zusammen waren, habe ich seine Eltern kennengelernt. Diese wollten uns dann auch direkt verheiraten. Ich sagte Ihnen, dass ich selbst entscheiden würde, wann ich heirate. Danach kam immer wieder das Thema Konvertieren zum Islam auf. Mein Freund weiß, dass ich nichts davon halte und weiß auch, dass ich mich niemals an diese Regeln halten würde. Er hatte damals 3 Jahre lang mit seinen Eltern darüber gesprochen und es hieß, sie hätten kein Problem damit. Ich habe mehrmals höflich abgelehnt und gesagt, dass meine Lebensart nicht zum Islam passt und ich nicht konvertieren möchte. Das wurde nicht akzeptiert. Mein Freund ist auch wie deine Exfreundin mehr oder weniger religiös. Wir beide haben damit kein Problem. Er macht manchmal Ramadan und dann essen wir halt erst später. Schweinefleisch hat er mal gegessen, aber irgendwann wollte er es nicht mehr, was ja auch kein Problem ist. Die Mutter von ihm sagte dann auch immer, dass die Kinder ohne wenn und aber Moslems werden würden. Früher hatte er nie ein Problem damit, dass wenn wir eines Tages Kinder bekommen würden, dass diese neutral erzogen werden würden und sie sich selbst für eine Religion oder allgemein gegen Religion entscheiden können. Dies lehnte er auf einmal nach dem Besuch in der Heimat ab und meinte, dass es klar sei, dass wenn wir Kinder bekommen, dass diese Moslems werden würden, mit allem was dazu gehört. Nachdem ich der Mutter ziemlich deutlich klar gemacht habe, dass ich niemals nie zum Islam übertreten würde, begann der Psychoterror. Sie sabotierte die Beziehung, bis wir uns schließlich trennten. Wir sind aber wieder zusammen gekommen. Das wurde die letzten 3 Jahre auch nicht akzeptiert.
Vielleicht weißt du, dass im Islam (so wurde es mir zumindest erklärt, ich weiß auch nicht genau, ob das stimmt) die Kinder immer die Religion des Vaters haben. Deswegen ist es erlaubt, als Moslem Jüdinnen und Christinnen zu heiraten, aber Muslima sollten aus diesem Grund keine Juden oder Christen heiraten. Deswegen wird es der Familie wahrscheinlich so wichtig sein, dass du konvertierst.
Weißt du, ob ihr viel Druck von Seiten der Familie gemacht wurde oder ob sie es selbst möchte, dass du konvertierst und nach diesen Regeln lebst?
Ich kenne auch dieses, dass Frauen nicht mehr arbeiten wollen aus der Heimat meines Freundes. Dort ist es so, dass wenn man verheiratet ist, die Frauen sich nur noch um Aussehen und Kinder kümmern und ihre Arbeit aufgeben. Die Frau von dem Bruder meines Freundes (arrangierte Ehe) ist damals ausgerastet, als er von ihr verlangt hat, dass sie wieder ihr Studium aufnehmen solle.

Willst du sie denn zurück?

24.11.2016 13:12 • #2


A


Trennung aus religiösen Gründen - Familie gegen uns

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OccamsRazor
Hallo!
Zitat von Katze1508:
Weißt du, ob ihr viel Druck von Seiten der Familie gemacht wurde oder ob sie es selbst möchte, dass du konvertierst und nach diesen Regeln lebst?

Das. Ich denke, dass nicht nur sie alleine dir diese Bedingung auferlegt hat.

Es ist wirklich sehr traurig, solche Dinge zu lesen. Deine Einstellung zur Religion ist absolut lobenswert und tolerant. So sollte es sein! So, wie du das Verhalten dieser Frau beschreibst, bin ich mir aber nicht sicher, ob das für dich wirklich gut gewesen wäre. Sie scheint sich ja vor allem um sich selbst gekümmert zu haben. Dass sie bei der Erziehung und ihrer Religion dann keine Kompromisse eingeht, überrascht dementsprechend wenig.

Ich wünsche dir viel Kraft, dieses Situation so rasch als möglich emotional hinter dir zu lassen!

24.11.2016 22:00 • #3


VictoriaSiempre
Es ist wirklich traurig, dass Religionszugehörigkeit im Jahr 2016 (und in Mitteleuropa) immer noch Beziehungen sabotieren kann. Wobei es in bestimmten Gegenden Nordirlands auch immer noch schwierig ist, wenn sich Katholiken und Protestanten zusammen tun. Besonders unverständlich ist es für mich, wenn gar keine besondere Religiosität gelebt wird (so jemand würde sich wohl eh nicht mit Andersgläubigen zusammen tun), da geht es dann nur noch ums Prinzip. Oder - und ich denke, das darf man nicht unterschätzen - um Gesichtsverlust nach außen.

Um soclchen Widerständen von außen entgegen treten zu können, muss man als Paar und jeweils als Einzelperson schon sehr gefestigt sein. Das ist bei der Ex-Partnerin des TE nicht der Fall und ich fürchte, dann muss man einfach akzeptieren, dass es nicht passt. Jedenfalls nicht für ein gemeinsames Leben.

Das Judentum wird übrigens durch die Mutter weitergegeben.

24.11.2016 22:17 • #4


S
Großen Respekt vor dir, dass du für dich Grenzen ziehst, wenn sich für dich etwas falsch und verlogen anfühlt. Das spricht für deine Persönlichkeit. Du verhältst dich respektvoll, wertschätzend und tolerant gegenüber anderen Glaubensrichtungen, was ich als eine sehr positive Charaktereigenschaft von dir empfinde, die positivste Eigenschaft ist meinerMeinung nach aber, dass du nicht bereit bist, dich irgendwelchen Dogmen und Forderungen blind zu beugen, obwohl sie dir nicht entsprechen.
Bewahre dir deinen freien Geist, egal, welche Erwartungen an dich gerichtet werden.

24.11.2016 22:54 • x 1 #5


E
Zitat von Sarina80:
Großen Respekt vor dir, dass du für dich Grenzen ziehst, wenn sich für dich etwas falsch und verlogen anfühlt. Das spricht für deine Persönlichkeit. Du verhältst dich respektvoll, wertschätzend und tolerant gegenüber anderen Glaubensrichtungen, was ich als eine sehr positive Charaktereigenschaft von dir empfinde, die positivste Eigenschaft ist meinerMeinung nach aber, dass du nicht bereit bist, dich irgendwelchen Dogmen und Forderungen blind zu beugen, obwohl sie dir nicht entsprechen.
Bewahre dir deinen freien Geist, egal, welche Erwartungen an dich gerichtet werden.


Dem Stimme ich zu . Schön geschrieben .

24.11.2016 23:03 • #6


S
Zitat von Alex.W1992:
Zitat von Sarina80:
Großen Respekt vor dir, dass du für dich Grenzen ziehst, wenn sich für dich etwas falsch und verlogen anfühlt. Das spricht für deine Persönlichkeit. Du verhältst dich respektvoll, wertschätzend und tolerant gegenüber anderen Glaubensrichtungen, was ich als eine sehr positive Charaktereigenschaft von dir empfinde, die positivste Eigenschaft ist meinerMeinung nach aber, dass du nicht bereit bist, dich irgendwelchen Dogmen und Forderungen blind zu beugen, obwohl sie dir nicht entsprechen.
Bewahre dir deinen freien Geist, egal, welche Erwartungen an dich gerichtet werden.


Dem Stimme ich zu . Schön geschrieben .


Danke Alex. Vor Querdenkern, Denkern generell und solchen, die den Mut haben zu ihrem freien Geist zu stehen, ziehe ich immer den Hut. Unabhängig von der jeweiligen Glaubensrichtung, unabhängig von der jeweiligen Religion.

24.11.2016 23:16 • x 1 #7




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