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Trennung von depressivem Partner

G
Ich bin 31 Jahre alt, mein Partner ist 35. Wir sind bereits seit 8 Jahren ein Paar. Mein Partner ist depressiv und war letztes Jahr in klinischer Behandlung. Die Depression wurde erst letztes Jahr diagnostiziert, obwohl sie wohl schon Jahre bestand, schlimmer wurde.

Bevor ich von seiner Krankheit wusste, merkte ich dass etwas nicht stimmt. Seine Depression macht ihn ängstlich und antriebslos aber auch gereizt und aggressiv. Auch mir gegenüber ist er oft sehr respektlos und aufbrausend. Dieses Problem hat unsere Beziehung schon immer geprägt. Wir hatten oft Konflikte deshalb. Er hat auch sehr viele tolle Charaktereigenschaften. Er ist sehr liebevoll, sensibel und loyal. Ich liebte ihn sehr.
Das letzte Jahr war extrem kräftezerrend. Seine Depression zieht auch mich mit hinunter und erfordert dass ich eigene Bedürfnisse extrem zurück stelle. Das paradoxe ist dass sein Zustand sich aktuell bessert, die Beziehung aber schlechter wird. Ich ziehe mich immer mehr zurück und merke dass meine Gefühle weg sind. Es ist ein ständiges auf und ab. Oft bemüht er sich sehr um mich, jetzt wo es ihm etwas besser geht.

Letztens ist er wieder im Streit sehr heftig gewesen. Zwar haben wir uns ausgesprochen aber ich merke dass ich sein Verhalten, welches auch von der Krankheit kommt, nicht mehr hinnehmen kann. Wir beide isolieren uns auch sozial immer mehr, da er Aktivitäten mit Freunden meidet. Ich habe auch den Wunsch nach Familie, kann mir das aber irgendwie nicht mehr vorstellen mit ihm.

Ich war in der Vergangenheit schon oft kurz vor der Trennung, aber immer wieder bin ich nach einer Aussprache eingeknickt, auch weil ich überzeugt war, dass wir es schaffen können, dass ich ihn noch Liebe, dass die Probleme gelöst werden können.

Er merkt auch dass etwas nicht stimmt und klammert daher, möchte Nähe und Kontakt und ich fühle mich schlecht weil ich das eben nicht mehr will.

Ich möchte so nicht mehr leben, befürchte aber dass ich mich von ihm nicht lösen kann. Ich habe auch Angst dass ich es bereue, obwohl ich jetzt total unglücklich bin und habe auch Angst, dass er sich etwas antut danach.

Ich weiß nicht weiter

22.01.2019 15:54 • x 2 #1


W
Liebe Ginny,
so etwas kostet Kraft, auch für Dich als Angehörige.
Hast Du die Möglichkeit, Dir mal eine Auszeit zu nehmen? Gibt es Gruppen für Familianangehörige von Depressiven Menschen in Deiner Nähe?
Was meinst Du damit, wenn Du sagst, er ist Dir gegenüber respektlos?

22.01.2019 16:42 • x 1 #2


A


Trennung von depressivem Partner

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G
Ich gehe bereits zu einer Selbsthilfegruppe. Mit respektlos meine ich: er hat so eine Art von oben herab im Streit und er ist manchmal beleidigend, manchmal war er sogar handgreiflich (schubsen). Ich denke mir immer jeder Außenstehende würde sagen: warum machst du das mit?

Problem ist: wir sprechen über dir Konflikte, dann sagt er er fühlt sich ohnmächtig und hilflos. Ich provoziere ihn bis aufs Blut. Ich sehe das anders.

Sein Therapeut sagte mir die Aggression ist Teil der Krankheit. Während solcher Aussprachen kommen mir seine Argumente sinnvoll vor, ich bemerke wie sehr er selbst darunter leidet. Ich fühle mich emotional abhängig oder ist das doch noch Liebe?

Ich bin beruflich weg über Nacht heute. Jetzt schreibt er mir dass er mich vermisst. Das macht mich fertig. Ich kann das nicht erwiedern aber wenn ich das nicht tue fragt er mich morgen Abend was los ist. Dann wird er wieder das Gespräch suchen und es wird wieder das gleiche Muster sein. Ich bin noch nicht bereit für den endgültigen Schritt.

22.01.2019 17:22 • x 1 #3


W
Redet Ihr in der Selbsthilfegruppe auch darüber, wie das andere Partner regeln?

Du bist in einer ganz schönen Zwickmühle zwischen für den kranken Partner da sein und Dich selbst schützen und um Dich kümmern. Auch das mit dem vermissen - ich vermute, Du bist einfach froh, dass Du mal durchatmen und zur Ruhe kommen kannst. Vermissen würde sicherlich etwas länger dauern.
Und auch wenn Aggressionen Teil seiner Krankheit sind - auch Du bist 'nur' ein Mensch, der eben auch nur begrenzt Angriffe ertragen kann. Der auch nur begrenzt Verständnis geben kann.
Hast Du eventuell die Möglichkeit, allein zumindest in einen Kurzurlaub (wellness?) zu fahren? Besser noch: eine Kur zu beantragen?

22.01.2019 17:30 • x 2 #4


U
Du weißt selbst, dass diese Aggressivität, diese Beleidigungen nicht persönlich zu nehmen sind. Es gibt bei ihm Triggerpunkte (von dir ausgelöst - kann was minimales kleines, nicht der Rede wert seiendes, für dich etwas normales sein) was ihn zu Höchsttouren hochfahren lässt. Er kann nichts dafür, es ist Teil dieser verfluchten Krankheit.
Aber all das Wissen nutzt dir nichts, da man selbst auch Gefühle hat und auch wenn man weiß, dass es nicht persönlich gemeint ist, Grenzen übertreten werden, Gefühle verletzt werden, man traurig, zornig oder wütend wird. Das gehört eben auch zum Mensch sein.
Ich würde dir empfehlen, nimm dir eine Auszeit - fahre allein in den Urlaub, schau ob du ihn vermisst, mal dir dein weiteres Leben aus, stell DICH in den Mittelpunkt. Stellst du fest, da ist noch Liebe für ihn bleib bei ihm, stellst du fest, da ist nur Mitleid, musst du Wege für die Trennung finden. Du kannst dann nicht bleiben, weil du dann unglücklich wirst, in Depressionen verfallen wirst und wahrscheinlich da nicht mehr rauskommen wirst.
DU musst auf DICH achten. Es ist dein Leben, du hast es in der Hand. Und es sollte ein zufriedenes Leben, ein erfüllendes sein. Nur Mut, dein Leben in die Hand zu nehmen!

22.01.2019 17:33 • x 3 #5


G
Die anderen aus der Selbsthilfegruppe haben sich über jahrelanges Arbeiten Strategien entwickelt möglichst deeskalierend zu kommunizieren und kommen so auf einen grünen Zweig (teilweise). Mehrere warnten aber auch davor bei Familienwunsch und in jüngeren Jahren in so einer Beziehung zu bleiben, weil der Krankheitsverlauf unklar ist und es die Familie zerstören kann zumindest aber extrem beeinträchtigt. Auch die späteren Kinder. Nur habe ich das Gefühl diese immer wiederkehrenden Kränkungen nicht auszuhalten. Und das Schlimme ist, je mehr ich mich distanzieren möchte umso mehr bettelt und fleht er (indirekt) um meine Liebe und Aufmerksamkeit. Durch SMS regelmäßige freundliche Anrufe und Vorschläge gemeinsam etwas schönes zu unternehmen. So auch jetzt.

22.01.2019 17:45 • x 1 #6


L
Zitat von Ginny:

Problem ist: wir sprechen über dir Konflikte, dann sagt er er fühlt sich ohnmächtig und hilflos. Ich provoziere ihn bis aufs Blut. Ich sehe das anders.



Dieser Satz gibt mir sehr zu denken. Wenn Du es in diesem Fall anders siehst, hast Du Dich ja komplett von seiner Sichtweise entfernt. Vielleicht wäre zu überlegen, was habt ihr im Leben noch gemeinsam und was wollt ihr noch gemeinsam machen. Es ist auch immer wichtig dass gemeinsame Umfeld zu betrachten und gegebenenfalls einen Schnitt zu machen. Was tut dir gut und was nicht. Was macht ihn so fertig und wenn das Problem lokalisiert ist, dann versuchen es abzustellen.

22.01.2019 17:48 • x 2 #7


W
Zitat von Ginny:
Nur habe ich das Gefühl diese immer wiederkehrenden Kränkungen nicht auszuhalten.

Das kann ich Dir absolut nachfühlen
Wie lange geht das schon so? Erst seit der Diagnose oder schon Jahre vorher?
Irgendwann sind Deine Kraftreserven auch erschöpft, und Du musst auftanken, wenn Du nicht ausbrennen willst. Meinst Du, Du kannst ihm das so sagen? Dass Du allein ein verlängertes Wellness-Wochenende machen möchtest, um Deine Batterien wieder aufzuladen? Ohne Handy, ohne Kontakt, nur Du, Zeit, Ruhe, gutes Essen und Verwöhn-Einheiten für Dich?

22.01.2019 17:51 • #8


G
Diese Art der Konflikte haben wir schon immer. Jemand hat ja nicht plötzlich Depressionen. Das kommt über Jahre ganz schleichend und Probleme hatte er irgendwie schon immer.

Ihn können alltägliche Kleinigkeiten zur Weißglut bringen. Zb wenn ich unordentlich bin (Handtasche liegt irgendwo rum), oder schusselig (Schlüssel vergessen). Oder wenn er sich nicht gewertschätzt fühlt zb weil ich mich mit Freunden treffe oder meinem Hobby nachgehe. Er fordert sehr viel Zeit von mir ein. Diese Termine (Freunde, Hobbies) finden ca. 2 mal die Woche statt (manchmal 3x). Aus Selbstschutz brauche ich aber auch diese Auszeiten und ich würde ihn andererseits auch gern dabei haben, was er aber ablehnt.

Wenn ich von ihm getrennt bin vermisste ich ihn schon sehr, zb bei der letzten Beziehungskrise vor ca. 2 Jahren. Ich denke dann aber immer ich kann nicht ohne ihn und kehre dann zurück um dann nach einiger Zeit wieder unglücklich zu werden. Ein Teufelskreis.

22.01.2019 18:23 • x 1 #9


U
Eine Depression ist kein Freifahrtschein dafür, sich wie ein A... zu benehmen.

Du bist auch nicht das Problem weil Du bei ihm Trigger auslöst, sondern seine krankhaften Gedanken, die ihn in solchen Situationen völlig überreagieren lassen.

Was hat er denn in seiner Klinik gelernt, damit er nicht mehr ausflippen muss? Vielleicht wäre noch ein Klinikaufenthalt sinnvoll. Geht er einmal die Woche zur Nachpflege beim Therapeuten?

Ihr habt BEIDE das Recht glücklich zu sein und es stellt sich tatsächlich die Frage ob Du auf der Basis z.B. eine Familie gründen willst. Würde ich nicht machen.

22.01.2019 18:54 • x 5 #10


G
Ja er geht 1x die Woche zur Therapie. Ich glaube der Therapeut kennt das genaue Ausmaß der Eskalation nicht. In der Klinik geht es auch sehr darum dann eben die Situation zu verlassen wenn er merkt Anspannung baut sich auf. Er soll auf sich achten usw. Fühlen was ihm gut tut. Ich habe das Gefühl die Befindlichkeiten der Angehörigen stehen da wenig im Fokus.

22.01.2019 19:36 • x 1 #11


U
In diesen Therapien lernen die Menschen, mehr auf sich zu achten, in sich hineinzuhören, sich ganz wichtig zu nehmen. Was auf der einen Seite auch richtig ist. Aber sie bekommen nichts an die Hand, wie sie mit anderen Menschen, die ihnen wichtig sind, kommunizieren sollen, wie sie mit ihnen umgehen sollen, wie sie lernen sollen, sich zurückzunehmen, den anderen so zu respektieren wie er ist und auch ihn als sehr wichtigen Menschen zu empfinden.
Und das ist mE das Schlimme. Dadurch, dass sie zu Egoisten werden, gelernt haben, sich so wichtig zu nehmen und als Entschuldigung die Depression als Totschlagargument bringen, vereinsamen sie immer mehr.

23.01.2019 08:24 • x 1 #12


Sabine
Zitat von unfassbar:
In diesen Therapien lernen die Menschen, mehr auf sich zu achten, in sich hineinzuhören, sich ganz wichtig zu nehmen.


Leider nicht immer, lieber @unfassbar , denn in reinen Gesprächstherapien hört der Therapeut oft nur zu und gibt hier oder da eine Frage mit bzw. versucht die Gedanken des Patienten kurz und knapp noch einmal wieder zu geben.

23.01.2019 08:42 • #13


G
Der Therapeut versucht schon ihn auch in der Kommunikation zu unterstützen und mich ebenso, als ich einmal an einem Paargespräch teilgenommen habe. Jedoch ist das in der Praxis nur bedingt erfolgreich. Und er steht natürlich im Mittelpunkt der Behandlung, nicht die Freundin. Mir geht es jetzt so dass ich das Gefühl habe es ist zu viel vorgefallen. Durch diese Aggression ist mein Vertrauen vergangen. Mein Kopf sagt mir: hau ab das macht keinen Sinn. Meine Gefühle fahren aber Achterbahn. Ich fühle mich verantwortlich für ihn und habe auch Angst wieder einzuknicken wenn ich mit ihm spreche. Es nicht beenden zu können weil ich nicht loslassen kann.

23.01.2019 08:59 • #14


MonaLisa64
Zitat von Ginny:
gereizt und aggressiv

Eine Depression wird vom Betroffenen als lebensbedrohlich wahrgenommen. Frauen igeln sich daraufhin ein, Männer schlagen um sich. Darum werden Depressionen bei Männern auch schlechter erkannt, eben weil sie aggressiv werden anstatt depressiv.

Nimmt dein Partner Medikamente?

23.01.2019 12:31 • #15


A


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