Ich habe schon viel hier im Forum gelesen und Anregungen erhalten, aber möchte dennoch einmal meine Geschichte mit euch teilen und freue mich auf neuen Input und einen regen Gedankenaustausch .
Zum Hintergrund: mein Freund und ich haben uns vor ca. 7 Wochen getrennt. Wir sind beide 30 und waren 8 Jahre zusammen, von denen wir auch eine weile schon zusammen gelebt und gewohnt haben.
Wir haben beide sichere Jobs und ich kann sagen, dass mein Exfreund einer der ehrlichsten Menschen ist, die ich kenne (manchmal sogar zu ehrlich).
Wir haben uns im Studium kennen gelernt und es geschafft, danach trotz beruflichem Alltag und einer temporären, job-bedingten Fernbeziehung in meinen Augen eine gute Beziehung zu führen. Wir haben Höhen und Tiefen durchlebt, wie viele Menschen in einer Beziehung.
Am Anfang unserer Beziehung sagte mein Freund, er müsse an und für sich nicht heiraten und wolle auch keine Kinder bekommen. Ich hatte damals andere Ansichten, wollte unbedingt heiraten und unbedingt Kinder bekommen (heute ist das anders, das war damals glaube ich dieses Bilderbuch-Klisché).
Aber was gibt man auch mit Anfang 20 darauf? Das Leben hält ja noch vieles für einen parat.
Vor 2 Jahren waren wir job-bedingt in einer Fernbeziehung, obwohl wir vorher schon zusammen gewohnt hatten. Aus einem gemeinsamen Haushalt auszuziehen und wieder zwei daraus zu machen, sich nur noch am Wochenende zu sehen, statt jeden Abend miteinander einzuschlafen war schwierig. Für meinen Freund mehr als für mich. Ich kann gut alleine sein, er überhaupt nicht. Die Zeit der Fernbeziehung war absehbar (2 Jahre), wurde aber für meinen Freund zur Belastung. Zu dieser Zeit kamen auch die Themen Hochzeit und Kinder auf und mein Freunde sagte, er wollte nicht unbedingt heiraten und auch keine Kinder, sei belastet durch die Fernbeziehung, sei nicht mehr glücklich - er hat damals eine Pause vorgeschlagen. Ich hatte nicht viel Sinn in einer Pause gesehen, weil sie die Probleme nicht löst, und hatte eine Trennung vorgeschlagen, somit haben wir uns getrennt - und waren beide unglücklich damit. Hatten viel geredet, diskutiert Nach ca. 6 Wochen sind wir wieder zusammen gekommen und haben das Kinderthema erstmal ausgeklammert, nie richtig für uns geklärt - Ich persönlich wollte für mich schauen, wie es wird, wenn wir wieder zusammen wohnen, ob wir uns immer noch so gut verstehen, ob wir uns vielleicht auseinander gelebt haben, viel unternehmen und erleben mit meinem Freund, die gemeinsame Zeit nutzen um vielleicht gemeinsam irgendwann an dem Punkt zu stehen, dass man bereit ist für einen neuen Lebensabschnitt. Und aber sicherlich auch aus Angst davor, das Thema anzusprechen und was für Konsequenzen das hat.
Letzte Herbst sind wir wieder zusammen gezogen, haben uns neu eingerichtet und eine wirkliche gute Zeit gehabt, eine schöne Beziehung geführt. Ich war sehr glücklich und ich denke mein Freund war es auch.
Im Februar kam dann unerwartet der Hochzeitsantrag - und die erste Frage die in meinem Kopf auftauchte war: Wir haben das Kinderthema noch gar nicht für uns geklärt! - in dem Moment wollte ich den Antrag aber auch nicht ruinieren und habe Ja gesagt. Mein Freund wollte schließlich nie heiraten, ihm war es nicht wichtig, und nun doch? Dennoch kam keine große Freude bei der Hochzeitsplanung auf, da ich wusste, dass wir ein sehr wichtiges Thema noch nicht für uns geklärt haben.
Auf einem Familienfest im Sommer wurden wir promt gefragt, wann wir denn endlich Kinder haben. Daraufhin sagte mein Verlobter, dass er keine Kinder will. Ich war erstarrt und wurde gefühlt von der Familie direkt angesehen als die Frau, die keine Kinder will - wobei ich das so ja gar nicht ausgeschlossen hatte für mich! Danach fasste ich mir den Mut, das Thema anzusprechen und meinem Freund zu sagen, dass ich aktuell keinen Kinderwunsch habe, ich aber nicht sicher bin, ob ich nicht zu einem späteren Zeitpunkt gerne Kinder hätte und mich diesbezüglich aktuell nicht festlegen möchte und irgendwie auch nicht kann - weil ich heute nicht weiß, was in 5 Jahren sein wird. Das ich es mir aber gerne offen lassen würde.
Mein Freund war sehr erstaunt. Er hatte gedacht, dass ich mit der Annahme des Heiratsantrags auch seine Einstellung gegenüber Kindern annehme. Ich wiederum hatte mir gedacht: gut, heiraten wollte er auch nie, vielleicht hat er auch seine Meinung gegenüber Kindern geändert?
Die nächsten Wochen haben wir sehr viel diskutiert und geredet, sehr sachlich in einem respektvollen Umgang. Wir haben Argumente ausgetauscht und waren offen und ehrlich miteinander, was unsere jeweiligen Gründe sind.
Die Hauptgründe meines Freundes waren (zusammengefasst, ohne Priorität): °Verlust der Unabhängigkeit / nicht mehr flexibel sein / nicht mehr spontan Abends mit Freunden sich treffen, essen gehen, verreisen etc.; °Finanzielle Verantwortung; °Veränderungen in der Partnerschaft / der Partner steht nicht mehr an erster Stelle / den Partner mit jemandem teilen müssen - kurz, mein Freund sagte, er führe jetzt derzeit sein absolutes Traumleben, wir würden endlich wieder zusammen wohnen, würden beide gut verdienen, könnten unser Leben so gestalten wie wir wollen, uns gönnen (natürlich im Rahmen) was wir wollen, mal essen gehen, Reisen machen. Und so wolle er auch sein restliches Leben verbringen.
Meine Argumente waren (zusammengefasst, ohne Priorität): °Ich möchte etwas in der Welt hinterlassen, ein soziales und kulturelles, auch moralisches Erbe, etwas zurück geben; °Ich möchte im Alter nicht nur alleine mit meinem Partner (und nach dessem Tod dann vollkommen alleine) sein, ich habe mir das Alter so vorgestellt, dass man Familie um sich rum hat, Enkel, die einen auf Trab halten; °Es ist unfassbar schön, mit dem Partner ein neues Leben zu schaffen, ein Wunder; °Ich kann mir mit meinem Freund das Kinderkriegen vorstellen, auch wenn ich Angst davor habe, weil ich denke, dass wir das zusammen gut hinbekommen und er ein klasse Vater wäre. Im Umgang mit Kindern ist er auch sehr gut, Kinder lieben ihn. Er ist aber immer froh, wenn er sie nach einigen Stunden abgeben kann.
Wie gesagt, wir waren an dem Punkt einig, dass wir derzeit keine Kinder möchten. Ich bin noch in der Weiterbildung und hätte es mir frühestens in vielleicht 3-5 Jahren vorstellen können. Ich habe zum einen Angst davor, Kinder zu bekommen, vor der Verantwortung, Angst davor Fehler in der Erziehung zu machen, vor der Lebensumstellung - war aber zuversichtlich mit meinem Freund den richtigen Mann dafür gefunden zu haben.
Ich bin mir auch immer noch nicht sicher, wie ich mit meinem Leben ein Kind vereinbaren möchte. Zudem die vielen eher abschreckenden Berichte aus dem Freundeskreis von Pärchen, die gerade Kinder bekommen hatten. Ich bin mir nicht sicher, ob ich wirklich Kinder möchte. Tendenziell schon, aber heute kann ich es nicht sicher sagen. Und wer weiß wie es in einigen Jahren ist, wenn meine biologische Uhr anfängt zu ticken oder alle Freundinnen Kinder haben und sich das Leben wie man es kennt verändert? Dann kann es gut sein, dass der Kinderwunsch größer wird.
Mein Freund hat Kinder kategorisch für sich ausgeschlossen. Zu den Gründen oben kommt, dass er auch einige negative Erlebnisse in der Kindheit gehabt hat (Scheidung der Eltern, wechselnde Partnerinnen des Vaters, Vater wurde von 2. Ehefrau verlassen, nachdem das Kind auf die Welt kam etc.).
Wir haben uns aus Vernunft dann vor ca. 7 Wochen getrennt, wobei das insgesamt mehr von ihm ausging als von mir. Ich wollte noch kämpfen, Lösungen finden - wir haben aber keine Lösung für uns gefunden in den vielen Gesprächen. Sind alle Szenarien durchgegangen: Beziehung fortführen und Jahr für Jahr schauen, ob man bei dem Thema noch dieselbe Meinung hat, Beziehung fortführen bis der Kinderwunsch kommt und dann schauen an welchem Punkt man im Leben steht oder erst in 3 Jahren nochmal wieder darüber reden - alles keine Optionen für uns beide. Auch keine Option, dass der eine dem anderen seinen Wunsch/seine Vorstellung unterordnet.
Wir haben eingesehen, dass es wichtig war, das für uns zu klären. Nachher wäre man vielleicht zusammen geblieben, aber die Beziehung daran dann doch zerbrochen, weil er ständig in Angst gelebt hätte, dass ich irgendwann aufwache und der Kinderwunsch da ist und ich die Angst habe, irgendwann meinen Kinderwunsch zu äußern. Hinzu kommt, dass er mir auch nicht die Jahre klauen wollte. Es war ein freilassen, damit jeder den Partner findet für das Leben, was er sich vorgestellt hat.
Ich bin wenige Tage später zu meinen Eltern gezogen, die Gott sei Dank in der Nähe wohnen. Wir haben uns zusammen von unseren jeweiligen Eltern verabschiedet, weil wir nach 8 Jahren nun auch Teil der Familien geworden waren. Das war insgesamt sehr emotional und eine unfassbar schwierige Zeit für mich und ich denke auch für meinen Freund. Viele Tränen, viele Zweifel, viele traurige Momente. Man hat sich ja nicht getrennt, weil die Gefühle nicht mehr da waren, es ist auch kein Vertrauensmissbrauch passiert - man hat sich aus Vernunft getrennt, weil die Zukunftsvorstellungen nicht zusammen gepasst haben. Das war sehr bitter. Hatte man doch geglaubt, den Partner fürs Lebens gefunden zu haben, die große Liebe.
Und dann natürlich noch die Vorstellung, dass er vermutlich nicht kinderlos in seinem Leben bleibt und einfach die nächste Frau an seiner Seite nicht groß diskutiert, sondern einfach schwanger wird. Und er ist ein zu feiner Kerl, als eine schwangere Frau sitzen zu lassen, dann hätte er das Kind von ihr auch akzeptiert.
Wir hatten eine zeitlang keinen Kontakt und ich habe gemerkt, dass mir das gut tut. Das ich nicht so traurig bin, wenn ich mich ablenke. Mit jedem Tag wurde es ein klitzekleines bisschen besser.
Nun haben wir wieder mehr Kontakt, weil mein Auszug in gut 2.5 Wochen ansteht. Ich wohne wie gesagt gerade bei meinen Eltern seit 6 Wochen. Wir haben uns vor 2 oder 3 Wochen uns auf neutralem Boden getroffen, die Möbel aufgeteilt. Das war auch ein sehr schmerzlicher Tag. Zum Glück gab es keinen Streit bezüglich der Möbel oder Geld. Ich habe glücklicherweise sehr schnell eine neue schöne Wohnung gefunden, mein Exfreund erst zu Februar. Wir müssen noch Verträge aufteilen, umschreiben.
Letzte Woche hatte er auch mal so geschrieben, fernab von organisatorischen Dingen, dass er mich vermisst. Dann wollte er unbedingt nochmal mit mir reden, auch möglichst zeitnah vor meinem Auszug. Wobei wir eh schon 6 Wochen getrennt wohnen, nur dass die Möbel noch alle in der Wohnung stehen.
Ich habe gemerkt, dass er sich in der Zwischenzeit unheimlich mit dem Thema auseinander gesetzt hat. Anfänglich nach der Trennung kam er mit vielen Ideen, wir sollten uns untersuchen lassen ob wir überhaupt Kinder bekommen können, denn wenn biologisch nicht, wäre das eine ganz andere Situation für uns. Wir sollten uns ein Kind leihen um den Elternalltag zusammen zu erleben und zu schauen, wie das für uns ist - ihm ist mittlerweile auch klar, dass es keine Leihkinder gibt . Er hat sogar vorgeschlagen, dass wir das Schicksal entscheiden lassen, das wir es eine Weile versuchen und wenn wir schwanger werden akzeptieren wir es als Schicksal und wenn nicht, dann eben auch. Das schreibe ich hier völlig ohne Wertung, ich denke es waren Versuche, die Beziehung doch noch zu retten.
Abgesehen davon hat er sich im Verlauf aber auch noch weiter mit dem Kinderthema auseinander gesetzt: er hat viel mit Freunden gesprochen, die Kinder haben und auch mit Freunden,die keine Kinder haben. Mit gleichaltrigen und mit älteren Freunden, deren Sichtweisen und Entscheidungen im Leben reflektiert, ob sie es bereut haben Kinder zu bekommen oder bewusst keine Kinder wollten etc. Welches die Motivationen für Kinder waren. Er hat in Foren von jungen Vätern gelesen und sich ein Bild davon gemacht. Er hat Freunde mit Kindern zu sich eingeladen, geschaut wie das ist. Er hat Überlegungen angestellt, wie ein Leben mit Kind aussehen könnte, was ihm wichtig an Erziehungsvorstellungen ist, er möchte z.B. nicht direkt das Kind in eine Kita stecken, sondern sich auch Elternzeit nehmen, das Kind großziehen. Hat sich über die Kita seines Arbeitgebers informiert. Ich glaube er hat sich WIRKLICH mit dem Ganzen auseinander gesetzt, auch intensiver als zu der Zeit, in der wir noch zusammen waren.
Mittlerweile auch intensiver als ich mich mit meinem Kinderwunsch auseinander gesetzt habe.
Nun hat er mir gesagt, dass er Kinder nicht mehr kategorisch für sich ausschließt. Das er sich vorstellen könnte, mit mir ein Kind zu bekommen. Das es eine neue Aufgabe im Leben sein könnte, sein Job würde ihn jetzt schon langweilen. Er könne mir aber auch keine Garantie geben, mehr könne er mir im Moment nicht zusagen oder versprechen. Er würde sich wünschen, dass ich nicht ausziehe, da er auch Angst vor dem alleine Leben hat. Er würde gerne, dass ich weder einziehe und wir wieder eine Beziehung führen, an unserer Beziehung arbeiten.
Dazu muss man sagen, vor 2 Jahren als wir die ähnliche Diskussion hatten, hat er auch gesagt, dass er mich lieber mit Kind nehmen würde, als mich gar nicht zu haben - hat das nach 1 Tag aber wieder zurück gezogen, weil es ihm mit der Aussage nicht gut ging, weil er nicht dahinter stehen konnte.
Nun bin ich in einem absoluten emotionalen und gedanklichen Chaos .
Kann ein Mensch so schnell (~6 Woche) seine Meinung oder Lebenseinstellung ändern, die er zuvor 10 Jahre oder länger hatte?
Mir ist klar, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr von ihm erwarten kann. Ich kann nicht erwarten, dass er nun definitiv sagt, er will ein Kind. Das wäre unrealistisch.
Aber ist das genug? Meint er das auch so oder macht er sich vielleicht selbst etwas vor? Aus Angst vor den Veränderungen, die anstehen, dem Auszug, das alleine Leben? Und wenn er es wirklich so meint, ändert sich seine Meinung vll. wieder wenn die Trennung bzw. der Leidensdruck als Motivator wegfällt?
Was ist, wenn er wieder die Meinung ändert und das zurück nimmt, so wie in der Vergangenheit?
Soll ich nun Ausziehen oder nicht? (Der Mietvertrag der neuen Wohnung ist unterschrieben, Umzug ist organisiert). Täte uns vielleicht längerer Abstand besser, um besser reflektieren zu können was wir wollen? Die Meinung vielleicht zu ändern oder aber vielleicht auch den Beschluss zu fassen, dass es besser ist, getrennt zu sein?
Muss ich für mich klären, ob ich definitiv Kinder will und wenn ja, wie kann ich das schaffen? Ich kann es beim besten Willen derzeit nicht sicher sagen, ob ich Kinder will oder nicht.
Wieviel schafft die Liebe? Wieviel Kompromiss ist vertretbar in der Liebe?
Und vor allem an die Männer: Wollt ihr Kinder und wenn ja: wieso? Wenn ihr keine Kinder wollt: warum nicht? Könnt ihr euch vorstellen, dass sich eure Meinung nochmal ändert?
Oder wieso habt ihr euch entschieden Kinder zu bekommen, wie ist es für euch? Würdet ihr euch wieder so entscheiden?
Sorry schonmal vorab für den langen Text und die halbe Lebensgeschichte
18.09.2018 19:40 •
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