Hallo liebe Forumsmitglieder,
wie so viele Andere hier habe ich das Bedürfnis, meine Situation einfach nieder zu schreiben.
Ihn habe ich über ein Forum kennengelernt. Der Erstkontakt ging von meiner Seite aus, um ihm Erfahrungsaustausch bezüglich seiner Depression anzubieten. Zu der Zeit lebte ich noch bei meinem Ex-Freund, der Aggressionen hat und mich letztlich auch schlug. Leider war ich kurzzeitig arbeitslos und somit darauf angewiesen, bei ihm in der Wohnung unter zu kommen.
Bei meiner Familie kann ich nicht leben bzw. ich möchte es schlichtweg nicht, weil es mich psychisch sehr kaputt macht. Mein Vater hat eine antisoziale Persönlichkeitsstörung, führt meine Mutter, meine Geschwister und mich in den Abgrund - durch diverse Machtansprüche seinerseits, Bestrafungen, wenn man ihm nicht gehorcht oder ihm widerspricht, etc. Es belastet mich zu sehr, zu erleben, wie meine Mutter psychisch daran zugrunde geht, sie plagt sich seit Jahren mit Suizidgedanken herum, traut sich aber auch nicht mehr, etwas gegen meinen Vater zu sagen oder zu unternehmen, geschweige denn eine Scheidung in die Wege zu leiten.
Mich hasst er abgrundtief, da ich es gewagt habe, ihm die Stirn zu bieten, und das ließ er mich auch deutlich spüren. Von therapeutischer Seite aus wurde mir mitgeteilt, in solchen Fällen sei es immer ratsam, den Kontakt zur Familie vollständig abzubrechen, was ich natürlich nach dem Abitur freiwillig gerne getan habe.
Da die gewalttätige Situation bei meinem Ex auch keine dankbare Alternative war und sich meine depressive Phase stark zuspitzte, bot mir mein Internetkontakt nach nur zwei Monaten Bekanntschaft an, kostenlos mit ihm in seiner 30qm-Wohnung (mit nur einem Raum!) zu leben. Aus der Not heraus nahm ich das Angebot tatsächlich an und versuche nun, mein schlechtes Gewissen damit auszugleichen, dass ich ihm die Hausarbeit abnehme, koche und backe(, was er nicht gut findet, da er glaubt, mich nur auszunutzen).
Innerhalb der ersten paar Tage entwickelte sich das Ganze recht schnell in die Gefühlsrichtung, wir kuschelten und küssten uns, und irgendwie war klar, dass man sich sehr ähnlich ist, die gemeinsame Zeit genießt und trotz des beengten Wohnverhältnisses keine Gründe zum Streiten findet.
Das Zusammenleben tat uns beiden gut, was mich sehr gefreut hat, da ich ihm etwas bei seiner Depression beistehen konnte.
Nun gut, das Ende das ganzen Liedes ist, dass seine Gefühle weg gegangen sind. Einfach so. Er hätte kurze Zeit Liebe für mich empfunden, aber nun würden die Gefühle immer weniger werden. Er behauptet, das habe nichts mit mir zu tun, er würde mich immer noch als den gleichen, wunderbaren Menschen sehen, bloß seien seine Gefühle nie stabil, egal bei wem, und er hätte sich eine Menge durch die ständige Angst, mich zu verletzen, kaputt gemacht. Das kann natürlich der Wahrheit entsprechen, vielleicht handelt es sich dabei auch bloß um eine nett verpackte Erklärung.
Meine erste Überlegung dazu, war, dass ich versuche, den alten Zustand wieder her zu stellen. Dass ich mich bemühe, ihm zu zeigen, was er mir bedeutet. Dass ich aus Eigeninitiative häufiger das Kuscheln und Küssen anstrebe. Hierbei muss ich wohl erwähnen, dass ich diagnostizierte Asperger-Autistin bin und nicht allzu viel soziales Geschick von mir zu erwarten ist. Es gab Probleme, da ich meine Gefühle nicht zeigen kann und nicht erkenne, was ein Mensch braucht oder wie es ihm geht. Ich kann keine großartigen, humorvollen Monologe halten, ich bin immer darauf angewiesen, dass mein Gegenüber ein Gespräch leitet und aufrecht erhält. Und so musste ich schnell einsehen, wie wenig ich eigentlich zu bieten habe. Mittlerweile reden wir kaum noch miteinander. Natürlich ist es vollkommen normal, sich nicht die ganze Zeit zu unterhalten, wenn man zusammen wohnt. Jeder sollte noch sein eigenes Leben führen können, eigenen Interessen nachgehen, und wenn es nur die tägliche Stunde im Internet ist. Das Schweigen fühlt sich aber einfach falsch an. So, als würde ich ihm nichts mehr bedeuten. Die Annährungsversuche von seiner Seite sind immer weniger geworden, wir kuscheln sogar nicht mehr, obwohl wir das auch freundschaftlich tun wollten.
Unter dem aktuellen Zustand leide ich sehr stark. Obwohl das Thema Depression und Suizidalität vermutlich nicht hier her gehört, möchte ich es doch gerne nieder schreiben. Falls das nicht in Ordnung sein sollte, bitte ich um Entschuldigung, es gehört aber eigentlich zu meiner aktuellen Situation dazu und erklärt, warum es mir durch die Zurückweisung meines Mitbewohners so schlecht geht.
Ich wurde früher jahrelang gemobbt. Man fotografierte mich heimlich in der Schule und stellte die Bilder auf eine eigens für mich eingerichtete Hassseite. Man verbreitete Gerüchte über mich, man lachte mich aus, egal was ich tat. Irgendwann hatte ich Angst, zu atmen, weil ich dabei vielleicht auch etwas falsch gemacht habe, worüber sie lachen könnten. Man legte mir tote Ratten in die Brotdose und eines Tages wartete man nach der Schule am Fahrradständer, zwei Leute hielten mich fest und eine Person schlug mir ins Gesicht, damit mir die Zähne ausfallen - so etwas Schönes wie meine Zähne hätte ich nämlich nicht verdient. Geklappt hat es in dem Moment nicht, jemand hat mir geholfen, aber drei Zahnwurzeln sind so geschädigt, dass ich meine Frontzähne mit Anfang, Mitte zwanzig verlieren werde.
Mein Selbstwertgefühl war im Keller und wenn ich zuhause von meinen Problemen erzählen wollte, kamen bloß Aussagen wie Wann kommt der Bus mit den Leuten die das interessiert oder aus dir wird ja auch wirklich nichts, du sitzt hier und weinst, tust nichts für die Schule, ich sollte dir gleich Hartz vier beantragen. Meine Familie hat mich zusätzlich verbal fertig gemacht, sodass ich schlussendlich nicht einmal wusste, ob ich es zuhause oder in der Schule schlimmer finde.
Bis heute habe ich es leider nicht geschafft, von meiner Vergangenheit loszukommen, auch wenn sich diese Probleme vielleicht lächerlich anhören. Ich empfinde massiven Selbsthass, selbst als mein Mitbewohner Gefühle für mich hatte, konnte ich immer noch nicht glauben, dass mich jemand tatsächlich lieben könnte. Jetzt ist es vorbei, und die negativen Gedanken und Erinnerungen schaukeln sich immer mehr hoch. Seine Ablehung fühlt sich genauso an wie jeder einzelne Schlag, den ich früher kassiert hatte. Seine Ablehnung ruft einfach jegliches Gefühl wieder hoch, dass es nicht einmal die eigene Familie geschafft hat, mich zu lieben. Ich habe den Eindruck mich im Kreis zu drehen, mir nichts mehr zu wünschen als geliebt zu werden, einfach das Gefühl zu haben, so wie ich bin, genau so, gewollt zu werden - und wenn es dann passiert, hasse ich mich noch mehr, weil ich doch im Grunde genommen gar nichts zu bieten habe und die Person schon schnell genug merken wird, was für ein schlechter Mensch ich bin. Ich schleppe irgendeine Leere mit mir herum. Er war mein einziger sozialer Kontakt. Ich habe mich immer bemüht, unter Menschen zu kommen, Kontakte zu knüpfen, aber irgendwie schrecke ich die Menschen ab, ich wirke anders, kann nicht reden, kann niemanden verstehen. Irgendwo in meinem Kopf bin ich gefangen, in -zig Gedanken, aber niemand kann mir erklären, wie man Small-Talk führt oder jemandem zeigt, dass er einem viel bedeutet. Mein Mitbewohner sagte mir, er hätte mich ebenfalls als sehr komisch empfunden, wenn er nicht gewusst hätte, dass ich Autistin sei. Er meint, ich müsse auf Menschen treffen, denen meine Andersartigkeit egal sei, die sich die Mühe machen, hinter die Fassade zu schauen. Solche Menschen habe ich allerdings nur selten getroffen und die Wenigen konnten meine Depression irgendwann nicht mehr ertragen (was ich ihnen nicht verübeln kann).
Es wird ein zu langer Text, deshalb breche ich hier ab. Ich danke Dir sehr, dass Du ihn gelesen hast.
21.03.2015 19:41 •
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