Vom "eigentlich" für den anderen freuen sollen

Kennt ihr das ? Jemand erzählt Euch, dass ihm was Schönes geschehen ist. Eigentlich sollte man sich für den anderen freuen. Doch manchmal gelingt das nicht . Und dann fühlt man sich fast ein wenig schuldig.

Auslöser war der Anruf eines alten Bekannten.

Seit Jahren hatte man nichts voneinander gehört . Warum er sich wohl meldet ? Hoffentlich nichts Schlimmes ? Doch dann erzählt er, dass er bald heiraten will und kündigt eine Einladung an. Ich gratuliere, denke lächelnd, dass da aber einer seine Freude der ganzen Welt kundtun will. Und sage, dass ich gerne kommen werde.

Das Gespräch entwickelt sich . Ich frage neugierig nach Details zur Herzensdame. Er wirkt unerwartet zögernd . Ich erfahre, dass er SIE über eine Partnerbörse gefunden hat. Aber das ist nicht der Grund des Zögerns. Eher schon die Kürze der Beziehung. Noch kein Jahr kennt man sich.

Ich staune. Immerhin ist mein Gesprächspartner kein Jüngling sondern ein Mitfünfziger , mit der Erfahrung zweier Langzeitbeziehungen im Gepäck. Das ging aber schnell. Warum diese Eile ?. Er sagt, dass er jetzt schon ein bißchen enttäuscht ist. Alle seine Freunde hätten so ähnlich reagiert . Keiner, der sich einfach mit ihm gefreut hätte .

Das tut mir leid . Natürlich gönne ich ihm sein Glück. Mir ist nur durch den Kopf geschossen, dass man doch sage, die rosarote Brille dauere zwei Jahre an, meine ich beschwichtigend. Aber ok. Er sei ein erwachsener Mann und alt und erfahren genug für sich selber zu entscheiden . Eben - sagt er .

Das mit den zwei Jahren kenne ich auch, sagt er. Doch die Brille sei nicht mehr rosa . Er sei sicher. Man habe bereits einiges miteinander durch. Und ich erfahre , dass er doppelgleisig gefahren ist in der Anfangszeit . Bis es aufflog. Weil beide Frauen einander unerwartet trafen .

Ich schlucke . Oha. Heftig . Dieser Teil hat nicht den vom Absender gewünschten Effekt . Im Gegenteil. Meine Beunruhigung wächst . Ich beisse mir auf die Zunge. Ganz sicher hat er nicht angerufen, um eine Beziehungsberatung zu erhalten. Das Gespräch endet freundlich und mit einer Erneuerung der Einladung - und lässt mich mit einem Gefühl von Bestürzung zurück.

Das alles klingt so ungut für mich. Fernab jeder moralischen Frage: Wieviel Angst muss einen Menschen treiben, der so agiert ? Schon beim letzten Kontakt vor Jahren hatte er erzählt, dass er in seiner damaligen Beziehung unglücklich war. Trotz vieler Anläufe den Absprung nicht geschafft hat . Nun also endlich Bewegung. Aber auf diese Weise ? Ist das wirklich ein Fortschritt ?

Eigentlich sollte ich mich für meinen alten Bekannten freuen . Stattdessen fühle ich mich wie eine alte Unke . Ist das normal ? Oder bin ich einfach zu alt und zynisch, um an die Liebe zu glauben ?

Zitat von Nachtgedanke:

Weil beide Frauen einander unerwartet trafen.

Ist doch ganz normal, dass man auf Basis der Erfahrung in so einer Geschichte eher Probleme sieht. Dazu sind Freunde doch da, dass sie einem die Augen öffnen.

Aber die Zutaten der Geschichte gehen ja noch weiter. Zufällig getroffen, höhö, is klar. Und selbst wenn, der bekommt das ewig aufs Butterbrot, wenn es mal mies läuft, er ist zu blauäugig, um die kurze Zeit als Problemquelle zu erkennen, sicher auch zu ängstlich, die Dame wieder zu verlieren.

Du hast Deinen Spruch gesagt, darüber hinaus würde ich mich in das Drama in Spe nicht reinziehen lassen. Also zumindest das Thema nie wieder thematisieren.

Danke für Eure Antworten.
Bin w. Aber sehr sicher, dass es nicht um eine weitere Affäre geht. Mehr darum, für sich und diesen Plan eine Art Commitment zu bekommen.

Urmel, Deine Worte fühlen sich wie ein beruhigender Klapps auf die Schulter an. Seine etwas dünnhäutige Reaktion war wie ein Schild mit den großen Lettern Tabu. Ich sollte diese Geschichte wohl wirklich einfach mit ein wenig schwarzem Humor nehmen. Aufhalten kann ich eh nix. Dein ungeniertes Höhö hilft ungemein bei meinem Versuch, wieder in eine entspannte Haltung zu kommen

Zitat von Nachtgedanke:

Seine etwas dünnhäutige Reaktion war wie ein Schild mit den großen Lettern Tabu.

Wer die Wahrheit spricht, sollte einen Fuß im Steigbügel haben.

Menschen den Spiegel vorzuhalten sorgt in den meisten Fällen nicht dafür, dass sie sich selbst erkennen. Es sorgt dafür, dass ihre Wut sich auf die Menschen konzentriert, die ihr den Spiegel vorhalten.

Daher ist man gut beraten wenn man Menschen um sich hat, die mitunter in der Lage sind, sich selber den Spiegel vor das Gesicht zu halten.

Volltreffer, Urmel.

Ich neige zu Offenheit. Das verträgt nicht jeder. Und umgekehrt vertrage ich es schlecht, wenn ich das Gefühl habe, meine eigene Haltung verschleiern zu müssen. Also - im persönlichen Bereich jetzt. Da will ich nicht heucheln müssen .

Irgendwo an dieser Kante hat mich die Geschichte emotional erwischt. Der Kontakt ist sehr lose, doch besteht seit Jahrzehnten. Gibt nicht viele solcher alten Begleiter in meinem Leben.

Naja. Für die Teilnahme an einer Party wird es schon reichen und wird mir gelingen , wie erwünscht den Mund zu halten. Falls wir uns aber doch vorher nach all den Jahren mal zu einem B. treffen, kann ich für nix garantieren

Kurz im Gespräch war so ein Treffen beim Telefonat. *lacht* Aber falls das stattfindet, dann vermutlich mit ihr. Was ihn vor offenen Worten meinerseits schützt. Ach, ich lass mich einfach mal überraschen.