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Diese Geschichte hat sich heuer im Frühjar so abgespielt.

Irgendwo mitten in England anfang März. Wir waren gerade auf der Autobahn von Manchester nach London. Mein Chef und ich hatten am Vormittag einen wichtigen Kundentermin bei einem großen Konzern. Der Termin ist wie gewohnt sehr gut verlaufen und wir besprachen noch ein paar Details. Die üblichen Themen. Die Wiesen in England waren schon viel grüner als die in der Südsteiermark. Durch den kalten und trockenen Winter ist das Gras noch nicht richtig satt grün und noch vom Frost gezeichnet. Aber bald sollten sich die ersten Anzeichen vom Frühling bemerkbar machen. Ich freute mich, wieder nach ein paar anstrengen Tagen mit langen Vorbereitungen wieder nach Hause zu meiner Familie zu kommen. Wobei ja der Abschied alles andere als harmonisch verlaufen war. Beide überspannt vom Job haben wir uns wegen Kleinigkeiten angefaucht, und die Tatsache, dass sehr wahrscheinlich mein Flug in Frankfurt wegen eines Streiks ausfallen würde, gab mir noch zusätzlichen Stress. Aber das war für mich wieder alles vergessen.
Als wir das Gesprächsthema im Auto auf private Themen wechselten, erfuhr ich, wie mein Chef seine Frau kennen gelernt hatte. Er hatte eine Verletzung, und da seine Frau die nicht weit weg wohnte, Krankenpflegerin gelernt hatte, hat sie sich darum zufällig gekümmert. So ähnlich lief es bei mir auch ab. Nach übermäßigen Einsatz beim Beachvolleyball im Urlaub in der Türkei schlug ich mein Knie auf, und da ja eine Horde steirischer Krankenschwestern im Hotel wohnte, ließ ich mich verarzten. So haben wir uns das Erste mal kennen gelernt und ein paar Abende darauf wurde es dann ernst. Wir haben es geschafft, die Urlaubsbeziehung in das normale Leben zu überführen, und es war für uns beide die erste große Liebe. Diese Geschichte habe ich schon sehr oft erzählt und musste mir immer anhören wie verrückt das alles sei. Völlig beeindruckt, dass wir fast unter ähnlichen Umständen unseren Lebenspartner gefunden haben, näherten wir uns schön langsam London. Nachdem ich die ganzen Umstände wie wir uns kennen lernten und unsere erste gemeinsame Zeit in meinem inneren Auge noch mal durchgespielt habe, wurde meine Vorfreude an die Heimreise noch größer.
Im Hotel am Flughafen angekommen, habe ich gleich meinen Schatz angerufen. Vom Zoff vor der Abreise war nichts mehr zu spüren, und wir gingen die übliche Agenda durch. Wie geht es dem Junior in der Schule, wie war es in der Arbeit und was gibt es sonst neues. Und natürlich unser Top-Thema zur Zeit. Die immer näher rückende Baustelle meiner Eltern. Die letzten Angebote waren schon seit einiger Zeit da, und es ging schon an die Feinplanung. Als Starttermin wurde die Woche vor Ostern immer konkreter. Freitag in einer Woche steht eine große Besprechung mit der Baufirma an, da sollte dann alles geklärt werden.
Ich freute mich schon richtig auf die kommende Baustelle neben unserem Haus. Natürlich wird es eine große Herausforderung werden, aber so komme ich noch mal dazu ein Haus zu bauen, wenn auch nur als Helfer. Am aufgeregtesten waren natürlich meine Eltern selbst, weil sie hatten schon letztes Jahr im Sommer ihr Haus in Bayern verkauft. Sie wohnten seit Oktober in einer kleinen Stadtwohnung, aber es war ja nur als Übergangslösung gedacht. Das mein Elternhaus in dem ich eine so unbeschwerte Kindheit erleben durfte nun weg war, das hat mich zwar schon bewegt. Da ja bald ein neues Elternhaus gebaut wird, war ja adäquater Ersatz gegeben. Da wir ja den Bau selbst organisieren wollten, musste sich jemand um die Organisation kümmern. Mein Schatz wollte das machen, und hat sich bis jetzt sehr gut geschlagen. Es ist vielleicht nicht so schlecht wenn man als Frau zu den Firmen geht. Fachlich konnte uns niemand reinlegen, weil wir hatten ja in der Verwandtschaft viel Expertise in Sachen Bau und Handwerk. Natürlich war diese Koordination mit viel Telefonieren und Abstimmung mit meinen Eltern verbunden. Aber nachdem man sich geeinigt hatte wie man sich das Haus vorstellt, sollte nun alles klappen.
Nach einem längeren Telefonat machte ich noch ein wenig was für die Arbeit und ging dann früh schlafen. Mein Flieger in die Steiermark ging früh, und ich hatte die Anweisung vom Chef die Arbeitswoche nach der Ankunft kurz nach Mittag ausklingen zu lassen.
Zu Hause am Flughafen angekommen, war es ein herrlicher, wolkenloser Frühlingstag. Ich machte das große Dachfenster meines Autos ganz auf und fuhr heim zu meinem Junior und meinem Schatz ins Wochenende.
Dies sollte das letzte Wochenende sein, dass ich glücklich im Kreise meiner Familie verbringen durfte.

Das Wochenende selbst war eher unspektakulär. Mein Schatz hatte mal wieder Dienst. Das bringt der Job als Krankenschwester zwangsläufig mit sich. Zumindest war es kein Nachtdienst und wir hatten wenigstens den halben Nachmittag gemeinsam verbringen können.
Es war trotz Sonnenschein noch zu kalt um die Gartenmöbelsaison zu starten und generelle Frühjahrsreinigungsarbeiten ums Haus herum konnten noch getrost eine Weile warten. Nach der kurzen aber stressigen Dienstreise wollte ich es nicht übertreiben. Ich ging noch ein paar Unterlagen für den Hausbau durch und besprach das Ganze mit den Eltern übers Telefon. Endlich sah es so aus, als wurde man sich in allen Details einig. Weil die Zeit lief uns schön langsam davon, wenn wir alle Termine halten wollen. So ging auch das Wochenende schnell vorüber und die nächste Alltags-, und Arbeitswoche konnte starten. Trotz home office und den damit verbundenen Freiheiten musste ich auch feste Termine wahrnehmen, die dann online bearbeitet wurden.
Mittwoch Mittag musste sie mir dann etwas wichtiges sagen. Unsere Beziehung war in ihren Augen etwas abgekühlt und wir sollten dringend darüber reden. Am besten so schnell wie möglich. Ich fand auch, dass wir mal wieder über etwas anderes reden sollten als die Alltagsthemen, wie Baustelle, Arbeit, Haushalt etc. Darum gingen wir abends zum essen in unsere Stammgaststätte. Ich erhoffte mir von dem Gespräch eigentlich etwas positives, weil wir die letzten Monate so gut wie keine Zeit für uns hatten. Die letzten wirklich glücklichen Tage hatten wir letzen November. Da waren wir in London, und es war traumhaft schön. An diesen Abend hörte ich das erste mal, dass sie sich nicht mehr sicher war. Ich habe die Tragweite dieser Aussage anfangs völlig ignoriert, und schob das Ganze einfach den erhöhten Stress zu unter den wir seit einiger Zeit stehen. Ich propagierte immer wieder, dass wenn wir uns wieder mehr auf das wir in unseren Alltag konzentrieren, dann wird das schon wieder. Dass wir so nicht weiter machen konnten, das war für mich auch relativ klar. Darum fand ich die Situation im Moment eher vorteilhaft und dachte nicht im Traum daran was eigentlich schon los war. Die Kernschmelze hat schon begonnen und der Super GAU war nur noch kurz entfernt.

Am Freitag fand die große Baubesprechung statt. Der Starttermin wurde wie geplant in drei Wochen statt finden. Also ging es bald ans eingemachte. Die Fenster wurden bereits vor zwei Wochen fix bestellt und sogar schon angezahlt.

Am Sonntag war dann große Jagdversammlung mit mehreren hundert Leuten. Kurz nach dem Umzug nach Österreich vor genau acht Jahren, hat mich meine Schwiegermutter dazu ermutigt, den Jagdschein zu machen. Da ich sehr gerne in der Natur bin, und mich auch für Wald und Wild interessiere, habe ich entschlossen den Jagdschein zu machen. Ich war seit wir in unser neues Haus gezogen sind Mitglied in der lokalen Gemeindejagd. Mit den Jagdkameraden verstand ich mich sehr gut, obwohl ich durch meinen Beruf nicht so viel Zeit hatte, die ich eigentlich für die Ausübung der Jagd benötigt hätte. Und natürlich ging auch oft die Familie vor. Aber an diesem Sonntag ließ ich mich für den Ausschank bei der Jägerversammlung einteilen. Natürlich kommt man wieder mit neuen Leuten ins Gespräch, und man merkt schnell dass ich nicht von hier bin. Dann erzählte ich zum gefühlten 1000sten mal meine Story, wie wir uns in der Türkei kennen gelernt haben, über die Geburt unseres Juniors bis hin zu der Entscheidung in der Heimat meiner Frau zu leben. Aber selbst nach dem 1000sten mal war diese Geschichte für mich so spannend als hätte ich sie gerade erst erlebt. Weil ich war gerne in der Steiermark, war stolz auf meinen Junior und ich war gerne bei meiner Frau, die ich über alles liebe. Trotz der Probleme die gerade aktuell auf dem Tisch waren.
Mein Schatz war mit dem Junior spazieren. Sie hat gesagt, dass sie auf dem Spielplatz einen Bekannten getroffen hat. Er war Vater zweier Kinder und hat erst vor ca. 10 Monaten auf tragische Weise seine Frau verloren. Sie hatte Grippe die nicht auskuriert worden war und lag eines morgens regungslos im Bett. So etwas schlimmes habe ich zuvor selten gehört, und da ich von beginn an eigentlich nie eifersüchtig war, machte ich mir keine Sorgen.

Montags kamen dann die Ergebnisse der schwarzen stellen im Magen übers Telefon. Es war zum Glück nichts gefährliches. Vorerst. Ich habe weder mit dem Arzt selbst gesprochen, noch war ich dabei, aber angeblich kann es durch Stress doch noch bösartig werden. Die ganze Geschichte war aber nicht das Hauptthema an diesem Montag. Nach dem positiven Ergebnis war sie sich plötzlich noch mehr unsicher als je zuvor, und stelle nun das Hausbauprojekt meiner Eltern in Frage. Was wäre, wenn sie das Haus bauen, einziehen, und nach einiger Zeit funktioniert es dann überhaupt nicht mehr mit uns? Sie möchte schon, dass sie runterziehen und bauen. Aber sie kann mir keine Garantie mehr geben. In meiner Verbohrtheit, dass sich das alles wieder einränkt war ich immer noch davon überzeugt dass alles so bleiben sollte, weil ich wusste genau, wenn ich meine Eltern mit den Zweifeln meiner Frau konfrontiere, dass dann das Projekt sofort abgeblasen wird. Also ging ich das Risiko ein und sagte vorerst nichts.

Am Mittwoch im Laufe des Tages wurde dann mein Schatz konkreter. Da durfte ich erfahren, dass sie mich eigentlich nicht mehr richtig liebt. Das kribbeln im Bauch und die Schmetterlinge sind nicht mehr da. Wenn man diese Aussagen verarbeitet, und in sich geht, sieht man erst einmal die unendliche Liebe die man für den Partner empfindet. Die Tatsache, dass der gegenüber nicht mehr so empfindet erfüllt einem mit leere und der unbändigen Hoffnung, dass diese Liebe wiederkehren wird. In der ersten Zeit war es für mich schon mehr als wahrscheinlich, dass ihre Liebe zu mir wieder belebt werden kann, wenn wir darum kämpfen. Ich sah nun sehr schnell ein, dass es nun höchste Zeit war meine Eltern zu informieren und ggf. das Bauprojekt zu stoppen oder vielleicht sogar nur zu unterbrechen. Das Bauen geriet schnell in den Hintergrund, weil ich merkte dass es auf einmal um weit mehr geht. Es geht um meine gesamte Existenz.

Wir entschieden uns, dass ich noch heute nach Deutschland zu meinen Eltern fahre und ihnen die aktuelle Situation erzählen werde. Ich wusste, dass es damit mit dem Bauen hinfällig sein würde. So war es dann auch. Nach nicht nur 5 Minuten war alles hinfällig. Was aber dann im Raum stand, war die Frage, wie es mit meiner Ehe weiter gehen sollte. Ich war ja sehr zuversichtlich dass es nur so eine Phase meinem Schatz sei, und wir wieder zueinander finden werden nach den vielleicht zu arbeitsreichen Wochen und Monaten, jetzt da die Belastung der Bauplanung nicht mehr existierte, könnten wir uns wieder auf uns konzentrieren. Ich blieb noch zwei Tage in Deutschland weil mein Schatz der Meinung war, dass vielleicht auch ein wenig Abstand ihre Gedanken neu sortieren konnte. Der Frühling hat gerade begonnen, und vielleicht konnten ja die aus dem kalten Winter wieder erwachende Natur Frühlingsgefühle bei meinem Schatz wecken.

Wir verbrachten das Wochenende mit kleineren Gesprächen über das Thema. Leider hat sich während meiner Abreise nichts getan und es stand schon irgendwie die Begrifflichkeit Auszeit im Raum. Um die Liebe und letztendlich die Beziehung zu retten wäre mir jedes mittel recht gewesen. Leider konnten wir wenig Zeit miteinander verbringen, weil mein Schatz hatte wieder Dienst.

Am folgenden Mittwoch morgen war es dann so weit. Nachdem unser Junior in die Schule gefahren war, gab es ein erneutes Gespräch. Das sollte bis dahin alles gewesenes in den Schatten stellen. Nach vielen Nachdenken gab sie zu, dass sie wahrscheinlich auf absehbare Zeit keine Gefühle mehr für mich entwickeln kann. Sie sieht mich zwar ihren besten Freund, mit dem sie alles Bereden kann, aber es gibt keine Liebe mehr. Vielleicht wäre es das Beste, wenn ich mir für eine Weile eine Wohnung suchen sollte. Es dauerte eine Weile, bis ich die Tragweite dieser Worte voll verarbeitet habe. Jeder andere hätte das schon vor zwei Wochen gewusst, aber ich war so blind vor Liebe, dass ich es nicht sehen wollte. Aber dann schlug es um so mehr ein.
Es ist aus. Nach über 11 Jahren. Aber nicht nur das. Es war ja nicht nur eine Beziehung. Es hing ja so viel mehr dran. Unser Sohn, unser Haus. ALLES, wofür ich die letzen 11 Jahre gelebt habe. Ich habe meinen Schatz bedingungslos geliebt. Ohne Wenn und Aber, trotz aller Meinungsverschiedenheiten. Ich konnte und wollte nicht glauben, dass dies alles nun vorbei war. Ich war über eine Stunde nicht fähig ein klares Wort zu sprechen, die Schmerzen in meiner Seele wurden von Minute zu Minute größer, und ich habe nur noch daran gedacht, wann ich endlich aufwache. Weil das konnte nicht real sein. Es MUSSTE ein Albtraum sein. Ich wachte nicht auf, und ich fühlte mich nur noch als Gast oder Mitfahrer in einer Achterbahn die in einen dunklen Abgrund rast.

Nachdem ich mich halbwegs wieder gefasst hatte, schlug mein Schatz vor, dass ich wieder, diesmal für längere Zeit, nach Deutschland fahren sollte. Vielleicht gelang es ihr ja doch noch ihre Gedanken zu sortieren und vielleicht wieder zu mir finden. Als ich meinen Koffer packte schaute ich mich im Haus um. Das alles sollte ich nun zusammen mit meinem Schatz verlieren? Absurd! Es wird bestimmt noch gut ausgehen. Selbst kurz nach dem ich den schlimmsten Schmerz meines Lebens gespürt habe, war immer noch Hoffnung da. Wir hatten so viel durchgemacht, und schon so viel erreicht. Unsere Geschichte war wie aus dem Märchen. Es war für jeden klar, dass wir zusammen gehören.
Mittwoch Nachmittag nach dem Essen fuhr ich dann los. Mein Chef wusste bescheid, dass ich für ein paar Tage nach Deutschland fahre. Ich konnte ja von überall arbeiten wo es einen Internetanschluss gab. Er bot mir ein paar Tage Urlaub an. Aber ich wollte arbeiten, um zumindest ein wenig abgelenkt zu sein.
Zum Abschied drückte mich mein Schatz ganz fest, und sagte, dass es ihr leid tue. Als ich im Auto war, schaute ich auf das Datum: 21.März. Genau vor 11 einhalb Jahren, am 21. September sind wir zusammen gekommen.

In Deutschland angekommen haben meine Eltern versucht mich zu trösten. Es lief irgendwie alles wie im Film ab. Ich telefonierte täglich mit meinem Junior und natürlich auch mit meinem Schatz. Wir sprachen das Erste mal, was es bedeuten würde, wenn es so weiter geht. Ich nahm bei einem Telefonat ganz gefasst ein Wort in den Mund, dass noch vor zwei Wochen so weit weg entfernt war. Das, dass uns niemals passieren sollte: Scheidung. Ich habe es zwar gesagt, aber natürlich nicht geglaubt, dass es so weit kommen sollte.
Sie sagte, dass sie am Wochenende mit einer Bekannten und deren Kindern in die Therme gehen will. Ich dachte, dass wäre eine gute Idee. Entspannen und ein wenig reden. Aber irgendwie wusste ich, dass sie nicht alleine sind. Ich wusste nicht warum, aber ich wusste es, und der Gedanke machte mich fast verrückt. Ich hab zwar noch nicht gewusst wer es war, aber im innersten konnte ich mir es schon vorstellen.

Nach längeren Diskussionen mit meinen Eltern, die ebenfalls noch irgendwie an einen Fortbestand unserer Beziehung glaubten, war ich der Meinung, dass es nicht gut sei jetzt in Deutschland zu sein. Zum einen war ich mir nicht mehr sicher, dass da doch nicht ein anderer auf einmal interessant ist. Ich war das erste mal seit 11 einhalb Jahren eifersüchtig. Ich packte meine Sachen und nach fast einer Woche in Deutschland fuhr ich wieder runter. Was würde mich jetzt erwarten?

Als erstes erfuhr ich, dass sich an der allgemeinen Gefühlslage nichts geändert hat. Das war schon schlimm genug, aber außerdem erfuhr ich von meinem Junior, dass tatsächlich noch ein anderer dabei war. Der Witwer mit seinen Kindern. Es schürte mir fast den Atem ab. Sie hat in den darauf folgenden Tagen immer wieder von ihm gesprochen, dass sie sich auch wieder zufällig am Spielplatz trafen. Das nun auch noch offensichtlich jemand anderes da ist, hatte dann endgültig meine psychische Grenze überschritten. Es gab nun wirklich kein zurück mehr. Ich konnte keine Gedanken mehr fassen. Ich saß auf der Couch und habe stunden lang ins Leere gestarrt. Ich habe vor lauter blinder Lieber über die Zeit nicht mehr gesehen, dass sie mich nicht mehr liebt, aber dass sie jetzt etwas für einen anderen empfindet, dass habe ich gespürt. Die Gedanken wurden immer verworrener. Seit meiner ersten Fahrt zu den Eltern ist sie ins Gästezimmer gezogen, in den wenigen Stunden Schlaf träumte ich von ihr und ihm. Es konnte so nicht mehr weiter gehen. Es musste ein Ausweg her. So schnell wie möglich.

Palmsonntag. Ich konnte mich noch so gut an unseren ersten Palmsonntag in Österreich vor 8 Jahren erinnern. Unser Junior stand kurz vor seinem ersten Geburtstag, wir waren erst seit wenigen Wochen in das alte Haus eingezogen. Die wenigsten hatten geglaubt, dass wir es schaffen. Ich gerade mit dem Studium fertig, gerade die Erste Arbeit in einem kleinen Ingenieurbüro nur ein paar KM von unserem Haus weg angefangen. Es war wirklich großes Glück eine solch gute Arbeit, so nah an unserem Haus zu bekommen. Die Bezahlung war noch nicht so gut, aber ich hatte viele Möglichkeiten zu lernen. Wir brauchten keine Miete zahlen, und so reichte das Geld ohne Probleme. Es war so viel zu tun, aber mir machte es Spass. All die Herausforderungen als junge Familie waren für mich zwar schwer, aber ich versuchte alles so gut wie möglich zu machen. Weil wir drei hatten uns, und unsere Liebe. Die Entscheidung nach Österreich zu gehen, konnten viele nicht zu 100% verstehen, aber für mich gab es keine Zweifel. Uns so haben wir die Herausforderungen zusammen gemeistert. Unser Junior hat sich prächtig entwickelt. Natürlich gab ich offen und ehrlich zu, dass ich besonders am Anfang seht überfordert war. Ich war ja quasi selbst noch ein Kind, zumindest sah ich mich noch als noch nicht bereit für eine Vaterrolle. Aber irgendwie haben wir es geschafft.
Acht Jahre später gingen die zwei alleine zur Palmbuschweihe. Ich konnte nicht auf heile Familie spielen. Meine Gedanken wurden immer abstruser. Es schien alles keinen Sinn mehr zu machen. All die Träume und Hoffnungen, die wir vor 8 Jahren noch hatten sind weg. Vielleicht ist es dann auch für mich besser, wenn ich gehe? Nein, das konnte ich meinen Junior nicht antun. Trotzdem, wollte der Gedanke nicht mehr so richtig weichen. Das machte mir Angst. Als ich wieder nicht schlafen konnte, und wenn dann nur schlecht geträumt habe, ging ich am nächsten Morgen zu meinem Hausarzt. Ich wollte mir etwas zum Einschlafen verschreiben lassen. Er hat natürlich gemerkt das etwas gewaltig nicht stimmt, und ich habe ihm erzählt, dass mein Schatz sich von mir trennen will. Er viel, wie so gut wie jeder, der diese Nachricht hörte, aus allen Wolken, und konnte es nicht fassen. Ich erzählte ihm auch, dass mich seit ein paar Tagen ein paar Gedanken nicht mehr los lassen. Da er wohl meinen geistigen Zustand als ernst eingestuft hatte, riet er mir zu einer sofortigen psychotherapeutischen Therapie. Uns es gibt nur einen Ort, an den man den sofort und auch sonstige Betreuung bekommt. Die psychiatrische Klinik in Graz. Mir war es im Prinzip egal, wo ich hin kam. E musste irgend etwas passieren. Ich rief meinen Schatz an, dass ich mit der Rettung in die Psychiatrie nach Graz gebracht werde. Sie reagierte am Telefon merklich genervt. Das war ihr gar nicht recht. Sie hat auch während der ganzen Geschichte keine Träne vergossen. Sie war seit zwei Wochen zu mir kalt, wie ein fremder. Als wäre ich ein Fremder und nicht ihr Mann.

Jetzt war ich in der Psychiatrie. Offene Station mit Ausgang, aber man musste sich Abmelden, und zum Abendessen wieder da sein. Aber ich fand es nicht schlimm. Da drin begegnet man Leuten, denen es noch viel, viel schlechter geht als einen selbst. Die Medikamente wirken sofort und ich konnte mal wieder richtig schlafen. Auch der allgemeine Zustand wurde besser. Nach ersten Gesprächen mit Psychologen, konnte ich wieder etwas zu mir finden. Die Gedanken, etwas schlimmes zu versuchen, waren wieder weg. Die Psychologen konnten mir auch keine Antwort auf die Frage geben, warum das alles jetzt passiert sei. Es würde ja noch die Möglichkeit einer Paartherapie geben. Paargespräche oder Therapien waren für meinen Schatz von Beginn an ausgeschlossen, aber ich konnte sie zumindest zu einem Dreiergespräch mit der Psychologin überreden. Ich setzte wieder alle Hoffungen in dieses Gespräch, aber sie blockte wieder von vorn herein ab. Es gibt keine Therapie. Es gibt kein Zurück. Ich nahm es relativ gefasst, und die Psychologin hat mir geraten, einen Anwalt aufzusuchen. Es gab einen, der unentgeltlich in der Psychiatrie Beratungen anbot. Somit beschäftigte ich mich zum ersten mal ernsthafter mit dem Thema Scheidung.

Nach etlichen weiteren Gesprächen, bin ich der Meinung gewesen, dass es vielleicht doch besser wäre, es zu akzeptieren. Ich bin noch jung, habe eine guten Job, ich kann wieder alles erreichen. Mit dieser Einstellung, bin ich nach zwei Wochen aus der Anstalt entlassen worden. Ich ging wirklich mit neuen Mut in eine sehr schwierige Zukunft. Ich habe die Zeit als sehr positiv gesehen, und es hat mich wirklich wieder zu mir selbst gebracht. Ich konnte endlich nicht nur das positive sehen, dass ich verliere, sondern auch die negativen Seiten. Da war nicht zuletzt der massive Entzug an Zärtlichkeiten, der sich schon über die letzten Jahre hinzog. Ich habe mich damit abgefunden, aber zufrieden war ich nicht. Auch die in letzter Zeit immer schlimmer werdende Verschwendungssucht war mir ein Dorn im Auge. Und letztendlich habe ich mich immer ihrer Meinung gebeugt. Damit sollte nun schluss sein. Gleich nachdem ich wieder zu Hause war, nahm ich mir einen Anwalt. Weil während meiner Zeit in der Anstalt, hatte sie schon alles für eine Scheidung vorbereitet. In Österreich geht eine Scheidung innerhalb von einer Stunde über die Bühne, wenn man sich in allem einig ist. Fürsorge für das Kind, Unterhalt, Haus, Geld, Schulden etc.
Ich war also kaum aus der Psychiatrie entlassen, wurde mir ein Scheidungsvertrag unter die Nase gehalten. Mit relativ ungünstigem finanziellen Ausgang für mich. Mein Anwalt hat sich auf alle Fälle sehr amüsiert.
So gingen dann drei Wochen ins Land. Ich nahm die Arbeit bei der Firma wieder auf, weil nach zwei Wochen Krankenstand war natürlich einiges aufgelaufen. Es machte wieder ein wenig Spass, und es stand eine zweiwöchige Dienstreise nach England an. Ich sollte eine große Firma beraten. Das fand ich gut, weil es gab mir mal Abstand von allen. Während der drei Wochen hat sich die allgemeine Lage wieder normalisiert. Sie hat auch gesagt, dass was immer mit dem Witwer war, zumindest jetzt vorbei ist, oder ruht. Wahrscheinlich habe ich auf Grund der Medikamente, die ich immer noch seit meinem Aufenthalt in der Psychiatrie nehmen musste, es nicht so schlimm gesehen. Mir ging es in der tat besser. Ich machte auch mit meinem Anwalt fortschritte, so dass es einigermaßen absehbar war, wie man die Geschichte lösen konnte.

Für meine Dienstreise, decke ich mich noch einmal mit frischen Tabletten ein, und Anfang Mai ging es los. Ich machte einen erstaunlich guten Job, für einen, der gerade noch vor drei Wochen in der Psychiatrie war. Es war wunderbares Wetter in England, und ich konnte mir viel von der Landschaft ansehen. Südengland, da wollte mein Schatz immer hin. Ich dachte mir oft, wie schön es wohl wäre, wenn wir nun zu dritt den Pier in Brighton entlang gehen könnten.
Trotz der Entfernung, hatte ich wieder das Gefühl. Er war wieder da. In der zweiten Woche habe ich gemerkt, wie es wieder rapide bergab ging. Ich wollte meine Medikation erhöhen, aber was ist, wenn ich bei meinem Kunden dann nicht mehr arbeiten kann? Einmal war ich nach der Arbeit in einem Supermark etwas zu essen kaufen. Plötzlich kam ein gewaltiger Tinitus, gefolgt von Schwindel und hämmernden Kopfscherzen. Ich wusste, dass es wieder log ging. Aber es waren nur noch ein paar Tage, und dann ging es heim.
Am Flughafen telefonierte ich noch. Sie waren Eisessen. Ich wusste, sie waren nicht alleine.
So kam ich Freitag abends in Graz an. Als ich zu hause war, schliefen schon alle. Ich konnte sehen, dass der Rasen frisch gemäht war. Auf der Terasse stand der Grill. Mein Schatz konnte weder mit dem großen Rasenmäher fahren, noch den Grill anschmeissen. Komisch.

Samstags hatte sie natürlich Dienst, und ich war alleine mit dem Junior. Ich erzählte ihm wie toll es in England war, und ich zeigte ihm die Bilder, die ich von alten Schiffen gemacht hatte. Ich fragte ihm ganz beiläufig, wer den Rasen gemäht hatte. Er antwortete. Der Onkel. Und ich fragte, ob er auch gegrillt hätte. Ja, der war mit seiner Freundin da. Wir haben dann gemeinsam gegrillt. Irgendwie war ich sehr erleichtert, aber ich fragte noch einmal. Ist in den letzten zwei Wochen jemand anders da gewesen, ausser der Onkel? Nein.
Da war ich erst einmal erleichtert.
Wir fuhren am Nachmittag mit dem Rad zu Freunden. Ich verstand mich mit der Familie recht gut. Wir saßen auf der Terrasse, und ich erzählte von England. Ich erwähnte auch, dass ich es toll finde, dass der Schwager da war zum Rasen mähen. Die anderen haben sich nur angesehen, und gesagt. Der Schwager war nicht da. Es war fast täglich jemand anders da. Mit ringender Fassung, stellte ich meinen Junior zur Rede. Unter Tränen hat er gesagt, dass ihm seine Mama dazu ermutigt hatte zu lügen, weil wenn er mir die Wahrheit erzählt bin ich nur traurig. Ich wusste im Moment nicht was schlimmer war. Die Tatsache, dass er wieder da war, oder dass sie unser Kind zum Lügen angestiftet hatte.
Wir fuhren heim, und ich nahm erst einmal etliche Tabletten um wieder runter zu kommen. Ich hatte meine Dosis schon während der letzten Tage in England hoch geschraubt.
Als sie von der Arbeit kam, stellte ich sie zur Rede. Das war ja das erste mal, als ich sie sah, nach meiner Rückkehr von England. Sie wich den Fragen aus. Es war ihr total egal.

Am Tag darauf, am Sonntag, war eine Radtour von der Gemeinde aus. Da sie wieder mal arbeiten musste, wollte ich mit dem Junior alleine fahren. Der hatte aber in der Früh keine Lust. Also wollte ich alleine fahren, und nicht so spät heim kommen. Der Dienst fing erst am Nachmittag an, und ich wollte dann einfach früher heim kommen. Aber das Radfahren sollte mir gut tun. Es war schon am Vormittag Treffpunkt, und als wir dann los fuhren konnte ich nicht richtig zum Haus sehen. Aber wir war so als würde dort schon wieder ein Auto stehen.
Nach der Radtour fuhr ich so schnell es ging heim. Das Auto stand wirklich dort. Er war da.
Ich stellte das Rad schnell unten ab und ging so schnell wie möglich rein. Draussen war sein Sohn. Unser Junior war in der Küche. Wo waren die zwei? Ich hörte schritte von oben und ich ging zur Treppe. Er kam die Gallerie entlang und ging die Treppe hinunter. Er sagte Griaß Di während er den Gürtel von seiner Hose zu machte. Ich brachte nur noch ein Stör ich über die Lippen. Es wurde dunkel in mir. Sie hat eilig eine Ausrede geplappert, irgendwas von: Er wollte nur schnell de Junior abholen, weil ich bin ja nicht da, und bevor er alleine ist, könnten sie doch gemeinsam spielen. Es war nur noch dunkel. Anders als an jenem 21.März, als sie mir sagte, es ist aus. Damals hatte ich all die Schmerzen vor Augen, aber da war es nur noch leere.
Ich wusste nun was zu tun war.
Sie fuhren, und ich habe erst einmal Tabletten eingeworfen. Ich weiss nicht mehr wie viel. Heute nicht. Ich will ich noch einmal sehen. Sie kamen abends zurück, und sie ging erst alleine zur Tür rein. Der junior musste draussen warten. Als Jäger habe ich natürlich Waffen im Haus gehabt. Aber das war für mich tabu. Als ich relativ friedlich auf der Couch lag, durfte auch er rein. Ich sprach nicht mehr viel diesen Abend. Ich brachte meinen Junior ins Bett, weil morgen war ja Schule. Dann ging gleich ich schlafen.

Montag 21.Mai. Wieder der 21. Ein verrücktes Datum. Nach dem Frühstück brachte ich meinen Junior zum Bus. Sie hatte einen Termin beim Kosmetiker. Ich hatte also eine Stunde, bevor sie wieder kam. Ich schrieb ein paar Zeilen. Dass es mir leid tut, etc. das was jeder schreiben würde. Ich musste mich beeilen, weil die Zeit wurde knapp. Ich holte mir das Hochzeitsfoto vom Kühlschrank meine Tabletten, sah mich noch einmal um und ging. Ich holte noch schnell den Plastikschlauch von der Dachrinne zum Abfluss, schätzte die Länge und war zufrieden. Ich packte alles in das Auto, sah noch einmal zum Haus und fuhr los. Es waren fast keine Emotionen mehr da. Ich funktionierte nur noch.
Jetzt galt es einen ungestörten Platz zu finden. Ich fuhr Richtung slowenischer Grenze die Hügel rauf. Nach etlichen Kilometern war ich auf einem Forstweg der in ein gut geschützes und nicht einsehbares Stück Wald führte. Das Wetter war schlecht und es regnete. Da wird mich hoffentlich in den nächsten Stunden kaum einer finden. Ich setzte Rückwerts zurück, so dass ich wirklich gut versteckt war. Es war steil, und der Boden durch den Schotter rutschig. Ein BMW Kombi ist halt kein Geländeauto, aber es war mir egal, ob ich da jemals wieder raus komme. Das sollte das Problem anderer sein.
Ich stieg aus, und es war kalt, nebelig und es regnete. Mein Schatz sollte schon wieder von der Kosmetik zurück sein. Sie hat bestimmt schon den Brief gesehen. Was sie wohl denkt? Egal. Ich musste weiter machen. Ich holte den Schlauch aus dem Kofferraum und steckte ihn über den Auspuff. Passt genau, und die länge genau zum hinteren Fenster. Die Lücke zwischen offenen Fenster deckte ich mit meiner Jacke ab, so dass das Ganze sehr dicht wurde. Ich dachte mir noch, wow du bist sogar bei so etwas kreativ. Ich setzte mich hinters Steuer, und nahm erst mal eine Menge Schlaftabletten. Genug zum zu schlafen, mehr brauchte ich auch nicht, den Rest sollte das Auto erledigen. Es war punkt 10 Uhr auf der Zeitanzeige im Auto, als ich auf den Startkopf drückte: Start Engine.
Da der Schlauch direkt hinter meinem Kopf in den Innenraum ragte, spürte ich die warmen Abgase. Es hat gar nicht schlimm gerochen, aber ich spürte sofort ein Brennen in den Augen. Ich habe versucht das Hochzeitsfoto anzusehen, weil dieser Tag war für mich die Erfüllung meiner Träume. Ich konnte meinen Schatz heiraten, die Frau, die ich über alles geliebt habe. Dieser Anblick sollte mein letzter sein. Die Tabletten begannen schnell zu wirken und ich wurde schläfrig. Aber das Brennen in den Augen wurde immer schlimmer und es brannte nun auch im Rachen. Ich versuchte das Brennen auszublenden um endlich einschlafen zu können. Irgendwann fielen die Augen zu. Es war geschafft.
Ich kann mich nur noch schemenhaft an das Folgende erinnern. Ich musste wieder aufgewacht sein, ich weiss nicht, ob ich zwischenzeitlich die Tür öffnete, aber ich wusste, dass ich auf einmal alle Fenster und das Dachfenster aufriss.
Was hatte ich getan? Ich wollte heim, so schnell wie mögich. Ich habe keine Ahnung wie ich heim kam, aber ich hatte keinen Unfall und erst ab dem Moment als ich in die Garage fuhr kann ich mich wieder an alles erinnern. Es war nach 13 Uhr. Mir fehlten also fast drei Stunden. Mein Schatz hat mir die Tür aufgemacht, aber ich konnte mich nicht mehr an die erste Reaktion erinnern. Ich wollte nur noch ins Bett schlafen. Alles stank fürchterlich. Als ich gegen Abend aufwachte ging ich erst einmal duschen und setzte mich zu meinem Schatz auf die Couch. Keiner wusste so recht was zu sagen war.
Ich begriff erst langsam was überhaupt diesen Morgen passiert ist, und was die Konsequenzen zu bedeuten haben. Im Innersten war mir Klar, dass nun ein neues Leben anbrach.

Gleich am nächsten Morgen war ich wieder alleine, weil sie hatte mal wieder Dienst. Den einzigen Eindruck den ich mir vorstellen konnte was sie davon dachte war der, dass es ihr total egal ist, was mit mir passiert. Sie ist frisch verliebt, und ich spiele keine Rolle mehr. Auf einmal rief meine Mutter an. Sie hat gespürt, dass etwas nicht stimmt. Sie merkte es auch sofort am Telefon, und sie entschied, dass sie von der Arbeit heim geht, und sie mich da raus holen. Ich musste weg von Österreich, vom Haus, von meiner Familie.
Nachmittags waren sie dann auch da um mich zu holen. Sie hatten noch keine Ahnung was vor einem Tag los war, dass ihr einziger Sohn beinahe eine unermessliche Dummheit begangen hätte. Ich denke, sie haben damit gerechnet oder zumindest gespürt was ich ihnen zu sagen hatte. Sie hatten es relativ gefasst aufgenommen, weil man es erst ein paar Tage später realisiert was wirklich passiert war.

Wir packten alles in die Autos. Mein Vater fuhr mit meinem Auto vier Stunden nach Deutschland, dass noch extrem nach Abgase roch. Was musste das für ein Gefühl sein? Ich bin ihn unendlich Dankbar, dass er mir das verziehen hat.

Gleich die nächsten Tage war ich damit beschäftigt so schnell wie möglich mein altes Leben aufzugeben. Ich reichte bei meinem Anwalt Scheidungsklage wegen eines außerehelichen Verhältnisses ein. Ich wollte mich so schnell wie möglich scheiden lassen. Nach meinen Bedingungen, und nicht nach ihren, die sie mir noch in den schwachen Momenten nach meiner Zeit in der Psychiatrie aufdrängen wollte. Sie wollte unbedingt das Haus, und hat immer den Junior als Erpressungsgrundlage benutzt. Es soll ja mal sein Haus sein. Grundsätzlich war ich damit einverstanden, da ich aber die letzten Jahre zig-tausend Euro reingesteckt habe, wollte ich eine Auszahlung. Außerdem hatte ich in Deutschland noch einen Psychologen aufgesucht um das erlebte noch einmal aufzuarbeiten. Er sah kein akutes Gefahrpotential mehr, war aber noch die folgenden Wochen für aufarbeitende Gespräche in Sitzungen.

Natürlich war ich seit dem 21. Mai krank geschrieben. Aber ich konnte in der Firma keine weiteren Fehlzeiten mehr verantworten. Ich brauchte eine Auszeit. Leider war mir das nicht möglich, so dass wir uns auf einen Auflösungsvertrag einigten. Jetzt habe ich meinen tollen Job auch verloren. Den Job, den sie oft als Grund nannte warum wir uns auseinander gelebt haben. Diese Tatsache machte mir es nicht schwer mich von meiner Arbeit zu verabschieden. Ich wusste, dass ich wieder etwas gutes finden würde, und ich sollte recht behalten.

Somit hatte ich innerhalb von 3 Monaten alles verloren. Meine Frau, mein Haus, meinen Job. Beinahe mein Leben. Und etwas ist auch damals im Auto gestorben. Meine Liebe zu dieser Frau. Aber ich hatte ja noch meinen Sohn der für die ganze Geschichte am wenigsten kann. Als ich im Juni wieder in Österreich war um noch ein paar wichtige Unterlagen für eine neue Bewerbung zu holen, habe ich gemerkt, dass der neue schon ständig hier war. Sein Pyjama hing im Bad usw... wir waren noch nicht einmal geschieden. Es war mir fast schon egal. Mich widerte es einfach nur an! Was sollte mein Sohn davon denken? Der Papa ist weg, und nahtlos ist jemand anders da? Ich schäme mich so dermaßen für meine Ex, das was sie allen angetan hat.

In der Zwischenzeit hatte ich noch von meiner Schwiegermutter erfahren, dass sie mal kurz vor der Hochzeit ihre Tochter fragte, ob sie mich wirklich liebte. Sie konnte die Frage schon vor 6 Jahren nicht mehr mit JA beantworten. Als sie dann fragte, warum sie mich dann heiraten möchte? Die Antwort war: Ich kann ja unserem Junior nicht den Papa nehmen So war also auch noch im nachhinein unsere gesamte Ehe eine Lüge.

Am 9. Juli war dann unsere Scheidung. Nach einer Stunde war alles vorbei. Die Lüge war beendet. Sie hat gemeinsam mit ihrem Neuen einen Kredit aufgenommen um das Haus weiter zu finanzieren und mich ein wenig auszuzahlen. Ich habe auf Rücksicht ihrer finanziellen Möglichkeiten auf eine höhere Auszahlung verzichtet, nicht zuletzt um wirklich das Haus für unseren Junior zu erhalten. Da aber der neue fleissig mitzahlt, wird sicher er auch mal Ansprüche erheben. Das soll aber nicht meine Sorge sein, und muss meine Ex mit ihrem Gewissen ausmachen.

Jetzt, ein paar Monate nach all den Ereignissen läuft alles wieder geregelter ab. Die unverantwortlichen Gedanken mir etwas an zu tun sind seit dem 21.Mai nie wieder gekommen und werden auch nie wieder kommen. Ich muss für meinen Sohn da sein, und werde mich dieser Verantwortung nicht entziehen. Es war eine Kurzschlusshandlung für die ich mich zwar schäme, die mich aber letztendlich von meiner Versessenheit auf diese Frau gelöst hatte. Sich das Leben zu nehmen kann NIEMALS ein Ausweg sein. Ich habe relativ schnell einen sehr guten Job bekommen und eine eigene kleine Wohnung. Es gibt nur ein paar Dinge, die ich von Österreich mitgebracht habe. Den Rest habe ich neu gekauft. Ich habe aber noch das Auto mit dem ich im Wald war. Ich mag die Karre, die hat mir das Leben gerettet.

Ich spüre auch, dass ich wieder fähig bin, jemanden Vertrauen zu schenken. Vielleicht sogar wieder mal eine Frau zu lieben. Ich weiss ganz sicher, dass ich keine Affären suchen werde, keine Abenteuer. Einfach wieder eine ganz normale Frau die mich liebt und die ich lieben kann. Und ich sehe keine Gründe warum ich mich verschließen sollte, weil ich nicht zulassen werde, dass mich diese Geschichte zum emotionalen Krüppel macht. Im Gegenteil... Bedingungslose Liebe und grenzenloses Vertrauen? Ja! Aber nur wenn es auf Gegenseitigkeit beruht, und ich werde nicht mehr blind vor Liebe sein.

27.11.2012 23:38 • x 2 #1


M
puh...lange geschichte...
ich wünsche dir alles glück der welt...für die zukunft...

28.11.2012 00:04 • #2


A


Von 100 auf 0 in 3 Monaten

x 3


N
danke minna

Die Randbedingungen wie Wohnung, Job und wieder auf eigenen Füßen stehen, habe ich schon sehr gut wieder auf die Reihe gebracht. Weil meine Ausbildung und mein Wissen kann mir niemand nehmen, und ich hätte sogar mehrere Jobs haben können. Trotz Scheidung geht es mir finanziell nicht schlecht, und ich werde sicher mal wieder ein Haus oder ähnliches haben. Das klingt jetzt sehr materiell, und das ist auch der Grund warum ich natürlich mit der Gesamtsituation nicht ganz zufrieden bin
Es fehlt halt noch das wichtigste... mal sehen... es wird schon die Richtige kommen. Ich habe mich sogar schon auf einer Online Parterbörse angemeldet. Der Erfolg ist bis jetzt eher sehr mäßig, aber kommt Zeit kommt Rat

28.11.2012 22:31 • #3


M
lass dir zeit...
nach einer solchen geschichte musst du erst mal erstmal heilen und dich wieder ganz wohl fühlen....

das glück kommt ohnehin nie dann, wenn man es erwartet....
(zumindest bei mir:))

28.11.2012 22:52 • #4


M
Das ist einfach viel zu lang- sorry- hab keine zeit ein roman zu lesen.
Bitte, wenn du es reduzierst auf den wesentlichen ereignissen, kann man es wieder versuchen....
Nur ein liebgemeinter vorschlag

29.11.2012 01:36 • x 1 #5


T
Zitat von Mit_Verlaub:
Das ist einfach viel zu lang- sorry- hab keine zeit ein roman zu lesen.
Bitte, wenn du es reduzierst auf den wesentlichen ereignissen, kann man es wieder versuchen....
Nur ein liebgemeinter vorschlag

+1

29.11.2012 17:33 • #6


W
Lieber Newhope!
Zu allererst: Ganz großer Respekt für Deine Lebensgeschichte! Ich finde es von Dir sehr mutig und gut, dass Du hier, im Forum, die gesamten Altlasten auf einmal entsorgst, Dich vom ganzen Übel befreit. Es reinigt und heilt die Seele, das Herz und den Körper. Ganz toll, finde ich auch Deine Fähigkeit wieder nach vorne zu schauen und schon eine solide Basis für Dein neues Leben zu schaffen: wie Du es selbst sagst, gehört Dir Dein Eigenpotenzial, Dein erarbeitetes Wissen, Deine emotionale Intelligenz, Deine verschiedenen Fähigkeiten und v.a. Deine Persönlichkeit. Das zeichnet Dich aus und macht aus Dir ein Mensch, der trotz Niederlagen fähig ist weiter zu leben und sich aus eigener Kraft aus dem tiefen Gefühlsloch herauszuziehen. Gib niemals auf, lass Dir alle Zeit der Welt für eine neue Partnerin, bleib ein toller Papa und fühl Dich gedrückt!

Ab und zu schaue ich mal auf Deiner Seite hier rein und schreibe Dir. Vergiß nicht zu leben und alle Lebensprozesse einzeln zu verarbeiten, selbst wenn es weh tut, denn es ist nötig für die Heilung der Seele

Viel Glück und viele liebe Grüße

30.11.2012 19:06 • #7


N
Hallo Zusammen,

ich weiß, das die Geschichte sehr lang ist. Die Abschweifungen in die Vergangenehit waren mir aber wichtig, damit man die ganze Miesere besser versteht...
Es war ja auch meine primäre Intension, die Geschichte als Entsorgungsmechanismus zu sehen und alles los zu werden. Genau so wie der webliche Gast angemerkt hat . Fertig geschrieben hatte ich sie schon länger, nur fehlte mir noch der Mut sie online zu stellen...

Ich hatte vor einem Monat einen schönen Flirt mit einer überaus interessanten Frau. Ja, und sogar wieder ein paar Schmetterlinge im Bauch. Es beruhte zwar auch auf Gegenseitigkeit, nur leider war die Dame sagen wir mal... etwas Indisponiert mit ihren Gefühlen. Darum haben wir es wieder sein lassen. War aber nicht schlimm... Viel besser war, dass ich wieder mal so eine Art Frühlingsgefühle haben konnte.

Leider ist mir aber dieses Wochenende der Gaul durchgegangen als ich eine ehemalige Kollegin nach drei Jahren wieder traf. Wir haben uns im Vorfeld schon ein paar mails geschrieben, und ich habe mir da viel mehr erwartet, was noch gar nicht sein kann. Ich war unheimlich nervös, weil ich sie einfach von Haus aus sehr interessant finde. Ich habe mir wohl jedliche Chancen bei ihr verspielt. Echt schade, weil sie hat irgendwie das gewisse Etwas

Naja, kommt Zeit, kommt Rat

02.12.2012 18:24 • #8


W
Hallo Newhope,

es freut mich sehr für Dich zu wissen, dass die Schmetterlinge im Bauch sich so frisch und lebendig anfühlen, das ist ein sehr gutes Zeichen! Lass Dir qber viel Zeit und genieß dieses neues Leben, mach das Beste daraus und irgendwann, wird sie plötzlich vor Dir stehen ...

Viel Glück und alles Gute,
N.N. s

03.12.2012 19:59 • #9


N
So wie es aussieht wird das Jahr wohl doch noch ein gutes Ende finden... Das mit der Singlebörse lief zwar am Anfang etwas durchwachsen aber ich musste wohl auch erst dem Ganzen Zeit geben. Und nun hatte ich heute ein Date, dessen Ursprung aus so einer Singlebörse stammte. Wir haben uns seit der ersten Mail unglaublich gut verstanden, und haben schon im Vorfeld stundenlang telefoniert.
Jetzt treffen wir uns vor Weihnachten noch einmal, und ja, es war echt schön heute
Mal sehen was da noch wird... auf alle Fälle gibt es wieder richtig Hoffnung!

Hoffnug
ist nicht die Gewissheit dass etwas gut ausgeht, sondern dass etwas Sinn hat - egal wie es ausgeht.
[Vaclav Havel]

Wünsche schöne Feiertage, und nach der noch so dunklen Nacht bricht wieder ein neuer Tag an...

17.12.2012 00:02 • #10


A


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