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Vorbei nach zweieinhalb Jahrzehnten

Failed
Hallo zusammen ,

ich lese schon ein paar Wochen hier mit, wollte mich aber eigentlich gar nicht anmelden geschweige denn hier mitschreiben.
Diejenigen von Euch die sich tatsächlich bis zum Ende dieses Beitrags durchwühlen werden vielleicht verstehen warum.
Aber ich ersticke zur Zeit fast an allem und muss irgendwo hin damit.
Im Detail zu schildern wie ich an den Punkt kam wo ich jetzt bin würde den Rahmen sprengen, ich versuche am besten irgendwie das wichtigste zusammen zu fassen. Dennoch wirds nicht kurz werden, sorry dafür.

Ich bin Mitte 40, mein Mann ist im gleichen Alter. Wir sind seit 25 Jahren zusammen, 15 davon verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder im Teenageralter.
Und er hat sich vor fünf Wochen von mir getrennt, nachdem er rausgefunden hat das ich per Messenger sehr intensiven Kontakt zu einem anderen Mann habe (hatte).

Unsere ersten 18 gemeinsamen Jahre waren ganz normal, weitgehend unspektakulär und im großen und ganzen glücklich.
Natürlich gab es so einige Streitpunkte und Diskussionen in all den Jahren und wir kamen auch nicht verletzungsfrei durch diese lange gemeinsame Zeit.
Aber auch wenn jeder von uns den andern manchmal gerne ein bissel anders gehabt hätte als er war, unterm Strich wussten wir doch immer was wir aneinander haben. Und die Liebe war groß genug um uns, egal was passierte, nicht zu verlieren.

Ich bin Herzmensch, ein kleiner Träumer. Ich mache mir zwar super viele Gedanken um alles und es mir dadurch in meinem Kopf sehr schwer, im Alltag aber vielleicht oft etwas zu einfach.
Ich bin eher chaotisch, nicht sehr zielstrebig, dafür sehr zäh im Aushalten emotionaler Belastung und leider schlecht darin etwas das mir Bauchschmerzen bereitet anzupacken und durchzuziehen.
Und ich stelle Gefühl immer über den Verstand.

Mein Mann dagegen ist eher kopfgesteuert, ehrgeizig, geht seinen Weg und ist sehr verantwortungsbewusst, auch und vor allem in finanziellen Dingen. Seine Unabhängigkeit ist ihm enorm wichtig und er lässt andere nicht sehr gerne in sich hineinschauen.
Dadurch vermittelt er leider oft den Eindruck von Gleichgültigkeit und das Gefühl niemanden wirklich zu brauchen und ist schwer einzuschätzen, sogar für mich, nach so vielen Jahren.

Unsere Rollen waren immer klar verteilt.
Er machte Karriere, sowohl beruflich als auch in seinem Hobby und war sehr oft weg, auch an den Wochenenden. Er verdiente das Geld für die Familie und regelte auch alle größeren finanziellen Sachen alleine.
Ein gemeinsames Konto hatten wir nie, ich bekam monatlich eine Summe Haushalts/Taschengeld von ihm auf mein Konto überwiesen und hatte mit den festen monatlichen Augaben nichts am Hut, nichtmal einen Überblick darüber.

Ich war ab Geburt unseres ersten Kindes Hausfrau und Vollzeitmama und quasi alleine verantwortlich für alles rund um Familie, Kinder, Haus und Hund.
Ab und zu nahm ich nebenbei einen Minijob an, musste aber immer alles um meinen Mann und seine Termine herum organisieren.
Diese Aufteilung war im großen und ganzen für uns beide okay, auch wenn ich mir manchmal gewünscht hätte das er sich etwas mehr in die Familie einbringt. Und er sicher auch nichts gegen etwas mehr finanzielle Entlastung von meiner Seite gehabt hätte.

Vor sieben Jahren begann unsere Krise, wir entfernten uns im Lauf des Jahres 2005 immer mehr voneinander.
Er veränderte sich, zunächst nicht greifbar für mich. War noch mehr unterwegs, war irgendwie anders.
Und ich entdeckte den Computer als perfekte Unterhaltung für mich wenn ich alleine war.
Irgendwann begann ich ein Onlinespiel zu spielen womit ich nach und nach immer mehr Zeit verbrachte. Zuerst nur wenn er nicht da war, irgendwann dann auch während.
Und wir zogen uns immer mehr voneinander zurück, jeder auf seine Weise und jeder mit dem Gedanken und der Rechtfertigung ich reagiere ja nur auf das was der andere tut bzw unterlässt.

Ich lernte schließlich in diesem Spiel einen Mann kennen der mir per schreiben immer vertrauter wurde.
Mein Mann und waren zu dieser Zeit emotional sehr weit voneinander entfernt, ich kam nicht mehr an ihn heran, versuchte es auch irgendwann gar nicht mehr und verschanzte mich stattdessen hinter meinem Computer.

Ich hatte bis dahin nie online geflirtet, war zunächst irritiert, ließ mich aber im lockeren Umfeld von Spiel und Chat dann doch darauf ein.
Wir schrieben einige Zeit sehr viel und auch irgendwann sehr intim, lernten uns aber nie real kennen. Und beendeten das ganze nach einigen Wochen wieder.
Und es fehlte mir. Gar nicht mal so sehr dieser bestimmte Mann, eher das Gefühl der Aufmerksamkeit das er mir vermittelt hatte.
Und das ebnete den Weg für Mann Nummer Zwei.
Es war, so blöd es klingt, die Fortsetzung der Mann Nummer Eins Sache, fast sogar ein bißchen erzwungener von mir weil ich dieses Gefühl einfach wieder haben wollte.
Irgendwann dann, nach wochenlangem schreiben mit Mann Zwei fasste ich den Entschluss mich tatsächlich mit ihm zu treffen.
Es schien mir die logische Konsequenz zu sein.

Wir verbrachten zwei Tage miteinander. Das ich mir was vorgemacht hatte war mir vom ersten Moment an klar, warum ich dennoch blieb kann ich bis heute nicht genau sagen. Vermutlich weil ich nicht wahrhaben wollte das ich mich so sehr geirrt hatte, so dermaßen naiv und bescheuert gewesen war.
Und weil ich mich diesem Menschen nach allem was wir geschrieben hatten irgendwie verpflichtet fühlte und mir der Mut fehlte ehrlich zu sein.

Ich bin nicht gut im Lügen und schon gar nicht im Betrügen und mein Mann merkte schnell das etwas nicht stimmte.
Ich hatte gehofft und auch angenommen er würde aus Gleichgültigkeit gar nicht genauer nachfragen, das war allerdings ein Irrtum. Es kam zur großen Aussprache bei der ich alles beichtete.
Seine erste Reaktion war Trennung, wir beschlossen dann aber im Laufe des Gespräches es irgendwie doch gemeinsam wieder hin zu bekommen.

Ich glaube jeder Mensch und jedes Paar verarbeitet eine solche Sache anders. Die Methode meines Mannes war alles genau wissen zu wollen um mit dem ganzen Wissen neu anfangen zu können und ich beantwortete jede seiner Fragen, erklärte jedes Detail.
Doch das reichte ihm nicht, er nahm Kontakt zu diesem Mann auf um sich auch mit ihm auseinander zu setzen. Schrieb ihm, traf ihn, sprach mit ihm, grub immer tiefer, es war irgendwann fast so als wäre er selbst dabei gewesen.

Es waren entsetzliche Monate, für uns beide.
Er litt ganz arg und das war allein meine Schuld und ich machte mir natürlich riesengroße Vorwürfe das mir das passiert war.
Besonders quälte ihn die Frage weshalb ich in dem Moment bevor es passierte nicht gestoppt, nicht die Notbremse getreten hatte die ich doch hätte haben müssen, nicht einfach gegangen bin.
Ich verzweifelte an dieser Frage, ich konnte es mir ja selbst nicht erklären.
Und es wurde noch schlimmer als er mir nach einigen Wochen von einer Frau erzählte die er Anfang 2005 kennengelernt hatte und mit der er sich im Lauf des Jahres immer öfter ganz harmlos und ohne Hintergedanken getroffen hat, bis es eines Tages dann doch zu einem Kuss kam.
In diesem Moment hätte er diese Bremse gezogen die mir gefehlt hat und habe sie danach nie mehr wieder gesehen.

Er hatte also das richtige getan als es drauf ankam, er hatte STOP gesagt. Und ich fühlte mich dadurch noch schuldiger, dreckiger, unehrenhafter, mieser als zuvor denn sein richtiges Verhalten im kritischen Moment hatte mein Versagen noch unverzeihlicher gemacht.
Mit dieser Last lebte ich einige Wochen. Bis er mir gestand das er das Stop auch verpasst hatte.
Dem Kuss folgte weiterer Kontakt und schließlich eine gemeinsame Nacht.
Einige Tage habe er überlegt, sich dann aber für seine Familie entschieden und die Sache mit ihr beendet.

Das Gefühl das ich nach diesem Geständnis hatte ist kaum zu beschreiben.
Ich war entsetzt weil es furchtbar weh tat. Bestätigt weil ich endlich die Erklärung für sein abweisendes Verhalten im vergangenen Jahr hatte, wütend weil er mich wochenlang in der Rolle der allein Schuldigen gelassen und sich samt seiner Bremse auf ein Podest gehoben hatte.
Aber, so weh das alles auch tat, auch erleichtert endlich nicht mehr alleine die Betrügerin zu sein. Es war ein kleiner, wenn auch schmerzhafter Ausgleich, wir waren plötzliche beide sowohl Betrüger als auch Betrogene.

Von da an hatten wir beide etwas das wir verarbeiten mussten.
Wir kämpften, jeder für sich und zusammen. Mal glaubte der eine nicht mehr zu können, mal der andere. Wir waren abwechselnd stark und schwach, dröselten die winzigste Kleinigkeit auf, erklärten uns dumm und dämlich, fielen unzählige Male hin und standen wieder auf.
Und wir hätten es fast geschafft. Wir waren uns, trotz dem ganzen Mist in dieser elendigen Zeit, näher als wir es uns je zuvor gewesen waren.

Doch dann, fast ein Jahr nach meinem Betrug, erfuhr er, ich weiß nicht mal genau wie, von diesem ersten Mann mit dem ich geschrieben hatte.
Und er erfuhr nicht nur von ihm, er bekam sogar Texte geschickt und konnte so selbst Wort für Wort nachlesen was wir geschrieben hatten.
Das war das Stückchen zuviel das er nicht auch noch verzeihen konnte.

Er begann sich zu distanzieren, ganz langsam. Wollte nicht mehr kämpfen.
Sagte mir ein paar Wochen später das er nicht mehr könne, so gerne er auch wolle, das er es nicht mehr schaffe.
Und er jemanden kennengelernt habe, bisher nur flüchtig, die ihm aber herrlich unkompliziert schien und er es so verlockend fände einfach was neues, unbelastetes anzufangen und sie gerne wiedersehen würde.
Und er sagte mir das er mich nicht mehr liebt.

Ich bin an diesem Abend völlig zusammengebrochen.
Wir hatten so sehr gestrampelt und waren voller Hoffnung gewesen, hatten den Sinn gesehen, beide.
Wir hatten ein Jahr hinter uns das zwar unglaublich hart und grauenhaft schlimm aber auch so innig und voller Liebe gewesen war und wir waren so nah dran gewesen es zu schaffen.
Ich konnte ihn nicht gehen lassen.
Ich habe geredet, geweint, gefleht, argumentiert, gebettelt. Ich wusste, würde er in diesem Moment gehen würde ich daran zugrunde gehen.
Er blieb. Bei mir, bei seiner Familie, in unserem gemeinsamen Leben.
Aber der Preis dafür war hoch.

Er stellte die Regel auf der Satz ich liebe Dich sei ab sofort und für alle Zeit tabu. Er er würde ihn niemals mehr zu mir sagen und auch niemals mehr von mir hören wollen.
Er zog er sich emotional zurück, Tag für Tag ein Stück mehr und stampfte die Gefühle für mich ein die noch übrig waren.
Zärtlichkeiten wurden im Laufe der nächsten Wochen immer weniger.
Im Herbst 2007 schliefen wir zum letzten Mal miteinander, ab dann blockte er alle Versuche meinerseits ab, den letzten Anfang 08 dann so deutlich das ich danach keinen weiteren zu starten wagte.
Es gab fast keine Körperlichkeit mehr.
Die liebevollste Berührung war ein an der Hand nehmen beim Spaziergang. Und drei flüchtige Küsse pro Tag, jeweils zum Abschied, zur Begrüßung und zum Gut Nacht sagen.

Er hatte eine unsichtbare Grenze gezogen die ich nicht überschreiten durfte.
All die kleinen Dinge die zu einer gesunden Beziehung dazugehören, die einfach da sind, mal mehr mal weniger, wurden nach und nach verbannt und waren irgendwann komplett weg, gehörten nicht mehr zu uns.
Wir lebten miteinander, ganz normal und halbwegs harmonisch, gingen freundlich miteinander um, lachten miteinander, unternahmen viel gemeinsam, fuhren in Urlaub, lebten scheinbar wie all die Jahre vorher.
Aber ohne die kleinsten Zeichen der Zuneigung wie liebevolle Blicke, übers Haar streicheln, ein Kuss zwischendurch, eine Umarmung, mal aneinander gekuschelt einschlafen, ohne Zärtlichkeit und S. und ohne die Gewissheit das der Partner einen liebt und tief in seinem Herzen hat.

So verging Monat für Monat, Jahr für Jahr.
Wir redeten nie mehr darüber, weder über das was gewesen war noch über den Zustand in dem wir uns befanden. Es wurde totgeschwiegen, ignoriert, wir taten so als sei alles völlig normal.
Fünf Jahre lang.

In den ersten zwei Jahren habe ich gelitten wie ein Hund und nur deshalb die Tage und Nächte überstanden weil ich den fest daran glaubte alles würde sich wieder ändern, wieder bessern, irgendwie, irgendwann und er würde wieder Liebe von mir und zu mir zulassen können.
Aber er blieb konsequent und egal was ich tat, ich hatte keine Chance.

Ich habe mir immer wieder gesagt das ich mehr wohl nicht erwarten darf.
Das ich die ganze Sache vergeigt habe und ich nun eben mit den Konsequenzen leben muss. Das ich am besten nicht zuviel über alles nachdenke. Das es so schlecht ja auch nicht ist und das was fehlt nur ein kleiner Teil vom Ganzen. Andere Sachen in einer Beziehung genau so wichtig, vielleicht wichtiger sind.

Doch im Laufe der Jahre kamen auch immer öfter andere Gedanken.
Die Frage ob man, ob ich wirklich für immer so leben kann und wie lange ich es noch ertragen und durchhalten werde ohne mich dabei selbst völlig zu verlieren.

Er kam offensichtlich viel besser damit zurecht als ich, er litt nicht darunter.
Er hatte seine Arbeit und nach wie vor sein Hobby das er nicht minder zeitintensiv betrieb wie all die Jahre, Jahrzehnte zuvor. Und war längst nicht so auf uns beide, auf Familie und zu Hause fixiert.
Ich fragte mich natürlich oft wie er das ganze wohl empfindet. Ob ihm nichts fehlte, ob er nichts vermisste. Natürlich ohne eine Antwort darauf zu finden, ich konnte ihn nicht durchschauen.

Mir fehlte es unglaublich.
Ich hatte große Sehsucht nach Zuneigung, Zärtlichkeit, Liebe und vor allem nach ihm. Empfand mich immer unerwünschter und verkehrter.
Mein Selbstbewusstsein schrumpfte auf Erbsengröße, ich fühlte mich als Mensch und vor allem als Frau komplett abgelehnt und nicht mehr begehrenswert.
Und hatte dazu auch noch den Moment verpasst mir einen Ausgleich zu suchen. Ich kreiste nach wie vor nur um Kinder, meinen Mann, Hund, Familie und Haushalt .. und um mein Befinden, meine Wünsche, mein mich ungeliebt fühlen.

Ich wurde immer unzufriedener und unausgeglichener.
Zeitgleich wurde aus meinen süßen kleinen Kindern, den Menschen die mir bis dahin positive Gefühle und Liebe gegeben hatten, Teenager die sich sich von mir weg orientierten. Was ja völlig normal und richtig ist, die Leere in mir aber noch mehr verstärkte.
Wodurch ich noch unzufriedener wurde. Was dazu führte das ich immer unausstehlicher wurde. Und das widerum dazu das mir noch weniger Gefühl entgegengebracht wurde, eine unzufriedene Mama und Ehefrau ist nicht sehr liebenswert. Ich steckte in einer Spirale und kam nicht mehr raus.

Vermutlich hätte ich irgendwann zu dieser Zeit um 2010/2011 herum mit meinem Mann reden müssen. Ihm sagen das ich es nicht mehr aushalte so, das ich verkümmere. Das sich irgend etwas ändern muss.
Aber ich sah keine Chance es dadurch zum Besseren wenden zu können und die Alternative wäre die Trennung gewesen. Die ich nicht wollte, unter keinen Umständen. Ich wollte Verbesserung, keine Trennung. Ich wollte ihn, mit ihm zusammen sein, mit ihm glücklich sein.
Und ich hatte Angst durch ein Gespräch schlafende Hunde zu wecken und ihn ganz zu verlieren.

Noch wichtiger wäre wohl gewesen meinen Weg für mich zu finden.
Meinen Horizont zu erweitern, nicht mehr so klein zu sehen und so begrenzt zu agieren.
Ich lebte dümmer als ich bin, war stecken geblieben irgendwo, hatte mich nicht weiterentwickelt und das nicht mal gemerkt.
Ich dachte ich stehe mitten im Leben, dabei stand ich nur in meiner eigenen kleinen Welt und die wurde immer leerer.
Vielleicht hätte ich alles positiv verändern können mit einer grandiosen Sache die ich mit riesen Rumms gemacht hätte. Etwas wodurch ich wieder stolz auf mich selbst hätte sein können, ein Stück meines Selbstwertgefühls wieder gefunden und auch ein bischen Respekt und Anerkennung meiner Familie zurück bekommen hätte. Aber mir fehlte die Idee, die Motivation, der Biss dafür.

Stattdessen begann ich Im Sommer letzten Jahres wieder zu spielen, wählte also den bequemen Weg.
Es war zunächst nur Zeitvertreib, Freizeitbeschäftigung, Lückenfüller, Ablenkung.
Die Bestätigung und Erfolg der ja mit solchen Spielen einhergeht, tat mir gut, auch wenn es letztlich nix wert da unecht ist.
Und ich störte ja keinen damit, das sagte ich mir zumindest
Ich spielte in meiner Freizeit und klaute mir die immer häufiger auch dann, wenn eigentlich gar keine da war.
Was mir vorher so zu schaffen gemacht hatte, das mich keiner mehr wirklich brauchte und jeder in der Familie nur sein eigenes Ding machte wurde plötzlich unglaublich praktisch.
Warum sollte ich nicht spielen, ich fehlte ja keinem.

Das war natürlich nicht ganz richtig, ich fehlte schon und sowohl meine Kinder als auch mein Mann äußerten das auch und das nicht nur einmal.
Aber sie sagten niemals das ICH fehle, es ging immer nur um meine Arbeitskraft und darum das ich nicht mehr wie gewohnt funktionierte.
Darum das die Bügelwäsche nicht erledigt war oder der Haushalt auf Notprogramm lief, ich nicht sofort aufsprang wenn jemand Abends um 9 noch ein Brot wollte oder man mich dreimal ansprechen musste wenn man ne Frage hatte da meine Ohren mit Kopfhörern verstöpselt waren.

Und es ging um grundsätzliches.
Um das Bild das sie nicht sehen wollten, das Bild einer in einen Bildschirm starrenden Ehefrau und Mama.
Unternehmen wollten sie aber auch nichts mit mir, es ging nur ums Prinzip.
Mamas tun sowas nicht, mach was anderes Mama, neiiiiin, nicht mit uns, mach was anderes für Dich.
Was mir in meinem Kopf die Rechtfertigung gab so weitermachen zu können.
Mehr noch, die Bestätigung gab das ich außer Putzlappen, Köchin und Chauffeur nichts weiter war, für keinen hier.

Ich flüchtete also nicht nur, ich flüchtete sogar halbwegs reinen Gewissens in die bunte Welt hinter meinem Bildschirm wo ich all das sein konnte was ich zu Hause nicht war. Und wo ich Menschen begegnete die mich nett und lustig und okay fanden.

Es kam wie es kommen musste, nein das ist falsch, es hätte nicht müssen. Aber es passierte, ich begegnete im Laufe diesen Jahres dort wieder einem Mann der mir nach und nach näher kam.

Ich habe natürlich viel darüber nachgedacht warum ich Menschen die mir genaugenommen fremd sind - was mir durchaus auch bewusst ist und zu jeder Zeit war - nach und nach so nah an mich herankommen lasse, das sie mir so vertraut scheinen.
Im echten Leben ist das nämlich gar nicht meine Art, bei Männern schon grad überhaupt nicht. Ich war nie der große Flirter und hätte/habe mir, wie bedürftig ich auch gewesen sein mochte, niemals Bestätigung durch andere Männer gesucht.
Ich habe es noch nicht wirklich herausgefunden, vielleicht ist es der Schutz der tatsächlichen Distanz die man hat. Man kann jemand nahe kommen lassen ohne ihn nah kommen zu lassen.
Klingt irre irgendwie, ist aber was dran wenn man länger drüber nachdenkt.

Für alle Menschen ausser mir mag es scheinen als wiederholt sich nun einfach die Geschichte von vor sechs Jahren. Aber es war anders, aus mehreren Gründen.
Denn die Erfahrung von damals steckte ja in mir und ich war weder so naiv wie damals noch habe ich wie damals den Gedanken an meinen Mann dabei weggeschoben. Ich ging zwar, noch mehr wie damals, davon aus das er nichts mehr für mich empfindet, mir war aber klar das es ihm nicht egal ist was ich tue, und sei es nur aus Stolz oder Prinzip.
Auserdem war durchaus bewusst wo solche Sachen hinführen können, ich hatte es ja schon erlebt.

Andererseits tat ich lange Zeit nichts verwerfliches und sagte mir natürlich das ich es soweit auch nicht kommen lassen würde, auf gar keinen Fall.
Das klappte auch eine lange Zeit.
Ich genoss die immer öfter kommenden Komplimente, fühlte mich geschmeichelt durch die offensichtliche Begeisterung dieses Mannes für mich, spielte das ganze aber runter oder schwächte es durch ironisch-lustige Kommentare ab und gab nichts zurück.
Und war mir nach wie vor sicher sowas wie damals würde mir nie mehr wieder passieren.

Irgendwann sprach er dann aus was ich fast geahnt hatte, er sagte mir er habe sich in mich verliebt.
Ich begann sofort ihm das auszureden, schmiss die Realität in die Waagschale, ging drei Schritte zurück aber auch wieder zwei vor weil er mir inzwischen wirklich schon wichtig geworden war.
Setzte mich mich ihm auseinander und stellte dabei erschrocken fest das es mich (pseudo)gefühlsmäßig auch erwischt hatte.
Auch da versuchte ich noch mich wieder rauszuziehen. Erzählte ihm von Grenzen, von Loyalität meinem Mann gegenüber. Und dachte wirklich noch ich habe alles im Griff.
Hatte ich nicht.

Ich habe mich lange dagegen gewehrt ist ein billiger Satz, ich weiß. Denn jeder ist fähig einen Knopf zu drücken, auch ich.
Ich habe den Zeitpunkt dafür verpasst auszusteigen klingt nicht viel besser, genau so war es aber.

Es ist schwer nun auseinander zu nehmen was genau man in einer solchen virtuellen Beziehungfühlt und für wen.
Ich glaube man ist verliebt und empfindet tatsächlich das selbe Gefühl wie bei einer echten Verliebtheit. Es ist aber eher das Gefühl selbst in das man verliebt ist und nicht wirklich die Person, denn die kennt man ja gar nicht.
Es ist weniger oder viellicht sogar gar nicht der andere der einem wichtig geworden ist, wichtig ist das Gefühl für jemanden wichtig zu sein.

Die Person mit der man das verbindet,von der man glaubt sie sei einem so sehr vertraut und nah, von der man denkt man vermisst sie, der man Sachen sagt wieich liebe Dich, ich habe Sehnsucht nach Dir- man würde sie nicht mal erkennen wenn sie auf der Straße an einem vorbeilaufen würde. Und man könnte mit an Sicherheit grenzender Warscheinlichkeit im echten Leben, bei realer Begegnung, nicht mal was mit demjenigen anfangen.
Also kann es keine Liebe sein, eigentlich. Dennoch fühlt man etwas, was immer es ist.

Das alles wusste ich, und dennoch bin ich reingekippt in dieses Wirrwarr aus Gefühl/Pseudogefühl. Vielleicht weil ich eine Frau bin, vielleicht weil mein Bedürfnis nach Herzchen, Feuerwerk und Sehnsucht und Nähe, nach dem Gefühl zu lieben und geliebt zu werden einfach riesengroß und unerfüllt war.
Es ging mir nicht um eine kalte virtuelle rein-raus S.- Beziehung. Das Gesäusel, das Hach-Gefühl , das sehnsüchtige, vielleicht sogar das ansatzweise dramatische RomeoJulia-artige, das ist es was mich dahinschmelzen lässt.
Und das ganze Paket gab es da, zumindest als Irreal-Version.
Es war wie wieder aufwachen nach einem jahrelangen Winterschlaf. Wieder als Frau fühlen, wieder lebendig sein.

Ich wollte immer nur meinen Mann.
Nicht aus wirtschaftlichem Aspekt oder aus Gewohnheit sondern weil er der Mann ist an dem ich so viele Dinge schätze,an dem so vieles ist wie es sein soll, an dem mich weniger stört als an fast allen anderen Menschen auf dieser Welt, er mir so vertraut wie ich es mir selbst bin.
Und nicht zuletzt weil ich ihn liebe, immer geliebt habe, seit mehr als 25 Jahren.
Aber ich wollte auch das andere so gerne wieder spüren, das was ich von meinem Mann nicht bekommen konnte weil er es mir nicht mehr geben wollte.
Ich hatte es weder gesucht noch hätte ich den Anfang gemacht. Aber ich konnte auch nicht wiederstehen als es vor mir lag.
Ich habs mir genommen, von einem anderen. Virtuell, mit dem Abstand von hunderten von Kilometern, ohne echte Berührung, ohne körperlich fremdzugehen aber in Gedanken und zugegeben, auch mit Gefühl.
Weil es sich so gut anfühlte jemandem wieder etwas zu bedeuten, auch wenns nur Selbstbeschiss war.

Ich weiß, ich hätte mit meinem Mann reden müssen.
Aber mir fehlte der Mut und ich wusste nicht wie. Und nicht wann.
Bevor aus harmlos etwas verbotenes, hintergehendes und betrügendeswurde schien es mir nicht nötig zu sein und auch völlig abwegig es anzusprechen.
Schatz, ich bin im Begriff was dummes zu tun sagt man nur in einer stabilen Beziehung und in einer solchen passieren solche Dinge nicht.
Und nachdem es passiert war, wars zu spät.
Ich wusste ich habe keinerlei Bonus in Sachen Verständnis für sowas mehr bei ihm.

Ich sagte also nichts und ließ die Sache einige Wochen lang laufen. Und obwohl ich ein schlechtes Gewissen hatte und es sich dazu noch immer mehr anstrengend und weniger schön entwickelte konnte ich mich noch nicht überwinden es zu beenden.
Ich wollte es noch nicht hergeben, es nur noch eine kleine Weile behalten.
Es tat mir einfach zu gut.
Und ich wusste es würde sich eh bald ganz von selbst erledigt haben.
Doch soweit kam es nicht.

Mein Mann ahnte irgendwann etwas, ich habe es schon erwähnt, mir merkt man sowas scheinbar an, ich bin nicht gut im betrügen und verheimlichen.
Also hat er sich in einem unbeobachteten Moment mein Handy genauer angeschaut und wurde fündig.
Er hat dort diverses gelesen, diverses sehr deutliches, hat noch am selben Abend einen Koffer gepackt, unsere Ehe für beendet erklärt und ist gegangen.




Zu beschreiben wie es mir seitdem geht ist schwierig.
In meinem Kopf herrscht völliges Chaos, ich denke ununterbrochen und in alle nur mögliche und unmögliche Richtungen. Und finde, nicht mal in meinem Kopf eine klare Linie. Es geht alles kreuz und quer und ich bin mir zur Zeit nicht mal wirklich klar darüber wer ich selber bin.

Dazu habe ich Berge von Problemen vor mir die ich irgendwie lösen muss und finde manchmal kaum die Kraft morgens aufzustehn.
Und wenn ich tatsächlich allen Mut sammle, eine Sache angehe oder einen Termin wahrnehme um etwas Plan ins Ganze zu kriegen dann ist das Ergebnis so niederschmetternd das ich wieder sämtliche Kraft verliere.

Die Kinder kommen nur sehr schwer mit allem klar, zudem weiß meine Tochter was ich getan habe, mein Mann hat es ihr gesagt damit sie den Grund kennt warum er uns verlässt. Ihre Wut auf mich ist riesengroß, schlimmer noch ist ihre offensichtliche Verachtung. Entsprechend schwierig unser Verhältnis zueinander im Moment.

Ebenso schwierig ist die Wohnsituation.
Unsere gemeinsame Wohnung befindet sich im Haus meiner Schwiegereltern denen mein Mann ebenfalls gesagt hat was vorgefallen ist und die mir seitdem mit Mißachtung begegnen bzw mich inzwischen komplett ignorieren.

Finanziell stehe ich vor dem Nichts, ich habe zur Zeit keinen Cent eigene Einkünfte und nach 20 Jahren als Hausfrau und ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist die Aussicht auf einen Job mit dem ich mich selbst finanzieren kann alles andere als rosig.

Und last but not least fehlt mir mein Mann so sehr.
Auch wenn unsere Ehe in den letzten Jahren alles andere als ideal war, er war 25 Jahre lang Tag für Tag an meiner Seite, mehr als mein halbes Leben. Ohne ihn zu sein ist als würde die Hälfte von mir fehlen.
Vor zwei Monaten dachte ich mein Leben sei leer.
Jetzt weiß ich was Leere ist.


Ich weiß wirklich nicht weiter im Moment, drehe mich im Kreis und finde keinen Anfang. Obwohl ich weiß das ich ihn irgendwie finden muss.
Nur wie?


Danke den Tapferen fürs Lesen.
failed

.

24.09.2012 18:49 • x 4 #1


N
Liebe Failed,

Ich habe mich durch deinen Beitrag gelesen und fand mich teilweise wieder.
Nur, dass ich den Schritt der Trennung gewagt habe, nach 22,5 Ehejahren und 25 Jahren Zusammensein.
Ich war viele Jahre-um genau zu sein 15 Jahre-wie du Hausfrau und Mutter.
Ich bin Mutter von 6 Kindern- 1leibliches,1 Adoptivkind und 4 Pflegekindern.
Auch bei mir drehte sich alles um Mann, Kinder, Haushalt und allem, was damit zusammenhängt. Ausfüllend empfand ich dieses Leben nicht. Aber ich fügte mich.
Bis ich eines Tages das Angebot bekam, meine Kenntnisse betreffs der Pflegekinder anderen zugute kommen zu lassen. Man bot mir an, als Referentin durch´s Bundsland zu reisen und mein Wissen zum Besten zu geben. Ich nahm an. Endlich etwas, wo ich mich beweisen konnte, wo ich und speziell mein Wissen gefragt war. Ich hatte eine dementsprechende Ausbildung, so dass mir das Reden vor Fremden nichts ausmachte. Es bereitete mir Spaß und mein Mann hatte nichts dagegen. Die Termine für die Seminare konnte ich selbst bestimmen und so ging es mir wie dir, das ich sie um meinen Mann herum organisierte.
Meine Freundin sagte damals schon: Das ist der Anfang einer großen Veränderung. Sie hat immer solche Vorahnungen. Früher hätte man sie als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt .
Den Satz: Ich werde dir nie sagen, dass ich dich liebe und ich will es auch nicht von dir hören! ,bekam ich schon viel früher zu hören als du, fast am Anfang unserer Ehe.
Aber wir führten trotzdem jahrelang eine fast normale Ehe, mit allem was dazu gehört. Nur Zärtlichkeiten außerhalb des Bettes gab es selten. Ich hatte mich damit arrangiert.
Irgendwann kam aber der Punkt, an dem ich mehr vom Leben wollte. Ich befand mich während unserer Ehe dreimal in der Situation, wo ich gesagt habe: hier halte ich an und lasse dich allein weitergehen. Die ersten beiden Male habe ich einen Rückzieher gemacht, aus Mitleid. Mein Mann hat keine Familie außer unserer eigenen, keine Eltern, Geschwister o.a. Ich dachte mir: Was soll aus ihm werden, wenn ich gehe?
Beim dritten Mal stellte ich mir eine andere Frage: Was soll aus mir werden, wenn ich so weitermache? Wen interessieren meine Befindlichkeiten? Wann darf ich endlich mal an mich denken?
Und ich zog die Konsequenz und stellte meinen Mann vor vollendete Tatsachen. Wir haben uns beiden in den Armen gelegen und geweint. Aber für mich war klar: Es gibt kein Zurück.
Ich hatte dann eine 2 Jahre währende Beziehung, die leider in die Brüche ging... Aber das ist eine andere Geschichte.

Versteh mich nicht falsch, wenn ich das frage,aber warum hast du, als deine Affäre aufgeflogen war, nicht gleich von der anderen Geschichte erzählt? Aber eigentlich ist das jetzt egal. Es ist passiert.
Ich wollte nur, dass du weißt, dass es ähnlich gelagerte Geschichten wie deine gibt. Nur nahm sie bei mir eine andere Wende.
Glücklicherweise bin ich finanziell unabhängig. Seit drei Jahren bin ich in Lohn und Brot, die Referententätigkeit läuft nebenher.

Es gibt ein Leben danach! Du musst es nur wollen! Und der Weg dahin wird nicht ohne Hindernisse sein, so viel steht fest.
Liebe Failed, du bist nicht allein!
Ich kann dich gut verstehen und drück dich ganz doll

lg Neja

24.09.2012 20:24 • #2


A


Vorbei nach zweieinhalb Jahrzehnten

x 3


S
Hallo!

Möchte mich betreffend der beschriebenen Gefühle anschließen.
Auch bei mir gab es nie Zärtlichkeiten außerhalb des Bettes, niemals Küsse in der Öffentlichkeit, niemals *ich hab dich lieb*, geschweige denn *ich liebe dich*.
Dies alles kenne und kannte ich nicht.

Ist man ein gefühlsbetonter Mensch, so kann man nur sehr schwer damit umgehen - ich gehe bei Fehlen dieser Gefühle daran fast zu Grunde ....... .

Man ist dann geneigt, Ersatzbefriedigung zu suchen, weil man einfach nur mal lieb in den Arm genommen werden will, sich an einem beschissenen Tag vielleicht mal ein Streicheln der Wange wünschen würde, manchmal einen bestätigenden tiefen Blick in die Augen ersehnt, der einem die Gewissheit gibt, dass man geliebt wird ....... .

Eine solche Situation zu beenden ist schwer, weil man sich im Grunde genommen genau von diesem Menschen DAS, von dem man diese Zärtlichkeiten und Worte nicht erhält, ersehnt.

Dennoch MUSS man sich als Betroffene(r) selbst schützen und nach vorne sehen. Wird der Leidensweg zu schwer, MUSS man etwas ändern. Wie lange dies dauert, ist individuell.

22 oder 25 Jahre mit ein und demselben Partner zusammenzuleben ist für mich zwar unvorstellbar, ich kann da nur mit 10 Jahren aufwarten, doch reichten mir auch 10 Jahre, um zu erkennen, dass mein Leben in dieser Konstellation nicht mehr lebenswert war.
Meine Trennung erfolgte unspektakulär, ich zog aus unserer gemeinsamen Wohnung mit unseren Kindern (damals 1 und 2 Jahre) lediglich mit drei Matratzen und der Kleidung aus.
Unterschlupf fand ich vorerst bei meinen Eltern in meinem ehemaligen Jugendzimmer und innerhalb von 3 Monaten bezog ich mit meinen Kindern eine kleine Wohnung (vorhanden war ein 2-Platten-Herd, die genannten 3 Matratzen und unsere Kleidung ). Ich war ebenfalls finanziell nicht unabhängig, bezog lediglich Sozialhilfe ........ aber failed, es ging.

Die damalige Situation zu beschreiben ist unmöglich, die stetige Besserung dagegen einfach. Ich lernte MICH kennen, lernte für MICH und die Kinder zu sorgen. Ich wurde endlich ICH. Mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen, außer .....

..... Ich will nie mehr wieder so emotional verhungern müssen!

Irgendwie geht es, du packst es

25.09.2012 10:41 • x 1 #3


R
Hallo failed,

ein ganz schöner Brocken, deine Geschichte.

Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, es sei in Wahrheit dein Mann gewesen, der sie hier unter deinem Namen niedergeschrieben hat. Dein Nickname, deine Schuldgefühle, deine schlechten Gedanken über dich, deine Gelähmtheit - dabei solltest du eigentlich in heißer, lebendiger Wut entflammt sein darüber, wie ungerecht du behandelt wurdest und auch darüber, dass du dich so hast behandeln lassen.

Du lässt es zu, dass dein Mann dich für das Scheitern eurer Ehe verantwortlich macht, und fühlst dich schuldig. Deine Onlinefluchten, die du innerlich falsch findest, sind dein wunder Punkt - der Punkt, der dich mit Schuldgefühlen erpressbar macht. Siehst du die Beiträge, die dein Mann zur Zerstörung eurer Beziehung geleistet hat?

Ungereimtheiten, die mir sofort ins Auge gesprungen sind:

Er macht dir die Hölle heiß für deinen Seitensprung, während er seinen eigenen (der vor deinem stattfand) verschweigt.

Er schämt sich nicht dafür, dich moralisch fertiggemacht zu haben, obwohl er seine Überlegenheit auf Doppelmoral und einer Lüge begründet hat.

Nach gegenseitiger Offenbarung lässt er es nicht quitt sein (zumal er den größeren Mist gebaut hat, s. o.)...

..sondern bestraft dich jahrelang durch emotionales Verhungernlassen und Schuldzuweisungen.

Und du lässt dich in den Kokon aus Schuld- und Pflichtgefühl einweben, flüchtest aus dieser ja nun wirklich kaum aushaltbaren Rolle in die Fantasiewelt anstatt dagegen aufzubegehren (dafür habe ich Verständnis, bin selbst so ein Träumerle) und bist selbst jetzt, nach seiner Trennung, in die er noch die Tochter und die Schwiegereltern mit reinzieht, nicht in der Lage zu erkennen dass du keine besondere oder ungewöhnliche Schuld auf dich geladen hast. In der Hoffnung, Frieden mit ihm zu finden, hast du dich immer mehr seinen Bedingungen unterworfen, und die Spirale wurde enger statt lockerer. Zuletzt wurdest du ultimativ dafür bestraft, dass du ein fühlender Mensch mit Bedürfnissen bist, deren Erfüllung dein Mann dir weder durch ihn noch durch andere zugestehen konnte.

Und du läufst Gefahr, durch deine lähmenden Schuldgefühle zuzulassen, dass deine Tochter seine Muster aus Herabwürdigung und anschließender Verachtung übernimmt. Natürlich wird sie dich so sehen - du wehrst dich ja nicht mal dagegen, weil du dich selbst (noch) so siehst. Du brauchst dringend einen realistischeren Blick auf die Zusammenhänge, die zum Ende deiner Ehe geführt haben!

Das ist alles sehr heftig und ich kann sehr gut nachfühlen, dass du derzeit nicht mehr weißt was richtig und was falsch ist. Mit etwas Glück findest du hier kompetente und hilfsbereite Ansprechpartner, deshalb war der Weg in dieses (oder ähnliche) Forum schon mal ein guter Schritt. Stell ihn dir als ersten in einer Reihe von Schritten vor, die dich zu einem selbstbestimmten, selbstbewussten neuen Leben führen sollen.

Angesichts der Dauer und Intensität dieser Abhängigkeitsbeziehung und der Größe der jetzt vor dir liegenden Aufgabe, dein Leben komplett neu zu sortieren, könntest du guten Gewissens auch professionelle Hilfe zur Unterstützung auf diesem Weg in Erwägung ziehen.

25.09.2012 11:57 • x 1 #4


Failed
Danke für Eure Antworten.

Ich musste was ihr geschrieben habt erstmal sacken lassen, vor allem Deinen Beitrag Raupe, ich hab Rotz und Wasser geheult.

Es kann doch nicht sein, nein, anders, kann es wirklich sein das ich meine Rolle in dem ganzen so völlig falsch sehe?
Nicht das ich ne klare Sicht hätte, im Gegenteil, ich bin weit davon entfernt, aber ja, ich sehe die Hauptschuld tatsächlich bei mir.

Ich hab gestern mal ein paar Stunden lang versucht mich in das Gefühl hineinzuversetzen das ich,

Zitat von Raupe:
nicht in der Lage zu erkennen dass du keine besondere oder ungewöhnliche Schuld auf dich geladen hast.


keine besondere Schuld auf mich geladen habe und habe versucht objektiv zu denken.
Es fällt mir extrem schwer, ich habe meine Rolle verinnerlicht, klemme voll darin fest.
Natürlich weiß ich das immer beide Fehler gemacht haben wenns zur Krise oder Trennung kommt. Und ich sehe auch seine.
Aber er hatte, damals vor 6 Jahren und auch bei der Trennung aktuell, immer gute Argumente warum meine Vergehen schlimmer,- und mein Verhalten viel inakzeptabler war als seins.
Und ich ziehe mir diese Schuhe an!

Ich bin also gestern mal kurzzeitig in andere geschlüpft, es fühlte sich merkwürdig an. Fremd, nicht eingelaufen eben. Aber auch nicht unangenehm, zumindest zuerst.
Ich bin ne Weile damit rumgelaufen, hab vorsichtig ein paar kritische Gedanken ihm gegenüber zugelassen, probeweise. Und versucht sein Verhalten mal nicht sofort mit meinem Fehlverhalten zu rechtfertigen.

Anfangs gings mir ganz gut dabei.
Es war fast so als würde jemand hinter mir stehen der den Rucksack mit den Tonnen an Schuld den ich seit Jahren mitschleppe mal kurz ein bissel anhebt. Damit ich den Kopf ganz leicht nach links und rechts drehen kann um mich umzusehen.

Bis mir die Frage in den Kopf schoss warum verdammt nochmal hat er Dir aber mehr da rein gepackt als nötig gewesen wäre, warum Dir sogar noch was von seinem eigenen Schuldgepäck mit reingestopft.
Da sauste das Ding mit einem Ruck wieder nach unten.
Weil ich darauf keine Antwort finde.
Nein, wieder falsch, ich finde jede Menge Antworten, nur welche ist die richtige?

Er hat sicher nicht aus Boshaftigkeit oder Spaß so gedacht und gehandelt. Sondern weil es sein Empfinden war. Und wenn er so fühlt muss doch was dran sein. Und dann musste ich mich drauf einlassen, es ernst nehmen, aus Respekt seinem Empfinden gegenüber.
Hauptschuld zurück zu mir.

Er musste es mir geben weil ich mehr tragen kann als er. Ich kann aushalten, leiden, ertragen, ganz viel verstehen und sehr sehr viel verzeihen, sogar Dinge die ich nicht verstehe. Er kann das nicht, also musste ich was von seinem mitnehmen. Gehört zu einer Partnerschaft dazu das der eine übernimmt was der andere nicht schultern kann.
Hauptschuld zurück zu mir.

Er war immer gradlinig, sogar beim Betrügen. Hat das so rücksichtsvoll getan das ichs niemals bemerkt hätte. Hat, Achtung es wird verrückt, mich fairer hintergangen als ich ihn. Fairer und normaler noch dazu denn Onlinesachen sind ja eh krank und bäh und viel weniger nachvollziehbar als sich in jemanden zu verknallen der in Fleisch und Blut vor einem steht. Denn sowas kann ja mal passieren.
Hauptschuld zurück ... genau, zu mir.

Er hat alles für die Familie getan, seinen Part erfüllt, lückenlos, verlässlich. Sich den Hintern aufgerissen für uns. Uns fehlte es an nix, Dank ihm. Und statt glücklich und dankbar zu sein falle ich ihm so mies in den Rücken.
Hauptschuld zurück zu mir.

Ich hab also meine ollen, ausgetretenen Schuldschuhe wieder angezogen. Und während ich sie zugebunden habe kam mir dann der schrecklichste aller Gedanken.
Was wenn ihr tatsächlich recht habt?


Failed
komplett verwirrt

26.09.2012 12:13 • #5


E
Liebe Failed,

Ich habe Deinen Beitrag mit großer Anteilnahme gelesen. Wenn ich auch nicht in diesen zeitlichen Dimensionen denken und nachempfinden kann wie die älteren (sorry..) Besucher hier, so waren meine Gedanken beim Durchlesen des Textes sehr ähnliche wie die von Raupe.
Ich halte mich nicht für kompetent genug, irgendwelche Ratschläge zu geben oder zu bewerten, Deine Geschichte ist wie so manche hier unglaublich kompliziert und ein Außenstehender kann kaum in eine fremde Partnerschaft hineinschauen, schon gar nicht nach ein paar Zeilen.
Nur so viel: Vielleicht kannst Du versuchen, irgendeinen Weg zu finden, diese Rolle, in die Du Dich hast pressen lassen, die Du irgendwann demütig und voller Schuldbewusstsein angenommen hast, von außen zu hinterfragen. Ich möchte nicht sagen, dass man nicht hätte anders handeln können an Deiner (oder seiner) Stelle, aber - auch wenn es unglaublich platt klingt - es gehören einfach zwei dazu. Manchmal deformieren Lebensumstände einen Menschen und sein Handeln derart, dass er kaum noch wiederzuerkennen ist.
Es tut mir aufrichtig leid für Dich und Deine Situation.
Ich würde Dir dringend ans Herz legen, irgendwo einen Therapieplatz bei einem Therapeuten Deines Vertrauens zu suchen. Ich denke, Du könntest sehr von so einem Schritt, wenn er auch viel Überwindung kosten würde, profitieren. Gib' nicht auf!

27.09.2012 15:48 • #6


Failed
Danke auch Dir fürs lesen, ich weiß das dieser Mammut Text schon fast ne Zumutung war

Professionelle Hilfe .. habe ich ehrlich gesagt noch nicht so wirklich drüber nachgedacht.
Wie geht man sowas an?
Und vor allem, wird das von der Krankenkasse bezahlt und wenn ja, was muss man dafür anstellen?

27.09.2012 20:30 • #7


D
Hallo Failed

Also erstmal meine Anteilnahme an deiner Geschichte.Es bricht ja einem fast das Herz.

Ich sehs genauso wie meine Vorgänger,soviel hast du gar nicht falsch gemacht,schließlich lies er dich auch total austrocknen.

An deiner Geschichte seh ich selber auch,das ich viel zu wenig gegeben hab.(Das mal nur nebenbei)

Da ich sehe das du noch online bist, fass ich mich auch ganz kurz.

Ich hab bei der Caritas angerufen in meiner nähe und hab dort geschildert was mich bedrückt...dir kann ich vorwegnehmen, das du in die Psychologie mußt.(es gibt natürlich noch andere Einrichtungen wie die Caritas,da mußt dann einfach mal googeln).Leider muß man da ne Zeitlang warten,bis ein Platz frei wird.(Es gibt genug kranke Seelen auf der Welt) ich wurde auf jeden Fall angerufen als einer frei wurde und durfte dann zum ersten Einleitungsgespräch.Das erste Gespräch ist umsonst,die darauffolgenden kosten ca 1% des Nettolohns,aber nur für Berufstätige.Du mußt sicherlich nichts zahlen.

Der erste Anruf kostet zwar einiges an Überwindung,aber du wirst sehen,das die Gespräche ihren Sinn nicht verfehlen.Ich bin froh diesen Schritt gemacht zu haben und erkenne jetzt erst Dinge,die mir selbst meine besten Freunde niemals deutlich hätten machen können.

Wahrscheinlich bekommst du noch viel bessere Informationen,wo und wie du dich melden kannst,aber deine Geschichte hat mich so gefesselt und ich wollte auch einen kleinen Beitrag leisten.

Ganz viel Kraft dir Dia

27.09.2012 22:31 • #8


R
Hallo Failed,

vorweg, du hast eine auffallend angenehme Weise, deine Gedanken zu schildern. Schriftstellerisches Talent, sollte man sagen

Zitat von Failed:
Damit ich den Kopf ganz leicht nach links und rechts drehen kann um mich umzusehen.


An was von dem, was du in diesem Moment erhaschen konntest, kannst du dich erinnern? Was gab es zu sehen?

Ich glaube auch nicht, dass dein Mann aus Bosheit gehandelt hat oder weil er dich niedermachen wollte. Tatsächlich kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er von der Richtigkeit seiner Wahrnehmung völlig überzeugt ist - muss er ja sein, sonst wäre es ihm nie gelungen, auch andere (wie dich z. B.) davon zu überzeugen. Seine Wahrnehmung sei ihm also unbenommen. Aber das muss dich ja nicht davon abhalten, deine eigene Wahrnehmung kritisch unter die Lupe zu nehmen - oder anders gesagt, sie ein bisschen zu deinen Gunsten zu schärfen.

Zitat von Failed:
Er hat sicher nicht aus Boshaftigkeit oder Spaß so gedacht und gehandelt. Sondern weil es sein Empfinden war. Und wenn er so fühlt muss doch was dran sein. Und dann musste ich mich drauf einlassen, es ernst nehmen, aus Respekt seinem Empfinden gegenüber.


So denke ich auch, wenn es um meine Partner geht, und ich halte das für eine charakterliche Stärke. Sie kann sich aber auch gegen uns wenden, wenn sie (zu) einseitig ausgerichtet ist. Die Gegengewichte lauten Sein Respekt deinem Empfinden gegenüber und dein eigener Respekt deinem Empfinden gegenüber. Fehlen diese oder sind unausgewogen, landet die Hauptschuld (egal woran) ganz schnell wieder wo noch gleich...?, anstatt gerecht verteilt zu werden.

Zitat von Failed:
Er musste es mir geben weil ich mehr tragen kann als er. Ich kann aushalten, leiden, ertragen, ganz viel verstehen und sehr sehr viel verzeihen, sogar Dinge die ich nicht verstehe. Er kann das nicht, also musste ich was von seinem mitnehmen. Gehört zu einer Partnerschaft dazu das der eine übernimmt was der andere nicht schultern kann.


Wieder eine Stärke, die nur funktioniert, wenn der eine nicht die Duldsamkeit des anderen bewusst oder unbewusst ausnutzt (ich weiß, und auch du hast erlebt, dass eine solche ungünstige Dynamik sehr schnell einreißen kann).

Zitat von Failed:
Er war immer gradlinig, sogar beim Betrügen. Hat das so rücksichtsvoll getan das ichs niemals bemerkt hätte. Hat, Achtung es wird verrückt, mich fairer hintergangen als ich ihn. Fairer und normaler noch dazu denn Onlinesachen sind ja eh krank und bäh und viel weniger nachvollziehbar als sich in jemanden zu verknallen der in Fleisch und Blut vor einem steht. Denn sowas kann ja mal passieren.


Wenn es verrückt ist, dann rück es gerade. Geschickter bedeutet nicht fairer. Genauso wie seins nicht mal passieren kann, während deins krank und bäh sei. Einigen wir uns darauf, dass beides mal passieren kann, und keines krank und bäh ist? Natürlich ist es für deinen Mann einfacher, seine eigenen Schuldgefühle abzulegen, wenn er sich darauf berufen kann, dass du die schlimmere Untat begangen habest - ein allerdings leicht zu durchschauender Schachzug der menschlichen Psyche.

Zitat von Failed:
Er hat alles für die Familie getan, seinen Part erfüllt, lückenlos, verlässlich. Sich den Hintern aufgerissen für uns. Uns fehlte es an nix, Dank ihm. Und statt glücklich und dankbar zu sein falle ich ihm so mies in den Rücken.


Wenn du glaubst, man könne in Partnerschaften Taten und Gefühle gegeneinander aufrechnen, dann steht es dir frei, jeweils eine Liste mit deinen/seinen Leistungen für ihn/dich und die Familie zu erstellen und beide Listen anschließend daraufhin zu überprüfen, ob nur eine Person hätte glücklich und dankbar sein müssen.

Zitat von Failed:
Ich hab also meine ollen, ausgetretenen Schuldschuhe wieder angezogen. Und während ich sie zugebunden habe kam mir dann der schrecklichste aller Gedanken.
Was wenn ihr tatsächlich recht habt?


Hier kommen wir zum eigentlich interessanten Teil.

Was wäre dann? So schrecklich muss der Gedanke noch nicht sein - schließlich ist es alles rein hypothetisch.

28.09.2012 18:56 • #9


E
Zitat von Failed:
Danke auch Dir fürs lesen, ich weiß das dieser Mammut Text schon fast ne Zumutung war

Professionelle Hilfe .. habe ich ehrlich gesagt noch nicht so wirklich drüber nachgedacht.
Wie geht man sowas an?
Und vor allem, wird das von der Krankenkasse bezahlt und wenn ja, was muss man dafür anstellen?


Nein, überhaupt keine Zumutung, ich habe ihn sehr gerne gelesen *lächelt*.
Eine Psychotherapie kostet Dich - wenn Du nicht schon vorher in Behandlung warst - nichts, außer der Quartalsgebühr von zehn Euro. Schließlich bist Du krankenversichert und hast ein Recht auf eine angemessene Behandlung, die Dir ein Gesundwerden ermöglicht.
Die Caritas wurde als erste Anlaufstelle schon genannt, allerdings hielte ich es - wenn Du die Möglichkeit hast - für sinnvoller über eine Empfehlung aus Deinem Bekannten-/Familienkreis oder woher auch immer direkt an einen behandelnden Therapeuten zu treten, einfach anrufen und um einen Termin bitten, dann brauchst Du nur noch eine Überweisung von Deinem Hausarzt, die stellen normalerweise auch nicht viele Fragen dazu. Der Schritt, sich von außen professionelle Hilfe zu holen ist schwierig, wobei seelisches Kranksein heute viel weniger tabuisiert wird als es noch vor ein paar Jahren der Fall war (dank Burnout u.a. Phänomenen, die solche und ähnliche klangvolle Namen bekommen haben).
Das größte Problem ist hierbei natürlich die oft lange Wartezeit auf einen Therapieplatz und man möchte ja auch nicht zu irgendwem. Normalerweise hat man ein Anrecht auf jeweils eine Probesitzung bei einer Reihe von Tharapeuten, man merkt dann sehr schnell, ob die Chemie mit dem Gegenüber stimmt. Du musst Dich wohl, ernst genommen fühlen, damit es wirklich Sinn macht.
Wenn es ganz schlimm wird und Du gar nicht weiter weißt, es gibt Notfallnummern für solche Fälle und natürlich Kliniken..und dieses Forum.

28.09.2012 19:24 • #10


Failed
Hallo ihr,

ich habe ein paar Tage Pause von hier gemacht.
Eigentlich wollte ich nur gründlich nachdenken ehe ich antworte aber irgendwann hat mein Kopf dicht gemacht und ich musste ne Weile alles wegschieben, ich kam einfach nicht mehr durch mein eigenes Gehirn durch.

Zitat von Raupe:
An was von dem, was du in diesem Moment erhaschen konntest, kannst du dich erinnern? Was gab es zu sehen?


Was ich gesehn habe?
Ich bin kein mieser Mensch.
Ich bin alles andere als leichtfertig und gewissenlos.
Ich bin grundsätzlich loyal, ehrlich, nie auf meinen Vorteil aus schon gar nicht auf Kosten von andern, zuverlässig und treu und hab moralische Anforderungen an mich selbst die ich für normal halte, die aber so niedrig nicht sind (wenn ichs mal denen manch anderer Menschen vergleiche).
Ich bin alles in allem innerlich ne ziemlich Gute.
Ich bin also eigentlich komplett anders als ich gehandelt habe.
Klingt das blöd?


Zitat von Raupe:
Ich glaube auch nicht, dass dein Mann aus Bosheit gehandelt hat oder weil er dich niedermachen wollte. Tatsächlich kann ich mir sehr gut vorstellen, dass er von der Richtigkeit seiner Wahrnehmung völlig überzeugt ist - muss er ja sein, sonst wäre es ihm nie gelungen, auch andere (wie dich z. B.) davon zu überzeugen.
Seine Wahrnehmung sei ihm also unbenommen. Aber das muss dich ja nicht davon abhalten, deine eigene Wahrnehmung kritisch unter die Lupe zu nehmen - oder anders gesagt, sie ein bisschen zu deinen Gunsten zu schärfen.


Ja, er ist absolut davon überzeugt das seine Sicht der Dinge die richtige ist.
Das Problem dabei ist, das mir seine Wahrnehmung (immer noch) unglaublich wichtig ist.

Zitat von Raupe:
Wenn es verrückt ist, dann rück es gerade. Geschickter bedeutet nicht fairer. Genauso wie seins nicht mal passieren kann, während deins krank und bäh sei. Einigen wir uns darauf, dass beides mal passieren kann, und keines krank und bäh ist? Natürlich ist es für deinen Mann einfacher, seine eigenen Schuldgefühle abzulegen, wenn er sich darauf berufen kann, dass du die schlimmere Untat begangen habest - ein allerdings leicht zu durchschauender Schachzug der menschlichen Psyche.


Aber genau das ist eingemeißelt in meinem Hirn und ich habe nicht die leiseste Ahnung wie ich das da rauskriegen soll.

Zitat von Failed:
Ich hab also meine ollen, ausgetretenen Schuldschuhe wieder angezogen. Und während ich sie zugebunden habe kam mir dann der schrecklichste aller Gedanken.
Was wenn ihr tatsächlich recht habt?


Zitat von Raupe:
Hier kommen wir zum eigentlich interessanten Teil.

Was wäre dann? So schrecklich muss der Gedanke noch nicht sein - schließlich ist es alles rein hypothetisch.


Der Gedanke war, konsequent zu Ende gedacht und mal überspitzt formuliert, das ich mich so sehr habe verformen, biegen, manipulieren lassen bis ich mich selbst verloren hatte.
Und das ich, nur weil ich mich verloren hatte, fähig war zu tun was ich getan hab.
Und das wäre doppelt grausam.
Weil ich es 1. zugelassen, und 2. nicht bemerkt habe, 3. nun dafür auch noch in der Kacke sitze.
Deshalb ein sehr schlimmer Gedanke.
Denn dann hätte ich ja auch noch im Umgang mit mir selbst alles falsch gemacht.

Und btw, es kratzt dann auch sofort wieder der Gedanke Hey Mädel das ist alles der Versuch eine dumme Ausrede zu finden, Du willst nur um die Verantwortlichkeit für Dein eigenes Handeln drumrum kommen an mir.

Sagt mir, dreh ich langsam durch?
Vermutlich ja.

04.10.2012 17:47 • #11


R
Zitat von Failed:
Der Gedanke war, konsequent zu Ende gedacht und mal überspitzt formuliert, das ich mich so sehr habe verformen, biegen, manipulieren lassen bis ich mich selbst verloren hatte.
Und das ich, nur weil ich mich verloren hatte, fähig war zu tun was ich getan hab.
Und das wäre doppelt grausam.
Weil ich es 1. zugelassen, und 2. nicht bemerkt habe, 3. nun dafür auch noch in der Kacke sitze.
Deshalb ein sehr schlimmer Gedanke.
Denn dann hätte ich ja auch noch im Umgang mit mir selbst alles falsch gemacht.

Und btw, es kratzt dann auch sofort wieder der Gedanke Hey Mädel das ist alles der Versuch eine dumme Ausrede zu finden, Du willst nur um die Verantwortlichkeit für Dein eigenes Handeln drumrum kommen an mir.

Sagt mir, dreh ich langsam durch?
Vermutlich ja.


Auf mich als (sehr weit) Außenstehende wirkt es nicht so, als drehtest du durch, vielmehr so, als schautest du zum ersten Mal seit langem, vielleicht überhaupt zum ersten Mal, behutsam auf einige wirklich wunde Punkte. Natürlich schmerzt das! Aber würdest du das physische Äquivalent zu dem, was deiner Psyche passiert ist - eine schwere Verletzung - einfach zupflastern und die Heilung der Zeit überlassen, ohne die Wunde zuvor gründlich geprüft, gereinigt, desinfiziert, genäht oder sonstwie versorgt zu haben? Nein - das wäre Irrsinn, richtig?

In deinem anderen Thread wird deutlich, dass dein Alltag noch von Verzweiflung geprägt ist, während du in diesem hier versuchst, die Ereignisse, die zur Trennung geführt haben, in ihrem Gesamtzusammenhang neu zu interpretieren. Vielleicht kann sich die selbstbestrafende Failed einen Ruck geben und der verzweifelten Failed mit etwas mehr Mitgefühl und Nachsicht begegnen? Das täte sicher beiden gut.

Ich behaupte jetzt einfach mal, der angstmachende Gedanke, konsequent zu Ende gedacht, sei nur halb, und nicht etwa doppelt grausam.

Denn: Natürlich hast du deinen Teil dazu beigesteuert, dass die Situation schlimm geendet ist. Aber eben nur deinen Teil. Wenn dein Veranwortungsgefühl es ernst mit dir meint, sollte es anerkennen, dass du nur zur Hälfte für deine jetzige Situation verantwortlich bist, und dass diese Verantwortung sich nicht auf bösem Mutwillen und Ignoranz begründet, sondern auf Unwissenheit, auf unbewussten Denk- und Verhaltensmustern und nicht zuletzt auf der Manipulation deiner Schuld- und Pflichtgefühle durch deinen Mann. Der hat es möglicherweise geschafft, auf seine Trennungsabsichten so groß Faileds Schuld draufzuschreiben, dass ihr beide außer dieser Beschriftung vom Gesamtpaket nichts mehr seht. Aber wie in der Werbung ist nicht immer wirklich drin, was draufsteht.

Verantwortung ja, aber nicht mehr als 50% - und für dich herauszufinden, wofür genau du die Verantwortung übernehmen kannst, sollst, willst und am Ende wirst, könnte eine spannende Reise für dich werden. Tritt mal in Verhandlungen mit deinen Schuldgefühlen

Ist es dir recht, wenn ich dir eine Privatnachricht schicke?

09.10.2012 20:22 • #12


Failed
Huhu Raupe.
klar

Meine Sichtweise ist zur Zeit noch komplett Tagesformabhängig und gerade das ist es was mich a, so fertig macht und b, warum ich immer nich auf der Stelle trete.

Ich gehöre irgendwie auf keine Seite.
Ich bin die Verlassene ohne die gewesen zu sein die gegangen ist, habe betrogen ohne tatsächlich fremd zu gehen und das Ende der Beziehung verursacht ohne das ich das Ende gewollt habe.

Und deshalb sausen all diese Gedanken und Gefühle kreuz und quer und ich gesteh mir nicht mal wirklich zu einige dieser Gefühle haben zu dürfen da es eben die Suppe ist die ich auszulöffeln habe.

10.10.2012 22:39 • #13


Failed
Fast vier Wochen später ...

Er lebt mittlerweile mit einer Kollegin zusammen. Offziell bezeichnet er es als WG, ich weiß aber das es keine ist, dafür gibt es mehrere sehr eindeutige Hinweise. Und ich weiß auch das er dort schon zwei Wochen nach seinem Weggang eingezogen ist.
Da er mir kurz vorher die etwas kryptische Frage stellte ob ich ihm raten würde den einfachen oder schweren Weg zu gehen, vermute ich das er sich mit meiner Antwort, es sich nicht unnötig schwer zu machen, quasi das okay dafür holte sie als Trennungshilfe zu nehmen.
Mir war natürlich damals nicht klar worauf seine Frage abzielte ...

Ich komme mir, seit ich es weiß, ziemlich blöd vor.
Zum einen weil ihm genau diese Kollegin während unserer Krise 2006 schon eindeutige Angebote machte, ich damals sogar mit ihm zusammen beratschlagte wie er sie nett und bestimmt abweisen konnte, die Mail an sie formulierte und sie nun, 6 Jahre später, tatsächlich doch noch ihren Fang gemacht hat.
Zum andern weil er nach wie vor vor unseren Kindern, Freunden und Verwandten die Version aufrecht erhält ich sei alleine Verursacher und er der aus dem Haus getriebene, in einem kleinen Zimmerchen wohnende, untadelige Ehemann.
Und das mit dem armseeligen WG Zimmer glaubte ich Trottel ihm ja auch bis vor drei Wochen.

Ebenso wie ich bis dahin an eine faire Trennung glaubte, mit vielleicht sogar einer Option auf Wiederannäherung nach einigen Monaten Abstand und Veränderungen.
Ich hatte mein Herz und meine Hoffnungen in unserem letzten Gespräch Anfang Oktober da sehr offen gelegt, er blieb eher zurückhaltend und bat sich Zeit aus da er momentan nicht über all das nachdenken wolle.
Lehnte es aber nicht rundweg ab was er ja durchaus hätte tun können.
Mit meinem Wissen von heute wird natürlich klar warum wegschieben ihm so leicht fällt bzw fiel und nachdenken so gar nicht in sein Konzept passte.

Nebeneffekt dieses Einzugs bei dieser Frau ist das er dadurch so gut wie keinen Kontakt zu den Kindern hat.
Er wohnt so weit weg das sie dort nicht alleine hingelangen können und er nimmt sie natürlich auch nicht mit dorthin, wie auch.
So kommt es das er die beiden so gut wie gar nicht mehr sieht, seinen Sohn genau zweimal in den vergangenen 11 Wochen, unsere Tochter ca alle zwei, drei Wochen aber immer nur kurz was bedeutet er holt sie von der Arbeit ab, fährt sie nach Hause und lässt sich bei der Gelegenheit seine Post von ihr mitbringen.
Das belastet die Kinder natürlich unglaublich und mich mit.
Ich habe natürlich versucht mit ihm darüber zu reden, meine Bitten sich mehr einzubringen fasst er aber als Vorwürfe auf und reagiert dann genau gegensätzlich.
So schleppen wir uns irgendwie durch die Tage, jeder von uns Dreien wartet auf irgendetwas von ihm, alle stehen enorm unter Druck und von ihm kommt nichts.
Bis gestern ...

Da kams hier zur Explosion. Vermutlich musste es so kommen wenn drei Leute wochenlang so leben wie wir im Moment, sich zusammen nehmen, versuchen klar zu kommen und weder eine Linie noch Ruhe finden.

Sohn, Tochter und ich gerieten uns aus nichtigem Anlass ziemlich in die Wolle.
Jeder platzte, jeder schrie, es fielen viele schlimme Worte und es flogen auch einige Sachen durchs Zimmer.
Irgendwann weinten wir alle und mein Sohn rief, im Chaos unbemerkt, voller Verzweiflung seinen Papa an der dann zu allem Überfluss auch noch herkam.

Ich war komplett überfordert als er plötzlich in der Wohnung stand (der Streit war zu dem Zeiitpunkt schon beendet, Tochter nicht mehr im Haus. Sohn bei der Oma) und hab ihm dann, nicht ohne ihm einiges an den Kopf zu werfen (verbal) direkt wieder raus geworfen. Was sicher nicht richtig war aber ich konnte in dem Moment einfach nicht anders, es war einfach dieser seit Wochen kümmerst Du Dich nicht, jetzt brauchen wir Dich auch nicht Gedanke der aus mir raus musste plus alles was sich sonst noch aufgestaut hatte.
Er ging dann, hat den Kleinen bei der Oma abgeholt und statt ein Papa/Sohn Gespräch mit ihm zu führen hat er ihn nach Hause gefahren (2 Minuten), ihm 20€ in die Hand gedrückt und nach oben geschickt.

Die Quittung für das alles bekam ich dann heute, es kamen einige sehr unschöne Nachrichten von ihm mit der Aufforderung ihm so schnell wie möglich die Wohnung zu überlassen damit er dort mit seinen Kindern leben kann, ich würds ja nicht auf die Reihe kriegen.

Ich war ziemlich fassungslos, eigentlich hatten wir besprochen das ich hier bleibe mit den Kids. Weder hat eins der Kinder bisher den Wunsch geäußert mit ihm hier leben zu wollen noch hat er das getan, im Gegenteil, da er sich so entzogen hat in den vergangenen drei Monaten entfernen sch die beiden emotional eher von ihm.
Und jetzt das.

Nun bin ich, wieder mal, ratlos.
Ich hätte niemals gedacht das alles mal so eskalieren würde.
Das er mir einen derartigen Hass entgegen bringt und scheinbar nur auf eine Gelegenheit lauerte mir eins reinzuwürgen, mir jetzt tatsächlich Wohnung und Kinder nehmen will.
Und ich kann und will es auch nicht glauben das er der Er ist den ich kenne, ich suche schon wieder nach Erklärungen für sein Verhalten, ich denke mir irgendwas muss doch in ihm vorgehen das er so merkwürdig reagiert auf alles.
Ich kann nicht fassen das er mir Unfähigkeit vorwirft und sich als derjenige sieht der mit den Kids viel besser klar käme, mir nahelegt das Feld für ihn zu räumen Un d ich mach ich mich selbst völlig irre damit daruber nachzugrubeln was da grad passiert in und mit ihm.


Ich hatte so gehofft nun langsam zumindest ein bißchen zur Ruhe zu kommen.

Ich habe inzwischen endlich eine Arbeit gefunden, trete nächste Woche einen 400€ Job an mit der Möglichkeit auf Teilzeit aufzustocken in ein paar Monaten.
Ich versuche mir hier, in der Wohnung die nach wie vor voll von seinen Sachen ist weil er nichts abholt und mitnimmt, kleine neue Ecken zu schaffen indem ich ordne, umgestalte, wegpacke, verändere soweit es möglich ist.
Ich bin voll für die Kinder da, die beide viele Baustellen, sprich Schule, Ausbildung, ect haben, renne mir zZ bei Lehren, Arbeitsamt und Co die Hacken ab, treffe alle Entscheidungen, trage die ganze Verantwortung alleine.
Ich versuche mich trotz echt knappen Finanzen irgendwie durchzuwurschteln und positiv zu denken, so schwers auch fällt.
Und das alles obwohl ich körperlich echt mitgenommen bin weil ich immer noch kaum essen und schlafen kann und mein Kopf von vielen Nachdenken manchmal einfach völlig out of order ist.

Und dabei geb ich mir noch alle Mühe seine unausgesprochenen und ausgesprochenen Wünsche zu berücksichtigen, die da sind vorerst keine offzielle Trennung, kein Vollzeitjob, keine finanziellen Mehrforderungen, kein schlechtes Reden über ihn vor den Kindern, kein in die Pflicht nehmen was die Kinderbetreuung betrifft, erstmal alles so laufen lassen, ...

Ganz ehrlich, ich weiß nicht wie lange ich das noch so kann.
Und vor allem weiß ich nicht warum ich das so mache, so kanns doch nicht funktionieren.
Wie kommt man aus so einer verfahrenen Situation wieder raus und noch hin zu einer halbwegs fairen Trennung?
Ich brauche dringend endlich einen Schlußpunkt und Ruhe.

06.11.2012 00:46 • #14


G
Hallo Failed,
Hab grad deinen Beitrag gelesen und wollte dir ein dickes, dickes Kraftpaket schicken.
Einen wirklichen Rat hab ich leider nicht. Ich hoff für euch, dass ihr einen Weg findet. Vielleicht doch noch mal ein ruhiges Gespräch suchen, aber wahrscheinlich ist das schwierig im Moment.
Drück dich

07.11.2012 13:54 • #15


A


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