Eine alte Freundin von mir (L.) fing an, online mit einem Mann zu schreiben. Sie zeigte mir immer wieder, was sie schrieb und machte sich einen Spaß aus der Sache. Je mehr sie erzählte, desto interessanter fand ich die Art und Weise, die Hobbies und die Lebenseinstellung von ihm. Sowas war mir noch nie begegnet. So selbstsicher und doch verletzlich…irgendwie charmant. Und anders.
Irgendwann hab ich ihr wegen dieser Geschichte die Meinung gesagt, woraufhin sie nur meinte, wenn ich den Typ so toll finde, soll ich halt mit ihm schreiben. Sie interessiert es nicht.
Und genau da hab ich den einen verdammten Fehler gemacht. Es ging um was, wozu ich unbedingt meine Meinung schreiben und seinen Standpunkt erläutert haben wollte. Im Nach hinein nichts wichtiges, aber meine Neugier war geweckt. Ich dachte „Was ist schon dabei, einmal nachzufragen?“. Um das ganze abzukürzen… ich antworte nicht nur einmal, sondern mehrmals unter L.‘s Namen und die Neugierde und das Interesse von Beiden Seiten stieg schnell.
Wenn ich heute darüber nachdenke…hätte ich ihm damals direkt gesagt, wer ich bin, wären wir vielleicht jetzt zusammen und alles wäre anders gekommen. Aber ich hab es anfangs nicht gesagt. Ich habe dem keine Bedeutung geschenkt.
Vielleicht nicht am Anfang, aber ich hätte schnell sagen sollen, dass das, was ich schreibe, wahr ist, ich aber jemand anders bin. Ich hab es nicht getan, weil ich nicht nachgedacht habe. Weil ich es als nicht wichtig empfunden habe. Es ging nur um belangloses Zeug…Ich dachte, ein zwei Antworten und die Sache ist erledigt. Ist ja nur ne Mail an jemanden den ich nicht kenne. Und er wirkte auch gar nicht wie jemand, der online ernsthaft Liebe sucht.
Dieser Mann hat mich so neugierig gemacht, mit so simplen Kleinigkeiten, wie ich es noch nie bei einem Mann fand. Ich habe nicht nachgedacht, was daraus werden und passieren könnte. Nur ein bisschen schreiben.
Monate später, nach alledem was passiert ist, hat er mir vorgeworfen, ich hätte damals absehen können, dass wir uns verlieben. Der Meinung bin ich nicht, ich hätte nie gedacht, dass ich mich digital verlieben könnte.
Es ging immer weiter…Wir schrieben, wir simsten, wir telefonierten. Ich habe den Zeitpunkt verpasst, zu sagen, dass alles, was ich von meinem jeweiligen Tag, von meiner Familie und von meinen Freunden erzählte, der Wahrheit entsprach, ich aber nicht den Namen habe, den er meint. Ich hätte einfach sagen müssen: „Du schreibst nicht mehr mit L.. Aber ja, meine Hobbies, meine Freunde, meine Familie...das stimmt alles“. Ich hab es nicht getan, ich war so verdammt blöd, ich habe nicht weitergedacht. Und schnell war es zu spät. Irgendwann war der Zeitpunkt einfach zu spät. Wir schrieben mehr, erst wie Bekannte, dann wie Freunde, dann privater, dann etwas flirten… viel zu spät, um die Wahrheit zu sagen. Seine Nachrichten waren ein fester Bestandteil meines Lebens geworden – er war es geworden. Ich hab versucht den Kontakt abzubrechen, aber ich hab es nicht mehr geschafft. Er hat drum gekämpft weil er mich toll fand und ich war ihm längst verfallen. Keine gute Kombination für einen Kontaktabbruch. Es hat nicht geklappt. Ich hab versucht, ihn digital zu vergraulen – ohne Erfolg. Harmlose Versuche, für ernstere war ich viel zu verliebt. Das ganze steigerte sich Monate.
Wir beide haben uns einfach verliebt, ohne uns je gesehen zu haben.
So habe ich nie wieder bei einem anderen gefühlt und ich glaube, dass es bei ihm genauso ist.
Jede freie Minute haben wir telefoniert und geschrieben und zusätzlich noch lange Emails, wo wir alles vom jeweils anderen preisgegeben haben. Er weiß mehr über mich, als jeder andere auf der Welt.
Wenn wir stritten, dann so voller Hass und Leidenschaft..nach der Versöhnung unglaublich voller Freude und Euphorie.
Es war keine Liebe, wie ich es vorher kannte, wir passten und irgendwie nicht, es war nie langweilig, immer alles voller Emotionen. Wir konnten leidenschaftlich, aber nie lange streiten, wir waren übertrieben glücklich…wir haben uns abgöttisch geliebt. wir konnten nicht mehr ohneeinander – ohne uns je gesehen zu haben. Ich habe diesen Mann so sehr geliebt. Ich weiß, wenn wir uns damals anders kennengelernt hätten, mit meinem Namen, hätte ihn nie mehr gehen lassen.
Er wollte mich natürlich sehen und hat darunter zunehmend gelitten. Ich wollte ihn auch sehen, sah aber keinen Ausweg aus dieser Situation in die ich mich gebracht habe. Ich wusste, dass ich ihn dann verlieren werde. Ich habe versucht eine Lösung zu finden, aber ich war zu schwach und selbstsüchtig. Ich konnte ihn nicht verlieren…
Irgendwann im Streit hat er mir gesagt, dass er das nicht mehr kann. Mir wurde bewusst, dass er weit mehr litt, als ich mir eingestehen wollte. Geschockt von mir selbst habe ich ihm dann die Wahrheit gesagt. Dass die Person, die er kennen gelernt hat und die er liebt, nicht die ist, die er meint. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn liebe und dass es mir leid tut. Und dass ich alles dafür geben würde, mit ihm glücklich zu sein. Und endlich bei ihm zu sein.
Wenn ich heute drüber nachdenke, bin ich immernoch geschockt von mir selbst. Da ich so in die Geschichte reingerutscht bin, habe ich das damals nicht so gesehen, dass ich mich absichtlich als jemand anders ausgegeben habe. Aber faktisch habe ich das…und ich dachte immer, so etwas machen nur Leute, die –bei allem Respekt- ziemlich gestört sind. Plötzlich schien ich selber so jemand zu sein. Es war nie meine Absicht…
Nachdem ich die Wahrheit gesagt hatte folgte, was zu erwarten war… er war verletzt und ich habe mich mehr geschämt als je in meinem Leben. Ich dachte er würde mich hassen, aber das tat er nicht. Er wollte mich endlich treffen.
Dann trafen wir uns, weil er wissen wollte, wer ich eigentlich bin. Er meinte, es fühlt sich an, als wäre die Person, die er liebt, einfach weg. Damit konnte ich damals nicht umgehen, ich dachte: „Er hat sich doch in MICH verliebt, er dachte nur, ich heiße anders“. Heute verstehe ich ihn natürlich.
Ich hatte solche Angst vor diesem Treffen, ich wusste, ich werde ihn verlieren, so verletzt war er.
Diese Stunden im Café werde ich mein Leben nicht mehr vergessen. Er war durcheinander, ich beschämt. Und beide verliebt und emotional und konfus.
Ich saß meinem Traummann gegenüber, wissend, dass ich ihn verlieren werde. Es hat mir mein Herz gebrochen. Wegen so einem dummen, dummen Fehler.
Nach dem Treffen dachte er viel nach und ich wusste nicht, was ich tun soll. Irgendwann versuchte er schließlich das zu beenden, weil sein Vertrauen einfach weg war. Ich versteh es. Ich habe damals gewusst, dass das auch das einzige ist, was ich verdient habe für meinen Fehler.
Und ich wusste in dem Moment, als ich ihn sah, dass mein Herz immer ihm gehören wird. Komme was wolle. Das ist 4 Jahre her, mehr als 4 Jahre. Und es ist tatsächlich so. Mein Herz gehört ihm. Nichts, was ich danach je gefühlt habe, kommt dieser Liebe gleich. Es klingt kitschig, aber..er ist der Eine. Bzw. er WAR der eine. Ich habe es verbockt, vollkommen.
Mittlerweile bin ich in einer neuen Beziehung und glücklich. Das Problem ist glaube ich, dass ich diese Sache dennoch nie überwunden habe. Ich träume von ihm, ich frage mich oft, was er macht.
Ich weiß, dass er eine Freundin hat, ich hoffe, er ist glücklich. Das hat er verdient. Aber es tut trotzdem weh. Ich meide immernoch die Stadt, in der wir uns trafen. Ich frage mich, ob er an mich denkt.
Ich weiß, dass ich selber an allem Schuld bin. Ich weiß, dass ich damit leben muss. Vorwürfe und Strafen hatte ich genug, also bitte seid nicht zu fies. Ich WEIß, dass es ein Fehler war, ich habe das reflektiert und bestrafe mich selbst immernoch dafür.
Und ich weiß nicht, was ich noch kann, um abzuschließen. Eine Entschuldigung? Nach all den Jahren nochmal? Ich hatte bereits eine formuliert, sie aber nicht abgeschickt. Denn falls er mich vergessen hat, wollte ich ihm nicht wehtun indem ich ihn an all das erinnere. Auch in seine Beziehung will ich nicht reinpfuschen…
Aber was kann ich tun? Damit es endlich aufhört, dass meine Gedanken so um ihn kreisen? Immernoch? Wie kann man besser mit so einem Verlust leben?
13.11.2014 20:25 •
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