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So fuhren sie gemeinsam flussaufwärts sitzend in einem Regenschirm.
Vorbei an den Bäumen, die beginnen hinab zu werfen all ihre Blätter in diesen ihren Fluss. Vorbei an all den Blümlein, die noch trotzen dem kommenden Winter.
Vorbei an all dem Gehen und Kommen.
Hin zu einer Quelle.
Aus der alles entsprang, aus der alles entsteht, aus der sich immer wieder verbindet das Wasser, die Träume, eine Welt, die lebt.
Die Sonne geht auf, die Sonne geht auf..., flüsterte der Fuchs. Die Augen geschlossen, schlafträumend müde von all ihren Wegen.
Das Mädchen streichelte das warme Fell ihres Freundes, blinzelte, hörte.
Hörte Laute, ein Rauschen, Wehen, eine Melodie. Sie drückte den Fuchs näher an sich heran, als sie sah das Aufgehen der Sonne über ein Wasser, das unendlich erschien.
Einen Himmel, eine Weite, ein Blau; nie gekannt.
Das Glitzern auf dem Wasser, das Auftanzen und Erliegen; Wellen, die erreichen das Land, schäumen und krachen.
Wüten, um zu beruhigen.
Immer wieder.
Der Fuchs und das seltsame Mädchen saßen in einem Regenschirm, hielten sich erstaunt an ihren Händen; hörten, sahen, rochen eine Welt, von der manch tierischer Waldbewohner sprach.
Aber Gechichten waren es.
Die, die weitergegeben geworden, um zu erfinden, zu überraschen, zu erträumen eine Welt.
Der Fuchs stellte sich auf seine Hinterfüße, stützte sich auf die Schulter des Mädchens, schirmte seine Hand vor die Augen und redete leise vor sich hin:
Es ist so hell. Die Sonne. Niemals sah ich solch eine Sonne, den Himmel und das Wasser, das Wasser. Das ist das Meer. Das muss doch das Meer sein?
Ich erinnere die Eule, die erzählte eine Geschichte ihrer Urururgroßmutter. Diese sei einmal verschwunden für Monate. Familie und Freunde verloren die Hoffnung und weinten und trauerten bis zu diesem einen Tag.
Der Tag an dem sie wiederkam.
Sie begrüßte Bekannte im Vorbei, freute sich über all das Altgewesene, war so aufgeregt, ungeduldig.
Nach jedem weiteren Gruß wurde ihre Freude zu einem Unebhagen.
Niemand grüßte sie zurück; die Blicke erschienen ihr fragend, erstaunt, unnahbar. Die Eule landete vor meinem Urururgroßvater so heißt es; sie wollte ihn umarmen, ihn lachend blicken in seine Augen, ihm endlich reden und erzählen.
Nur schaute er sie zurückhaltend an und fragte:Wer bist du? Aus welchem Wald stammst du? Hatten wir eine gemeinsame Zeit?
In der Geschichte erzählt man sich, dass die Eule entmutigt, sinnfragend, in einer Traurigkeit gebettet gewesen sein soll, als sie den Wald verließ. Sie suchte ein Fenster, eine Tür, ein Zuhause.
In einer Nacht entschloss sie sich zu fliegen, zu fliegen über all die Kronen der Bäume; zu den Sternen, so dachte sie.
Sie fand die Sterne. Einen Himmel so nachtdunkel und strahlend hell.
Landete auf einen Boden, so weich wie ihr Gefiedergewand, grub ihre Füßchen hinein und sah hinauf.
In eine wunderweite Welt hinein.
Sie lauschte den Wellen, dem Wind, den Möwen, den Algen und alle sangen sie das gleiche Lied, das singt, das klingt, das redet - Zuhause.
Die Eule erzählte von diesem sternenweiten Hlmmel, dem warmweichen Boden, dem unendlichen Wasser und von neuen Freunden. Diese Freunde nannten den Boden Strand und das Wasser Meer.
Ihre Freunde waren den Tierfreunden im Wald unbekannt. So gab es dort wohl Schildkröten, Möwen, Fische; kleine und große. Größer als mancher Baum, soll sie behauptet haben.
Ich erinnere, dass in dieser Geschichte von vielen phantastischen Abentuern erzählt wurde.
Aber im Besonderen das Ende.
So heißt es, dass die Waldbewohner meinten, ihre Freundin, die Eule, lebe tatsächlich nimmer, sei gestorben; in einer ihnen nicht greifbaren Art und Weise.
Sie erkannten sie nicht in ihren Augen und wiederum erblickten sie die alte Freundin schauten sie tiefer hinein.
Ihre Sprache, ihr Gang, ihr Flug sei der einer anderen und doch fühlten sie Geborgenheit.
Ihr Herz schlug in einem anderen Takt, ihr Lächeln war Wärme, die Farbe ihrer Stimme wohligtief.
Es soll einen Baum geben in unserem Wald, auf dem steht ganz weit oben geschrieben -
Meine Stimme habe ich verloren,
Im tosenden Sturm
Im Sand.
Mir blieb nichts
Als ein Lächeln
In dem ich Heimat fand
Nahm mir der Wind
Meinen Atem
Schlug mir das Meer
Gegen mein Gewand
Blieb mir nichts
Als mein Herz
Das mir schweigt, mir ruft, mir anvertraut
ZuHause
Der Fuchs nahm seine Pfote von der Schulter des Mädchens, sprang in den Sand hinein, vergrub seine Pfoten und schaute Richtung Meer; hörte die Rufe der Möwen, das Rauschen, das Tosen, das Flügelfederschlagen dieser einen Eule.
Die, die aus der Geschichte.
Aus der Geschichte, die doch Geschehen war.
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11.03.2024 21:51 •
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