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ADHS in Partnerschaft - Erfahrungsaustausch

K
Vorweg: mir ist klar, dass dieses Forum kein Fachforum für ADHS ist.

Trotzdem generiert diese Besonderheit viele Probleme und Konflikte in einer Partnerschaft, ob nun einer oder beide betroffen sind.

Außer einem leider nicht auf Deutsch erhältlichen Fachbuch finde ich wenig konkretes zu diesem Thema.

Wer mag sich austauschen?

02.03.2024 09:01 • x 1 #1


Tomi
Um welche Probleme geht es genau?

Da ich selber mit ADHS diagnostiziert bin, kann ich ein Lied davon singen, aber ich habe es so gut in den Griff bekommen, dass es oft mit Humor vom Umfeld aufgenommen wird Mir fällt nur bis heute auf, dass ich ein langsamer Lerner bin und mir auch beim Kennenlernen regelrecht Notizen machen muss.
Einschränkend muss man natürlich sagen, dass nicht allen Personen mit ADHS die gleichen Symptome zeigen.

02.03.2024 10:10 • x 1 #2


A


ADHS in Partnerschaft - Erfahrungsaustausch

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K
Hallo Tomi, danke für deine Rückmeldung

Ich bin betroffen, diagnostiziert allerdings noch nicht so lange und Medikamente seit einem Jahr.

Es geht in erster Linie um Dinge, die auch mit MPH auftreten oder nur unwesentlich besser werden.

Dazu gehört mein Unvermögen, (Termin) Absprachen einzuhalten, mangelndes Zeitgefühl, Impulsivität (Blitzerfotos, Impulskäufe, ins Wort fallen, laut werden), Desorganisation im Haushalt und vor allem RSD (Rejection Sensitive Disorder) in Streitgesprächen). In der Vergangenheit habe ich oft gehandelt, ohne über Konsequenzen nachzudenken.

Unter der Medikation ist merklich eigentlich nur die Hyperaktivität besser geworden (früher, aufstehen beim Gespräch, Spülmaschine ausräumen etc) und das Konzentrationsvermögen auf der Arbeit (habe einen anspruchsvollen Job der keine Flüchtigkeitsfehler verzeiht).

Jetzt schaffe ich es, sitzen zu bleiben und nur noch meine Nagelhaut abzuknibbeln.....auch nicht besser.....

Eigentlich sind rückblickend fast alle meine Beziehungen durch meine Art gescheitert, ich hatte geduldige Partner, aber irgendwann bin ich entweder gegangen oder es wurde meinem Gegenüber zu bunt mit mir.

Mein Partner ist an einem Punkt, wo er sagt, wenn er nicht sieht, dass ich an mir arbeite (Post Its in der Wohnung, zuhören, Absprachen einhalten, Mindset ändern), er geht, nicht weil er mich nicht mehr liebt, sondern weil er nicht mehr kann. Er sagt, ich bin anstrengend und verbreite Hektik, welche ich vor allem auf meinen Sohn übertrage.

Ich scheine kein Arbeitsgedächtnis zu besitzen, da ich im zwischenmenschlichen Bereich dieselben Fehler immer wieder mache (nicht aus böser Absicht!) . Auf der Arbeit klappt es, da ich einen geregelten Ablauf habe.

Es fällt mir unheimlich schwer, mich zu strukturieren. Wird mir ein Ablauf vorgegeben, alles gut. Wehe, ich muss selbst einen erstellen.

Auf der anderen Seite bin ich kreativ, lebhaft, lerne schnell Leute kennen und kann gut networken.

Tomi, was hilft dir im Alltag? Mein Umfeld geht leider größtenteils nicht so gut mit der Diagnose um bzw entweder sagt man mir, ich ruhe mich auf der Diagnose aus bzw müsste mich nur mehr zusammenreißen (haha, das ist ja genau das was der ADHSLER nicht kann), oder sie wird mir abgesprochen à la Erfindung der Pharmaindustrie.

Dass sich ADHS bei jedem anders äußert, ist mir klar, ich bin vor allem der impulsiv-hyperaktiv-desorganisierte Typ.

02.03.2024 11:03 • #3


E
Die ähnliche Diagnose habe ich auch bekommen.

Vorallem meine Impulse und die Art wie ich Diskussionen mit meinen Partner angehe sind für das Gegenüber oft sehr schwierig und habe mir auch jetzt wieder Steine in den Weg gelegt.

Meiner aktuellen Partnerschaft/Ex ?hat das auch nicht gut getan, Sie wusste bis vor kurzem nichts von der Diagnose die ich schon vor zwei Jahren bekam.

Mit Sport und Konzentration nach dem Sport auf Ruhe im Kern konntr ich es einigermaßen in den Griff bekommen. Aber es ist immer noch sehr schwer, besonders in Ausnahmesituationen.

03.03.2024 11:11 • x 1 #4


K
Zitat von Papamaus:
Vorallem meine Impulse und die Art wie ich Diskussionen mit meinen Partner angehe sind für das Gegenüber oft sehr schwierig und habe mir auch jetzt wieder Steine in den Weg gelegt.

Hallo Papamaus,
Danke auch für dein Feedback.

Es tut mir leid zu hören, dass du ähnliche Erfahrungen machen musstest. Magst du vielleicht näher auf deine Diskussionskultur eingehen?

Das ist nämlich das, was auch mir das Genick bricht.

03.03.2024 11:17 • #5


E
Schau doch mal in meinen Beitrag von heute Morgen.

Mir bricht es immer da Genick wenn ich getriggert werde, wenn das Gegenüber diese Trigger nicht kennt Sie dann aber auslöst.

In meinem aktuellen Fall wurde und wird mir oft vorgeworfen, ich sei ein Tyrann und schlechter Vater. Meine Handlungen seien falsch obwohl ich bewusst nicht falsch handeln möchte ( z.B ausversehen die Baby Milch auf 47c erhitzt, misst)

Dann sehe ich den Fehler, aber ich werde dann laut, nicht beleidigend und würde am liebsten Stunden nur über diese Babyflasche diskutieren bis der Gegenüber denkt ich wollte manipulieren.

In Wahrheit möchte ich dann nur durch die Diskussion den Fehler Wiedergutmachen.

03.03.2024 11:20 • x 1 #6


K
Oh, das kenne ich gut.

Man bekommt aus dem Hagel an Vorwürfen irgendwann nur noch einen bestimmten Triggerpunkt mit, und an dem zieht man sich hoch. Der Partner meint aber nicht spezifisch nur diesen einen Vorfall, sondern die Gesamtheit, die wir nicht erfassen in dem Moment.

Durch dieses Beharren auf diesem einen Fixpunkt entsteht der Eindruck, man wäre eingefahren, schwer von Kappes, Ignorant oder ja, manipulativ. Dabei fühlt man sich nur unverstanden, möchte die Situation entschärfen und erklären - bämms, bekommt man den Knüppel wieder symbolisch zwischen die Beine geworfen.

Die einen reagieren dann mit laut werden, andere wie ich Mauern und bekommen vom Gespräch dann wirklich kaum noch was mit, obwohl man sich wirklich anstrengt, zuzuhören.
Es kommt vor, dass ich Zusammenhänge aus Streitgesprächen schon ein paar Minuten später nicht mehr wiedergeben oder wiederholen kann, weil ich es WIRKLICH nicht mehr weiß, die Erinnerung ist WEG. Das erweckt beim Partner den Eindruck von totaler Gleichgültigkeit, die Spirale zieht sich weiter zu.

Es ist sehr schwer, das einem Nichtbetroffenen zu erklären. Und nein, es hilft nicht, sich mehr zu konzentrieren oder gesagt zu bekommen, wäre ich dir wichtig genug würdest du dich anders verhalten.

Googel mal RSD.

03.03.2024 11:29 • #7


E
Danke, ich bin beeindruckt.

Ich kann es so unterschreiben.

Zur Zeit möchte ich dir Behandlung weiterführen, auch wenn ich oft verzweifelt nach Hause fahre und denke, wieso stellen sich keine Erfolge ein.

Denn sonst wäre ich nicht hier, ich hatte bis jetzt 16 Stunden mit meinem Psychoanalytiker.

Die Dame welche die nun unsere gemeinsame Tochter geboren hat, wüsste davon bis nach dem Knall nichts.

Ich weiß, es wird wahrscheinlich kein Rückfahrschein zur Familie sein, aber am Ende tuhe ich es für mich. Doch die Angst dass es bleibt ist bei mir präsent, wieder zu scheitern.

Was mir auch auffällt ist, dass Partner in diesen Situationen auch äußerst unsicher vom Verhalten des Gegenüber sind. Ich erwarte keine Empathie, jedoch lese und höre ich oft, das dann ganz schnell Ghosting und abrupter Kontaktabbruch, Kündigung etc. die Folge sind.

03.03.2024 11:38 • #8


K
Zitat von Papamaus:
Was mir auch auffällt ist, dass Partner in diesen Situationen auch äußerst unsicher vom Verhalten des Gegenüber sind. Ich erwarte keine Empathie, jedoch lese und höre ich oft, das dann ganz schnell Ghosting und abrupter Kontaktabbruch, Kündigung etc. die Folge sind.

Für jemand Neurotypischen verhalten wir uns auch völlig unlogisch. Sie sind schlichtweg überfordert.

Man muss das Paket ADHS-Partner schon wirklich wollen, und sehr verständnisvoll sein- womit ich nicht sagen will, dass wir einen Freifahrtsschein wollen, aber wir werden nie 100% pünktlich, ordentlich, strukturiert sein.

Meine Therapeutin hat mal gesagt, Frau X, es ist nicht, weil Sie nicht wollen. Sie KÖNNEN nicht!

Ich drücke dir ganz doll die Daumen, dass sich deine Situation beruhigt und aufklärt. Du solltest mit der Kindsmutter über deine Diagnose reden, vielleicht versteht sie dein Verhalten dann besser.

Ich weiß seit ca 10 Jahren von meiner ADHS (mir fiel durch Zufall in der Stadtbücherei etwas zu diesem Thema in die Hände, denn ich hielt es auch lange für etwas, das nur Kinder haben). Es war ein sagenhafter Moment, endlich machte alles Sinn, ich war nicht falsch, nur anders.

Offiziell habe ich das Ganze seit etwas über einem Jahr, habe davor über ein weiteres Jahr gesucht, eine Institution zu finden, die Erwachsene diagnostiziert, die Wartezeiten sind astronomisch.

Hast du Medikamente ausprobiert?

Sport, in meinem Fall besonders Tanzen, ist eine super Sache zur Selbstregulation. Mir fehlt als Vollzeit berufstätige Mama aber die Zeit und ja, ich bin ehrlich, am Wochenende auch die Motivation.

03.03.2024 11:55 • #9


La_joie
Ich habe Erfahrungen sammeln können mit jemandem, der ADS hat. Ich wusste um die Diagnose, mir war aber nicht bewusst, wie deutlich sich das ADS dann in seiner Persönlichkeit und in seinem Handeln gezeigt hat. Da ich die Diagnose oft einfach nicht so präsent hatte, wurde ich oft schnell vorwurfsvoll, wenn ich beispielsweise das Gefühl hatte, er hört nicht richtig zu, er schiebt Dinge auf, wenn er in seinen Entscheidungen extrem sprunghaft war, wenn er Dinge mittendrin abbrach. Da waren, denk ich, viele Situationen, die durch seine Diagnose aufkamen, die ich so aber nicht verstanden und eingeordnet habe. Im Nachhinein denke ich, dass man sich als Partner oder Partnerin ebenfalls mit dem Thema ADHS/ADS beschäftigen und sich informieren sollte, um ein Verständnis und ein Bild dafür zu bekommen. Die Schwierigkeit dabei war aber dieser schmale Grad zwischen Verständnis für den Partner zeigen, weil es oftmals einfach nicht seine Schuld oder Absicht war, und aber auch auf seine eigenen Bedürfnisse zu achten und nicht alles durchgehen zu lassen.

Was würdet ihr euch denn von einem Partner oder einer Partnerin wünschen im Umgang mit dem ADHS? Was waren Dinge, die euch geholfen hätten oder für mehr Harmonie gesorgt hätten?

03.03.2024 12:02 • x 4 #10


K
Zitat von Papamaus:
Meine Handlungen seien falsch obwohl ich bewusst nicht falsch handeln möchte

Diese Erfahrung habe ich zu 100% auch gemacht.

Man konzentriert sich so sehr darauf, alles richtig zu machen. Ein anderer Reiz kommt dazwischen - Baby schreit, Anruf, Paketbote schellt - Milch verbrennt, Wasser läuft über, oder im harmlosesten Fall bringt man einfach die vorhergehende Arbeit nicht zu Ende.

Das Ggü sieht aber nur: Er/sie hat es schon wieder nicht gebacken gekriegt. Ich habe es 100 mal gesagt. Es wird sich niemals ändern, ich mag nicht mehr.

Der ADHSler ist frustriert, wütend, fühlt sich abgelehnt, denn er hat es WIRKLICH versucht.
Das was ankommt, ist: du wirst nie genug sein, denn du bist unfähig und blöd.

Anekdote am Rande: bin ich unter selbst Betroffenen, habe ich dieses Gefühl nie. Man muss sich nicht erklären. Man versteht es einfach.

03.03.2024 12:04 • x 2 #11


K
@La_joie Super, auch mal die andere Seite zu hören, vielen Dank! Das, was du zuletzt beschreibst, trifft es denke ich ganz gut. Den schmalen Grat zu erwischen, zwischen Verständnis und Beachten der eigenen Bedürfnisse.

Du liest dich sehr reflektiert und gut informiert. Das ist die erste Voraussetzung beim Partner, zu akzeptieren, dass das Gehirn des Liebsten anders tickt, nicht besser, nicht schlechter, aber anders.

Trotzdem sind auch wir ADHSler nicht komplett lernresistent, es dauert nur, tja, länger.

Was ich mir wünschen würde, etwas Nachsicht, wenn etwas in 9 von 10 Fällen gut geht und in einem halt nicht.

Stress und Hektik triggert die Unaufmerksamkeit.

Die Kombination Ordnungsliebhaber, der gerne im Voraus plant, und ADHS-Partner wird aber auf Dauer nicht funktionieren.

03.03.2024 12:14 • x 2 #12


Ema
Zitat von Kettenkarussell:
Anekdote am Rande: bin ich unter selbst Betroffenen, habe ich dieses Gefühl nie. Man muss sich nicht erklären. Man versteht es einfach.

Wenn das so ist, wäre es dann nicht eine gute Idee, sich einen Partner zu suchen, der von derselben Besonderheit betroffen ist?

Wäre jedenfalls das, was mir spontan als gute Lösung einfallen würde.

03.03.2024 12:29 • #13


K
@Ema kann gut gehen. Die Wahrscheinlichkeit, komplett miteinander im Chaos zu versinken, ist aber höher.

03.03.2024 12:31 • #14


La_joie
Ja, ich denke, ich habe damals auf jeden Fall unterschätzt, inwieweit sich das auf die Partnerschaft auswirkt und habe mich überhaupt nicht mit der Diagnose beschäftigt. Heute würde ich das auf jeden Fall anders machen. Es muss wirklich schlimm sein, wenn man immer wieder gespiegelt bekommt, dass man ständig Dinge falsch macht und dass man so, wie man ist, nicht richtig ist oder nicht richtig funktioniert. Das muss auf Dauer extrem an das Selbstwertgefühl gehen.

Wie ist es denn bei euch mit dem Thema Sprunghaftigkeit und Unberechenbarkeit? Also das Gefühl, dass etwas, das gestern noch gut war, heute plötzlich ganz anders ist und aufgrund dieses Gefühls folgenreiche Entscheidungen getroffen werden, weil man überzeugt ist, dass es so ist, und man dann später zurückrudert. Ist das auch etwas, was ihr mit ADS/ADHS verbinden würdet oder das euch bekannt vorkommt?

03.03.2024 12:34 • #15


A


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