Hallo Ursula,
Deine Reaktion ist verständlich. Die Wut, die Trauer, der Hass, das Zweifeln - an ihm, an Dir, an eurer Beziehung. Das Grübeln, die Fassungslosigkeit, das Gefühl in einem Albtraum gefangen zu sein... dieser ganze Schmerz, die Enttäuschung, die Suche nach Erklärungen, nach Antworten. Eine völlig gesunde Reaktion darauf, von seinem Herzensmenschen verlassen worden zu sein. Du hast ja auch noch kaum Zeit gehabt, da irgendetwas zu verarbeiten. Und so etwas zu verarbeiten braucht Zeit, viel Zeit.
Und trotzdem möchte ich Dich bitten - pass auf auf Dich. Wie Henk oben schon gesagt hat, und da kann ich nur voll zustimmen: lass nicht zu, dass Du darüber verbitterst. Es ist gut, diese ganzen Gefühle zuzulassen, rauszulassen. Aber bitte passt auf, dass Du Dich nicht völlig von ihnen überrennen und beherrschen lässt.
Das hab ich leider bei meinem Vater erlebt... meine Eltern sind geschieden, bei meiner Mutter war ein anderer Mann mit ihm Spiel, und mein Vater hat das bis heute (nach 18 Jahren) nie ganz verwunden. Mein Verhältnis zu meiner Mutter war nach der Trennung lange Zeit sehr belastet, ich habe ihr einen Großteil der Schuld gegeben an dem Scheidungskrieg, der danach getobt hat (sie hat um jeden Cent gekämpft obwohl sie durch ein Erbe erheblich besser abgesichert war als mein Vater). Aber irgendwann ist der Punkt gekommen wo ich mir eingestehen musste, dass ich sie nicht mehr für das Leiden meines Vaters verantwortlich machen konnte... dass er sich in seinem Leid eingerichtet und vergraben hat und sich selbst dabei im Weg stand, wieder glücklich zu werden.
Lass du es nicht soweit kommen. Achte auf Dich, sorge für Dich. Und wenn Du das Gefühl hast festzustecken, und keine Fortschritte zu machen, dann scheu Dich auch nicht, professionelle Hilfe zu suchen. Die Chance auf eine Ehetherapie habt ihr verpasst... aber Du hast noch immer alle Möglichkeiten, etwas für DICH zu machen. Gegebenenfalls auch eine Therapie. Du kannst wieder glücklich werden, bitte verlier den Glauben daran nicht.
Bei mir steht demnächst auch der Scheidungstermin an... September wird es soweit sein. Nach der Trennung letztes Jahr ging es mir auch einige Zeit sehr schlecht. Allerdings war die Situation bei uns eine andere... die Initiative zur Trennung ging zwar von meinem Mann aus, aber ich hatte auch selbst schon daran gedacht. Insofern hat es mich nicht so eiskalt und unerwartet erwischt. Weh tat es trotzdem.
Ich bin ein Bücherwurm, und hab mich damals durch einige Ratgeber zu Thema Trennung durchgelesen. Besonders hilfreich fand ich Trennung ohne Rosenkrieg. Einen Auszug findes Du hier, vielleicht magst Du mal reinlesen:
https://books.google.de/books?id=R4DmAg ... qf=false
Der Schlüssel, so meine Erfahrung, heisst Akzeptanz. Akzeptieren, dass dieser Lebensabschnitt vorbei ist. Akzeptieren, dass es für manche Dinge einfach keine Erklärung gibt, dass manche Fragen unbeantwortet bleiben. Akzeptieren, dass sich Gefühle nicht erzwingen lassen. Akzeptieren, dass Menschen sich ändern, dass sich ihre Wünsche und Bedürfnisse ändern.
Du bist momentan noch sehr stark in einem Schwarz-Weiß-Denken verhaftet. Dein Mann hat Dich verlassen, und Du stellst jetzt alles in Frage, eure ganze Beziehung. Ziehst den Schluss, dass er Dich dann wohl nie wirklich geliebt hat. Dass er Dir die ganzen Jahre etwas vorgespielt hat, Dich belogen hat. Dass alles eine Illusion war.
Das glaube ich nicht. Er hat Dich einmal geliebt, war glücklich mit Dir. Aber etwas hat sich geändert - vielleicht er, vielleicht Du, vielleicht ihr beide. Vielleicht die erfolglosen Versuche, ein Kind zu bekommen... Das muss unglaublich belastend gewesen sein, für euch beide. Das ist eine harte Prüfung, für jede Beziehung... und vielleicht hat es ihn zuviel Kraft gekostet, ihm zu große Angst gemacht. Das mag schwach sein, feige. Aber letztlich auch menschlich...
Du hast in Deinem letzten Posting von Verantwortungsgefühl geschrieben, von moralischer Verpflichtung. Dass man auch in schlechten Zeiten zueinander stehen muss, schließlich hat man sich das einmal versprochen. Ein absolut legitimer und verständlicher Wunsch. Aber wenn der Partner NUR noch aus Pflicht- und Verantwortungsgefühl und aus schlechtem Gewissen bleibt, wenn ihn NUR das noch hält... Würdest Du so einen Mann wirklich noch an Deiner Seite haben wollen? Könnte die Trennung dann, bei allem Schmerz den sie bedeutet, nicht das kleinere Übel sein? Der ehrlichere Weg? Früher war die Hemmung deutlich größer, sich scheiden zu lassen, ja. Aber glaubst Du, dass die Menschen da glücklicher waren? Wieviele Paare mag es da gegeben haben, die gleichgültig oder mit Groll im Herzen nur noch nebeneinander her gelebt und das am Ende bitter bereut haben? Ist das wirklich so viel besser als der Zustand den wir heute haben?
Du wirst es schaffen. Du hast die Kraft in Dir, über diese Trennung hinwegzukommen und gestärkt daraus hervorzugehen. Auch wenn es momentan noch schwer fällt... versuch, auch die Chance zu sehen, die daran liegt. Die Chance, Dich noch einmal neu zu orientieren, Dir darüber klar zu werden, was Du wirklich willst im Leben, was Dir wichtig ist. Du hast noch soviel vor Dir... und bist jetzt um eine Erfahrung reicher. Eine Erfahrung, auf die man liebend gerne verzichtet hätte, aus der man aber auch viel lernen kann, nicht zuletzt über sich selbst.
PS: Deinen Beitrag von 20:29 hab ich gerade erst gesehen... das klingt doch schon viel besser Super, mach weiter so! Erfüll Dir Deine Wünsche, mach das, was Du schon immer mal machen wolltest
(bei mir wars ein Urlaub auf einem Reiterhof... mit meinem Mann hätte ich das nie gemacht, der hatte Angst vor Pferden... letzten September hab ich mir den Traum erfüllt und es war großartig!)