38

Die vielen ersten Male ohne ihn

K
Liebe alle,

ich (38) wurde vor 8 Wochen nach 15,5 Jahren von meiner großen Liebe verlassen. Die Trennung hätte für mich nicht überraschender kommen können. Auch wenn die letzten Wochen unserer Partnerschaft aus vielerlei Gründen nicht die einfachsten waren, hatte ich diese Konsequenz niemals vor Augen. Mein Platz an seiner Seite wurde direkt durch seine Affäre eingenommen.
Die Trennung war ein vernichtender Schlag für mich. Mein Herz ist gebrochen.
Ich habe mein Urvertrauen, mein Selbstverständnis, meine Zuversicht, meinen Lebensplan verlorenen. Ich fühle mich unendlich beschädigt. Ich habe es geliebt in einer Beziehung zu leben. Ich kriege das Wort 'Single' nicht mal über die Lippen. Es fühlt sich für mich wie ein komplettes Versagen an. Ich habe versagt. Ich habe nicht geschafft, dass es für ein ganzes Leben reicht.
Mir war von Anfang an klar, dass ich die Verarbeitung nicht allein schaffen kann. Dafür war ich viel zu involviert in diese Beziehung. Sie war mein Ein und Alles. Ich gehe regelmäßig in eine 'Liebeskummer-Praxis' in Berlin und lese allerlei Ratgeber zum Thema. Alles ohne durchschlagenden Erfolg.
Ich habe große körperliche Schmerzen, bin verzweifelt, weine viel. Dieses Kopfkino und diese Gedankenspiralen machen mich täglich völlig fertig. Es kommt mir manchmal vor, als quäle ich mich bewusst. Ich bin leider kein Typ der Verdrängen kann.
Ich traue mir die einfachsten Erledigungen wie Einkäufe oder Behördegänge nicht mehr zu. Es ist nichts mehr da von mir. From Hero to Zero. Sozusagen.
Eine Sache beschäftigt mich sehr, weil ich große Angst vor ihr habe: Die ganzen '1.Mal' ohne ihn die jetzt auf mich zu kommen werden. Der erste Geburtstag ohne ihn, Weihnachten, Silvester... Alles nach über 15 Jahren ohne ihn. Davor habe ich unglaubliche Panik. Ich weiß nicht wie ich das überstehen soll. Diese Tage rücken aber näher.
Wie habt ihr diese Ereignisse (oder andere) das '1.Mal' ohne Partner erlebt? Ich würde mich freuen über Eure Berichte, Strategien und Tipps. Danke, dass ihr meinen Text gelesen habt.

LG
Kiki

01.10.2016 08:09 • x 6 #1


S
Guten Morgen Kiki,erstmal tut es mir sehr leid was dir und deinem
Herz geschehen ist,und das wünscht man weiß Gott keinem, wenn man nur halbwegs erahnen kann wie es schmerzt.
Jeder erste Schritt,fühlt sich an wie Blei,und alles klingt erdenklich unmöglich,aber jetzt beginnen deine ersten weiteren Wochen ohne ihn.
Und auch wenn alles schmerzt, bekommst du von Tag zu Tag immer mehr Distanz zu allem,die Akzeptanz ist alles was bleibt,und vielleicht ist der Gedanke das du so schnell ersetzt wurdest ganz gut um es aus anderen Blickwinkeln zu sehen ?
Sagt man nicht Zeit halt alle Wunden ?
Und das wird sie auch ...

Und jegliche Unterstützung die du brauchst bekommst du hier
Nimm die positiven Erinnerungen mit,das ist immer etwas schönes .

Liebe Grüße

01.10.2016 09:03 • x 1 #2


A


Die vielen ersten Male ohne ihn

x 3


A
Liebe Kiki,

fühl dich erstmal gedrückt, das tut mir leid für dich. Hier ein paar erste Hilfestellungen und Anregungen:

Du brauchst dich nicht als Versager zu fühlen, denn dann wären wir es fast jeder. Sorry, aber eine Beziehung, die länger als 15 - 20 Jahre hält, ist die absolute Ausnahme. Glücklich sowieso. Du bist also kein Versager, du bist absoluter Durchschnitt, ein Normalo. Nimm das hin und verabschiede dich von einer narzisstischen Opferhaltung.

Verabschiede dich von dem unheilbringenden Mantra er war meine große Liebe. Jedesmal, wenn ich das im Forum lese, stellt es mir die Haare auf. Weißt du, wenn du entscheiden kannst, wer deine große Liebe war: Auf dem Totenbett. Und sicher nicht in deinem Alter. Ihr kamt mit 22 zusammen, vorher gabs also nur ein paar Jugendliebschaften, vor dir liegt noch ein halbes Jahrhundert. Woher willst du also wissen, wen du als deine große Liebe am Ende deines Lebens bezeichnen wirst?

Zur Sache mit den ersten Malen: Es kommt auf die innere Einstellung an. Natürlich ist es nach solanger Zeit schwierig, sich umzustellen. Aber auf dich wartet nicht nur das erste Mal Silvester ohne ihn - was auch nicht stimmt - du hattest deutlich mehr Silvester und Geburtstage ohne ihn als mit ihm. Auf dich warten auch andere neue Erfahrungen, schöne, großartige. Du wirst nach langer Zeit wieder erfahren, wie es ist, Hals über Kopf verliebt zu sein, ein erster Kuss, ein erstes Mal mit einem anderen Mann kann berauschend sein. Du wirst erfahren, wie es ist, als erwachsene Frau erstmals auf eigenen Füßen zu stehen, Erfolgserlebnisse haben, die nur dir gehören, große wie kleine. Du wirst Dinge ausprobieren, die du mit ihm nie gemacht hättest, neue Menschen kennenlernen und Freundschaften schließen, die ein Leben unendlich bereichern, welche du ebenso mit ihm nie in dein Leben aufgenommen hättest. Du wirst erfahren, wie es ist, erstmals in deinem Leben keine Kompromisse schließen zu müssen, niemand fragen zu müssen, ob ihm das auch recht ist, wann du ausgehst, mit wem du ausgehst, du wirst einfach einmal für dich allein rausfinden, wer du bist und was nur dir gefällt. Das können großartige Momente und Erkenntnisse sein.

Auf dich wartet ein Abenteuer. Das kann einem natürlich Angst machen - aber wie man weiß, sind Abenteuer auch durchaus etwas Großartiges, die einen formen und dem Leben Facetten und Möglichkeiten hinzufügen, an die man nicht zu träumen gewagt hat.

Leb erstmal einen Tag nach dem anderen, akzeptiere die Trauer als Bekannten, der sich bei dir eingeladen hat. Ok, da bist du also, liebe Trauer, servus. Und dann verabschiede dich wieder von ihr. Versuch stückchenweise, dir Dinge anzudenken, die du immer schon gern getan hättest. Und vergiss die Panik vor Silvester Co. Erstens ist bis dahin dein Gemütszustand schon ein ganz anderer. Zweitens hast du nur Angst, dich vor altbekannten Abläufen zu lösen. Was spricht gegen Weihnachten unter Palmen, oder einfach nur mal ein gemütlicher Abend vorm TV? Wovor sollte man da Panik haben? Das sind einzelne Tage in diesem Jahr - im nächsten sieht die Welt dann ohnehin schon ganz anders aus. Ich wünsch dir alles Gute!

01.10.2016 09:11 • x 15 #3


L
Die ersten Male sind manchmal gar nicht so schwer. Meinen Geburtstag habe ich schon hinter mir. Meine Eltern und meine Tochter waren da und viele Freunde. Ich habe gekocht und es hat irgendwie riesigen Spaß gemacht.

Ich war da aber auch schon ein Stück weiter auf meiner Strecke als Du.

Du solltest die ersten Male vielleicht bewusst anders gestalten als bisher. Flieg doch über Weihnachten und Silvester in die Karibik oder so ähnlich, wenn Du weißt was ich meine.

Kinder habt ihr keine? Hast nix von Kindern geschrieben.

01.10.2016 10:29 • x 1 #4


K
Ihr Lieben,

vielen Dank für Eure netten und aufmunternden Antworten.
Ich bin sehr froh mich angemeldet zu haben, denn die wenigen Vertrauten in meinem Leben sind langsam sehr überstrapaziert im Umgang mit meiner Gefühlswelt und Ratschläge ala 'geh doch mal shoppen...' nein... die kann ich nicht mehr hören. Ich glaube, dass mein Leiden hier ernster genommen wird. Wenn jemand sagt 'Liebeskummer' dann haben die meisten eine pubertierende Schwärmerei vor Augen. Es klingt so verharmlosend.

Zu meinem Satz mit der 'großen Liebe'... Du hast völlig Recht. Dieses Resümee lässt sich eigentlich nur auf dem Totenbett anstellen. Nüchtern betrachtet. Ich bin mir (ich gebe zu, ich bin pessimistisch) allerdings ziemlich sicher das mir so ein Glück nicht wieder widerfahren wird. Hoffentlich irre ich. Aber manchmal spürt man sowas vielleicht doch.
Ich war in der für mich perfekten Beziehung. Kennengelernt haben wir uns in einem Chat bei Napster als wir einem Amerikaner den Sinn eines Rammstein-Songs erklärten. Er war 18 Jahre, ich 23. Uns trennten 500 km. An Tag 1 schrieben wir uns, an Tag 2 telefonierten wir, an Tag 3 sagten wir uns, dass wir uns lieben. 5 Monate trafen wir uns 'in der Mitte', dann zog ich zu ihm in seine 36qm Studentenbude in einer fränkischen Kleinstadt und absolvierte dort mein Praxissemester. So begann 'unsere Zeit'... Wir entwickelten uns zusammen weiter, zogen um, suchten uns Jobs, reisten viel... Zogen weiter durchs Land, fanden neue Wohnungen, Jobs und landeten schließlich in der Hauptstadt. Immer glücklich, immer uns selbst genug, selbst ohne Familie oder Freunde in der jeweiligen Stadt. Im Nachhinein war das natürlich ein großer Fehler... Das merke ich jetzt. Richtige Freunde hätten vieles vereinfacht.
Wir beide haben immer geredet, waren immer zueinander ehrlich, keine Spielchen. Haben uns die Zukunft vorgestellt, Träume ersponnen, uns gegenseitig die Welt erklärt. Es war eine ungeheure Sicherheit die uns umgab. Wir haben uns gereicht. Ein hundertprozentiges Verlassen aufeinander. Der erste Gedanke galt immer dem Anderem. Ich habe Freunde nie vermisst. In den Heimatstädten des jeweiligen gab es natürlich Freunde aus früheren Zeiten, aber zusammen haben wir es verpasst einen Freundeskreis aufzubauen.
Nach 15 Jahren haben wir uns dann irgendwie verloren. Er hat sich verändert. Viel durch seinen Job, seine Firma förderte ihn, er entwickelte sich weiter... Er mochte seine Führungskräfteentwicklungsprogramme, er wurde hofiert und gefördert. Großes Business, großes Auto, große Verantwortung. Mir war das alles nicht so wichtig. Ich liebe meinen Job aber habe keine großen Ambitionen mich groß rauszubringen. Ich war die Frau, die zuhause warte, in Jogginghose und mit dem Essen im Ofen... Haushalt perfekt, Wohnung perfekt.
Ich glaube er wollte so nicht verharren, er ist jetzt 35 und erwartet mehr vom Leben. Für mich hätte es ewig so weitergehen können. Ich habe halt irgendwie stagniert in meiner Entwicklung.
Im Mai hat er mich dann einmal mit einer Kollegin betrogen, 2 Monate später gebeichtet (nach meiner ständigen Rumbohrerei... 'irgendwas ist doch los...') und unsere Beziehung konsequent beendet. Sie sind nun beide zusammen. Er ist ausgezogen.
Wir haben beide viel gelitten in der Trennungsphase. Er hat sich nie absichtlich schäbig mir gegenüber verhalten.
Ich glaube auch er hat nie damit gerechnet, dass uns etwas trennen könnte. Die Frau wäre ein Syndrom, nicht die Ursache hat er mal gesagt. Glaub ich ihm sogar. Sie ist die Pille gegen seinen Schmerz.
Merkt ihr... Er steht immer noch auf dem Podest auf das ich ihn vor 15 Jahren gestellt habe. Es ist zum verrückt werden. 15 Jahre bekam ich zum Geburtstag einen gebackenen Kuchen mit Kerzen zum auspusten. Ganz ehrlich... Da bringt mir die Karibik leider gar nichts. Meinen Kopf und meine Gedanken habe ich leider immer dabei. Ich weiß nicht wie ich das alles aufgeben soll.
Und Kinder haben wir leider keine. Er wollte, ich lange nicht. Als ich bereit dafür war, ist mir die Zeit weggerannt.

GLG
Kiki

01.10.2016 14:31 • x 1 #5


K
Oh je, das ist alles sehr traurig aber auch gleichzeitig sehr reflektiert, wie du diese lange Zeit schilderst. Das geht glaube ich jedem erstmal so, das da ein riesiger Graben ist und man schauen muss nicht hineinzufallen. ich kenne auch diese abhängigkeit/gewohnheit/alltag und fand es manchmal sehr unglamourös. Jetzt wo alles anders wird hätte ich das gerne zurück. Bei dir klingt noch mit an, das du dich überrumpelt fühlst. Ja das ist bitter. Der Partner scheint weiter, aber ich glaube das ist auch nur eine Flucht vor dem Schmerz.

01.10.2016 14:46 • x 1 #6


P
Hallo Kiki,
dein Beitrag hat mich sehr berührt, hattest du doch quasi alles, was Frau sich wünschen kann.
Eine langjährige Beziehung mit aufrichtiger Liebe, Abenteuern und Vertrautheit.
Auch wenn diese Zeit ersteinmal vorbei ist, sei dankbar dafür, was du hattest und sei neugierig auf das, was nun kommen mag.
Wie Arnika schon geschrieben hat, wartet jetzt ein ganz neues, aufregendes Leben auf dich. Das Leben mit dir selbst! Es braucht etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen mit sich selbst alleine zu sein, aber auch das ist eine Erfahrung wert und du wirst mit der Zeit lernen, damit umzugehen und im besten Fall dich richtig wohl fühlen.
Und wenn du dann wieder strahlst, wer sagt, dass da nicht jemand neues auf dich warten wird?!

Die 1. Male, werden dir ungewohnt und fremd erscheinen und das ist auch normal, wäre doch komisch, wenn sich da nach 15 Jahren nichts in dir regen würde. Aber auch hier wirst du mit der Zeit lernen damit umzugehen, denn du hast keine andere Wahl und glaub mir, nachdem du die ersten Male überstanden hast, wirst du sehen, dass es gar nicht so schlimm war.

01.10.2016 15:05 • x 1 #7


Musicmonk
@ Arnika Danke für deine Worte. Toll geschrieben, habe ich mir gleich mal gespeichert...

01.10.2016 15:06 • x 1 #8


A
Liebe Kiki,
es macht mich traurig und nachdenklich, deine Zeilen zu lesen. Wegen dem Ende deiner Beziehung auf der einen Seite, aber noch wegen etwas anderem. Ich will mal versuchen, zu formulieren, was mich beschäftigt und möchte ein paar Kernsätze von dir zitieren, um darauf einzugehen.

Zitat von KikiHerbst:
Zu meinem Satz mit der 'großen Liebe'... Du hast völlig Recht. Dieses Resümee lässt sich eigentlich nur auf dem Totenbett anstellen. Nüchtern betrachtet. Ich bin mir (ich gebe zu, ich bin pessimistisch) allerdings ziemlich sicher das mir so ein Glück nicht wieder widerfahren wird. Hoffentlich irre ich. Aber manchmal spürt man sowas vielleicht doch.


Also ganz klar: Nein, das spürt man nicht - schon gar nicht, wenn man in einem Schockzustand und Phase des Liebeskummers ist. Das denkt jeder nach Ende einer langen Beziehung. Wieder, so leid es mir tut - auch da du bist ein absoluter Durchschnitts-Normalo . Wir entwickeln keine hellseherischen Fähigkeiten, nur weil wir gerade in einem Loch sitzen. Ich verrate dir noch was: Die allermeisten werden eines besseren belehrt. Diejenigen, bei denen es nicht zutrifft, können sich nur nicht vom Mantra der großen Liebe des Lebens lösen. Klar, dass da eine neue keine echte Chance hat. Self fulfilling prophecy nennt man das..

Ich habe betont, dass ein Abenteuer und neue Erfahrungen und Freundschaften auf dich warten - mir war aber nicht klar, dass du das meiner Ansicht nach auch wirklich dringend nötig hast.

Zitat von KikiHerbst:
Ich war in der für mich perfekten Beziehung.
Ich habe Freunde nie vermisst. In den Heimatstädten des jeweiligen gab es natürlich Freunde aus früheren Zeiten, aber zusammen haben wir es verpasst einen Freundeskreis aufzubauen.


Zitat von KikiHerbst:
Er wurde hofiert und gefördert. Großes Business, großes Auto, große Verantwortung. Mir war das alles nicht so wichtig. Ich war die Frau, die zuhause warte, in Jogginghose und mit dem Essen im Ofen... Haushalt perfekt, Wohnung perfekt.


Wenn ich das so rekapituliere, dann hat sich dein Leben schon in sehr jungen Jahren nur um ihn und das liebe Heim gedreht. Kein Freundeskreis, einen netten, aber nicht besonders herausfordernden Job, keine Leiter, die man erklimmen möchte, die Jogginghose und ein gemütlicher Abend zu Hause mit ihm haben dir gereicht. Wenn ich deine reflektierten Zeilen so lese, halte ich dich für zu intelligent, in so einem Käseglocken-Leben zu verharren. Freundschaften, Karrierewünsche, eigene Hobbys inspirieren einen Menschen und lassen ihn wachsen. Was ja bei deinem Ex auch zutraf..

Ehrlich gesagt verstehe ich ihn sehr gut. Er hat sich weiterentwickelt, für ihn taten sich neue Chancen und Kontakte auf, von denen er vielleicht noch nicht mal geträumt hat mit 18, als ihr zusammenkamt. Ein Mensch, der auf der Karriereleiter nach oben will, der neue Aspekte des Lebens kennenlernt und Erfahrungen macht, verändert sich zwangsläufig. Er wächst über sich hinaus - und sucht dabei Gefährten, die ihn weiterpushen, inspirieren, fördern, die einem Dinge zutrauen, wenn man sich selbst noch unsicher ist und manchmal sogar mit der Peitsche hinter einem stehen. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Ein - verzeih bitte - Muttchen am Herd, dass brav zuhause in der Jogginghose mit dem Essen wartet, ist für diese Rolle a la longue wenig passend. Es hält einem zwar vielleicht den Rücken frei, aber ist keine geeignete Weggefährtin, wenn es darum geht, weiterzukommen, neue Kontakte zu machen, zu wachsen.

Ich verstehe ihn deshalb sehr gut, weil ich in einer ähnlichen Situation war. Ich war mit einem lieben Mann zusammen (ok, bei der Trennung hat er sich als ziemlicher Depp erwiesen ), aber ich merkte auch, dass er mich bremst, mich immer weniger inspiriert. Das führte mich zu der Erkenntnis, dass ich mit diesem Mann an meiner Seite mein volles Potential nicht ausschöpfen kann. Ich traf mich deshalb mehr und mehr mit Leuten, mit denen ich Dinge besprechen konnte, die weit über den Aktionsradius meines damaligen Freundes hinausgingen. Das brauchte ich wie die Luft zum Atmen. Was mich aber natürlich auch in der Beziehung zusehends frustete. Ich denke, dein Ex tickt da vermutlich so ähnlich wie ich. Einen Weggefährten zu wollen und auch zu brauchen, der die Schritte aktiv mitgeht - und nicht nur zuhause in der Raststation mit Speis und Trank wartet. Das drückt auch folgender Satz von dir ganz anschaulich aus:

Zitat von KikiHerbst:
Ich glaube er wollte so nicht verharren, er ist jetzt 35 und erwartet mehr vom Leben. Für mich hätte es ewig so weitergehen können. Ich habe halt irgendwie stagniert in meiner Entwicklung.


Und das bringt mich wieder zu dir. So bequem ein (vermeintlich) sicherer Hafen auch sein kann, so hinderlich kann er auch sein, wenn es um das eigene Wachstum geht. Du hast dich zurückgelehnt, dich wie ein Hamster im Winterschlaf zufrieden eingemummelt und bist, wie du selbst erkennst, stagniert. Es geht nicht darum, dass du dich verändern sollst und zur Karrieremaus mutieren. Aber Stagnation ist Rückschritt und Aufgabe. Das Leben ist so bunt, bietet so viele Möglichkeiten und Erkenntnisse - die an dir bis dato großteils vorbeizogen, weil du dich in dein warmes Nestchen eingekuschelt hast. Zwar zufrieden, aber ohne aus dem Vollen des Lebens zu schöpfen.

Das erkennt man auch hier ganz schön:

Zitat von KikiHerbst:
15 Jahre bekam ich zum Geburtstag einen gebackenen Kuchen mit Kerzen zum auspusten. Ganz ehrlich... Da bringt mir die Karibik leider gar nichts.


Einen gebackenen Kuchen als großes Glück zu betrachten, ist schon sehr ambitionslos, meine Liebe Klar ist das nett, aber Eclairs in Paris zu essen und dem fröhlichen Treiben zuzusehen, ist es ja wohl auch. Natürlich sind deine Gedanken immer bei ihm, aber bei dir scheint es mir, als hättest du dir 15 Jahre lang auch über wenig anderes wirklich Gedanken gemacht. Und das ist etwas dürftig.

Also, raus aus der Wohlfühlzone und dem hamsterschen Mummelnest. Halt die Nase gegen den Wind, Mädel. Da du scheinbar in Berlin wohnst, geh ins Museum, auf Ausstellungen, was auch immer. Trau dich raus, guck dir die Welt an - nur mit deinen Augen. Klar kannst du dich hin und wieder auch einmummeln - aber für mein Dafürhalten ist es an Mummelei in deinem Alter nun wirklich auch mal genug! Alles Liebe!

02.10.2016 09:15 • x 4 #9


K
Ich finde low performen, völlig in Ordnung, gerade in dieser immer höher,schneller weiter Zeit: Und toll wenn sich jemand noch über einen selbstgebackenen Kuchen freuen kann. Vielen fehlt doch die Muße sich überhaupt noch an den kleinen Dingen zu freuen.

02.10.2016 10:56 • x 1 #10


A
Ach, in Ordnung ist doch fast alles. Es ist genauso in Ordnung, in seinem Heimatdorf ohne Freunde und Schulabschluss als ewige Jungfrau zu sterben. Tut ja keinem was..
Nun ist aber ein Low performer jemand, der hinter seinen Möglichkeiten zurück bleibt - und ob das der Schlüssel zum Glück ist, wage ich zu bezweifeln. Dem liegt eine Mischung aus Trägheit und Angst zugrunde, also keine Attribute, von den man sich leiten lassen sollte. So mal btw.

Man wird auch nicht gleich zum Highperformer oder gar Overachiever, wenn man sich ein eigenes Hobby zulegt, neue Möglichkeiten auslotet oder die Welt als eigenständiger Mensch betrachtet. Fast niemanden fehlt mE die Muße, sich über einen selbstgebackenen Kuchen zu freuen. Aber wenn es das schon gewesen sein soll, wenn so ein kleines Stück des Kuchens reicht, dann ist das auch das Maximum, das man bekommt. Für Kikis Ex war sie jahrelang die Ältere, Erfahrenere. Während er sich rasant weiterentwickelte, ist sie eben stehen geblieben. Und das ist es, was ich meine, die vielen Potentiale, die das Leben bietet, versuchen auszukosten.

Oder wie es Rainer Kaune so schön ausdrückte:

Das Ich ist kein Zustand, sondern ein Ziel,
und zwar ein solches,
das ein ständiges Unterwegssein erfordert.
Dort, wo das Voran fehlt, ist Stillstand da,
Zerfall nicht fern, der Tod bereits am Wirken.
Daher: Seien wir Lebende. Bekennen wir uns zum Weiter.

02.10.2016 11:24 • #11


K
Liebe Arnika,

vorab erstmal vielen Dank für für Deine Worte und die Mühe Dich in meine Situation zu versetzen. Auch wenn Du ganz schön hart mit mir ins Gericht gehst... Meine Fresse... Käseglockenleben, Muttchen, kein Freundeskreis, nicht besonders herausfordernder Job ... Ganz schön viel reininterpretiert in meine zwei Postings. Da war ja Low-Performer noch das charmanteste...
Ohne Zweifel hast Du überwiegend Recht. Ich bin doch ziemlich reflektiert und auch zur Selbsterkenntnis fähig. Diese ganzen Gedanken und Erkenntnisse hatte ich auch schon. Aber leider kamen sie eben zu spät. Nicht für mich persönlich und meine weitere Entwicklung aber eben um in meiner Beziehung weiterhin interessant und begehrenswert zu bleiben. Ich habe ohne Zweifel stark nachgelassen in den letzten 2-3 Jahren meiner Beziehung. Auch er sagte in der Trennungsphase zu mir das ich mich verändert habe. Früher selbstbewusst und anpackend war. Ich wusste (im übertragenen Sinn) wann und wohin der Zug fährt. Irgendwann hat es mir gereicht, wenn ich wusste wann ich am Bahnhof zu sein habe. Verstehst Du was ich meine?
Das war ein schleichender Prozess und ich kriege es nicht mehr zusammen an welchem Punkt ich damals 'in die Eisen gestiegen bin'. Und vorallem warum. Ich habe mich einfach so unglaublich sicher und unangreifbar gefühlt.
Mich nur wegen des Geburtstagskuchen als ambitionslos anzusehen ist aber auch ein bisschen kurz gesprungen. Und ich will mich jetzt auch wirklich nicht rechtfertigen und Beispiele vorbringen die dann auch wieder nur zum 'zerpflücken' einladen.
Vielleicht ist da eben auch jeder ein bisschen anders. Ich glaube nicht, dass ich ihn bei irgendwas in seiner Entwicklung gebremst habe. Er ist der, der er ist, auch zu einem nicht unwesentlichen Teil durch mich geworden. Ich war die, die dem 17jährigen Jungen aus der bayrischen Kleinstadt das Leben gezeigt hat. Er hat das Leben und seine Freiheiten genossen, genauso so sehr wie nach Hause zu kommen und sich vor seine Playstation zu setzen. Bitte stempel mich nicht als Hamster oder jogginghosentragendes Hausmütterchen ab. Wir waren ein Paar (!), kein Pärchen. Wir hatten denselben Aktionsradius! Zu jeder Zeit! Gute 15 Jahre lang! Dann ist es auseinander gedrifted. Einen Teil der Gründe dafür kenne ich, die noch fehlenden Antworten versuche ich von mir zu erhalten. Stück für Stück.

Fakt ist, dass ich große Probleme habe mit der Ist-Situation klar zu kommen weil ich eben gerade noch keine aufregende, herausfordernde, schillernde und inspirirende Welt da draußen sehe. Mach vielleicht irgendwann mal. Jetzt noch nicht. Jetzt ist erstmal jeder nächste Tag eine riesen Herausforderung.

LG
Kiki

02.10.2016 14:08 • x 2 #12


A
Liebe Kiki,

natürlich ist in meinem Post einiges übertrieben und manches auch falsch - ich kenne dich ja nicht - ich kann nur versuchen, mir ein schemenhaftes Bild zu machen. Also nimm manche Dinge bitte nicht zu persönlich, ich halte dich für intelligent und reflektiert genug um zu verstehen, dass dir hier nur jemand ein paar Anstupser geben will.
Was ich mit dem Aktionsradius meinte, war nicht etwa der Intelligenzquotient. Mein Ex hatte halt mehr oder weniger seinen Radius in Wohnung und Job ich bin da halt anders, viel zu neugierig auf das, was ich alles schaffen kann. Das war einer der Gründe, warum wir auseinander trifteten, wenn du verstehst, was ich meine. Und btw: Low performer kam nicht von mir Mir stieß eher die Sache mit der Jogginghose und die mangelnden Freundschaften etwas auf, dieses Fixiertsein auf die Beziehung. Und ja, die Metapher mit dem Zug kann ich gut verstehen

Klar ist jeder Tag eine Herausforderung, das kennen wir hier alle. Ich bemühe mich aber, dir zu vermitteln, dass sich langsam aus dem Tränenschleier und durch die Nebel des Schocks auch ein paar bunte Lichtstrahlen zu dir durchwagen. Das es das noch lange nicht gewesen ist, dass du noch sehr viel lachen, sehr viel spannende Dinge sehen und Erkenntnisse haben wirst, dass diese Krise dich zu einem weiseren besseren Menschen machen kann. Kiki 2.0 quasi Wenn du das nur ein bisschen annimmst, wird es leichter, dann normal, und dann sehr fein.

Starte mit den kleinen Dingen, hör Musik, seh Filme koch mit Gewürzen, die du magst, er aber nicht, lies Die Mäusestrategie für Manager - ein großartiges Buch. Lass die Trauer und den Frust zu, aber - um bei der Mäusestrategie zu bleiben - geh Stück für Stück dahin, wo der Käse ist

02.10.2016 16:42 • x 1 #13


K
Liebe Arnika,

ich nehm Deine Worte (postiv) persönlich und habe mir auch schon das von Dir empfohlene Buch runtergeladen. Ich habe das 'Problem' ziemlich sensibel zu sein, immer abzuwägen und für jedes Argument direkt das Gegenargument aufzusagen. Ich habe in der Zeit der Trennungsphase, als wir gezwungenermaßen noch eine Wohnung teilten, begonnen alles mit dem Stempel das letzte Mal zu versehen. Das letzte Mal reden, das letzte Mal dieser oder jener Weg gemeinsam... Ich habe mir eingeredet das ich das alles sehr bewusst und eben auch schmerzhaft erleben muss um nicht Gefahr zu laufen das etwas Verdrängtes irgendwann hervorbricht. In diesen Gedanken bin ich gefangen. Jetzt gibt es logischerweise für alles ein erstes Mal. Heute ist das '1.Mal' wo ich einen ganzen Tag in unserer ehemaligen/nun meiner Wohnung verbringe. Das 1.Mal seit dem Tag X im Juli. Solange habe ich es geschafft zu flüchten und mich zu verstecken bzw abzulenken.
Auch wenn mein Kopf schon phasenweise versteht, weiß ich nicht wann mein Herz den Wegfall der Bezugsperson und die Kränkung, einfach ersetzt worden zu sein, akzeptiert.

LG
Kiki

03.10.2016 11:14 • #14


Tiefes Meer
Liebe Kiki,

fühle Dich mal unbekannterweise herzlich gedrückt.
Es braucht Zeit, um zu akzeptieren, Zeit bis die Wunden heilen und man das alles ein wenig loslassen kann.

Ich selber hatte vor all diesen ersten Malen auch große Angst. Es hat mir damals ein wenig geholfen, mich zumindest für die Jahrestage mit anderen Menschen zu verabreden. Pläne mildern nicht den Schmerz, aber zumindest ein wenig die Angst, weil man eine Idee hat, wie es ablaufen wird.

Du hast Recht, dass es nicht gesund ist, zu verdrängen. Aber es ist auch nicht gesund, sich auf den Schmerz zu fixieren mit dem Gedanken, man dürfe da nichts verpassen. Du darfst auch Ablenkung suchen. Der Seele tut es gut, wenn man ihr kleine Auszeiten gönnt, in denen sie ein wenig Kraft schöpfen kann. Gestatte sie Dir. Du verpasst nichts, wenn Du eine Weile weg siehst.

Diese dunklen Gedanken wollen einem einreden, es sei sinnvoll sich ständig mit ihnen zu beschäftigen. Deswegen kommen sie mit dieser ganzen letztes Mal/ erstes Mal - Nummer an. Aber in Wirklichkeit ist das nicht hilfreich. Es ist nicht nötig, vom Kopf her jeder Situation eine tiefere, dunkle Bedeutung zu verleihen. Der Schmerz macht sich schon alleine bemerkbar. Der braucht da keine zusätzliche Unterstützung.

Es wird auch Deine Verarbeitung nicht behindern, wenn Du beginnst, diese Gedanken zu entmachen. Im Gegenteil wirst Du feststellen, dass es eine eigene Herausforderung ist, sich zeitweise auf anderes zu konzentrieren. Am Anfang klappt das überhaupt nicht, weil die dunklen Gedanken ständig dazwischen plappern, wie wichtig sie doch sind. Sind sie aber nicht. Die Heilung geschieht auf einer anderen Ebene.

Du darfst Dir selber Gutes tun. Du darfst Situationen suchen und schaffen, die Dich ein wenig ablenken.
Das ist der Gedanke, der jetzt wirklich zählt. Und er wird Deine bewusste Unterstützung benötigen, um sich gegen das dunkle Karussell durchzusetzen.

Liebe Grüße

04.10.2016 09:17 • x 2 #15


A


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