Er hat sich fremdverliebt und lässt sich darauf ein

E
Hallo!

Vor viereinhalb Wochen rief mich mein (damals noch) Freund an um mir mitzuteilen, dass er sich verliebt habe. Es stellte sich dann heraus, dass er diesem Gefühl auch, anscheinend ohne den geringsten Widerstand, nachgegeben hatte. Zu diesem Zeitpunkt sagte er noch, er wolle mich auf keinen Fall verlieren, die Vorstellung, ohne mich auskommen zu müssen könne er nicht ertragen etc. Ich war völlig von den Socken, obwohl ich das Verliebtsein schon bemerkt hatte. Leider hatte ich geglaubt, dass er sich entweder in seine neue berufliche Situation verliebt' hatte oder, falls es eine andere Frau war, ich ihm so wichtig wäre, dass er nachdenkt und sich bremst, bevor er sich Hals über Kopf in den emotionalen Aufruhr stürzt. Wir waren 4 ½ Jahre zusammen und haben während des letzten halben Jahres eine Fernbeziehung geführt (800 km); daher habe ich schon damit gerechnet, dass es Irritationen geben würde, habe aber auch gehofft, dass wir gemeinsam damit fertig werden könnten. Auf die Idee, beim ersten Hindernis schon den Parcours zu verlassen wäre ich ehrlich gestanden nicht gekommen. Er schon.

Wegen der telefonischen Mitteilung dieser Neuigkeit war ich stinksauer. Habe mich natürlich entsprechend geäußert, mit dem Resultat, dass er zwei Tage später tatsächlich zu mir gekommen ist. Die 20 Stunden, die er dann hier war, waren nicht sonderlich ergiebig. Alles, was ich von ihm zu hören bekommen habe, war, er könne nichts dafür, wie er empfindet (was so ganz ja nicht stimmt, aber bitte), er liebe mich, er habe sich aber der anderen Frau sehr weit genähert und könne daher nicht mehr auf sie verzichten. Ich habe ihm klarzumachen versucht, dass es mir wenig nützt, zu erfahren was er zu können glaubt und was nicht. Was ich wissen wollte war, was er will. Antwort: mich. Und sie natürlich auch. Klasse.

Pfingsten war er dann wieder hier und versuchte gleich bei der Begrüßung, sich von mir zu trennen, weil er nicht ertragen könne, was er mir zufügt (Motto: Mutter, ich kann nicht mitansehen, wie Du in der Küche schuftest. Mach' doch mal die Tür zu). Davon wollte ich allerdings nichts wissen, denn ich dachte mir, wenn er schon einem Impuls, der ihn treibt, blind folgt, kann er wenigstens die Konsequenzen ertragen. Danach kam der Vorschlag einer Trennung auf Zeit'. Wollte ich aber auch nichts von wissen, da ich mich damit ihm gegenüber bereitwillig in eine unterlegene Position begeben hätte. Ich hätte mich weiterhin an ihn gebunden gefühlt, er dagegen hätte in aller Ruhe ausprobieren können, ob die neue ihm vielleicht mehr zusagt und dann zu mir zurückkommen können oder eben nicht. Nee, danke. Als ich ihm, nach einigem Hin und Her sagte, allmählich würde angesichts seiner infantilen Haltung mein Respekt vor ihm in Mitleidenschaft gezogen, sprang er sofort darauf an und meinte, nun habe er ja gar keine andere Wahl mehr, er müsse sich einfach von mir trennen, denn ohne Respekt gäbe es ja überhaupt keine Grundlage mehr u.s.w. Keine Frage danach, ob und wenn ja wie er diesen Respekt denn wieder erringen könne. Offensichtlich wollte er einfach nur weg. Allerdings nicht, ohne mir zu erklären, wie furchtbar schmerzhaft das für ihn sei, da doch zwischen uns so viel so gut war und auch immer noch sei. Dass er mich eben liebe und fürchte, den größten Fehler seines Lebens zu machen. Nach diesem Abschied verbrachte ich 24 Std. in tiefster Verzweiflung. Dann stand er wieder vor der Tür. Nicht etwa, weil er seinen Entschluss bereute, nein, weil er das Gefühl hatte, mir nicht nachdrücklich genug klar gemacht zu haben, wie sehr er leidet. Das musste ich unbedingt wissen. Klar, sonst hätte ich ja womöglich versucht, die Trennung schnellstmöglich zu akzeptieren und ihm damit die Möglichkeit genommen, es sich noch einmal zu überlegen.

Seitdem habe ich ihn dreimal angerufen. Durch diese Telefonate wurde mein Eindruck verfestigt, dass er z.Z. wirklich ausschließlich und vollständig auf sich und seine Gefühle ausgerichtet ist. Alles andere nimmt er anscheinend nicht wahr. Als ich meiner Hoffnung ausdruck verlieh, er könne mir sagen, dass seine Entscheidung richtig war und dass es für ihn eindeutig und endgültig aus ist, antwortete er mir doch tatsächlich, er sehe zwar, dass er es mir so noch schwerer mache, könne mir so etwas aber einfach nicht sagen, da er sich selbst damit nicht gerecht werde. Welcher Idiot hat denn behauptet, dass Selbstgerechtigkeit ein absoluter Wert sei?

Oh je, ich stelle gerade fest, dass ich doch ziemlich viel geschwafelt habe. Hoffentlich hält überhaupt jemand bis hierher durch. Nur eines noch: wenn ich schreibe: sagte ich o.ä. heißt das natürlich in den meisten Fällen eigentlich: schluchzte ich, hektisch durch die Gegend rennend. Von den 5 kg, die ich in der ersten Woche verloren habe, gingen mit Sicherheit 4 auf Wasserverlust in Folge übermäßiger Heulerei zurück.

25.06.2001 19:46 • #1


E
Ach Hannah,
wie kann man eine so lustige Frau wie dich verlassen? Das muß er sich wohl auch gedacht haben und hält sich daher ein Türchen auf. Wahrscheinlich wirst du irgendwann mal die Tür zuschlagen, aber bis dahin können noch viele Schiffe tuten.
Lass dir doch einfach die Zeit zu trauern und nicht zu wissen was zu tun ist. Es wäre doch äußerst komisch, wenn du ihn so einfach abhaken könntest.
Mir hat der Chat gestern abend Spaß gemacht und ich wünsche dir alles erdenklich gute
Shanna

25.06.2001 19:53 • #2


A


Er hat sich fremdverliebt und lässt sich darauf ein

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E
Hi Shanna!

Also, lustig finde ich mich z.Z. eigentlich nicht besonders. Habe gerade wieder mit meinem wundervollen Ex-Geliebten telefoniert und bin, wie nach jedem Telefonat, völlig verwirrt. Leider habe ich nämlich nur zwei Erklärungsmodelle für unsere Trennung, die mich beide nicht zufriedenstellen.

Erstens: In Bezug auf mein Studium und meine wirtschaftlichen Verhältnisse habe ich einige Schwierigkeiten. Ich finanziere mich vollständig selbst und zwar durch einen Büroservice. Das bedeutet natürlich: kein bezahlter Urlaub (was streng genommen heisst, überhaupt kein Urlaub), keine Lohnfortzahlung bei Krankheit usw. Das setzt mich erheblich unter Druck, was wiederum dazu führt, dass ich im Studium nie so vorankomme, wie ich glaube, dass ich es müsste und daher mit meinen Leistungen unzufrieden bin. Trotzdem will ich aus Gründen, die hier darzulegen zu weit führen würde, das Studium nicht aufgeben. Das führt dazu, dass ich manchmal ziemlich bedrückt bin, mich unzulänglich und kraftlos fühle. Er behauptet nun, das habe dazu geführt, dass er keine Perspektive für uns gesehen habe. Unglücklicherweise kann ich darin keinen wirklichen Grund für eine Trennung erkennen, da ich tatsächlich keineswegs depressiv war/bin, sondern wirklich nur Schwierigkeiten mit einer schwierigen Situation hatte/habe. Wenn ihn also mein Verhalten in dieser Hinsicht ernstlich belastet hat, warum hat er nicht mit mir darüber gesprochen? Es gab keinen Grund anzunehmen, dass ich nicht imstande wäre angemessen auf eine solche Äußerung zu reagieren. Und ich hatte wirklich nicht die leiseste Ahnung, dass das für ihn wirklich problematisch war. Wenn ich jemanden liebe, warte ich doch nicht einfach ab, bis ein Verhalten, das mich stört, dazu führt, dass ich einfach keinen Bock mehr auf ihn habe. Und damit bin ich auch schon bei

zweitens: Er hat sich während unserer gesamten Beziehung (total bescheuerter Ausdruck übrigens, fällt jemandem was besseres ein?) einfach nur zu seinen Gefühlen verhalten. Erst war er verliebt und wurde also heftig in meine Richtung getrieben. Dann kam etwas dazu, das ihn abgestoßen hat; da dieses Gefühl aber deutlich schwächer war, als die Anziehung, sah er unsere Liebe dadurch nicht bedroht. Danach wurde diese Anziehung durch die räumliche Trennung strapaziert und er hat sich verliebt, fühlte sich also in eine andere Richtung gezogen. Das ergab die simple Ungleichung:
Abstoßung + Verliebtheit Anziehung. Resultat: Er verabschiedet sich. Unter Schmerzen natürlich, da die Anziehung ja noch vorhanden ist, aber er kann ja nicht anders. Finde ich auch nicht sonderlich überzeugend, da der Mann grundsätzlich ziemlich reflektiert und durchaus auch selbstkritisch ist. So pubertär-dämlich kann er mit 33 einfach nicht mehr sein.

Und nun habe ich zwei gleichermaßen mangelhafte Erklärungen für das, was da so plötzlich über mich hereingebrochen ist. Unglücklicherweise ist es aber tatsächlich so, wie eine Freundin es neulich sagte: meine bevorzugte Problemlösungsstrategie besteht nun einmal darin zu denken. Da ich damit bisher ziemlich erfolgreich war, kann ich von dieser Strategie anscheinend auch in einer Situation, in der sie offensichtlich versagt, nicht recht lassen. Hast Du (oder jemand anderer, der das liest) ähnliche Schwierigkeiten gehabt und wenn ja, wie hast Du Dich davon gelöst, verstehen zu wollen, was nun einmal vollkommen unverständlich ist?

Der Chat hat mir übrigens auch sehr gut gefallen. War zwar mein erster, aber sicher nicht mein letzter.

Liebe Grüße
Hannah

26.06.2001 19:05 • #3


E
Liebe Hannah,
ich weiß, dass es nicht lustig ist zur Zeit. Aber der Humor (und sei es Galgenhumor) hilft ein wenig. Außerdem half es mir, wenn wenigstens noch andere was zu lachen hatten, am besten über meine unfreiwillig komischen Äußerungen. Dann spürte ich, dass ich noch lebte.
Die Sache mit dem Verstand kenne ich auch. Ist auch meine vorrangige Strategie gepaart mit schnellen Entscheidungen, da ich ja auch schnell denke und Argumente abwäge. Daher muß dann ein Entschluß her. Genau da ist aber der Fehler. Manchmal ist es keine Sache der Einschätung und Logik, sondern es entwickelt sich was. Vermissen beispielsweise entwickelt sich erst über die Zeit.
Dann noch was, ich habe den Eindruck, dass du nicht so recht bei deinen Gefühlen bist und noch dazu deine Wünsche hinten an stellst. Immer kommt erst dass was muß, nie du zuerst. Gerechtferigt durch Lebenserfahrung, dass sein muß was sein muß und lamentieren nützt nix. Alles klar, aber es gibt auch andere Situationen, da kommst du zuerst. Jetzt beispielsweise. Du erkennst, dass er dich noch braucht, um sich schuldig zu fühlen und sich damit entlastet. Du suchst aber keinen Weg für dich nur Erklärungsmodelle für ihn. Dadurch bist du hilflos. Deine Äußerungen zu deiner finanziellen Situation haben mich total sauer gemacht. Warum habt ihr euch nicht zusammen eine Wohnung gesucht und er dich finanziell entlastet? Dann hätte ihn deine Belastung nicht stören müssen. Daher meine Wut.
Ich denke, jetzt kommt wieder die intellektuelle Antwort.Aber in Wahrheit habt ihr euch wohl nicht einigen können, bzw. er hat es nicht angeboten und du hast nicht gebeten.
Ich wünsche dir, dass du etwas weiter kommst im Gefühl und nicht im Denken, obwohl ich dir Futter zum Denken gegeben habe.
Alles Liebe und halt die Ohren steif
Shanna

26.06.2001 19:49 • #4


E
Hallo hannah !

Humor ist, wenn man trotzdem lacht !
Wie shanna schon bemerkt hat, vermisse auch ich ein wenig deine Gefühle. Liebst du ihn eigentlich noch ? vermisst du ihn ? möchtest du, daß er wieder zurück kommt ?
oder ist es im Moment bei dir so, daß du nur verstehen willst, warum er sich in eine andere verliebt hat - dich aber trotzdem noch behalten möchte ?
Es gibt nun einmal Situationen im Leben, die sich nicht so recht erklären lassen und die man, auch wenn es schwerfällt, einfach hinnehmen muß. Im Laufe der Zeit wird dieses Überlegen nach dem WARUM weniger und irgendwann wirst du dich selber fragen, wie du dir soviel Gedanken machen konntest. Das kannst du dir zur Zeit sicherlich nicht vorstellen, aber glaube mir, es ist so.
Nachdem was du erzählt hast, denke ich eigentlich auch, daß er dich nur warmhalten will - also verschwende nicht allzuviel Gedanken !

Wünsche dir alles Liebe,
:) Birgit

26.06.2001 21:59 • #5


E
Hallo hannah!

Noch so ein Mensch der alles bis ins kleinste Detail analysiert. Ich konnte mich richtig wiederfinden. In den letzten Monaten habe ich aber festgestellt, dass man mit diesen sachlichen Ansätzen sehr vorsichtig sein muss. Am Ende kannst du nämlich alles auf hormonelle Vorgänge schieben, damit kann man jedes Verhalten erklären. Und bringen tuts nichts. Man fängt sich an im Kreis zu drehen und die Situation wird nicht leichter.
Mittlerweile finde ich es besser, die Situation so zu akzeptieren wie sie ist und mich dann zu fragen: Was spüre ich dabei, was will ich, in welche Richtung zieht es mich. Also wirklich meine Gefühle zu erspüren. Du wirfst deinem Freund vor, dass er sich nur auf seine Gefühle verlässt. Seine Erklärungen für sein Verhalten sind schon recht dürftig, aber vielleicht konnte er ja seine Gefühle nicht wirklich logisch erklären. Gefühle sind sicherlich ein sehr komplexes Thema, aber wer kann schon sagen, wann sie richtig und wann sie falsch sind??? Du kennst das ja sicher auch von dir, wenn du einfach nicht mehr gegen deine Gefühle handeln kannst.

Ich denke einfach, es ist beides wichtig, Verstand und Gefühl, und beides muss in gleichem Mass vorhanden sein.
Wenn meine Analyse sich mal wieder verselbständigt sage ich mir innerlich laut STOP. Und versuche dann, mir bestimmte Situationen vorzustellen und was ich dabei fühle. Und ich habe festgestellt, dass mir das für meine innere Zufriedenheit und Entscheidungsfindung mehr hilft als nur logische Argumente.

In diesem Sinn möchte ich mich Shanna und Birgit anschliessen: Denk an Dich!!!! Es schon wichtig, nach dem WARUM zu fragen, aber es ist nur ein kleiner Teil dieses harten Weges...

Liebe Grüsse
Irmi (die auch immer zuviel denkt...)

27.06.2001 09:13 • #6


E
Hallo Shanna, hallo Birgit, hallo Irmi!

Ach, ihr Lieben, dass ich hier bisher nichts über meine Gefühle geschrieben habe, liegt daran, dass sie momentan nicht problematisch für mich sind. Natürlich hätte ich lieber andere Empfindungen wie Glück, Lust usw., aber ich finde nicht falsch, dass ich jetzt wütend bin, Sehnsucht habe und es mich schmerzt, so ins Leere zu lieben.

Es stimmt eigentlich nicht, dass ich meine Wünsche hinten anstelle. Nur ist was ich am dringendsten wünsche nicht zu haben, es existiert schlichtweg nicht. Selbst wenn ihm jetzt einfiele, dass er doch lieber mit mir zusammen sein will, würde ich ihn nicht wollen, weil ich kein Vertrauen in die Stabilität dieser Entscheidung hätte. Er hat von Anfang an klargemacht, dass er auf keinen Fall auf seine neue Flamme verzichten würde, ja behauptet, er könne es nicht. Nicht nur, dass er sich verliebt hat und diesem Gefühl nachgegeben hat, er hat nicht einmal ansatzweise versucht, dem zu widerstehen, bei mir zu bleiben, mir treu zu sein. Deshalb würde ich eine Wiederbelebung unserer Beziehung nur wollen, wenn ich den Eindruck gewinnen könnte, seine Haltung habe sich ernsthaft verändert, weil ich nicht bereit bin, eine Beziehung zu führen, in der ich mich ununterbrochen fürchte. Die Haltung den eigenen Gefühlen gegenüber kann man aber nun einmal nicht einfach umschalten; selbst wenn er eine Einstellung zur Liebe entwickeln sollte, die mit meiner in Übereinstimmung zu bringen ist, wird es für uns zu spät sein, da so etwas eben ziemlich lange dauert.
Von diesem speziellen Wunsch abgesehen behandle ich mich im Moment ziemlich gut, gehe spazieren, ins Theater, ins Kino etc., wofür ich eigentlich überhaupt keine Zeit habe, genehmige mir luxuriöse Lebens- und Körperpflegemittel, für die ich eigentlich kein Geld habe und strapaziere meine Freundinnen. Drei sind es, die mich in den letzten Wochen wirklich aufgefangen habe und ohne die mein Selbstwertgefühl sicherlich Schaden genommen hätte. Aber die Tatsache, dass diese drei großartigen Frauen ihre (aus Zeitmangel) seltenen Freizeitvergnügungen ohne das geringste Zögern haben sausen lassen, um mir beim Heulen und Zähneklappern Gesellschaft zu leisten, hat mir das Gefühl gegeben, dass ich schon irgendwie in Ordnung sein muss. Drei souveräne, erfolgreiche und kluge Frauen legen großen Wert auf mein Wohlergehen und geben sich deshalb erhebliche Mühe: da muss doch der Typ, der mich abserviert, wohl einen ziemlichen Sprung in der Schüssel haben, oder? Außerdem lese ich ziemlich viel, all' die Bücher, die ich in den letzten Jahren sowieso mal lesen wollte, aber nicht konnte.
Nun, das ist alles schon wieder ziemlich intelligibel und ihr wolltet doch Gefühle. Sollt ihr haben: dieser Mann ist, abgesehen von der Inkompatibilität unserer Auffassungen von Beziehung, in jeder Hinsicht wundervoll. Soll heißen, überall da, wo ich Anziehung brauche, ist er in äußerstem Maß anziehend und seine Fehler sind so geartet, dass sie mich nicht interessieren. Ich liebe ihn mehr, als ich mir jemals hätte vorstellen können. Dass es möglich ist, einen Menschen zu finden, den ich so grundsätzlich und vollständig akzeptieren könnte, dem ich mich ohne jeden Vorbehalt zuwenden könnte, habe ich bevor ich ihn kannte, nicht geglaubt. Und jetzt gibt es keinen Bereich meines Lebens, in dem er nicht eine verdammt große Lücke hinterlassen hätte. Zwar fühle ich mich nicht vermindert dadurch, das er gegangen ist, habe ich nicht den Eindruck selbst weniger zu sein als vorher, ja ich bin nicht einmal einsam, aber ich habe das Gefühl, den einen Menschen verloren zu haben, den ich mit allem was mich ausmacht lieben kann. Und das tut verdammt weh.

Danke für Eure Anteilnahme, tut mir wirklich gut.
Hannah

P.S.: Irmi, das mit der Reduktion von Gefühlen auf Hormone haut so nicht hin. Das ist ein Fehler, der auf den cartesianischen Leib-Seele-Dualismus zurückgeht und bis heute durchgeschleift wird. Analog zum Leib-Seele-Verhältnis glauben viele heute, Hormone seien eine Angelegenheit und Gefühle, durch Hormone kausal verursacht, eine andere. Das ist aber eine unhaltbare Betrachtungsweise, weil sie das Phänomen nicht angemessen beschreibt, von Erklärungen mal ganz zu schweigen. Allmählich setzt sich die m.E. richtige Ansicht durch, dass Hormone und Gefühle zwei Aspekte desselben Dings sind. So wie Materie und Form zwei Aspekte von Körpern (soll heißen, ausgedehnten Gegenständen) sind. Gefühle werden nicht von Hormonen ausgelöst, sondern Gefühle und Hormone sind dasselbe, nur mit unterschiedlichen Mitteln betrachtet. Zu den Hormonen kommst Du, wenn Du dem Menschen mit den Instrumentarien der Biologen und Chemiker zu Leibe rückst, Gefühle findest Du in der Selbstbetrachtung. Hoffentlich habe ich mit diesem kleinen philosophischen Exkurs niemanden gelangweilt.

27.06.2001 15:21 • #7


E
Hallo, Ihr da draußen!

Heute morgen bin ich mal wieder besonders verzweifelt. Schon während des Aufwachens empfand ich meinen Verlust in allen Einzelaspekten. So viele Arten von Leid gleichzeitig nebeneinander, nein eher ineinander, so dass ich mich davon durchdrungen, vollständig besetzt fühle: Welt, mein Name ist Schmerz .
Ich will sein Lachen, seinen Duft, seinen Körper an meinem, seinen wachen Geist gekreuzt mit meinem, seine Zärtlichkeit, seine Leidenschaft. Doch fast noch mehr als das will ich, was ich immer gewünscht, aber vor ihm niemals gehofft habe: dieses einander aufrecht gegenüberstehen, das Erkennen der Fremdheit des jeweils anderen. Das Ergebnis dieser distanzierten Betrachtung: Du bist anders als ich, anders als alles andere, ich sehe Dich in Deiner Einzigartigkeit und ich weiß, Du bist, was ich liebe. Du bist der eine Teil der Welt, dem ich vorbehaltlos zustimme. Du bist meine Freude, mein Entzücken, meine Lust.
Vor fünf Wochen noch wusste ich, dass er ebenso empfindet wie ich. Jetzt weiß ich, dass er das nicht tat. Jedenfalls zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Und ich weiß nicht, wann er verloren hat, was wir hatten. Weiß nicht, ob ich allein so empfunden habe, ob diese Übereinstimmung jemals existiert hat. Er hat mir nicht nur entzogen, was ich unbedingt wollte, er hat mir auch weggenommen, dass ich es überhaupt einmal hatte.
Bin zu erschöpft um weiter zu schreiben. Danke für's Lesen.
Hannah

30.06.2001 10:03 • #8


E
Liebe hannah !

Deine Empfindungen kann hier jeder verstehen !
Vor allem die Erkenntnis, daß der andere nicht so gefühlt hat wie man selber, ist sicherlich vielen hier bekannt.
Laß´ dich davon nicht unterkriegen, denn es wird wieder bergauf gehen ! Auch bei dir wird nach diesem Tief wieder ein Hoch kommen, da bin ich mir sicher!

Wünsche dir alles Gute,:D Birgit

01.07.2001 19:39 • #9


E
Hallo,

nein, ich will gar nichts dazu sagen ... finde Deine Sprache einfach sehr schön ... im Moment? Viel für sich selbst tun: Wärme, Baden, Düfte ... nun, die wird schon noch mehr einfallen, oder?

Dein Sehpferd

02.07.2001 10:18 • #10


E
Hallo Leute!

Heute hab' ich mal eine Frage an Euch: Habt ihr irgendwelche Strategien, die es Euch erleichtern nicht zum Telefonhörer zu greifen und den/die Geliebte/n anzurufen? Es drängt mich ständig, seine Stimme zu hören und womöglich einige Antworten zu bekommen. Leider waren unsere letzten Telefonate vollkommen unergiebig. Schlauer wurde ich dadurch nicht, nur n o c h aufgewühlter. Das möchte ich eigentlich nicht weiter fortsetzen, aber ich erwische mich doch ständig mit dem Telefon in der Hand. Hier im Forum nachzusehen, wie es Euch so ergangen ist, ist zwar ziemlich hilfreich, weil a) ich anderweitig beschäftigt bin und b) dann die Leitung blockiert ist, aber ich kann ja nicht immer hier 'rumhängen. Zwar bin ich schon seit 11 Tagen standhaft, aber ich verspüre deutliche Ermüdungserscheinungen.

Dankbar für jede Anregung
Hannah

07.07.2001 23:09 • #11


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Hallo Hannah !

Ich bin gerade von meinem nächtlichen Ausflug zurück und versuch nun doch noch etwas zu deiner letzten frage zu schreiben.

Du könntest natürlich dein Telefon abschaffen, aber dann wäre wohl die nächste Telefonzelle nicht mehr vor dir sicher.

Also wenn dein Blick auf das stillschweigende Telefon schweift, dann könntest du dir überlegen, was du von dem Telefonat mit ihm erwartest. Können diese Erwartungen erfüllt werden ? Wenn nicht, dann gibt es keinen Grund anzurufen.

Wenn du den Hörer in der Hand hast, dann überleg dir, warum du ihn gerade jetzt anrufen musst. Gibt es da nicht etwas ach so wichtiges, was du dringend vorher erledigen mußt ? Also dieses Wichtige tust du dann einfach.

Schließlich ist es auch nicht dramatisch, wenn du ihn anrufst, bevor du platzt. Manchmal ist es besser, seine innere Spannung abzubauen, indem man handelt. Du wirst dann ganz sicher von Telefonat zu Telefonat mehr verstehen, dass das Anrufen keinen Sinn hat und die Endgültigkeit begreifen. Irgendwann meldet sich dein Selbstschutzmechanismus und du läßt dir nicht mehr eins draufgeben, weil du nun genug Schläge eingefangen hast.

Ich hoffe ich konnte dir ein wenig Anregung geben.

Liebe Grüße
Susa


08.07.2001 01:38 • #12


E
Hallo Hannah!

Mir gehts mit dem Telefon recht ähnlich, ich denke, daß da immer noch zuviel WARUM in der Luft hängt, das ich so gerne geklärt hätte. Gleichzeitig hält mich mein falscher (???) Stolz davon ab, anzurufen. Manchmal kann ichs dann doch nicht lassen, bin dann froh, wenn er nicht da ist.

Manchmal war ich aber auch froh, mit ihm telefoniert zu haben, denn das gibt mir jedesmal die Gewissheit, daß es WIRKLICH vorbei ist. Das schmerzt zwar höllisch, aber irgendwie ist diese Gewissheit beruhigender als das Herumhängen in verlorenen Träumen.

Insofern ist es kein wirklicher Fehler, ihn ab und zu mal anzurufen. Ist ungefähr wie bei einer Diät: Wenn man sich Schokolade strikt verbietet, wird sie erst richtig interessant....

Liebe Grüße
Irmi

08.07.2001 10:12 • #13


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Hallo Susa, Hallo Irmi!

Dank für Eure aufmunternden Zeilen. Leider habe ich, bevor ich sie las, schon wieder zum Telefonhörer gegriffen und war gestern abend entsprechend schlechter Stimmung. Komme aber zu dem Schluss, dass Ihr beide Recht habt. Jedes Telefonat macht mir deutlicher, dass es wirklich vorbei ist. Ausserdem werden die Abstände zwischen meinen Anrufen länger. Ist doch wohl ein gutes Zeichen, oder?

Liebe Grüße
Hannah

P.S.: Als es mir gestern abend so richtig schön schlecht ging, bin ich hier in den Chat gegangen. Ich empfehle allen, die durchhängen, das auch mal auszuprobieren. Auch denen unter Euch, die hier sonst nicht schreiben, weil sie sich (noch?) nicht dazu durchringen können. Bisher waren jedesmal sehr nette Leute im Chat (nur Frauen, wie kommt das bloß? Also Männer: traut Euch doch auch mal), mit denen mich zu 'unterhalten' mir wirklich sehr gut getan hat.

09.07.2001 19:34 • #14


E
Liebe Hannah,
die längeren Abstände zwischen den Telefonaten sind ein sehr gutes Zeichen. Du brauchst die Bestätigung wohl nicht mehr so oft und damit auch nicht, dir so oft einen reinwürgen zu lassen, im Sinne von Schmerzen, die du vor und nach den Telefonaten empfindest. Das ist ja schon mal was. Zeigt, dass die Zeit auch etwas bringt, auch Hoffnung für die, die noch nicht in längeren Abständen Kontakt halten. Ich finde es immer wieder wichtig, in schweren Zeiten besonders, seinen Gefühlen zu folgen und das kann eben auch heißen, den Verstand beiseite zu legen und wider alle Vernunft zu telefonieren.
Ich freue mich für dich, auch da du dich selbst so positiv siehst.
Der Chat mit dir und den anderen Damen hat mir auch viel Spass gemacht, war lebhaft und intelligent, dank auch an dich.
Mach mal weiter, fühlt sich richtig an, was du so verzapfst,
liebe Grüße Shanna

09.07.2001 23:31 • #15


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