@katha99
Das, was Du von Deiner Mutter berichtest, klingt so, als unterstelle sie Dir häufig selbstbezogenes/egoistisches Verhalten. Ob das tatsächlich der Fall ist oder nur unbegründete Kritik, kannst bzw. musst Du mittlerweile selbst mit Deinen Werten abgleichen.
Es ist gut möglich, dass Deine Mutter selbst zu einem People Pleaser erzogen wurde und dasselbe (unreflektiert) auch bei Dir versucht hat. Es ist aber nicht zu Deinem Vorteil, wenn Du es stets anderen Recht machen möchtest. Daher kannst Du Kritik auf dieser Grundlage auch einfach von Dir weisen.
Als ersten Schritt der Reflektion würde ich mich fragen, ob Deine Erinnerung aus Kindergartenzeiten und später wirklich akkurat ist und Deine Mutter häufiger anderen Kindern Recht gegeben hat als Dir. Wenn wir uns im Recht fühlen, trifft es uns besonders stark, wenn jemand uns dieses Recht abspricht. Solche Momente brennen sich eher ein als Momente, in denen wir uns im Recht fühlen und andere uns Recht geben.
Zwischen der Generation, die vor rund 50 Jahren geboren wurde und der Generation, die vor 20 Jahren geboren wurde, gab es auch einen starken Wechsel in Erziehungsmaximen.
Während GenX noch ganz überwiegend bemüht war, ihre Kinder aktiv zu guten Menschen zu erziehen, ist heute eher die bedürfnisorientierte Begleitung der eigenen Kinder im Vordergrund. Das sind zwei völlig andere Ansprüche an die Eltern-Kind Beziehung. Dass besonders zwischen GenX und GenZ eine große Enttäuschung über das Heranwachsen im Elternhaus einerseits und eine große Enttäuschung über die Entwicklung der eigenen Kinder vorkommen kann, ist eigentlich logisch.
Falls Du noch lebende Großeltern aus der 68er Generation hast, kannst Du die ja mal fragen, wie sie die damals ganz ähnlichen Konflikte mit ihren Eltern gelöst haben.
Was mir auffällt, ist dass Du von Schuld bei Streiten sprichst. Sich zu streiten, ist ja erstmal nichts Schlimmes. Es ist die Auseinandersetzung unterschiedlicher Sichtweisen. Und aus meiner Sicht sollte auch nicht jeder Streit vermieden werden. Insofern geht es imho nicht um Schuld, sondern um Verantwortung.
Jeder trägt die Mitverantwortung dafür, dass Streit entsteht.
Jeder trägt die Alleinverantwortung für das eigene Verhalten bei einem Streit.
Jeder muss mit dem Konsequenzen des eigenen Verhaltens bei anderen leben.
Dich daran zu erinnern, dass Du all das verantwortest, ist nichts Schlechtes. Dass es bei Dir als meine Mutter gibt mir die Schuld an allem ankam, ist das eigentliche Problem. Da scheint Deine Mutter einen vorwürflichen Ton Dir gegenüber zu haben, der Dir weh getan hat.
Fühlst Du Dich denn grundsätzlich von Deinen Eltern geliebt und unterstützt?
Oder war die Liebe Deiner Mutter oder Deines Vaters an Bedingungen, z.B. sich ruhig oder ausgleichend zu verhalten bzw. keinen Ärger zu machen geknüpft?
Sollte Dich die Sicht Deiner Mutter auf Dich und ihr Verhalten Dir gegenüber mehr als nur ärgern und z.B. belasten, ist Anfang der 20er auch ein gutes Alter, um mit einem Coach oder Therapeuten diese Dynamik und was sie mit Dir macht, zu durchleuchten, um sich davon zu befreien.
Aus dem Nähkästchen: Ich hatte eine Mutter, die viele Dinge getan hat, gegen die ich mich als Kind gewehrt habe und heute mit den eigenen Kindern völlig anders handhabe. Ich war Ende meiner Teeniezeit, Anfang der 20er auch richtig sauer auf meine Mutter und empfand wie als ungerecht. Damals waren Psychotherapeuten eher den schweren Fällen von psychischen Krankheiten vorbehalten und rein mentale Belastungen besprach man mit Familie und Freunden. In diesem Gesprächen (vor allem mit älteren Frauen) habe ich die andere Sichtweise nochmal ohne Vorwürfe und zu starke emotionale Verstrickung gehört und konnte sie insofern annehmen, als ich die Logik hinter dem Verhalten meiner Mutter nachvollziehen konnte und ihre Ängste nicht mehr mit fehlender Liebe oder gar Missgunst verwechselt habe. Und für mich entschieden habe, dass das Elternteil, das sich intensiver mit mir auseinander setzt, auch wenn mir nicht immer gefällt, was ich dort höre, mir mehr Zuneigung zeigt, als das Elternteil, das mich nur reden lässt, ohne sich mit mir auseinander zu setzen.
Vielleicht hast Du ja auch eine Tante oder ältere Cousine, mit der Du diesen Kindheitseindruck, dass Deine Mutter nie hinter Dir stand und Dir immer die Schuld an Konflikten in Deinem Leben gegeben und auch von Dir enttäuscht gezeigt hat, mal durchgehen und neue Perspektiven dazu finden kannst.
11.07.2025 07:11 •
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