Jac, ich beobachte hier folgendes:
Du schilderst deine Probleme in der Beziehung, und diese Schilderung ergibt ein Gesamtpaket, bei dem sich einem Außenstehenden die Fußnägel hochrollen. Ich fasse mal kurz zusammen was für einen Partner du hier portraitiert hast:
- Verschwiegene Kontakte/Übernachtungen bei der Ex schon in der ganz frühen Kennenlernphase, parallel Verleugnen dass es dich gibt
- Lügen wegen aus deiner Sicht unnötiger Dinge
- eine hochproblematische Ex, der vor lauter freundschaftlichem Verhältnis gestattet wird die Hölle heiß zu machen und das Kind zu instrumentalisieren, mit dem sie eh völlig überfordert ist (man fragt sich beim Lesen, wieso dein Freund tatenlos zuguckt wie sein Sohn von der Ex verhunzt wird - aber wenn man weiter liest, wird es schon klar:)
- das Kind wird nirgendwo vernünftig erzogen, bei der Ex nicht und bei deinem Freund auch nicht, und er hat auch kein Interesse daran zu lernen wie er es besser machen könnte; aufgrund deiner Schilderung sind aus meiner Sicht beide Elternteile ein Fall fürs Jugendamt, das Kind hochgradig verhaltensauffällig
- die Überforderung mit dem Kind scheint nicht zu reichen, es muss auch noch ein Hund her (und zwar eine Rasse mit besonderen Bedürfnissen), mit dessen Haltung dein Freund ebenfalls überfordert ist
- schwerst erkrankte Eltern, deren Sterben bevorsteht (über seinen Umgang damit hast du nichts geschrieben)
- einen großen Prozess am Hals, Einreiseverbot in die Staaten
- Im Job unzufrieden
- psychische Baustellen, die er nicht angeht
- ein Alk*holproblem, und ein Geld-in-Automaten-Verdaddeln-Hobby
- Desinteresse daran, wie es dir mit eurer Gesamtsituation geht (klares Statement: dann geh doch)
- anzügliche Chats mit Frau(en?) in sicherer Entfernung, über die er dann auch noch schlecht spricht
Und dann dies über eure Beziehung:
- von Anfang an teils gravierende Probleme
- Zusammenzug nach nur 8 Monaten Kennenlernen, also viel zu früh
- du übernimmst die Rolle derjenigen, die Probleme sieht und angehen will, er lässt sich nur noch passiver hängen als eh schon
- sprichst du die Probleme an, blockt er dich ab oder stimmt zu ohne dass Taten folgen; schwer gestörte Kommunikation
- harmonisch und ohne Streit - obwohl es genug Anlass gäbe, um tagelang zu streiten, d. h. nur eine scheinbare Harmonie aufgrund von Konfliktunfähigkeiten
Und nicht zuletzt dein eigener Zustand:
- du bist nach nur einem Jahr Beziehung, ein Zeitpunkt zu dem normalerweise der Himmel noch voller Geigen hängt, ausgelaugt und kannst nicht mehr, und sogar dein Hund zeigt psychosomatische Beschwerden
Aber kaum hast du diese Bestandsaufnahme gemacht und bekommst entsprechende Rückmeldungen, relativierst du deine Aussagen und in deinen letzten Beiträgen würde man sich fragen, wo das Problem ist, wenn man nicht deine vorhergehenden Einlassungen gelesen hätte. Klar ist nicht alles schlecht! Jeder Mensch hat gute Seiten. Das Blöde ist nur, dass die schlechten Seiten untrennbar mit den guten Seiten verbunden sind. Es gibt die Person immer nur im Gesamtpaket.
Du sagst, du hättest dich seit vielen Jahren intensiv mit dir auseinander gesetzt. Hier schreibst du:
Zitat von Jac: Ach, es ist immer so schwer, loszulassen. Jedes Mal aufs Neues. Aber ich weiß auch, dass danach oft eine unglaublich große Erleichterung folgt und ich mich frage Warum zur Hölle habe ich das überhaupt so lange mitgemacht?!
Das liest sich, als hättest du eine Historie mit mehreren ungesunden und dysfunktionalen Beziehungen hinter dir. Als hättest du da ein Muster, mit dem du dich vielleicht noch nicht (intensiv genug) auseinandergesetzt hast.
Denn mir fehlt hier immer noch eine nachvollziehbare Antwort auf die Frage,
warum genau du vor einem Jahr dachtest, dieser Mann sei eine gute Partie für dich, warum du vor vier Monaten dachtest es sei trotz dieser Schwierigkeiten eine gute Idee mit ihm zusammen zu ziehen, anstatt vielleicht erstmal weniger all-in zu gehen und mal zu schauen, wie sich das weiter entwickelt.
Ich kenne dich nicht, aber vieles liest sich nach einem Helfersyndrom auf deiner Seite. Einen Problemfall als Partner zu wählen hat einerseits den Vorteil, dass die Notwendigkeit, deinerseits helfend beizustehen, deinen Selbstwert vordergründig aufpoliert. Andererseits ist ständiges Drama aufgrund omnipräsenter Baustellen hervorragend geeignet zu kaschieren, wo es an Beziehungskompetenzen und echter Gefühlstiefe hapert. Sich dieser Frage zu stellen kann fies weh tun, lohnt sich aber.
Denn letztlich musst du dich fragen, ob du weiterhin dazu neigen möchtest, deine Grenzen zugunsten eines sich darauf ausruhenden Mannes zu überschreiten oder ob du dich der Lernaufgabe stellen möchtest,
kein kleines Mädchen mehr zu sein, das nicht erwachsen werden will und die Augen vor der Realität verschließt, sondern eine Frau die nun lernt Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und das bedeutet in diesem Fall, eine klare Grenzlinie zu ziehen zwischen ihren eigenen Baustellen und denen ihres Freundes.
Ich persönlich würde dir angesichts der von dir geschilderten Ausmaße der Probleme eine Trennung empfehlen, aber da du diese offensichtlich nicht wünschst, möchte ich dir ans Herz legen, dir ein sehr dickes Fell ihm gegenüber zuzulegen. Lass seine Probleme dort, wo sie hingehören - bei ihm - und gewöhne dir an, nicht mehr über seine Stöckchen zu springen (er tut es ja nicht mal selbst). Entzieh dich seinen Problemen und seinen Unfähigkeiten ganz bewusst. Sein Sohn kommt um dir und deinem Hund auf den Nerven herumzuspringen, weil dein Freund es nicht gebacken kriegt basale Erziehung für angenehmes Miteinander anzuwenden? Du bist das Wochenende leider schon völlig verplant und daher kaum da, er muss den Kleinen alleine versorgen und bespaßen. Dein Freund erzählt dir wie genervt er vom Job ist oder welchen Klops Ex wieder gebracht hat? Du zuckst mit den Schultern und blätterst weiter in deiner Zeitschrift, sein Zirkus, seine Affen. Er lässt dich abblitzen wenn du wegen seines Verhaltens Gesprächsbedarf hast? Du darfst dir gern eigene Beispiele überlegen, wie du in Zukunft mit seinem Verhalten umgehen möchtest, welches dir Stress, Sorgen oder Kummer bereitet.
Es ist
dein Leben, das du zu führen verpflichtet bist.
Dein Wohl, für das du zu sorgen hast. Deine Kraft und Energie in
seine Probleme zu stecken, ist als würdest du dein Einkommen in seinen Rententopf investieren. Am Ende hast du nichts davon, und so wie du ihn beschreibst brauchst du im Zweifelsfall nicht mal mit einem Danke zu rechnen, wenn er irgendwann genervt von deinen Versuchen, eure Beziehung zu verbessern, in den Sack haut, weil er wahrscheinlich nicht mal merkt, wieviel Energie du für ihn aufbringst.