In solchen Beziehungen, die ja immer nach demselben Muster ablaufen, kann man bei sich selbst sehr schön beobachten, welche destruktiven Mechanismen in einem selbst stecken.
Ich hatte vor Jahren auch eine Beziehung dieser Art, die aber nicht so schlimm war. Aber dennoch war das Muster ganz ähnlich.
Erst Wolke 7, Liebesbeteuerungen, Komplimente und die Botschaft: Du bist die Frau, auf die ich immer gewartet habe, aber jetzt erst gefunden habe ....
Ich fühlte mich super, angekommen, von einer warmen Wolke umhüllt und ging auf Sprungfedern durchs Leben.
Die Phase dauerte nicht lange und er wurde merklich kühler. Ich fühlte es, aber schob es beiseite. Nur keine Panik, wird schon wieder und ja auch normal, dass die große Verliebtheit mal vorbei ist. Bis dahin hatte er mich so in sein Netz eingewoben, dass ich schon gar nicht mehr raus wollte, obwohl auf Samtpfötchen ein gewisses Misstrauen bei mir erwachte. Ich schob es zwar beiseite, aber ich hatte bereits Vorahnungen, dass es mit der großen Liebe wohl doch nicht so weit her ist.
Bereits da ging es schon an mit dem Selbstbetrug. Innere Alarmanzeichen wurden überhört, nicht wahrgenommen, beiseite geschoben. Du bist zu misstrauisch, zu ängstlich, das hat er nicht verdient usw.
Ich fing bereits an, die Schuld bei mir zu suchen.
Gleichzeitig fing ich an, zu versuchen, ihn bei der Stange zu halten. Ich wurde zu der Frau, von der ich glaubte, dass er sie haben wollte und ab da an verbog ich mich kategorisch.
Tränen wurden unterdrückt, das Ziehen im Herz beiseite geschoben, die Fassade aber aufgemöbelt. Ich wollte die ideale Frau für ihn sein. Von der tollen Geliebten bis hin zu einer Art Lebensberaterin und Psychotherapeutin.
Ab da hatte ich schon verloren, aber ich merkte es nicht. Wer sich verbiegt, wer nicht authentisch ist und eine Rolle spielt, die er nicht fühlt, verrät sich selbst. Er wird zu einer SChauspielerin, die so tut als ob.
Dahinter steckt ein sehr niedriges Selbstwertgefühl. Sei so und so, dann wird er Dich lieben. Sei so und so und er wird (hoffentlich) bleiben. Mach keine Probleme, denn das kommt nicht gut an.
Im Gegenzug, wie ich mich selbst manipulierte und mich damit selbst beschädigte, entschuldigte ich sein Verhalten und legte meinen Fokus auf seine guten Eigenschaften.
Er war doch auch lieb, er konnte doch auch so zuwendend sein, so zärtlich, so zugewandt. Er ist halt schwierig - liegt an seiner Kindheit und er kann auch nicht so viel dafür.
Wo ich dabei blieb, interessierte mich schon gar nicht mehr, denn ich hatte nur ein Ziel: halte diese zerbrechliche Beziehung um jeden Preis!
Ich hatte nur ein Thema in meinem Leben und das war er und diese schwierige Beziehung, die nicht so wurde wie ich sie mir gewünscht hatte. Und trotzdem hielt ich eisern daran fest.
Ich schluckte kritisierende Äußerungen von seiner Seite runter (ein Ansporn, mich noch mehr anzustrengen!), ich schluckte demontierende Aussagen von ihm runter, ich bemerkte die Ausreden und Unwahrheiten, die er sagte und stand ihnen ziemlich hilflos gegenüber. Auf brennende Fragen meinerseits gab es verschwurbelte Äußerungen, Aussagen wie das hab ich doch nie gesagt, das hast Du falsch verstanden etc.) und ich blieb im Ungewissen.
Planungen für die nähere Zukunft: Unmöglich.
Alles musste spontan entschieden werden, damit er sein Hintertürchen offen hielt bis kurz vor knapp.
Gemeinsame Urlaubsreisen: ach woher denn? Undenkbar.
Und trotzdem blieb ich. Dann kam noch eine andere Frau ins Spiel, die ihm schöne Augen machte. Ich wusste es, weil ich seine Mailbox gesehen hatte. Mir wurde heiß und kalt. Was sollte ich nur tun? Anstatt sofort weg zu fahren, blieb ich und kämpfte auf meine Weise um ihn. Es war das einzige Mal, dass ich merkte, auch ich konnte etwas bewegen, auch ich konnte Einfluss nehmen und auch ich hatte so was wie Macht.
Ich gewann ihn damals für mich, aber was habe ich damit gewonnen? In den veränderten Machtbedingungen, einer Frau, die auf einmal den Mut hat, Dinge anzusprechen und Forderungen zu stellen, konnte er nicht umgehen. Und dann ging er.
Hinterher habe ich viel erkannt:
Ich war von Anfang an in der untergeordneten Position. Ich war von seiner Liebe (die keine war) und von seiner Anerkennung abhängig. In Phase 1 wurden meine Bedürfnisse befriedigt.
Dann nicht mehr. Er hatte mich eingewoben wie eine Spinne ihr Opfer einwebt. Das Opfer macht noch ein paar hilflose Zappelversuche, merkt dann, dass es sich nicht befreien kann und wird still und machtlos und abwartend. Es versucht, durch gutes Zureden noch Boden zu gewinnen, aber das war umsonst. Die Spinne beobachtete mich, wie ich mich abstrampelte mit kalten Augen. Die Spinne war er.
Bis ich merkte, dass er nicht so war, wie ich glaubte, war ich schon in der unterlegenen Position gelandet und das verstärkte sich immer mehr. Vor lauter Angst gab ich klein bei, wehrte mich zu wenig oder gar nicht und spielte ihm was vor. Er wurde zum bestimmenden Thema in meinem Leben. Wo ich dabei blieb, interessierte mich dabei nicht.
Zwar fühlte ich, dass es nicht gut lief, aber ich hielt dennoch hartnäckig an ihm fest, belog und betrog mich selbst und redete mir vieles ein.Er ist nicht so, Du musst nur warten und viel Geduld haben, dann wirst Du eines fernen Tages dafür belohnt. Womit? Ha, mit einem defizitären Mann? Nicht zu glauben, wie genügsam Frau wird! Hauptsache, der Typ bleibt. Dafür ist jedes Mittel recht, auch das der Selbstaufgabe.
Und die schönen Seiten und Zeiten mit ihm? Na, die wurden natürlich immer weniger. Interessant ist auch, dass man beginnt, die schönen Zeiten zu idealisieren. Genau diesen Zustand möchte man wieder erreichen und dafür tut man alles. Denn die schönen Dinge werden kostbar, weil sie seltener werden. Und gerade deswegen giert man so sehr danach, nach ein paar lieben Worten, nach Gesprächen und Austausch, nach Zärtlichkeiten, die einem bewiesen, dass man doch noch attraktiv war.
Aber ach, die Phase der Abwertung kam dann doch sehr bald. Nicht ist so unattraktiv wie eine Partnerin, die nichts entgegen setzt, sich stattdessen brav anpasst und dem Mann, wenn er es will, die Füße ableckt ( er wollte es nicht, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es abgelehnt hätte, wenn er es gewollt hätte).
Erst war ich gepflegt, dann eitel. Erst war ich attraktiv, dann passte dies und jenes nicht mehr. Erst freute er sich über meine mitgebrachten Kräuter aus meinem Garten, dann schmeckten sie ihm nicht mehr so gut. Erst sollte ich ihm beim Kleiderkauf begleiten (Wahnsinn, mit Dir macht es sogar Spaß, einen Anzug zu kaufen!), dann ging er lieber alleine.
Ich wurde zu einem willfährigen Nichts und litt unter seinen Zurückweisungen. Aber ich ging nicht. Du musst nur warten, Geduld und Verständnis aufbringen, dann ...
Eines ist sicher: das Blatt wendet sich nicht! In der Phase der Abwertung angekommen wird man als reizlos, langweilig und unattraktiv empfunden und es ist schwierig bis unmöglich, das zu wenden. Denn man wurde eingereiht in eine Frau, die ihm nichts entgegen setzen kann, die ängstlich und verkrampft wird und das merkt er.
Sein Interesse erlahmt, die Frau an der nächsten Ecke ist interessanter und er streckt seine Fühler aus. Er behält einen noch, denn schließlich ist man ja auch irgendwo nützlich, aber er ist bereits auf dem Absprung. Die Ängste steigen und die Panikgefühle erreichen ungeahnte Tiefen. Nur bei der Partnerin natürlich. Ihm geht es gut, denn er ist oben auf dem Podest und darf sich alles erlauben.
Monate nach der Trennung begriff ich immer noch nicht, wie ich mich in eine solche Abhängigkeit begeben konnte, wieviel Ängste und Sorgen ich seinetwegen ausstand und wieviel Energie er mir raubte.
Energievampir, das trifft es. Sie bereichern sich an der Energie der Partnerin, saugen diese aus und reichern damit ihre Machtposition an. Und die Partnerin merkt es nicht oder will es nicht merken.
Er ist der Antreiber. Rauf noch eine Runde, los? Was, Du kannst nicht mehr?! Dir werde ich Beine machen, lauf! Und dann läufst Du, Runde um Runde und er schaut Dir dabei zu. Vielleicht voll heimlicher Freude, wie Frau sich abstrampelt. Sturz in den Wassergraben, egal, aufstehen und weiter laufen. Hürden umgelaufen, macht nichts. Aufgeschlagene Knie, egal, immer weiter laufen bis zur Erschöpfung. So fühlte ich mich oft.
Dass er sich trennte, war rückblickend meine Rettung. Das Beste, was er für mich tun konnte. Denn es zwang mich zum Innehalten, zur Besinnung und letztendlich zu mehr Verständnis.Nur dass ich mich so aufgab, das verstehe ich heute noch nicht. Ich bin sonst nicht so, aber bei ihm ...
Nie mehr solch einen Mann! Nie mehr so eine Beziehung, in der man seine Würde verliert und sich selbst demontiert, weil man es geschehen lässt. Und nie mehr so eine Blauäugigkeit gegenüber einem Mann!
Bis jetzt konnte ich diese Vorsätze halten. 10 Jahre ist es her, dass ich mich verlor und wieder fand. Vielleicht aber auch mich erst fand. Immerhin, solche Beziehungen sind sehr lehrreich. Wahrscheinlich habe ich es gebraucht.
Begonie