Ich will leiden und kann es nicht

Zitat von Angi2:

Ist das Liebe, wenn ich mit jemandem unbedingt in die Kiste steigen möchte?
Ist das Liebe, wenn ich mich für jemanden verantwortlich fühle?
Ist das Liebe, wenn ich mit jemanden gerne zusammen bin?

Letztlich muss das natürlich jeder für sich selbst erforschen. Ich kann für mich nicht abschließend sagen, was Liebe ist. Am ehesten aber würde der Begriff für mich positive, freudige Gefühle für jemanden beschreiben, das Bedürfnis, demjenigen Geborgenheit und Schutz zu geben. Es ist, streng genommen, etwas einseitiges, das nur Wirkung entfaltet, wenn es die andere Seite annimmt, und dessen Wirkung verstärkt wird, wenn es die andere Seite erwidert - aber ohne, dass eine Seite jemals Bedingungen für diese Gefühle konstituiert, weil Gefühle kein Handel sind.

Mira_: Es ist so ähnlich, aber nicht ganz so, wie Angi2 meinte. Ich bin nicht kalt, ich fühle also die positiven Gefühle für sie und es ist schön, an sie zu denken. Aber wenn ich beginne, sie zu vermissen, weil sie (sie wohnt ein ganzes Stück weit weg von mir) nicht anruft oder nicht schreibt, und ich vor dem Schlafengehen traurig bin, weil wir uns nicht Gute Nacht gesagt haben, wie das bisher immer der Fall war, dann ist es nicht Traurigkeit, die ich fühle, sondern einfach ein beschwerendes Gefühl. Druck. Und am nächsten Morgen - immer noch keine Nachricht - ist es Antriebslosigkeit, wie T4U angesprochen hat. Es geht also in Richtung Depression, es ist aber keine, eher eine depressive Verstimmung. Ich kann soweit normal arbeiten, ich koche seit Corona ohnehin nur noch selbst, aber das Essen schmeckt plötzlich nicht mehr gut, egal, was oder wie gut ich koche. Ich habe mich immer so sehr über solche Kleinigkeiten gefreut und aktuell ist es halt: Essen. Es ist einfach diese Lebensfreude, die ich sonst wirklich 6,5 Tage von 7 Tagen pro Woche hatte, nicht mehr da. Es ist aber auch nicht so, dass ich mich jetzt irgendwo versenken möchte - das käme für mich nie in Frage. Ich kann auch (komischerweise) hervorragend schlafen. Aber es sind durchaus die schlimmsten Tage, die ich in den letzten Jahren hatte. Ich habe mich seit Jahren nicht mehr so schlecht gefühlt. Natürlich, ich hatte auch schlechte Tage - aber das sind bisher einfach richtig grausame zwei Wochen für mich. Wenn ich es irgendwann schaffe, zu weinen, fühle ich mich, teilweise für Stunden, bedeutend besser.

Extra15: Alk. hat bei mir eine emotionale Wirkung, aber ich trinke aus Überzeugung nicht, daher kommt das bei mir nicht wirklich in Frage

Extra15: Alk. hat bei mir eine emotionale Wirkung, aber ich trinke aus Überzeugung nicht, daher kommt das bei mir nicht wirklich in Frage

Eben drum! Was meinst du, wie erleichtert du bist, wenn du mal ordentlich losheulst.

Ich denke mal, die Traurigkeit würde dir was signalisieren, was für dich sehr schlimm wäre: nämlich dass sie dir inzwischen genug bedeutet, um deine Verlustängste von früher wieder hochzuholen, würdest du das alles jetzt zulassen. Darum sagt deine Psyche Nö.

Zitat von Tukan:

. Aber es sind durchaus die schlimmsten Tage, die ich in den letzten Jahren hatte. Ich habe mich seit Jahren nicht mehr so schlecht gefühlt.

.... ist das nicht leiden?

Könnte es nicht deine Art sein - zu leiden, weil du Angst hast, mehr Trauer zuzulassen?

Zitat von Tukan:

Wenn ich es irgendwann schaffe, zu weinen, fühle ich mich, teilweise für Stunden, bedeutend besser.

Also gelingt es, nur nicht, wenn du es dir dringend wünscht.

Vielleicht als Tipp oder Test, Zwiebeln zu schneiden, da diese ja Weinen anregt - so als Starterfunktion?

Zitat von Angi2:

.... ist das nicht leiden?

Könnte es nicht deine Art sein - zu leiden.

Nein, das wäre das Leiden eines Depressiven und das war ich jahrelang nicht mehr, nicht annähernd mehr. Ich habe davor vier Jahre voll mit Depressionen durchgemacht und wie schlimm sich das anfühlt das ist nicht zu beschreiben.

EDIT: T4U - Sorry, hatte mich erst verlesen!

Zitat von T4U:

Also gelingt es, nur nicht, wenn du es dir dringend wünscht.

Das könnte man so sagen. Irgendwann gelingt es, so irgendwie, und dann ist es auch sehr erleichternd.

Zitat von T4U:

Vielleicht als Tipp oder Test, Zwiebeln zu schneiden, da diese ja Weinen anregt - so als Starterfunktion?

Ich kann es mir kaum vorstellen, testen könnte ich es. Müsste ich aber leider wegschmeißen, weil ich Zwiebeln nicht vertrage

Depression ist nichts anderes als die Unfähigkeit zu trauern.
Therapie ist Trauer- und Trennungsarbeit. Schon mal eine gemacht?

Zitat von Abraxas:

Depression ist nichts anderes als die Unfähigkeit zu trauern.
Therapie ist Trauer- und Trennungsarbeit. Schon mal eine gemacht?

Ja, das war meine Therapie

Von Depressionen danach keine Spur mehr. Und ich habe so viel getrauert, als wär die halbe Menschheit gestorben. Alles aufgearbeitet.

Und nun, wo neues beginnen könnte, hast du Angst wieder in alte vertraute Bahnen zu geraten? Evtl nimmst du dir nochmals kurz Hilfe an die Hand, die dich begleiten könnte ein Stück? Neue Verhalten einüben?

Wenn ich es nicht selbst auf die Reihe bekomme innerhalb eines Monats, bleibt mir vermutlich nichts anderes übrig. Allerdings hat es schon sehr geholfen, dass ihr euch Zeit für mein Anliegen genommen habt. Vielen Dank dafür

Gleichwohl muss ich nun den Entschluss fassen, ob ich mich nun auch (von ihr) zurückziehe, oder nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass ich mich zum Eigenschutz zurückziehen sollte.

Zitat von Angi2:

Ich muss gerade schmunzeln....wie macht sich bei dir nichts fühlen bemerkbar, liebe Mira?

Die Frage gebe ich gerne an Dich zurück.

Zitat von Tukan:

Mira_: Es ist so ähnlich, aber nicht ganz so, wie Angi2 meinte.

Du schützt Dich. Es ist ein Mechanismus, den gerade traumatisierte Menschen haben. Setz Dich nicht zu sehr unter Druck Gehe langsam an das Fühlen ran. Fühle langsam in Dich hinein.

Ich bin gerade am Arbeiten, darum nur so kurz und möchte Dir Danke für deine Antwort sagen.

Im Nichts fühlen, stecken ganz viele Gefühle.

Ich habe zu danken
Moon River

Zitat von Tukan:

Mein Gefühl sagt mir, dass ich mich zum Eigenschutz zurückziehen sollte.

Wenn du keine Angst hast, warum willst du dich dann zum Eigenschutz zurückziehen. Wovor - wenn nicht vor Trauer - hast du Angst?

Ich habe Angst, dauerhaft im Unklaren zu sein. Bereits diese Wochen waren schlimm. Es ist ja nicht so, als müsste ich nur drei Wochen warten und ihre Isolation wäre beendet. Ich muss, denke ich, für mich - erst einmal - damit abschließen und akzeptieren, wie es ist. Das kann ich nur, wenn auch ich mich zurückziehe.

Du konntest deine Depri überwinden mit Hilfe, wenn sie dies auch tun würde - könnte es was werden?