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Mein Partner hat einen Kontrollzwang

D
Mein Partner und ich sind beide Anfang 40. Nachdem unsere Beziehung jahrelang sehr entspannt und harmonisch war, läuft es mittlerweile nicht mehr so gut. Mit getrennten Wohnungen war alles prima und die ersten ca. 3 Jahre in der gemeinsamen Wohnung war ich auch noch sehr glücklich mit ihm.

Mir fällt immer stärker auf, dass er einen Kontrollzwang entwickelt hat. Bevor wir zusammenkamen, waren wir beide sehr aktive Menschen, viel mit Freunden und hobbytechnisch unterwegs. Als wir ein Paar wurden, merkten wir, dass wir die viele Action nicht mehr wirklich brauchten, gingen immer seltener aus und lernten auch ruhige Tage/Abende sehr zu schätzen.

Irgendwann hatte er wieder stärkeres Interesse an Treffen mit Freunden und Hobby-Aktivitäten und ging wieder etwas öfter aus. Ich bin nicht der Typ Frau, der seinem Partner irgendwas verbietet und habe mich dann auch wieder mehr mit anderen Menschen verabredet und meine Interessen gepflegt. Das findet er aber nicht gut. Auf mich macht das den Eindruck, als ob er das ganz normal findet, auch mal ohne mich unterwegs zu sein. Wenn ich aber ohne ihn etwas unternehme, ist ihm das nicht Recht und er versucht dann, mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Z. B. kommen dann so Sprüche, so von wegen ich würde ihn mit der ganzen Hausarbeit alleine lassen.

Sein Verhalten im Alltag hat sich auch stark verändert. Z. B. haben wir uns eine Spülmaschine gekauft, aber nur er darf sie einräumen. Mein Partner hat nämlich sein festes System und regt sich tierisch auf, wenn ich z. B. einen kleinen Löffel nicht dorthin reinstecke, wo er ihn haben möchte. Alles muss so eingeräumt sein, wie er sich das vorstellt. Ich finde das albern und völlig übertrieben.

So ähnlich ist es mit dem Essen. Wenn bestimmte Obst- oder Gemüsesorten nicht innerhalb von 3 Tagen aufgegessen ist, macht er voll den Stress und behauptet, dass keine Vitamine mehr in den Sachen drin sind und er sie wohl meinetwegen entsorgen muss. Dabei esse ich wirklich fast alles, was wir kaufen, bei uns landen selten Lebensmittel im Müll.

Seit einiger Zeit versucht er mir auch Vorschriften beim Essen und Trinken zu machen. Ich bin ja wirklich eine unkomplizierte Esserin und gar nicht mäkelig, probiere gerne und vieles aus. Aber wie fast jeder Mensch habe auch ich meine No Go's, z. B. mag ich keinen grünen Salat und keine Rote Beete. Alle anderen Gemüsesorten esse ich gerne. Mein Partner akzeptiert aber nicht, dass ich grünen Salat und Rote Beete nicht mag und will mich immer wieder dazu überreden, das zu essen. Ich weigere mich, er ist dann stinksauer und wir haben stundenlang schlechte Laune im Haus. Es stört ihn auch total, dass ich jeden Tag zwei Tassen Kaffee trinke und er fängt dann ständig Diskussionen an, wie ungesund das ist und dass ich doch so wie er nur eine Tasse täglich trinken soll.

Mir geht sein Verhalten total auf die Nerven. Es ist anstrengend, kräfteraubend und nimmt mir den Spaß am Leben. Manchmal fühle ich mich, als ob er mich nach seinen Vorstellungen erziehen möchte und das geht für mich gar nicht. Eine Trennung kommt für mich nicht in Frage, weil uns trotz allem noch viele schöne Dinge verbinden. Ich bin auch nicht abhängig von ihm, denn ich verdiene deutlich mehr als er. Außerdem war er ja nicht immer so drauf.

Gibt es eine Möglichkeit, dass es wieder so wird wie früher?

30.11.2024 10:19 • x 2 #1


Scheol
Zitat von Donauwelle:
Mein Partner und ich sind beide Anfang 40. Nachdem unsere Beziehung jahrelang sehr entspannt und harmonisch war, läuft es mittlerweile nicht mehr so ...

Hmmm Kontrollzwang.

wann hat das ca. angefangen und ist davor in einem Zeitfenster von drei Jahren ( oder länger ) irgendwas schweres einschneidendes in sein Leben passiert was ihn seit belastet hat ?

Oder gab es in seiner Familie Personen die das hatten ?

30.11.2024 10:42 • x 4 #2


A


Mein Partner hat einen Kontrollzwang

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B
@Donauwelle

Willkommen im Forum

Zitat von Donauwelle:
Gibt es eine Möglichkeit, dass es wieder so wird wie früher?

Zitat von Donauwelle:
Eine Trennung kommt für mich nicht in Frage, weil uns trotz allem noch viele schöne Dinge verbinden.

Eine Paartherapie?

Irgendwas sagt mir, dass er unzufrieden und das Verhalten Ausdruck dessen ist.

Weißt du was über seine Ursprungs-Familie?

Zitat von Donauwelle:
Mit getrennten Wohnungen war alles prima und die ersten ca. 3 Jahre in der gemeinsamen Wohnung war ich auch noch sehr glücklich mit ihm.


Zitat von Donauwelle:
Mir fällt immer stärker auf, dass er einen Kontrollzwang entwickelt hat.

Wann fing das an?
3 Jahre in einer Wohnung und da war sein Verhalten nicht so?

Zitat von Donauwelle:
Irgendwann hatte er wieder stärkeres Interesse an Treffen mit Freunden und Hobby-Aktivitäten und ging wieder etwas öfter aus.

Zitat von Donauwelle:
habe mich dann auch wieder mehr mit anderen Menschen verabredet und meine Interessen gepflegt. Das findet er aber nicht gut.

Weil er Angst vor etwas hat?
Was sagt er dir weshalb er das nicht gut findet, abgesehen vom Haushalt? Wie oft gehst du denn weg?

Frage ihn nach dem wirklichen Grund und ob es ihm nicht gut geht, dass dir eine Veränderung aufgefallen ist- ohne Vorwürfe.

30.11.2024 11:23 • x 2 #3


S
Liebe Donauwelle,

die Frage nach der Ursprungsfamilie erscheint mir hier auch mehr als angebracht.

Kontrollzwang entspringt Ängsten. Es ist der Wunsch, durch Kontrolle Macht über etwas oder Jemanden zu haben, damit das Leben nicht im (eingebildeten) Chaos versinkt. Oder um überhaupt einen Aspekt des Lebens im Griff zu haben. Momentan scheinst Du das für ihn zu sein...

Wie hat er seine Kindheit verbracht? Woher kommen seine eventuellen Ängste? Wo fühlt er sich momentan hilflos ausgeliefert? Was läuft schief, beruflich oder ansonsten? Wo hat er gelernt, durch Kontrolle Stabilität (vermutet) zu erhalten?

Eine Paartherapie könnte helfen, all das aufzuklären und Euch als Paar wieder einen freundvollen Umgang zu geben.

30.11.2024 11:36 • #4


D
Vielen Dank euch allen für eure Einschätzung.

Mein Partner stammt in der Tat aus einer etwas ungewöhnlichen Ursprungsfamilie. An seine Eltern als Paar kann er sich nicht erinnern, weil sie sich bereits wenige Monate nach seiner Geburt getrennt haben. Bis zu seiner frühen Pubertät ist er bei seiner Mutter und den Großeltern aufgewachsen. Seine Mutter war - wie er auch - schon immer ein Mensch, der nicht sehr belastbar ist. Nach dem Tod ihrer Eltern hat sie die Kontrolle über Haushalt und Erziehung verloren, sodass ihr das Jugendamt den Sohn weggenommen hat.

Mein Partner hat danach einige Jahre bei seinem Vater und seiner Tante (der Schwester des Vaters) gelebt. Während seine Mutter in der Erziehung sehr locker war und er bei ihr meistens tun konnte, was er wollte, war sein Vater etwas strenger und hat ihm Grenzen gesetzt. Auf der anderen Seite hat er sich auch gut um ihn gekümmert und fast jeden Sonntag etwas mit ihm unternommen. Die Tante war eine sehr dominante Person, mein Partner hat kaum gute Erinnerungen an sie.

Der Vater meines Partners lebt schon lange nicht mehr, die Tante ist vor wenigen Jahren auch verstorben. Die Mutter ist noch da, braucht aber sehr viel Hilfe und das ist für ihn ein großes Problem. Er fühlt sich generell schnell überfordert und die zusätzlichen Aufgaben setzen ihn stark unter Druck.

Über eine Paartherapie habe ich auch schon nachgedacht, aber mein Partner will leider nichts davon wissen. Seiner Meinung nach liegt es nur an mir, dass er sich so verhält. Er wird inzwischen auch öfters mal pampig und laut (seiner Mutter gegenüber war er schon so, als ich ihn kennengelernt habe, inzwischen lässt er seinen Launen auch an mir aus) und hat mich auch schon in Gegenwart von Freunden angepflaumt und wie ein unmündiges Kleinkind zurechtgewiesen.

Natürlich habe ich ihn schon gefragt, ob es da etwas gibt, womit er unzufrieden ist, dass er sein Verhalten dermaßen geändert hat. Dazu meinte er nur, dass er gar nicht unzufrieden ist und es ihn nur nervt, dass ich ständig am Maulen bin und viel dummes Zeug von mir gebe. Wenn das aber wirklich so wäre, würden andere Menschen auch so mit mir umgehen. Am Arbeitsplatz und im Freundeskreis werde ich aber sehr geschätzt und komme prima mit den Leuten klar.

30.11.2024 12:09 • x 2 #5


S
Zitat von Donauwelle:
Nach dem Tod ihrer Eltern hat sie die Kontrolle über Haushalt und Erziehung verloren, sodass ihr das Jugendamt den Sohn weggenommen hat.

Das ist ein sehr schlimmes und einschneidendes Erlebnis. Es könnte bewirkt haben, dass er der Meinung ist: wenn ich keine Kontrolle ausübe, passiert etwas ganz Furchtbares. Mein Leben bricht zusammen.

30.11.2024 12:18 • x 3 #6


D
Zitat von Sonnenblume53:
Das ist ein sehr schlimmes und einschneidendes Erlebnis. Es könnte bewirkt haben, dass er der Meinung ist: wenn ich keine Kontrolle ausübe, passiert etwas ganz Furchtbares. Mein Leben bricht zusammen.

Mein Partner hatte allerdings jederzeit Kontakt zu seinen beiden Elternteilen. Der Elternteil, bei dem er gerade nicht wohnhaft war, hat sich trotzdem um ihn gekümmert, ihn angerufen, sein Besuchsrecht wahrgenommen und war für ihn da.

Viel schlimmer fand er, dass er nach der Entscheidung des Jugendamtes seine Freunde aus der Nachbarschaft und aus der Schule nicht mehr regelmäßig sehen konnte. Seine Eltern haben 30 km auseinander gewohnt. Freunde waren meinem Partner schon immer wichtiger als die Familie.

30.11.2024 12:22 • x 1 #7


O
Möglich, dass er genetisch eine psychische Vorbelastung durch seine Mutter hat und ähnlich tickt. Auffallend sind seine Respeklosigkeiten und Abwertungen, Nörgelei in Eurer Partnerschaft. Ich würde mir so ein Verhalten nicht gefallen lassen und mit ihm streiten. Ich befürchte, sein Verhalten wird noch schlimmer werden. Irgendwann ziehst du dann die Reissleine und gehst freiwillig. Warum nicht gleich jetzt?

30.11.2024 12:24 • x 6 #8


S
Zitat von Donauwelle:
Freunde waren meinem Partner schon immer wichtiger als die Familie.

Das kann ich gut verstehen! Die Familiensituation war nicht gerade dazu angetan, ihm Stabilität und Geborgenheit zu geben.

Ihr werdet da noch Einiges an Beziehungsarbeit vor Euch haben, vermute ich.

30.11.2024 12:26 • #9


D
Zitat von Olive70:
Möglich, dass er genetisch eine psychische Vorbelastung durch seine Mutter hat und ähnlich tickt. Auffallend sind seine Respeklosigkeiten und Abwertungen, Nörgelei in Eurer Partnerschaft.

Seine Mutter ist zwar auch nicht gerade belastbar, aber sie hat keinen Kontrollzwang und wird auch nicht laut oder respektlos.

Ich lasse mir nichts von ihm verbieten und esse/trinke, was mir schmeckt, treffe mich mit Freunden, wenn ich Lust darauf habe und besuche meine Familie, wenn mir danach ist. Trotzdem hört er nicht auf zu stänkern, wenn ich so lebe, wie es mir gefällt.

Ihn zu verlassen wäre nicht einfach. Einerseits weiß, dass er das nicht einfach so hinnehmen würde. Ich müsste mit einem heftigen Tobsuchtsanfall rechnen. Er könnte theoretisch passieren, dass er einige Gegenstände, die mir gehören, vor lauter Wut zerstört. Andererseits bin ich selbst nicht so belastbar, wenn um körperliche Arbeit geht. Ein Umzug ist für mich der reinste Horror, weil ich mit diesem Stress nicht klar komme.

30.11.2024 12:32 • x 1 #10


F
Zitat von Donauwelle:
Gibt es eine Möglichkeit, dass es wieder so wird wie früher?

So lange er keinen Leidensdruck hat und kein Bedürfnis etwas an seinem eigenen Verhalten zu ändern: nein, leider nicht.

30.11.2024 12:33 • x 5 #11


D
Zitat von Florentine:
So lange er keinen Leidensdruck hat und kein Bedürfnis etwas an seinem eigenen Verhalten zu ändern: nein, leider nicht.

Und wie bekommt er diesen Leidensdruck? Kann ich etwas tun, damit dieser Leidensdruck in ihm entsteht?

30.11.2024 12:37 • #12


OxfordGirl
Zitat von Donauwelle:
Gibt es eine Möglichkeit, dass es wieder so wird wie früher?

Vielleicht war er schon immer so und hat es eine Weile unterdrücken können.
Da eher du den Leidensdruck hast, wird er vermutlich an der Situation nichts ändern wollen. Du bist eh Schuld, und wenn du mich fragst, hat er sowieso den Respekt und die Augenhöhe zu dir verloren.
Zitat von Donauwelle:
Er wird inzwischen auch öfters mal pampig und laut (seiner Mutter gegenüber war er schon so, als ich ihn kennengelernt habe, inzwischen lässt er seinen Launen auch an mir aus) und hat mich auch schon in Gegenwart von Freunden angepflaumt und wie ein unmündiges Kleinkind zurechtgewiesen.

Das ist eine schreckliche Dynamik, die sich hier entwickelt hat. Dein Partner muss aber von sich aus den Ursachen auf den Grund gehen wollen. Vielleicht wären 2 getrennte Wohnungen wieder eine Option. Dann musst du dir zumindest den Haushaltsterror nicht mehr geben.

30.11.2024 12:37 • x 2 #13


B
Letzendlich ist es egal, warum er sich benimmt, wie er es gerade macht. Ich nenne sein Verhalten asozial.
Ich schätze da hast du schon vorher Red Flags nicht bemerkt oder beachtet und nun zeigt er dir sein wahres Gesicht.
Schau auf die Fakten und handle danach. Möchtest du dich so weiter behandeln lassen, wie ein umündiges Kleinkind?!
Ich schätze das wird noch schlimmer werden.
Klar hat er auch gute Seiten und es gab sicher auch eine nette Zeit. Fakt ist aber, nun hat er die Maske fallen lassen. Und gute Seiten hat auch jeder Schwerverbrecher.
Ich sehe hier wenig Chancen, dass es für dich gütlich weiter geht.

30.11.2024 12:43 • #14


Y
Die Beziehung nicht zu verlassen, weil du Angst vor einem Wutausbruch hast, wäre ein Grund, sie zu verlassen. Umzugsstress sollte auch kein Hinderungsgrund sein.

Dein Partner hat ein enormes Kontrollbedürfnis. Aus seiner Biografie heraus lässt sich das ja auch ganz leicht ableiten. Um das zu verarbeiten und Kontrolle auch wieder loslassen zu können, was ja in allererster Linie ihn befreien würde, muss er aber einen subjektiven Leidensdruck haben. Er müsste offen sein für die Thematik und das Thema als eine, seine, Baustelle anerkennen und nicht als etwas, was du an ihm verändern möchtest. Damit erzeugst du Druck und auf Druck folgt Gegendruck.

Du kannst also nur versuchen ihm sanft klar zu machen, dass du siehst, dass er da ein ganz großes Bedürfnis mit zum Ausdruck bringt, wie er dich behandelt. Und dieses Bedürfnis nichts mit dir zu tun hat, sondern mit seiner Geschichte. Ein Bedürfnis nach Sicherheit. Eine Angst, dass wenn er die Kontrolle verliert und loslässt, dann alles auseinander fällt. Dass fehlendes Vertrauen ins Leben bei ihm ganz früh entstanden ist und nur er und nicht du dieses fehlende Urvertrauen (mit Hilfe) wieder neu für sich entwickeln kann.

30.11.2024 12:43 • x 3 #15


A


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