Guten Tag Yvi,
es hat sich offensichtlich sehr hart getroffen in deinem Leben. Die Tatsache, dass dein Mann mit deinen Kindern und einer neuen Partnerin ein mehr der weniger normales und schönes Leben lebt, war ja schon kaum zu verarbeiten. Darum ist es verständlich, dass du die Nähe eines Mannes gesucht hast, der die richtigen Worte gefunden hat, der für dich und die Kinder da sein will und der auch einen Lebensplan mit dir entwickeln will. Das war Balsam, das hat dir gut getan, das war genau der richtige Zeitpunkt.
Das, was du damals an deinem neuen Partner gefunden hast, wolltest du finden. Du hast ersehnt, was du gesehen hast und du hast das, was an Signalen vielleicht schon da gewesen sein könnte, übersehen. Das ist normal. So macht man das, wenn man sich verliebt. Man entdeckt die positiven Anteile am jeweils anderen und man verstärkt die dann auch für den jeweils anderen, man macht sich schön füreinander. Diese Phase dauert etwa ein halbes Jahr und diese Zeit habt ihr miteinander genossen und Projekte entwickelt.
Die darauf folgende Phase ist fast bei allen Paaren mit Entdeckungen verbunden, die nicht durchweg angenehm sind. Denn die Anteile, die so lange unwichtig waren und darum verborgen werden konnten, werden nach dieser Phase sichtbar und müssen in eine Beziehung, die dann ja eine Liebesbeziehung werden soll, integriert werden. Oft gelingt das, aber längst nicht immer. Und es sind oft auch weniger schwerwiegende Eigenschaften, als es bei euch der Fall war. Oft ist es ein unterdrückter Freiheitsdrang, oft eine Nähe zu Gewalt in Worten oder Taten, oft auch nur unangenehme Angewohnheiten. Das alles führt dann dazu, dass sehr viele Beziehungen nach dieser Zeitspanne wieder beendet werden. Manche wollen das nicht sofort, sondern haben irgendwo gelernt, dass man so etwas auch aushalten muss. Das gelingt dann ein weiteres Jahr. Und nach eineinhalb bis zwei Jahren sind all die Beziehungen beendet, bei denen es nicht möglich war, eine tragfähige Kompatibilität herzustellen und so eine langjährige Liebesbeziehung daraus zu machen.
Ich schildere das so ausführlich, weil ich dir damit vielleicht vermitteln kann, dass du gar nicht in einer sooooo ungewöhnlichen Situation bist, sondern dass es vielen ähnlich geht. Nur spielen da eben andere und weniger dramatische Angewohnheiten eine Rolle. Über die Schädlichkeit, die gesundheitlichen Folgen und die tiefgreifenden Störungen, die Alk. mit sich bringt, haben ja andere hier schon viele geschrieben. Ich gehe darauf nicht weiter ein.
Es ist mir aber wichtig, dir klarzumachen, dass die liebevollen und liebenswerten Anteile deines neuen Partners nicht in Frage stehen. Die sind nach wie vor da. Die haben auch zum Verlieben geführt. Aber die anderen, schädlichen, Anteile konntest du bisher noch nicht ohne weiteres sehen. Die waren auch da, konnten aber verborgen werden. Wenn du diesen Mann nun verlässt, dann ist das nicht Treulosigkeit, nicht Undankbarkeit, nicht Inkonsequenz, sondern es ist die Logik aus der Tatsache, dass man nun mal einen solchen Zeitraum braucht, um einen Menschen so gut kennen zu lernen, dass man sich dazu entscheiden kann, mit ihm eine lange Lebensspanne zu verbringen, ein Haus zu kaufen oder ähnliche langfristige Projekte in Angriff zu nehmen. Dass dein Partner dieses Projekt von Haus und Grundstück also angesprochen und geplant hat, hängt natürlich auch damit zusammen, dass er das Bedürfnis hatte, dich langfristiger an sich zu binden und damit deine Toleranz seinen Schwächen gegenüber auszuloten.
Das ist nicht hinterhältig, das ist normal. Das würden viele so machen, die einer solchen Suchterkrankung ausgeliefert sind. Er ist also kein schlechter Mensch, er ist vermutlich ein herzensguter Mensch. Aber er hat sich damit, dass er sich der Sucht nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln entzogen hat, zu einem Leben entschieden, dass du nicht mit ihm teilen solltest, weil du damit überfordert würdest. Das scheint absehbar. ER hat sich FÜR dieses Leben entschieden, DU kannst dich nun GEGEN dieses Leben entscheiden.
Zitat:
Eigentlich bin ich auch glücklich, aber kennt ihr das Gefühl, dass das vielleicht doch alles nicht so richtig war? Hab ich überstürzt gehandelt? (Frage ich mich gerade.)
Nein, das sehe ich nicht so. Du hast so gehandelt, wie man nun mal handelt, wenn man allein gelassen wurde und wieder einen liebenswerten Menschen in seinem Leben haben möchte. Um das aber in Gänze beurteilen zu können, ob dieser Mensch auch ein Lebensmensch sein könnte, braucht man halt eine gewisse Zeitspanne, die eindeutig über die Hormonphase hinaus gehen sollte. Und da stehst du gerade. Und darum musst du dich nun auch entscheiden. Damals konntest du das nicht.
Zitat:Er trinkt nach dem Krankenhausaufenthalt, trotzdem sein B. heimlich weiter.
Ich habe es durch Zufall entdeckt, eher gehört, weil er sich eine Bierdose auf gemacht hat.
Ich konnte bisher noch nicht mit ihm direkt darüber sprechen, ich fang irgendwie an mich von ihm zu distanzieren.
Das ist gut so. Das ist aber erst der Anfang. Die Distanzierung wird wohl weiter gehen müssen, auch wenn es sehr weh tut. Und zwei DEINETWEGEN, denn du bist wichtiger als er. Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben, nicht er.
Zitat:Wir sind sogar schon am Gründstück, für ein neues größeres Haus, suchen. Wenn das nicht klappt wollten wir zusammen ein Größeres kaufen. Warum muss ich dieses Jahr an jeder Ecke bestraft werden? Was hab ich nur verbrochen?
Erst die Trennung, auf die Schnelle in eine kleine 1 Zimmer Wohnung ziehen, einen neuen Menschen kennen und lieben lernen, meinen Kindern und meiner Mutter vorstellen, zu ihm zu ziehen, meinen neuen Job nicht mehr richtig zu mögen, wieder angefangen zu rauchen und dann auch noch die Entdeckung anscheinend einen Alk. zum Freund zu haben.
Erstens ist die Formulierung, etwas verbrochen zu haben, für das man bestraft wird ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der vor allem die Religionen einem diese Sichtweise vermitteln wollten. Lass das sein, es nutzt dir nicht. Und warum solltest du Gedanken denken, die dir nicht nutzen?
Dass du wieder rauchst, war eine Entscheidung, die du jederzeit wieder rückgängig machen kannst. Du spürst dann allerdings, wie schwer das ist und dir wird damit klar, welche gewaltige Aufgabe dein Partner vor sich hatte, wenn er sich von seiner Alk. verabschieden wollte. Das sollte dich aber nicht davon abhalten, wieder aufzuhören, wenn dich das Rauchen stört.
Das, was du im März getan hast, war richtig und gut. Ich hatte das oben ja schon beschrieben. Aber es hört eben nicht auf, sondern es geht weiter. Das Kennenlernen geht weiter. Und nun hast du etwas an ihm kennen gelernt, das dazu führen kann, dass ihr wieder getrennte Wege geht. Und zwar dann, wenn du dich dazu entscheidest.
Zitat:Ich sitze hier gerade und bin hin und her gerissen, ob ich meinen Kindern und mir das antun soll und die Beziehung wieder beende. Ich weis nicht, was ich verbrochen habe, das ich wieder das Gefühl habe vor dem Nichts zu stehen und emotional total fertig bin.
Schon wieder diese Sichtweise, für etwas bestraft zu werden. Sie ist falsch und sie schadet dir. Du hast sie von irgendjemandem gelernt, der davon überzeugt war. Du kannst herausfinden, dass sie falsch ist und damit aufhören.
Du würdest dir und deinen Kindern vermutlich sehr viel Schlimmeres antun, wenn du die Beziehung weiter führen und zur Lebensbeziehung machen würdest. Und du stehst nicht vor dem Nichts, wenn du dich trennst, sondern du bist wieder frei. Wenn du bleibst, wirst du wohl mehr und mehr spüren, dass du absolut nicht frei, sondern in einem Netzwerk von Sucht, Verdrängung, Lügen, Verbergen und schweren gesundheitlichen Schäden gefangen bist
Zitat:Ich glaube ich muss doch irgendwie an einen Therapeuten kommen, ich kann bald nicht mehr...
Das ist auf Dauer sicherlich sinnvoll. Leite es schon mal in die Wege, es kann einige Monate dauern, bis du einen
Zitat:Platz bekommst.
Er hat mich mit seiner Art zu Schreiben, seiner Offenheit, Ehrlichkeit und seiner Meinung zu Kindern überzeugt, dass er der Richtige sein könnte.
Richtig. Und diese Anteile sind auch vorhanden und sie gehören zu ihm. Dass er nun doch nicht der Richtige sein könnte, ist eine spätere Erkenntnis, die aber zum gesamten Kennenlernprozess dazu gehört.
Ich hoffe, ich konnte dir damit eine etwas andere Sicht auf das vermitteln, dass du gerade durchmachen musst. Und vor allem ist es wichtig, dass du in die Lage versetzt wirst, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
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