Sechs
Stunden Schlaf endlich mal wieder. Wie zufrieden mich Dinge und Umstände machen können, die selbstverständlich sein sollten.
Was mich umtreibt:
Ich halte mich weder für besonders schlau noch für besonders schön und vielen Dingen für nicht besonders begabt sondern in vielerlei Hinsicht für durchschnittlich. Aber ich bin meine beste Freundin und zufrieden mit dem, was mir in die Wiege gelegt wurde und was ich daraus gemacht habe und zu machen gedenke.
Wenn es um die Fähigkeit geht, mit Zahlen umzugehen, hätte es ein bisschen mehr sein dürfen - wenigstens eine solide Grundausstattung hätte es schon sein können. Das findet auch meine Bank. Vielleicht aber war ich auch lediglich nie gezwungen, den Umgang damit zu perfektionieren, weil mein Einkommen immer gut war. Eine Ausgangssituation, die das gut kompensiert. Ich habe es im Erwachsenenleben noch einmal ernsthaft versucht, einen Zugang zu ihnen zu finden und nach einem höchst fordernden mehrmonatigen Wochenendseminar an der Uni im letzten Jahr meinen Frieden damit gemacht, dass wir keine Freunde mehr werden. Das hat auch Vorteile. So ist auch das Alter nur eine Zahl, die mir so gar nichts sagt. Vor allem mein eigenes Erstaunlicherweise war ich eine gute Controllerin. Weiß der Himmel, wie das passieren konnte.
Statt eines Gespürs für Zahlen habe ich anscheinend eben ein bisschen mehr von zwei anderen Fähigkeiten bekommen. Ich kann im Alltag sehr gut Stimmungen von Menschen aufnehmen und habe ein feines Gespür für Atmosphären. Darüber hinaus kann ich gut mit Wörtern umgehen. Schriftlich besser als mündlich. Manche Fremdwahrnehmungen sehen anders aus, was das gesprochene Wort angeht.
Und damit komme ich zum Punkt. Ich weiß, es geht vielen Frauen so, dass Ihnen gesagt wird, die meisten Männer wären ihnen aufgrund ihres Selbstbewusstseins und ihrer Eloquenz wohl nicht gewachsen. So geht es auch mir. Ein Leben lang. Früher habe ich meine Gesprächspartner in die Enge gedrängt. Nicht nur einmal bekam ich zum Schluss ein verzweifeltes Ich weiß nicht mehr, was ich noch sagen soll. Ich kann halt nicht so gut reden wie Du. zu hören. Das passiert heute nicht mehr, weil ich damit nichts erreiche. Ich habe mühsam gelernt, diplomatisch vorzugehen. Holzhammer und Brecheisen fand die Dramaqueen in mir als junge Frau viel spannender.
Ich verstehe nicht, warum es so ist, dass viele Männer angeblich Angst haben. Denn es liegt sicher jeweils nicht an der Grundausstattung der Männer oder an meiner. Ich habe gelernt, nicht alles zu sagen, was ich denke. Ich habe gelernt, Aussagen auf das Minimum zu reduzieren, das mein Gegenüber braucht, um die vordringliche Botschaft heraus hören zu können (danke an einen sehr guten Coach). Ich habe gelernt, weniger konfrontativ zu agieren und und und. Ein desolater Gesprächspartner verschafft mir keinen Gewinn.
Ich kann angemessen vermitteln, was ich vermitteln möchte. Aber ich kann Wörter auch als Waffe benutzen. Wenn ich zu stark verletzt werde, packe ich scharf geschliffene Waffen aus und mit denen setze ich kleine feine Schnitte - derer viele oder bohre in schon vorhandenen Verletzungen, die ich sehr wohl schon sehr früh erkenne, aber normalerweise nicht neu aufzureißen oder zu reizen versuchen. Denn ich wünsche, dass man so auch mit meinen Verletzungen umgeht. Bevor ich die Messer wetze, muss schon viel Schlimmes passiert sein, z.B. erfahre ich zufällig, dass das OdB gerade ein Haus mit einer anderen Frau kauft, während ich glaube, wir wären zusammen. Das ist natürlich rein hypothetisch. Oder schon sehr lange her.
Ich diskutiere gern kontrovers und messe mich auch gern mit Worten, aber das nur zum Spaß und wenn mein Gegenüber es auch mag. In der Regel mache ich das nicht, um in wichtigen Beziehungsthemen ernsthaft die Oberhand zu erhalten oder zu beweisen, wie schlau oder wortgewandt ich bin.
In zwischenmenschlichen Beziehungen versuche ich angemessen zu agieren. Angemessenheit und Eloquenz scheinen ausgesprochen langweilige oder ermüdende Eigenschaften zu sein. Was ein Großteil der Männerwelt demzufolge zu benötigen scheint, um eine Frau interessant zu finden, ist offenbar eine gewisse Zickigkeit und die Bereitschaft, sie zu verletzen. Offensichtlich sind das Eigenschaften, von denen die Zielgruppe sich angemessen gefordert fühlt und die sie sich zu einem gewissen Maß zu händeln in der Lage sieht.
Nun ist Zickigkeit ja nichts anderes, als die Unfähigkeit mit Situationen oder Gefühlen angemessen umzugehen. Oder ein erprobtes Mittel, um sich interessant zu machen.Diese Situationen gibt es bei mir natürlich auch, aber ich habe andere Bewältigungsstrategien. Zickigkeit ist eine Eigenschaft, die mir überhaupt nicht inne liegt und die ich bei anderen allenfalls in der Pubertät, aber ganz sicher nicht darüber hinaus als charmant wahrnehme sondern als ausgesprochen anstrengend. Außerdem breitet sich in mir oft eine Welle des Mitgefühls aus, wenn ich wahrnehme, wie gefangen zickige Menschen oft in ihren Gefühlswelten sind.
Ein Kräftemessen findet bei mir in der Beziehung allenfalls spielerisch und auf anderen Feldern als im täglichen Umgang statt. Aber so nah muss man sich erstmal werden.
Ich bin u.a. mit einer sehr schwierigen emotionsflexiblen und manipulativen Großmutter und einem cholerischen Vater aufgewachsen. Wenn ich Drama höre, rieche oder sehe, bin ich weg. Mein Leben soll friedlich verlaufen. Der Unfrieden den ich bisher hatte, reicht für zwei Leben.
Sofern es um den Reiz von unkontrolliertem Verhalten geht, der offenbar auf viele Männer wirkt, fallen mir durchaus andere Mittel ein als zickig zu sein. Aber das das ist anscheinend nicht ausreichend.
Zurück zu dem, was mich umtreibt. Wenn ich mich weniger kompetent, eloguent, selbständig und im Gebaren anderen gegenüber zickig geben muss, um interessanter für Männer zu sein? Dann wird das nichts mehr mit uns.
Doofer Beitrag. Der ist nicht rund. Aber meine Gedanken sind auch nicht rund sondern holpern so zwischen Sehnsüchten, Gegebenheiten und Feedbacks hin und her wie Bälle in einem Flipperautomaten.
08.11.2017 10:18 •
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