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Über das Kämpfen

K
Nur Geld kann vieles leichter machen @hatdazugelernt

Mich macht es jetzt einfach nur froh, dass es derzeit so aussieht, als müsste ich nicht aus der Zeitung davon erfahren, wenn meine Eltern sterben und dass ich doch irgendwie da sein kann.

01.02.2020 13:09 • x 3 #2236


K
Sich selbst verzeihen
Ich habe jetzt Gelegenheit, mich an meinen eigenen Predigten zu messen.

Schlechte Nächte führen in der Regel dazu, dass genug Zeit und Raum da ist, um sich in Dinge hinein zu steigern. So auch vorletzte Nacht, die dazu führte, dass ich gestern sehr emotional und unsouverän war, wo ich mich gern gelassen, souverän und bestimmt gezeigt hätte. Selbstdemontage nervt.

Vermutlich nahm ich mein - für mich gefühlt geradezu hysterisches - Verhalten viel intensiver wahr als die anderen Beteiligten am Tisch und diese haben das schon wieder vergessen.

Wie wir wissen, habe ich ein ausgeprägtes Problem mit Drama. Bei mir selbst umso mehr, weil ich in einem Umfeld von immer währendem Drama groß wurde.

In einem gewissen Alter wird von Dritten ja auch vieles auf das gewisse Alter geschoben. Aber dennoch kotzt es mich an und ich hadere mit mir.

Mir selbst diesen Aussetzer zu verzeihen, ist also meine derzeitige Herausforderung, die damit beginnt, heute noch einmal sachlich meine Position zu vertreten.

Warum ist es eigentlich so, dass von manchen Menschen immer erwartet wird, dass sie dauerhaft mehr als 100% leisten und das Umfeld quasi beleidigt reagiert, wenn diese erklären, dass sie nun mal wieder (wie alle anderen) auf 100% zurückfahren wollen, weil Schluss mit lustig und Freiwilligkeit ist? Wie kommt es dazu, dass von den Leistungschwächsten in der Gruppe dann auch noch dreist erklärt wird, man wäre nicht bei-wünsch-dir-was und könne sich schließlich nicht aussuchen, was man arbeiten wolle? Hä? Während man selber immer wieder gebeten wird für eben diese Leistungsschwachen hinter den Kulissen die Kohlen aus dem Feuer zu holen, weil sie es vermurkst haben, was auf die 100% + x auch noch oben drauf kommt? Mich kotzt das alles an. Bei mir ist jetzt Schluss mit nett und Aufgabenorientiertheit. Ich lege jetzt den Fokus viel mehr auf meine eigenen Belange. Ich will kein weiteres Jahr erleben, in dem meine Freunde mir spiegeln, dass ich immer zu erschöpft für alle möglichen Aktivitäten bin.

Ähm, das da oben sind nur rhetorische Fragen. Ich erwarte keine Antwort. Dazu sind meine Ausführungen wohl auch zu kryptisch.

Zurück zum Verzeihen:

Ziel ist, spätestens am Wochenende mit dem emotionalen Auftritt von gestern Frieden gemacht zu haben und mich dann nur noch zu freuen, auf eine gute Woche am Polarkreis, wohin ich Dienstag aufbreche.

Meine Bude sieht aus, als würde ich eine viermonatige Expedition ins Eis planen. Wie g*il ist das denn?!

12.02.2020 05:49 • x 5 #2237


A


Über das Kämpfen

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K
Ich hatte ganz vergessen, wie belebend es ist, ein wenig umgarnt zu werden. Traurig eigentlich.

13.02.2020 22:46 • x 3 #2238


K
Sich selbst Verzeihen (II)
Das hat gut funktioniert. Ich habe am Folgetag das Gespräch gesucht, mich für meinen emotionalen Ausbruch entschuldigt und dafür, dass ich mirleider nicht ausbedungen hatte, noch eine Nacht über ein Zugeständnis zu schlafen, das man mir abgerungen hatte und das ich aus Gutmütigkeit (mal wieder im Sinne des großen Ganzen, aber ganz und gar nicht in meinem eigenen Sinne) gemacht hatte.

Nein zu sagen, ist ja oft schon schwierig genug, aber ein einmal gesagtes Ja in ein Nein umzuwandeln, finde ich noch deutlich schwieriger. Jedenfalls sofern nichts passiert ist, was einen Richtungswechsel erforderlich macht.

Dennoch zog ich am nächsten Tag meine Zusage zurück. Für alle - außer mir - wäre es von großem Vorteil gewesen, wenn ich dabei geblieben wäre, aber ich hätte mich einmal mehr verbogen, wäre einmal mehr über meine Kräfte gegangen und über Grenzen, die für andere immer selbstverständlich gelten, aber für anscheinend nicht. Das ist ein Phänomen, das mir schon häufiger begegnete und ich muss dem noch auf die Schliche kommen, warum das so ist.

Interessanterweise war meine Chefin anschließend zwei Tage krank, aber ansonsten war niemand sauer, obwohl die Luxuslösung für die anderen Kollegen nun nicht eintreten wird. Ich denke, sie wussten, was ich mir seit einem Jahr zugemutet habe. Für alle anderen hat das gut funktioniert. Für mich selber jedoch nicht. Nun denn, das ist vorbei. Ich arbeite für die nächste Zeit genauso viel oder so wenig wie alle anderen auch und nicht mehr freiwillig deutlich mehr.

Ich bin über mein zurück genommenes Ja sehr erleichtert. Das stärkt mein Privatleben.

Auf zu neuen Ufern
Morgen startet mein Abenteuer an den Polarkreis. Mein Basiscamp sieht chaotisch aus. Ich scheue mich vor der Aufgabe des Packens.

Wenn ich zurück bin, erzähle ich wahrscheinlich eine seltsame Geschichte vom Verknalltsein, davon wie lustig es sein kann, wenn Mors auf Eimer passt oder von fortwährender Ernüchterung angesichts der Bedürftigkeit mancher Männer. Es wird in jedem Fall eine Geschichte von Dankbarkeit sein. Wenn das keine guten Aussichten sind!

Ich wünsche mir Nordlichter, Harmonie, Spaß, viel Schnee, dass ich sportlich mithalten kann und dass alles in allem ein großes Abenteuer wird. Ich freue mich

17.02.2020 13:36 • x 12 #2239


L
Zitat von KBR:
Ich wünsche mir Nordlichter, Harmonie, Spaß, viel Schnee, dass ich sportlich mithalten kann und dass alles in allem ein großes Abenteuer wird

Das wünsche ich dir auch, und noch einiges dazu.
Gutes Essen und Trinken und verrückte Abenteuer und Begegnungen.
Das wird bestimmt gaaaannnnzzzzz tollllll

17.02.2020 14:10 • x 1 #2240


Froschkönig
Zitat von KBR:
Auf zu neuen Ufern
Morgen startet mein Abenteuer an den Polarkreis.


Da wünsche ich dir ganz viel spass bei, das du nette Leute kennenlernst, dich verknallst und vielleicht mit einen Rentier oder Elch Heim kommst ähm meinte natürlich mit einen netten Partner zurückkommst.
Hach wie schön romantisch das doch wäre @KBR auf einen Rentierschlitten mit ihren Traummann wild knutschend, bei wunderschönen Polarlichtern.

Du kannst wirklich stolz auf dich sein, auf dein zurückgenommen das ja

Ich wünsche dir eine wunderschöne Reise mit vielen wunderschönen Erlebnissen,
Erhole dich gut
als kleines Mitbringsel würde ich mich über eine kleine süße Frau aus deinem Urlaubsland freuen

Hoffentlich kommst du auch wieder zurück, ins graue düstere Deutschland.


Grüsse die Rentiere und den Weihnachtsmann von uns

17.02.2020 22:27 • x 2 #2241


K
Dankbarkeit

Was habe ich nicht alles gelernt auf dieser Reise! Was habe ich nicht alles gesehen und erlebt und wen habe ich nicht alles getroffen in diesem entlegenen Erdwinkel!

Es war so wunder-, wunderschön und verbunden mit ganz vielen Hürden, die mir jetzt noch einiges an Arbeit machen werden. So war (und ist) ja noch seit zwei Tagen vor der Reise die Scheibe meiner Balkontür kaputt. Sie ist einfach gesprungen; keine Ahnung warum.

Die Reise dann ein Traum, wenn man von der Tatsache absieht, dass ich erst an Tag 5 mein Gepäck erhalten habe, was bei einem Winterurlaub mit extremen Temperaturen ausgesprochen suboptimal ist. In Reisekleidung (Jeans) im Tiefschnee kann es recht unangenehm werden und ich wollte meine Zeit auch nicht damit verbringen, mir Unnerbuxen zu kaufen, aber irgendwas ist ja immer und davon will ich gar nicht großartig schreiben. Vielleicht später mal.

Meine Zufallsbegleitungen nunja es war auf gewisse Weise inspirierend und anstrengend gleichermaßen. Die seltsame Geschichte vom Verknalltsein, die ich so vollmundig angekündigt hatte, blieb aus und wird es auch bleiben, denn der mögliche Aspirant scheint viel zu sehr aufs Drama fixiert und labil zu sein. Aber dennoch und umso mehr gab es unzählige überraschenden, berührende und wohltuende Begegnungen mit Mensch, Tier und der Natur.

Ich war in meinem persönlichen Paradies und war unfassbar traurig, als ich gestern die Heimreise antreten musste.

Denn:

Was für ein zauberhaftes Winterwunderland habe ich besucht! Wie traurig, dass es all das bald nicht mehr geben wird.

Am ersten Abend saßen wir in einer traditionellen Samihütte am Feuer und hörten Geschichten der Bräuche. Halb eingelassen in den Boden und mit Schnee bedeckt sind diese Behausungen. Unser persönlicher Samibegleiter und Mann für alle Fälle hatte zufällig den gleichen Vornamen wie der Ex, aber das ist nur eine Randnotiz. Schon an diesem Abend lernten wir zuvor im Hotel jemanden kennen, der uns noch ein wunderbares Erlebnis bescheren sollte. Es war eine qualmige und einmalige Angelegenheit.

Am zweiten Tag - mit einem echt anziehend Thermoanzug (nicht) ausgestattet - besuchten wir eine Rentierfarm, wo unser einheimischer Begleiter und ein weiterer Sami (beide tauchten dann auch bis zum Ende der Reise immer wieder in unserem Umfeld auf .. ob sie es nun gerade mussten oder nicht) uns über das Leben mit den Rentieren berichteten. In einem riesigen Gehege konnten wir ein paar an die Menschen gewöhnten Tiere füttern und streicheln. Lustig am Rande war, dass die Influencerin in der Gruppe unseren einheimischen Begleiter fragte, ob er sie mit den Rentieren fotografieren könne. Sehr effektvoll sollte dieser Besuch online in Szene gesetzt werden. Unser Begleiter tat wie ihm geheißen und fotografierte wild darauf los. Knapp unter 80 Fotos zierten seine Tiere und auf keinem einzigen war sie selbst zu sehen, obwohl sie sich so gekonnt in Szene gesetzt hatte. Wir (auch sie) haben sehr gelacht, als sie über die Fotoausbeute staunte.

Im Anschluss an das gegenseitige Beschnuppern von Mensch und Tier saßen wir lange draußen an einem großen Feuer und uns wurden Getränke und Rentierdöner kredenzt. Um uns herum und mit uns tobten die Hunde und dort versackte ich zum ersten Mal bis zur Hüfte im Tiefschnee. Ich habe das seit Kindertagen nicht erlebt.

Aus uns allen wurden im Laufe der Reise hin und wieder Kinder. Ach, wirklich. Es war teilweise zum Weinen schön und es wurde mir wieder bewusst, wie gut die Natur der Seele tut. Allein die Fahrten von und zu den verschiedenen Aktivitäten waren lohnenswert. Zugefrorene Seen, Sonnenauf- und untergänge, verschneite Wälder, blauer Himmel, Sonne, ein paar Grad unter Null, mal ein paar Wölkchen, vereinzelte Häuser, rumpelige Straßen und Schnee. So viel Schnee. Manchmal war es sogar ganz still im Bus aus Ehrfurcht vor so viel Schönheit.

Ihr merkt schon, ich könnte stundenlang berichten. Könnt Ihr noch mehr ertragen?

Wir hatten eine höchst charmante, aber auch recht junge deutsche Reiseleitung, die dort gut vernetzt traumhafte Ausflüge für uns organisierte und wohl ein bisschen in diesen Trupp vollkommen unterschiedlicher Frauen (ja, wir waren zufällig ausschließlich Frauen) verliebt war, weil die Mädels in unser Hotel (Dreh- und Angelpunkt in der kleinen Kommune und Treffpunkt für vielseitige Reisebegegnungen) einen Trubel brachten, den man dort wohl noch nicht erlebt hatte. Die anderen Frauen bekamen ihren Koffer am 3. Tag; ich meinen am 5. Tag. So kauften wir notgedrungen Unterwäsche im Supermarkt oder im Angelladen; Pullover im Café und Kosmetik im Baumarkt. Achja, ein kleines Sportgeschäft gab es auch, wo notgedrungen Skiunterwäsche erworben wurde. Wir waren wohl schnell überall im 2500-Seelenort bekannt.

Ich muss sagen, ich war nicht mit allen Mädels grün. Aber eines muss man ihnen lassen. Keine von ihnen war sonderlich zimperlich und sie waren alle starke Persönlichkeiten von Anfang 30 bis Mitte 50 und manchmal habe ich mir sie und ihre Lautstärke, ihr Gackern und ihr Balzen an den Ballermann gewünscht. Aber aber dennoch: ich habe aus den verschiedensten Gründen Respekt vor jeder Einzelnen und von manchen habe ich hoffentlich etwas gelernt. Und hey, eines muss man uns lassen: das Gepäckgate haben wir mit reichlich Würde weggesteckt. So wie wir die Köder auf dem Angelhaken platzierten, aber dazu morgen mehr.

Unser Trupp bestand außerdem aus einem einzigen Mann - einem richtigen Mann, der diese Reise aus beruflichen Gründen begleitete und ein gelassenes, ausgleichendes, hilfsbereites, actionorientiertes, geduldiges, charmantes, schalckhaftes Mitglied der Gruppe war, das es ganz offenbar genoss, die unterschiedlichen Frauen zu studieren. Er fand sehr wertschätzende Worte für jede von ihnen, als ich Gelegenheit hatte, ein paar Stunden mit ihm allein zu verbringen.

Am gleichen Abend machten die Mädels reichlich Bekanntschaften, die für manch Gelächter und running gags sorgten und die uns immer wieder begegnen sollten. So vertieften sie auch die Bekanntschaft zu dem Mann, der uns schon am Abend zuvor am Feuer der Sami Gesellschaft leistete, was sich bereits am nächsten Abend auszahlen sollte.

Ich denke, hier höre ich erstmal auf, denn sonst wird der Beitrag zu lang. Dabei könnten meine Finger über die Tasten fliegen.

27.02.2020 22:03 • x 11 #2242


L
Ein wunderbar schöner Reisebericht ich warte auf mehr Infos.

27.02.2020 22:52 • x 2 #2243


K
Improvisation
Tag 1 endete für mich mit einem Nachtspaziergang am See. Durchatmen, riechen, die klare Luft genießen, den Sternenhimmel bestaunen, allein sein, ohne dass jemand etwas von mir will. Balsam für meine Seele.

Für Tag 2 war eine längere Schneeschuhwanderung geplant, diese musste jedoch ausfallen, weil wir für sportliche Aktivitäten immer noch nicht ausgestattet waren und sich die Gepäcklieferung erneut verschob. So erprobten wir nur eine kleine Runde mit den Schneeschuhen im angrenzenden Zauberwald und ich wusste, ich muss das unbedingt ausbauen und mich allein auf den Weg machen, sobald ich die richtigen Klamotten dafür habe.

Der Schnee lag schwer auf den Bäumen und knirschte unter den Schuhen querfeld- bzw. -waldein im Tiefschnee. Es glitzerte, wohin das Auge schaute. Überall sahen wir Spuren von Elchen. Es entstanden herrliche Bilder. Um unsere kleine Gruppe herum tobte der Hund der Reiseleitung und ließ seiner Freude über seine Herde freien Lauf.

Am Nachmittag mussten wir improvisieren, da die Wanderung nicht so viel Zeit in Anspruch genommen hat, wie es eigentlich geplant gewesen wäre. Also zogen wir mit Tee und Isomatte bewaffnet auf den See und ließen uns dort mit dem Ausblick auf die verschneite Insel und die vereiste Weite eine Weile nieder.

Doch das Highlight des Tages sollte die Nacht bringen. Unser am ersten Abend hinzu gestoßenes Gruppenmitglied war Fotograf und hatte mit ein paar Kunden eine spezielle Nordlichtertour geplant. Wir durften ihn, dick eingepackt in unsere Thermoanzüge begleiten und fuhren mit unserem kleinem Bus hinter ihm und seinen Jungs her an seine geheimen und erprobten Sichtungsplätze. Mitten im Wald, im Stockdunklen, mit großem Lagerfeuer am Straßenrand gegen die Kälte und einer Reihe von Stativern der paar ambitionierten Fotografen sahen wir gebannt in die Richtung, aus der das Licht kommen sollte.

Und da war es! Immer nur kurz zu sehen, leicht flackernd und leider etwas vom diesigen Himmel verschleiert, aber es war da. Es war nicht annähernd so dramatisch, wie ich es mir gewünscht hätte, aber ich habe es gesehen und die Jungs haben ein paar schöne Bilder geschossen. Danach ging es noch einmal, geführt von unserem Leitfotografen, für ca. 45 Minuten durch die dunkle Wildnis an einen besseren Sichtungsort. Und auch da wieder: kleine Wow-Effekte! Andacht.

Dieses Erlebnis hätten wir so, ohne unseren Experten nicht gehabt, denn überall wo künstliche Lichter sind, sieht man das Polarlicht natürlich weniger. Wir schlugen uns als Hunterinnen die halbe Nacht um die Ohren und fuhren dann glücklich wieder uns Hotel. Ein weiterer besonderer Tag sollte auf uns warten.

28.02.2020 09:38 • x 11 #2244


Froschkönig
Ich mache es mir hier bequem und warte bis es weitergeht


Der offizielle Warteraum von @KBR

28.02.2020 17:41 • x 1 #2245


B
Wahnsinn,liebe KBR!Da hast du meinen Traumurlaub erlebt!Habe Gänsehaut bei deinen Berichten bekommen

02.03.2020 06:28 • x 1 #2246


K
@Bones

Passt... Damit der Aufprall im Alltag nicht so schlimm wird, bin ich seit gestern spontan nochmal in mein Lieblingskaff an der Küste gefahren, aber ich denke, spätestens heute Abend schreibe ich weiter.

02.03.2020 09:07 • x 2 #2247


B
Zitat von KBR:
@Bones

Passt... Damit der Aufprall im Alltag nicht so schlimm wird, bin ich seit gestern spontan nochmal in mein Lieblingskaff an der Küste gefahren, aber ich denke, spätestens heute Abend schreibe ich weiter.


Dann bin ich mal gespannt. Ich lese dich ja eh sehr gerne, wie du weißt. Und dein Reisebericht ist so schön geschrieben, da kann man sich alles irgendwie sehr gut ausmalen

02.03.2020 09:14 • #2248


K
Luxusproblem
Gestern Abend wollte ich Teil III meines kleinen Reiseberichts schreiben, aber ich war viel, viel, viel zu müde von der vielen frischen Luft gestern und hatte gar keine Lust, weil ich schon wieder eine so unfassbar gute Zeit habe, dass ich diese aufsauge. Ich muss ja meine Speicher füllen, da mich am Donnerstag die Arbeit wieder hat.

Ich glaube, ich werde mir regelmäßige Termine setzen, die mich daran erinnern sollen, wie wichtig es ist, auch mal andere Dinge zu sehen und zu tun.

Heute ist hier an der Küste traumhaftes Wetter und neben drei Stunden weitem Strand, einem Softeis, einem Stück Kuchen, diversen Kaffee und einem A*erol genieße ich jetzt wieder bei einer kleinen Outdoorpause die Lobby im Hotel und versuche mich an Teil III. Btw.: selbst in der Reiseleitung aus Schweden konnte ich mit Bildern von mienem derzeitigen Aufenthaltsort Heimweh wecken. Das war zwar mehr zum Schüren der Vorfreude gedacht, denn die Saison dort geht bald zuende, aber .. nun gut, Ihr lest, es ist hier auch gerade traumhaft.

Toughe Frauen und Schönheit
An Tag 3 bestiegen wir unseren kleinen Bus und fuhren durch die verschneite Landschaft an einen See, der nur wie für uns gemacht zu sein schien. Überhaupt schien es (fast) die ganze Zeit so, als wäre dieser Überfluss der Natur nur für uns da.

Als wir unser Tagesziel erreicht hatten, war es ... einfach wow. Der See lag zugefroren und tief verschneit vor uns. Um den See herum gab es ausschließlich verschneiten Wald und ein kleines Schwedenhaus plus einer weiteren Hütte, in der wir uns aufhalten konnten.

Unser heimischer Guide war schon vor Ort und hatte uns bereits die Löcher für das Angeln in das dicke Eis gebohrt.

Und ehrlich ich fand nicht alle Frauen toll auf dieser Reise. Ich hatte so meine Fremdschämmomente. Aber in diesem Moment fand ich sie alle tough. Ohne zimperliches Getue wurden die lebenden Maden großzügig auf die Angelhaken gespießt und die Angel (besser: das Ängelchen) ausgeworfen (besser: die Köder zu Wasser gelassen). Und so hütete jede ihr Loch (ja, ich weiß, es klingt ein bisschen ... hmm ... zweideutig, aber so war es ja nun mal) und wartete. Wir standen, saßen oder lagen weit entfernt voneinander auf und in dieser weißen Pracht und warteten. Dank der geliehenen Thermokleidung war das sehr gut auszuhalten. Viel Ruhe und Geduld bestimmten die Stimmung. Über uns ausschließlich blauer Himmel. Hinter uns am Ufer das kleine rote Häuschen und die Küchenhütte, um uns herum der Hund. Idylle und Erholung pur. Ich habe es aufgesogen.

Ab und an besuchten wir uns an den Löchern und machten Fotos. Mir hat sich diese tiefenentspannte Szenerie ins Hirn gebrannt. Ich bin sonst nicht so sentimental, aber auch jetzt wieder:

Wenn ich daran denke, könnte ich weinen vor Ergriffenheit.

Okay, aber Ihr wollt bestimmt wissen, ob wir Beute gemacht haben. Jaaaaaeeeein. Ich meine, was war denn da los? Warum haben die Männer etwas gefangen und die Frauen nicht? Warum hat der Einheimische mal eben *zack* zwei große Saiblinge aufs Eis gezogen, als er kurz mal seinen Köder ins Wasser hielt, und unser anderer männlicher Begleiter einen weiteren? Wir Frauen dagegen warteten geduldig Stunde um Stunde.

Wie dem auch sei. Die Fische wurden ausgenommen und nach und nach gaben die Mädels ihre Löcher auf. Während ich immer noch wartete, ob nicht doch einem Fisch meine Maden munden würden, bereiteten die anderen die Mahlzeit auf dem Grill in der Hütte. Ja, dort wird fast überall indoor auf großen Feuern und Rosten gegrillt. Rustikal war das. Die Hütte mit den mit Rentierfällen belegten Bänken, große Kerzenleuchter aus Rentiergeweihen über uns, das große offene Feuer, der frisch gefangene Fisch und als Zubrot gab es Köttbullar und - wie immer - gab es auch auf dem offenen Feuer gebrühten Kaffee und Tee und das eine oder andere Bi*r. Wir hatten es einfach und sehr gut.

Während ich noch eine große Runde auf dem See drehte und das Wetter sich ein bisschen veränderte, blieben die anderen in der warmen Hütte. Es war wieder so unfassbar schön. Die Sonne ging hinter dem Wald unter. Ein bisschen Wind kam auf und tauchte den Waldrand in eine diesige, vom Schnee aufgewirbelte Kulisse. Ich hätte ewig herumlaufen und nach Elchen Ausschau halten können, aber als der Untergrund matschig und angetaut wirkte und ich bis zur Hüfte im Schnee stecken blieb, musste ich mich herauskämpfen und schweren Herzens umdrehen.

Irgendwann packten wir zusammen und fuhren beseelt und müde zurück ins Hotel.

03.03.2020 16:07 • x 5 #2249


K
Der schönste Tag
So könnte ich jeden Eintrag über diese Reise beginnen. Mir gehen die Superlative aus. Tatsache ist: jeder Tag war anders der schönste.

Ausgestattet mit einem kleinen Frühstückspaket enternten wir recht früh unseren kleinen Bus und fuhren etwa 2,5 Stunden hinein in einen orange-roten Sonnenaufgang in Richtung Küste. Die Fahrt mit dem Eisbrecher stand auf dem Programm.

Je weiter wir uns von unserem Basislager entfernten, desto weniger weiß wurde der Schnee und umso mehr Verkehr (also mehr als ein Auto in der ersten Stunde) begegnete uns. Der Eisbrecher lag am Ufer einer kleinen Stadt.

Ich weiß nicht, was ich mir vorgestellt hatte, aber das, was mich erwartete, jedenfalls nicht. Wir alle waren wohl davon ausgegangen, dass das eine recht exklusive Tour werden würde mit maximal einer weiteren kleinen Gruppe Passagiere. Am Liegeplatz des Eisbrechers jedoch warteten bereits weitere Busladungen von warm eingepackten Menschen. Vor allem waren es Deutsche, aber auch ein paar maskierte Asiaten.

Aus riesigen Boxen des Schiffes dröhnte uns Technomusik entgegen, während wir am Ufer darauf warteten, an Bord gehen zu dürfen. Das hatte etwas Befremdliches und alle Menschen wirkten etwas irritiert bis verstört. Letztlich zählte ich etwa insgesamt 60 Gäste.

Irgendwann stellte sich der Kapitän, bewaffnet mit einem Megaphon, aufs obere Deck und erklärte uns etwas, was kein Mensch verstanden hat, weil sein Hilfsmittel so knisterte, dass das alles übertönte. Irgendetwas mit jeder dürfe überall hin und Schwimwesten. Anschließend gingen wir an Bord, wo sich die Menschen erstaunlicherweise sehr verteilten und es gar nicht mehr so überlaufen wirkte und endlich etwas eklusiver wirkte

Der Eisbrecher legte ab und wir fuhren hinaus aufs Meer bzw. ins Eis. Fasziniert beobachteten wir, wie das Eis brach und die bordwandnahen Schollen sich unter die Eiskante schoben und diese wiederum weiter aufbrachen. Es war laut, es war kraftvoll, es war gewaltig. Die Küste war in Sonnenlicht getaucht, der Himmel war blau und die Technomusik hörte man auch nur noch, wenn man sich am Heck hinter den Boxen aufhielt. Es war morskalt und faszinierend und hätte man es gewollt, hätte man mich Gewalt von der Reling loseisen müssen. Um nichts in der Welt wäre ich unter Deck gegangen.

Nach etwa einer Stunde blieb das Schiff mitten im Eis stehen - einfach mittendrin. So eng vom Eis umschlossen, dass wir später von außen an die Bordwand herantreten und sie berühren konnten. Der Kapitän pustete im Leerlauf (oder so) die Fahrrinne hinter dem Schiff frei und wer wollte, durfte ein Bad im so extra für uns frei gespülten Pool direkt hinter dem Schiff machen.

Dafür wurden wir in Trockenanzüge gekleidet, deren Kapuze eng das Gesicht umschloss, damit kein Wasser eintreten konnte. Ich dachte noch was mache ich mit meiner Brille und schon wurde ich hinaus geschubbst und stapfte über das Eis zum Pool. Anscheinend behielt ich sie wohl auf Total kleidsam die Anzüge. Nicht. Aber funktional, denn sie bestehen quasi Ganzkörper aus Neopren o.ä. und waren zudem deutlich zu groß, damit sich ein Luftkissen zwischen Körper und Anzug bilden konnte. Teletubbielook in Knallorange.

An dieser Stelle war ich noch einmal mehr froh, dass ich mein Gewicht in den letzten Jahren so gut reduzieren konnte.

So bekleidet stapften wir also nach und nach über eine Gangway aufs Eis und ans Heck des Schiffes, wo ein Helferlein stand, das ins Eisbad schubste .. äh dem Eisbaden Nachdruck verlieh.

Man setzte sich auf die Eiskante und ließ sich ins Wasser gleiten. Dort konnte man dann, bis es einem zu kalt wurde, zwischen den herumschwimmenden Eisbrocken auf dem Rücken liegend oder sitzend herumwabern. Jeweils mit etwa einer Handvoll anderen Badenden zusammen konnten wir dieses Erlebnis genießen. Skurril, abgefahren, herrlich. Es war wirklich etwas Besonderes und ich freue mich riesig darüber, dass es ein paar Fotos davon gibt, wie ich grenzdebil grinsend in diesem Wasser wabere. Auch die befürchtete Massenabfertiugung blieb aus. Alles fand mit so viel Zeit und Ruhe statt, wie jeder wollte und brauchte.

Als ich spürte, dass am Kragen langsam etwas Wasser eindringt, musste ich den Spaß beenden. Doch wie? Wie kommt man in diesem unförmigen Gebilde von Anzug, der eine gewaltige Bewegungseinschränkung mit sich bringt, wieder aufs Eis?

Ich hatte ja mein Helferlein ... Mir wurde angedeutet, ich solle mit dem Rücken an die Eiskante schwimmen, wo es mich wie einen großen nassen Sack an zwei Schlaufen im Schulterbereich der des Anzuges auf die Eiskante hievte. Rettet die Wale. Eleganz ist anders. Aber damit nicht genug, ich hatte ja auch noch den Anspruch halbwegs geschmeidig aufzustehen. Das gelang mehr oder weniger.

Dann stapfte ich wieder an Bord und wurde vom nassen Tubbie wieder zum Menschen. Unter den Anzügen behält man übrigens seine Kleidung an. Eine MItreisende, bei der sich selbst erfüllende negative Prophezeiungen ein Zuhause gefunden haben, hatte das Pech, dass eine Naht am Bein ihres Anzuges kaputt war und Wasser eintrat. Das führte zu einer Jeans, die auf der Verschalung irgendeiner Maschine getrocknet werden musste. Dem Personal war das furchtbar peinlich und es versicherte glaubhaft, dass so etwas sonst nicht passieren würde und natürlich auch nicht sollte. Das eindringende Wasser in den Anzug war natürlich alles andere als angenehm, aber dass so etwas passieren könnte, war jetzt nicht soooo unwahrscheinlich. Trotzdem gab es Drama, Baby, Drama.

Nach meinem erfrischenden Bad konnte ich noch eine Weile auf dem Eis spazieren gehen, das Schiff von außen betrachten, ein paar Fotos machen und machen lassen. Es war kalt, aber nicht zu kalt, denn die Sonne strahlte vom Himmel und so genügte dafür sogar meine Anreisekleidung, denn mein Koffer war ja immer noch nicht da.

Anschließend gab es ein paar Heißgetränke an Bord und ich genoss auf der Rückfahrt noch einmal die Kraft des Schiffes und den Blick auf die in der Sonne liegende Küste. Ich hoffe derzeit sehr, dass unser Begleiter (und seines Zeichens Profifotograf) sich noch meldet und ein paar Fotos rausrückt. Er hielt sich sehr bedeckt, was das angeht.

Zurück an Land krabbelten wir, mit einem Eisbadezertifikat in den Händen, wieder in unseren Bus und fuhren zu einem Iglotel.

Dieses wird Jahr für Jahr von einer Firma mit viel Enthusiasmus errichtet und dort kann während der nur etwa 8 Wochen dauernden Saison übernachtet werden. Es gibt eine Bar und auch dort die unvermeidlichen Holztische und -bänke, Rentierfelle und Kerzen. Es finden Partys statt. Die Location wird für Events vermietet. Wir machten eine Führung und wurden über das Projekt, Bauart und -dauer und die Besonderheit der laufenden Saison, die leider besonders warm ist, aufgeklärt. Die Macher hoffen, dass das nicht die Auswirkung des Klimawandels sondern einfach einfach eine Ausnahme ist. Leider musste der sonst recht große Komplex von in den anderen Jahren wohl etwa 26 über ein Schneeröhrensystem miteinander verbundenen Iglos dieses Jahr deutlich kleiner gebaut werden. Ich glaube, es gab nur etwa 6 Iglos.

Es gab ein Eingangs-/Empfangsiglo, ein Iglo mit Kicker (auch lustig irgendwie), ein Bariglo, so eine Art Terrasseniglo, eine Art Bewirtschaftungs-/Personaliglo und ungefähr zwei Iglos zum Übernachten. Diese verschiedenen Iglos wurden in wechselnden Farben illuminiert. Aus Schnee und Eis waren verschiedene Oberflächen geschaffen worden und auch Schriftzüge oder Logos können für Firmenveranstaltungen in die Wände eingearbeitet werden. Eine schöne Atmosphäre war es dort. Ich hätte das gern in voller Pracht gesehen. Eine Übernachtung würde mich nicht sonderlich reizen, aber es war interessant und ich finde es immer wieder beeindruckend, wie begeisterungsfähig Menschen für etwas sein können.

Anschließend fuhren wir zum Essen ins Städtchen und .. hach .. irgendwie passierte immer alles mit viel Zeit und ohne Hetze .. ich habe das gegenüber meinem sonstigen Alltag sehr genossen.

Danach machten wir noch einen Bummel durch die Stadt und quetschten unsdann wieder in unseren Bus. Auf der Rückfahrt freuten wir uns, dass der Verkehr nach und nach immer weniger wurde und der Schee wieder weißer. Wir freuten uns auf zuhause, unser kleines Hotel am gefühlten Ende der Welt. Die Fahrt ging in den Sonnenuntergang so wie am Morgen in den Sonnenaufgang. Ein schöner, runder, aufregender Tag.

07.03.2020 07:43 • x 6 #2250


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