Wie der Titel schon sagt wollte ich mich an euch wenden, um mich über eure Erfahrungen mit Bindungsangst als Betroffene oder Leidtragende* auszutauschen und vielleicht auch Tipps zu bekommen, wie es trotzdem funktionieren kann.
*Kurzer Disclaimer bevor wir uns um offtopic streiten müssen: Ich will keinem Betroffenen die Schuld für irgendwas geben, für diejenigen ist das natürlich ebenso belastend - allerdings ist es nunmal zwangsläufig verletztend für den anderen, wenn die Beziehung daran scheitert.
So, nun zum eigentlichen Thema.
Ich (m/20) habe vor nun circa anderthalb Jahren ein Mädchen (w/19) an meiner ehemaligen Arbeitsstelle kennengelernt, der Kontakt hat sich dann in der Folge über Social Media zunehmend intensiviert. In der Hochphase war es echt fast so, dass wir uns von morgens früh bis spät in die Nacht mit Sprachmemos bombardiert haben. Irgendwann habe ich dann gemerkt, wie sie zunehmend versucht hat, den Kontakt wieder zurückzuschrauben (Zeit gelassen zum Antworten etc.).
Im ersten Moment dachte ich, meine Chancen bei ihr seien nun Geschichte. Doch die Überwindung zu fragen hat sich gelohnt und es kam schließlich einige Zeit später doch zu einem ersten Date, allerdings noch in einem ungezwungenen Rahmen (Geburtstagsfeier einer entfernten Freundin von mir). Dort war mir bereits aufgefallen, dass sie Schwierigkeiten hatte, sich bei Gruppenspielen (à la Ich hab noch nie. und Konsorten) einzubringen, bzw. sich diesen z.T. komplett verweigerte. Irgendwann hatte ich den Eindruck, dass sie sich in der Gesellschaft überhaupt nicht mehr wohlfühlte und sehr ruhig war, und wir sind zu zweit noch etwas zu essen holen gegangen. Es war wie als hätte man einen Schalter umgelegt, plötzlich war sie wieder komplett aufgeschlossen und redselig.
Daraus bestärkt habe ich versucht, ein zweites Treffen zu forcieren, allerdings reagierte sie sobald ich mit konkreten Vorschlägen kam immer mit ja, können wir MAL machen, und versuchte einer fixen Verabredung auszuweichen.
Drei Wochen später hat es dann schließlich doch geklappt, allerdings auch wieder nur im Rahmen einer Unternehmung (auf ihren Wunsch hin) mit ihren Freunden. Das Bild war wieder weitgehend das gleiche. Solange wir nur zu zweit oder mit ihrer besten Freundin waren, lief alles prima, sobald weitere Leute dazu kamen schien sie sich wieder unwohl zu fühlen und wirkte abgelenkt, schaute oft aufs Handy etc.
Daher war ich nun versucht, es endlich zu einem Treffen nur zu zweit kommen zu lassen. Leider setzte sich jedoch das fort, was sich bereits vor dem zweiten Treffen angedeutet hatte. Ich wartete immer wieder stundenlang auf Antworten auf Nachrichten, bei denen ich wusste, dass sie sie gelesen hatte. Immer wenn es um das nächste Date ging, hieß es keine Zeit - als ich dann irgendwann fragte, was sie denn so viel zu tun hätte, bekam ich wieder nur ausweichende Antworten. Ich hatte das Gefühl, ihr nur noch hinterherzulaufen, und habe sie schließlich schweren Herzens vor die Entscheidung gestellt: Entweder sie gibt mir das Gefühl zurück, dass ihr auch etwas an mir liegt, oder es wird besser für mich sein, nicht weiter einen Kampf zu kämpfen, den ich nicht gewinnen kann. Die Antwort darauf fiel emotional, aber klar aus: In dem Fall denke auch sie, es sei das beste, es sein zu lassen. Es läge nicht an mir, sondern einfach an ihr, und dass sie sich nunmal nicht ändern können. [sie hatte mir zuvor bereits erzählt, dass sie außer ihrer besten Freundin (und auch das selten öfter als 1x/Woche) kaum Kontakte pflegte würde und sich damit grundsätzlich schwer tue - darauf bezog sich das sich ändern]
Für mich war alles mittlerweile so ernst geworden, dass die Zeit danach der blanke Horror war. Nachdem ich vor meinen Freunden [denen ich zuvor nur wenig davon erzählt hatte] dann schließlich in Tränen zusammengebrochen bin, habe ich mich, bestärkt durch deren zureden getraut, ihr nach zwei Wochen ohne Kontakt nochmal zu schreiben. Ich sagte ihr, dass ich für mich gemerkt hatte, dass es einfach die falsche Entscheidung war und ich versuchen wolle, mit den bisherigen Problemen klarzukommen und habe sie gefragt, ob sie sich bereit fühle, es doch weiter zu probieren. Die Rückmeldung war sinngemäß die gleiche - es tue ihr ernsthaft leid für mich, aber sie können sich nunmal nicht ändern. Ich für mich konnte dies weder beim ersten, noch beim zweiten Mal wirklich nachvollziehen und schob das ganze auf ein anderes Vorkommnis: Kurz nach dem ersten Date hatte sie eine meiner Nachrichten dahingehend etwas fehlinterpretiert, dass ihr Drang zum Erzählen, als wir nur zu zweit waren, mich gestört hätte, was sie wie sie sagte sehr beschäftigte. Ich habe auch eingesehen, dass das was ich gesagt hatte, Raum für diese Interpretation gelassen hatte, und wollte alles tun, um es irgendwie wieder gut zu machen. Ich überraschte sie auf der Arbeit mit einem Päckchen aus selbstgemachten Muffins (wobei sie wusste, dass ich zu kochen und backen absolut keine Affinität habe) und einer süß verpackten Tafel Entschuldigungsschokolade. Sie hat sich sehr gefreut und im Gespräch danach auch gesagt, dass es verziehen sei - allerdings im Nachhinein das Thema immer wieder aufgegriffen. Für mich hatte ich wie gesagt darin die Erklärung gesucht, da ich ihr Verhalten nicht verstanden hatte - sich zu ändern hängt meiner Ansicht nach immer mit dem Wille zusammen: wo ein Wille, da ein Weg. Und der Wille schien mir eben zu fehlen. Letzteres sagte ich ihr entsprechend auch, formuliert als Tipp, dass Beziehungen ohne Wille zu Änderungen nun mal nicht klappen, und sie dies für die Zukunft überdenken solle. [Im Nachhinein gesehen komplett daneben wie ich finde :/] Dies nahm sie recht gefasst auf und betonte, dass ich bei weitem nicht alles über sie wisse, womit ich zu diesem Zeitpunkt auch nicht viel anfangen könnte.
Mittlerweile ist das ganze bereits knapp zwei Monate her, allerdings geht sie mir immer noch nicht aus dem Kopf, die Gefühle sind irgendwie immernoch da. Als ich heute Abend ein Interview mit einer Betroffenen zum Thema Bindungsängste gesehen habe, hat es bei mir Klick gemacht - viele Verhaltensmuster, die dort beschrieben wurden, habe ich auch bei ihr so beobachtet, plötzlich macht alles irgendwie Sinn. (Schaut es euch gerne auch mal selbst bei YouTube an**) Gerade das Muster, durch zunehmende Abweisung die Trennung durch den anderen zu provozieren, passt wie die Faust aufs Auge [sie selbst hatte den Gedanken in keinster Weise ausgesprochen]. Genauso passt auch der vermeintliche Auslöser in Problemen in der Schulzeit mit Mobbing etc., wie ihn auch die Betroffene im Interview schildert - davon hatte sie mir am Rande erzählt, allerdings wollte ich nicht in die Tiefe gehen, da ich merkte, dass dies ein sehr wunder Punkt bei ihr ist.
Mit dem Wissen fühle ich mich nun umso schlechter, wie ich damit umgegangen bin und ihr Vorwürfe gemacht habe. Ebenso fühle ich mich aber umso bestärkter, es nochmal zu versuchen, da ich nun glaube, mich viel besser in sie hineinversetzen zu können. Die Frage ist allerdings, wie kommuniziere ich das alles? Ich kann schlecht kommen und sagen: Ich versteh jetzt alles, lass es uns doch einfach nochmal probieren. Zum einen glaube ich nicht, dass sie es selbst soweit versteht und als Bindungsangst identifiziert - da will ich nicht der Klugsch.r sein der das so plump feststellt. Zum anderen frage ich mich, ob ich es überhaupt gezielt zum Thema machen soll, wenn es sich im Gespräch nicht ohnehin ergibt. Aber irgendwo will ich auch auf jeden Fall zum Ausdruck bringen, wie sehr es mir leid tut, dass ich kein Verständnis für ihre Probleme gezeigt habe. Meine Gedanken und Gefühle fahren einfach wieder Achterbahn gerade...
Wie würdet ihr das angehen? Teilt ihr meine Diagnose? Bzw. seht ihr überhaupt noch eine Chance, dass daraus wieder etwas werden könnte? Wenn ja, was sollten wir beachten?
Ich hoffe, dass ich bei euch nun Rat finde, und möchte mich bereits im Voraus für jegliche Hilfe bedanken.
** Videotitel: Wie ist das, Bindungsangst zu haben von Leeroy will's wissen (kann leider noch keine Links posten