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Unfreiwillige Trennung - und trotzdem kein Liebeskummer

Coookie
Hallo zusammen!

Meine für mich völlig plötzliche Trennung nach zwölf Jahren Beziehung ist inzwischen schon neun Monate her und mein Trauerprozess ist ganz anders verlaufen, als ich es jemals erwartet hätte. Das irritiert mich bis heute ziemlich und ich dachte, ich finde hier vielleicht jemanden, der oder die ähnliche Erfahrungen gemacht hat.

Die Trennungs-Eckdaten

Bevor ich auf dieses Forum aufmerksam geworden bin, fand ich meine Geschichte ziemlich krass. Inzwischen weiß ich: Sie ist fast genauso schon ziemlich vielen passiert. Als ich an einem Freitag Ende Oktober letzten Jahres aus dem Büro meinen Mann anrief, um zu fragen, ob wir uns wie so oft im Café um die Ecke treffen wollen, um bei einem Kaffee das Wochenende zu planen, bat er darum, dass ich erstmal nach Hause komme. Dort erwartete mich nicht viel mehr als die Auskunft: Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, aber ich will die Beziehung zu Dir nicht weiterführen. Ich habe keine Gefühle mehr für Dich und ich hab mich in eine andere Frau verliebt.

Die Sachen waren bereits gepackt, das Geld auf dem Konto halbiert und die neue Frau war die Kollegin, von der es immer geheißen hatte, sie sei nur an Frauen interessiert. Dass sie ein paar Monate vorher noch volltrunken neben mir saß und lallte, dass sie sich so eine Beziehung wie mein Mann und ich sie führen, auch mal wünschen würde, hätte mich stutzig werden lassen können. Die Tatsache, dass ich mit eben jenem Mann kurz vor der Trennung noch gemeinsam im Urlaub war, er mir verliebte Nachrichten geschickt hat, wir auf sein Bestreben wenige Tage zuvor eine größere Anschaffung und Pläne für die Zukunft gemacht hatten, eher nicht.

In dem Moment, in dem er sagte, dass seine Entscheidung unumstößlich sei, hat er sich für mich in einen anderen Menschen verwandelt. Mir war augenblicklich klar, dass es das war. Endgültig.

Die Zeit danach

Der erste Abend und die erste Nacht waren hart. Ich konnte nicht weinen, aber mir war vermeintlich klar: Mein Leben ist vorbei. Nichts ist mehr, wie es war - und ich in einem Jahr eine geschiedene Frau. Weinen aber konnte ich nicht. Ich dachte, das passiert, wenn ich meinen Eltern gegenüber stehe, zu denen ich am nächsten Tag gefahren bin. Ich habe es wirklich versucht, weil ich hoffte, weinen würde helfen. Stattdessen hatte ich Herzrasen und jede Menge Angst in mir. Ich konnte nicht essen und nicht schlafen. Aber klassische Trauer habe ich nicht gefühlt.

Statt mit meinem nun Ex-Mann habe ich mich gedanklich viel mehr damit beschäftigt, was die Trennung für die Beziehung zu gemeinsamen Freunden bedeutet. Sein bester Freund war in den zwölf Jahren auch zu meinem besten Freund geworden. Wir haben viel Zeit zu dritt verbracht, waren gemeinsam in Urlauben und haben auch schlechte Zeiten zusammen durchgestanden. Mir vorzustellen, dass auch er nicht mehr Teil meines Lebens ist, hat mich traurig gemacht. Deshalb hätte ich heulen können - aber weil mir das falsch vorkam, habe ich es nicht getan.

Schnell wurde klar: Unsere Freundschaft besteht unabhängig von der nun beendeten Beziehung weiter. Und auch alle anderen gemeinsamen und eigenen Freunde waren auf eine Art und Weise für mich da, die ich ihnen niemals vergessen werde. Aus Mein Leben ist vorbei wurde so Es ändert sich ein wichtiger Teil, aber längst nicht alles.

So schlimm es mir gerade auch körperlich mit der Trennung ging, so schön war die Erfahrung, die ich mit meinen Freunden gemacht habe. Es war, als hätte jeder eine wichtige Rolle in meinem Team übernommen. Und niemand hätte fehlen dürfen, sonst hätte ich das alles nicht geschafft.

03.08.2020 20:40 • x 4 #1


Coookie
Anscheinend ist mein Text zu lang geworden. Ich versuche also, den zweiten Teil etwas kürzer zu halten.

Schon drei Wochen später erlebte ich eine für mich untypische Sturm-und-Drang-Phase. Eine seltsame Affäre mit einem Typen, den ich in einer Bar kennengelernt hatte, war anstrengend und wahnsinnig. Aber sie lenkte mich ab - bevor sie desaströs zu Ende ging.

Ich tinderte, hatte eine Handvoll Dates, von denen die meisten belanglos waren. Aber schließlich habe ich dort DEN Mann getroffen, mit dem ich inzwischen eine tolle Beziehung führe. Er ist klug, humorvoll, lieb, verständnisvoll und in jeder Hinsicht ein Volltreffer.

Trotzdem beschäftigt mich mein fehlender Liebeskummer.

Habe ich ihn bis heute verdrängt?
War die Verletzung aufgrund der Art der Trennung so groß, dass ich nicht traurig sein kann?
Hatte ich doch vorher schon unbewusst bemerkt, dass etwas im Argen liegt?
Habe ich meinen Ex vielleicht selbst nicht mehr geliebt?

Mich verwirrt dieses Erlebnis sehr - ich kenne es von mir selbst anders.

Deshalb: Geht oder ging es anderen ebenso? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Kam das dicke Ende noch - oder gibt es tatsächlich Trennungen ohne Liebeskummer?

Über Feedback würde ich mich sehr freuen.

03.08.2020 20:45 • x 1 #2


A


Unfreiwillige Trennung - und trotzdem kein Liebeskummer

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H
Zitat von Coookie:
Hatte ich doch vorher schon unbewusst bemerkt, dass etwas im Argen liegt?


Das hast Du ....
Vieles will man nicht wahrhaben und wenn es eintritt, geht ein Lebensabschnitt zu Ende. Eine Ehe viele Jahre zu führen, geht weiter bist zum Lebensende oder das Paar geht auseinander. Ob alle richtig ist... ich meine das sich die Ehe auflöst... steht in den Sternen. Oft wirst Du noch an dieses oder jenes zurück denken.

03.08.2020 22:28 • x 1 #3


Schnubbilein
Tatsächlich bin ich über eine Trennung nach 9 Jahren auch seeeehr schnell hinweggekommen.
2 Wochen war ich wirklich traurig und ängstlich und dann ging es sehr schnell besser.
Ich war danach auch erstmal extrem wild und habe Dates gehabt.
Ich denke, du hast dich innerlich schon länger verabschiedet.
Seine plötzliche Liebe zu einer anderen Frau hat dein Bild von ihm so stark beeinflusst, dass du ihm vermutlich leicht loslassen konntest.

03.08.2020 23:18 • x 3 #4


S
Ich denke, du hast ihn vielleicht auch nicht mehr geliebt- und du hast einen sehr gesunden Selbstwert. Meistens ist ja auch das Ego extrem verletzt, wenn eine Affäre auffliegt, von den Verletzungen ganz zu schweigen, die das auslöst- bei dir offenbar nicht. Es ist ja auch so, dass mit einer Trennung Freundeskreise und familiäre Verbindungen durcheinander gewirbelt werden, aber das scheint in dem Fall auch nicht so weitreichend gewesen zu sein?

Und jetzt hast du auch einen neuen Partner, den du als Volltreffer empfindest- vielleicht hat dir in deiner Ehe ja auch vieles gefehlt und siehst an deiner neuen Beziehung, wie schön alles ist?

Ich würde mir keine Gedanken um den Trauerprozess machen, sondern froh sein, dass du das alles ziemlich unbeschadet überstanden hast, dein neues Leben genießt und sehr zufrieden bist. So wünscht sich das vermutlich jeder Verlassene.

04.08.2020 04:58 • x 6 #5


R
Zitat von Coookie:
Deshalb: Geht oder ging es anderen ebenso? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Kam das dicke Ende noch - oder gibt es tatsächlich Trennungen ohne Liebeskummer?


Manchmal ist eine Trennung eine erlösende Befreiung und somit bleibt manchmal (zunächst) gar kein Platz für Kummer.

Wieso sollte ein positiver Effekt zu schlechten Gefühlen führen?
Trennungen, insbesondere nach so langer Zeit sind Lebensentscheidungen.
Und wenn sich eine Entscheidung im Leben wie man abbiegt gut anfühlt , dann ist das so.

Womöglich kann nach einer Weile das Gefühl von Wehmut , zweifeln und vermissen einsetzen, wenn man sonntags alleine zu Hause hockt und die positiven Aspekte mehr zum Vorschein kommen, die jeder Mensch hat.
Das kann sein, oder muss nicht.

Was du nach deiner Trennung zu fühlen hast steht nirgendwo in Stein gemeißelt, wichtig ist ja, dass du in der Lage bist weiterzugehen, wenn etwas für Dich nicht mehr passend ist.

Schlimmer finde ich die Beziehungen, welche von kurzer Dauer sind, vollkommen unpassend oder toxisch, heftige Verletzungen passiert sind , Lug und Trug.
Und die Person nicht loslassen kann oder will.

04.08.2020 07:24 • x 3 #6


Coookie
Vielen Dank für Eure netten und positiven Antworten!

Tatsächlich geht es mir oft so, dass ich mein Glück gar nicht fassen kann. Nach der Trennung hat so viel einfach funktioniert. Vom Finden der Traumwohnung über die tolle Erfahrung des Rückhalts von Freunden bis hin zum Neuverlieben.

Aber gut ist deshalb eben doch nicht alles. Das Selbstwertgefühl war schon vorher bescheiden und abgesehen von meiner seltsamen High-Phase in den Wochen nach der Trennung, merke ich jetzt, wie angekratzt es wirklich ist.

Meine vergangene Beziehung war nicht schlecht. Mein Ex hat mich immer auf Händen getragen und mir all die Sicherheit gegeben, die ich brauchte. Jetzt die gleichen oder ähnliche Worte von einem anderen Mann zu hören (Ich verschwinde nicht einfach, Ich würde sagen, wenn etwas nicht stimmt), fühlt sich manchmal grotesk an. Das zu glauben, fällt mir schwer. Gleichzeitig will ich meine Erfahrungen mit meinem Ex dem neuen Mann natürlich nicht aufbürden.

Ich weiß, das sind Luxusprobleme, verglichen mit dem, was andere hier durchmachen. Aber es beschäftigt mich eben. Sehr. Und von irgendwo zu hören, dass eine Beziehung, die so kurz nach einer Trennung begonnen hat, am Ende gut gegangen ist, würde mir helfen.

Ich hab Angst, dass ich das gleiche nochmal erlebe - auch wenn es dafür objektiv betrachtet gar keinen Anlass gibt.

04.08.2020 08:43 • #7


B
Hallo Cookie!
So ähnlich ging es mir,war aber damals blutjung. Mir setzte es interessanterweise mehr zu,wenn ich eine Beziehung beendet hatte. Wurde ich verlassen konnte ich immer schnell abhaken. Mehr als 3 Tage dauerte es nie.
Mag aber auch am Alter gelegen haben. Dazu habe ich nie im Leben eine große Liebe erlebt. Bin wahrscheinlich viel zu sehr Kopfmensch.

04.08.2020 11:17 • x 1 #8


Coookie
Zitat von Butterblume63:
Hallo Cookie!
So ähnlich ging es mir,war aber damals blutjung. Mir setzte es interessanterweise mehr zu,wenn ich eine Beziehung beendet hatte. Wurde ich verlassen konnte ich immer schnell abhaken. Mehr als 3 Tage dauerte es nie.
Mag aber auch am Alter gelegen haben. Dazu habe ich nie im Leben eine große Liebe erlebt. Bin wahrscheinlich viel zu sehr Kopfmensch.


Tja, die große Liebe... Ich war überzeugt davon, sie gefunden zu haben, diese eine, perfekte, ganz große Liebe. Als perfektes Paar zu gelten, unterstützt diese Illusion noch mehr. Und die Erkenntnis, dass sie das anscheinend doch nicht war, ist bitter. Denn: Vielleicht gibt es sie tatsächlich gar nicht - auch wenn sie sich manchmal so anfühlt.

04.08.2020 11:23 • x 1 #9


B
Cooockie,echt gesagt war ich Männern gegenüber immer misstrauisch die mit großen Liebesbekundungen um sich schmeißen. Zumindest ging dies bei mir immer schief.
Mein Mann war auch kopfgesteuert wie ich und führten bis zu seinem Tod eine gute Ehe.

04.08.2020 11:34 • x 1 #10


Catalina
Zitat von Coookie:
Deshalb: Geht oder ging es anderen ebenso? Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? Kam das dicke Ende noch - oder gibt es tatsächlich Trennungen ohne Liebeskummer?

Ich hab das ganz ähnlich erlebt. Vor 4 Jahren hat mich mein Exmann nach 16 Jahren Ehe verlassen, mir gleichzeitig noch vor den Latz geknallt, dass er fremdgegangen ist. Für mich kam das völlig überraschend, damit hatte ich Null gerechnet. Ich war am Anfang erstmal geschockt, aber wie bei dir war mir völlig klar, dass diese Ehe unwiderruflich vorbei ist.

Die ersten Wochen waren nicht einfach, es war eine große Umstellung, nach so langer Zeit wieder alleine zu leben und ich war traurig, dass wir es nicht geschafft hatten, aber Liebeskummer hatte ich nicht, hab - genau wie du - keine Tränen vergossen und mich selber darüber gewundert. Im Nachhinein ist mir klar geworden, dass ich selber nicht mehr glücklich in dieser Ehe war, aber gleichzeitig nicht unglücklich genug, um selber zu gehen.

Mittlerweile denke ich, dass das alles genauso sein sollte. Ein gutes Jahr nach der Trennung hab ich meinen LG kennengelernt, mit dem ich heute in einer glücklichen Beziehung lebe. Trotzdem finde ich es immer noch erstaunlich, dass ich am Ende meiner bis heute längsten Beziehung keinerlei Herzschmerz hatte.

04.08.2020 12:03 • x 3 #11


B
Ich glaube im Unterbewusstsein hat schon ein Abnabelungsprozess stattgefunden. Dies würde nur durch den Alltag verschütt gehalten.
Naja, Tränen müssen auch bei einer Trauer nicht fliessen. Es gibt Menschen die wie versteinert wirken obwohl sie in tiefer Trauer sind.

04.08.2020 12:16 • x 1 #12


Coookie
Zitat von Butterblume63:
Cooockie,echt gesagt war ich Männern gegenüber immer misstrauisch die mit großen Liebesbekundungen um sich schmeißen. Zumindest ging dies bei mir immer schief.
Mein Mann war auch kopfgesteuert wie ich und führten bis zu seinem Tod eine gute Ehe.


Dieses Misstrauen kenne ich auf meine ganz eigene Art auch. Selbst wenn die Bekundungen noch so groß sind, unterstelle ich dem anderen immer, dass er vermutlich gar keine Ahnung hat, was die große Liebe eigentlich ist - und dass er mich zwar sehr gern lieben würde, aber sich das eigentlich nur selbst einredet, weil mit mir zusammen zu sein zumindest besser ist, als allein zu sein.

Das ist in meinem ganz persönlichen Fall eine ganz seltsame Mischung aus Arroganz (denn wer bin ich, besser zu wissen, was jemand fühlt, als derjenige selbst?) und mangelnder Überzeugung, dass mich wirklich jemand genauso lieben könnte wie ich ihn. Andererseits nervt mich dieses Misstrauen selbst - denn das steht dem Glücklichsein im Moment doch manchmal ganz schön im Weg.

04.08.2020 16:28 • x 1 #13


Coookie
Zitat von Butterblume63:
Ich glaube im Unterbewusstsein hat schon ein Abnabelungsprozess stattgefunden. Dies würde nur durch den Alltag verschütt gehalten.
Naja, Tränen müssen auch bei einer Trauer nicht fliessen. Es gibt Menschen die wie versteinert wirken obwohl sie in tiefer Trauer sind.


Da magst Du recht haben. Eigentlich bin ich aber sehr gut darin, den Tränen freien Lauf zu lassen. Gerade jetzt, wo eigentlich alles wieder in Ordnung ist, überkommt es mich doch öfter mal. In meinem Kopf geht es dann aber nicht darum, dass ich meinen Ex-Partner vermisse, sondern eher darum, dass ich mir ausmale, wie schlimm eine Trennung vom neuen Partner für mich wäre. Und dass ich ziemlich egoistisch bin, diese Beziehung überhaupt zu führen, obwohl ich doch weiß, dass ich am Ende vermutlich wieder nicht gut genug bin und letztlich auch ihn nicht glücklich machen kann. Ich weiß selbst, dass das total bescheuert ist, aber in diesen Momenten ist das für mich die absolut logische Wahrheit.

04.08.2020 16:36 • #14


T
Was helfen denn Zweifel an den Worten und Liebesbekundungen des Partners?
Solange Worte und Handlungen des Partners im Einklang sind und keine Hinweise auf Lügen oder Doppelleben vorhanden sind sollte man dem Partner auch glauben, dass er JETZT so fühlt wie er es sagt. Das ändert zwar nichts an einer gewissen Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft; aber machen Zweifel die Zukunft sicherer?

04.08.2020 16:47 • x 3 #15


A


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