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Von lieben bis loslassen müssen

A
Hallo zusammen,

ich bin schon eine Weile stiller Mitleser hier und meine Geschichte gleicht im Kern wie eine
von vielen hier.

In Zahlen kurz: 43, 16, 13, 2, 6. 43 Jahre, 16 Jahre Beziehung, 13 Jahre davon verheiratet, 2 Kinder,
seit 6 Monaten getrennt. Finanzen und Unterhalt Kinder geregelt sowie Scheidung meinerseits
beantragen lassen. Aber piep. Fehler in der Aufschlüsselung! Eigentlich nur 14,5 Jahre
Beziehung und 11,5 Ehe. Die letzten 1,5 waren mit Rückblick und Selbstreflektion eine Farce.

Ich war unruhig, traurig, dann wieder glücklich und wusste nicht warum. Komme mir rückblickend
in den 1,5 Jahren vor wie ein stetig um die Gunst der Auserwählten werbender Narr.
Habe gefragt warum sie gelegentlich so kalt ist. Zu den Kinder und zu mir. Habe bemerkt und
direkt angesprochen. Und immer eine positive Antwort bekommen und darauf vertraut.
Ja, ich liebe dich. Es liegt nicht an dir. Ich komme gerade mit mir selbst nicht klar.
Vertraut auf Worte bis zu dem Moment an dem es bei mir nicht mehr ging, der Zustand
unerträglich wurde. Ihr Handeln nicht zu ihren Worten passte und ich wusste, dass wenn ich jetzt
wieder rede das Ende kommt. Sie auf dem Sprungbrett steht und mich durch ihr tun unterbewusst
eben auch auf jenen Sprungturm geholt hat. Habe ich Gewohnheit, Stabilität durch das selbst
geschaffene Heim und grenzenloses Vertrauen in den Partner mit tiefer Liebe verwechselt?
Wie sonst konnte ich so zweifeln? An einer meiner drei Säulen um die ich trauere. Die erste Säule
war Sie. Die zweite unsere zwei wundervollen Kinder. Die dritte unser Zuhause. Dieses Zuhause
ist für mich verloren. Nicht aber für unsere Kinder. Die zwei werden das irgendwann mal erben.
Das elterliche Haus. Eine Wohnung gehört ihrer Mutter, die andere ihr. Kredit wegen Sanierung
läuft jetzt auf sie. Da bin in raus. Abgehakt. So der rationale Mensch in mir der mir so vertraut ist.

Im Vergleich dazu der emotionale Teil meines ich. Jener den ich bis dato noch nicht so kannte und
mich in den ersten drei Monaten mehr beherrschte als alles andere. Ich habe funktioniert, irgendwie.
Selbsterhalt trieb mich voran. Wie, keine Ahnung. Aber es ging. Durch Auszug, reden, Hilfe annehmen,
Kontaktminimierung auf das Nötigste. Zur Ruhe kommen wollen. Nur wie wenn einen
die Gedanken wie folgend rotieren lassen.

Sie, ich habe sie geliebt. Ja, bis zu dem Punkt ab dem sie sich wandelte, veränderte.
Ich dies nicht merken und wahr haben wollte. Wer ist das habe ich mich im letzten Jahr öfters
gefragt als wir dem Ende entgegen schlitterten. Wo hast du die Frau gelassen die ich so liebe?
Also meine Ehefrau! Nicht diese auf ihrem Smartphone nach oberflächlichen Nachrichten
jagende Person. Die sich Youtubevideos von Selbstdarstellern reinzieht und darüber lacht und
ich daneben stand und dachte Oh Herr schmeiß Hirn vom Himmel. Wo auf einmal über Freunde
und Arbeitskollegen hergezogen wurde das sich mir die Nackenhaare hochstellten. Wo bist Du?
Die Frau für die Lästern in der Form ein No Go war. Der Partner mit dem man reden konnte.
Tiefsinnig! Verloren gegangen? Wer bist du? War das schon immer so? Nein! Sie hat sich
verändert sagen Familie, Freunde, die eigene Mutter. Sie entspricht nicht mehr deinem Ideal
sagt der Verstand. Dem Idealbild das du von deinem Partner hast. Dem Bild das du von ihr
gezeichnet hast. Das Bild in dem du dich gespiegelt und wohl gefühlt hast. Dem Bild aus dem
heraus du dich in sie verliebt hast. Loslassen! Lass los! Lass sie jetzt eben so sein! Du kannst
es nicht ändern! Herz lass los! Die, die du liebst ist nicht mehr da! Sie ist gegangen, hat sich
selbst verraten! Sich selbst verraten? Vielleicht, vielleicht auch nicht? Ihr Idealbild von dir hat
wohl auch nicht mehr gepasst. Aber warum? Was habe ich falsch gemacht? Nichts mein Herz,
du bist wie du bist sag ich dir als dein Verstand. Es passt eben nicht mehr.

Früher habt ihr geredet und euch gehört. Ihr habt geredet und euch geantwortet.
Dann hat einer geredet und der andere geantwortet. Zum Schluss einer geredet und einer geschwiegen.
Sender- und Empfängerproblem. Du bist nicht alleine Schuld mein Herz. Zum Beziehungsaus gehören
immer zwei. Kapiere das endlich. Bitte, hör auf dich zu martern mit wieso, weshalb und dem Versuch
das Rad um zu stoßen. Es ist vorbei. Akzeptiere das du jetzt wieder alleine bist. Alleine, das kannst du.
Du brauchst niemanden um klar zu kommen. Du bist nicht bedürftig. Du hast es selbst in der Hand.

Frage nicht warum sondern wofür. Wofür ist es gut das es jetzt so ist. Sie sieht dich nicht mehr.
Und, willst du um jemanden trauern der dich nicht erkennt mein Herz? Nein, willst du nicht!
Du möchtest, dass da jemand ist und dich sieht, erkennt und bei dir bleibt ohne ihn festhalten
zu müssen. Und die ist da draußen. Glaube dran. Also lass los um wieder zu schlagen.
Aber erst für dich selbst. Ich brauche dich befreit von allem Kummer um wieder im Leben anzukommen.
Eine Narbe gestehe ich dir zu mein Herz, aber nicht diese offene Wunde. Doch bis zu der Erkenntnis das
ich Recht habe lasse ich dir als dein Verstand noch was Zeit mein Herz.

Ja, sie hat gegen deine Werte verstoßen. Stimmt, mein Herz. Ich weiß, dass für dich Ehrlichkeit und
Wertschätzung das Fundament einer Beziehung sind. Sie hat geschwiegen, alles mit sich selbst ausgemacht.
Ist für dich mein Herz eine nicht Wertschätzung unserer Person. Ja, und ich weiß das Du offen über deine
Gefühle sprichst. Auch wenn es eine unangenehme Aufgabe seien kann scheust du das nicht. Merkst du,
du scheust das nicht. Du! Sie ist nicht du! Aus ihrer Sicht ist ihr Handeln richtig. Andere Werteskala als du,
akzeptiere das! Okay! Ja, du hast öfters mit ihr geredet und ihr die Frage gestellt ob sie dich noch liebt
worauf sie immer ja gesagt hat. Das kann jetzt als Feige interpretiert oder eben unter, andere Person,
andere Werteskala gesehen werden. Sie ist nicht du! Haken dran. Punkt aus!

Aber auch das wurde weniger. Jetzt sechs Monate später tut es öfters noch weh. Weh nicht wegen ihr,
sondern wegen dieser massiven Kränkung und dem Aufschlag auf den Boden der Tatsachen.
Einer Tatsache das es z.B. eine Illusion ist das wenn zwei Menschen sich so sehr ihre Liebe bekunden
sich nicht so weh tun dürfen. Doch sie tun es. Mal aus zu hohen Erwartungen und gar unerfüllten
Bedürfnissen oder auch nur aus der persönlichen Entwicklung heraus. Weh noch, obwohl ein Licht am
Ende des Tunnels zu sehen ist. Noch nicht vollständig und doch zu erkennen. Weh trotz so vieler Dinge
an denen man sich erfreuen kann. Und seien es nur die kleinen Schritte nach vorne welche man oft nicht
bemerkt weil man dem großen Schmerz mehr Aufmerksamkeit schenkt. Und diese letzten zwei Sätze
mir nicht nur ständig vorzubeten sondern auch zu verinnerlichen ist gerade einer meiner Baustellen.

Und die Kinder, sie fehlen. Auch eine Zerreißprobe. Mein Sohn (12) ist oft bei mir. Meine Tochter (14)
macht sich rar. Ein Teenager in der Selbstfindung. Und, bei Papa gibt's Grundregeln an denen nicht
gedreht wird. Uncool. Und trotzdem ist täglicher Kontakt über Whatsapp da. Und sei es nur wegen
Gute Nacht.

Ich weiß nicht in welcher Phase ich mich gerade befinde. Mir kommt es manchmal so vor als ob
ich alle an einem Tag hintereinander habe.


Danke dafür meine Gedanken mit Gleichgesinnten teilen zu dürfen.

alpha_omega

26.03.2019 16:46 • x 10 #1


Tool
Das hast du sehr schön geschrieben

26.03.2019 16:58 • x 1 #2


A


Von lieben bis loslassen müssen

x 3


P-B
Deine Situation kommt mir sehr vertraut vor. So gut hätte ich es aber nie in Worte fassen können. Danke dafür.

26.03.2019 18:09 • x 1 #3


L
Nützt dir jetzt zwar nix, aber sehr gut geschrieben .

So ging/geht es mir auch. Ich habe das Gefühl (was natürlich eher subjektiv ist) ICH hätte gekämpft/hinterfragt etc.
Andererseits hab ich vielleicht auch zuviel darauf vertraut was ich glaubte zu haben, dass ich teilweise Dinge nicht als solches wahrgenommen habe. Blind? Vertrauenselig? Gutgläubig? Ja, aber muss es denn nicht ein Stück weit so sein?

Ich bin schon ein paar Monate weiter als du, es wird besser! Aber es ist immernoch zeitweise schwierig. Vermutlich bleibt das auch noch lange so. Vermutlich trägt man die Narben nun ein Leben lang. (wenn es denn endlich gänzlich vernarbt ist und nicht dauernd wieder aufreisst- metaphorisch ausgedrückt )

26.03.2019 19:50 • x 1 #4


G
Daumen hoch,
wirklich toll geschrieben. Ich bin um Jahre weiter wie du, die Narbe bleibt als Mahnmal. Ich hoffe deine Verletzungen heilen, nimm dir die Zeit zum verarbeiten und nachdenken. Aber wenn die Zeit gekommen ist, sei mutig und lauf los!
Stocke nicht, sei Furchtlos und vertraue auf das Gute. Es wird kommen versprochen, dann ist es die Kunst wieder zu vertrauen. Ja ja, das Herz, das Herz.

Ich hoffe du bekommst es schneller hin wie ich. Alles gute und viel Kraft!

Ganriel-TE

26.03.2019 20:31 • x 1 #5


A
Hallo,

@Tool , @P-B , @LayDee und @Gabriel-TE .

Es beschreibt meinen Kampf zwischen Emotion (Herz) und Verstand den ich dachte
in den ersten Monaten an die Emotion zu verlieren. Die Kraft aufzubringen das dies
nicht so geschehen ist war schwer, aber nicht unmöglich. Und trotzdem ist es noch
ein auf und ab in der unruhigen See. Mit dem Unterschied das jetzt bildlich gesehen
die Wellen nicht mehr über einem hinweg gehen sondern am Körper branden.

Diese Gefühlslage nieder zu schreiben und dies mir dann in all dem Emotionschaos selbst
wieder unter die Nase zu halten hat mir oft geholfen. Vielleicht erkennt sich ja jemand
der jetzt in den Anfängen steckt darin wieder und kann dadurch besser greifen was los ist.

Mir ist klar das es zu Ende ist. Der Weg noch etwas dauert. Ich mir aber auch keinen Druck
machen darf. Die Zeit ist der Verbündete.

Grüße

alpha_omega

01.04.2019 13:38 • x 2 #6


Winterfee2002
Das hast du so wunderschön geschrieben. Ich stecke auch in dem gleichen Schlamassel,allerdings erst seit kurzem und knabbere noch sehr daran.
Ich bewundere wie du logisch vorgeht und es so wohl besser verarbeiten kannst. Ausserdem hälst du eine Kontaktsperre ein, sehr wichtig finde ich,mache ich noch nicht.
Ich wünsche dir viel Glück auf deinem weiteren Lebensweg und das es dir bald wieder besser geht.

01.04.2019 18:24 • x 1 #7


downie
Hallo,

sehr treffend formuliert. Habe Dich dahingehend richtig verstanden, dass Du Dich von Deiner Frau getrennt hast?

Viele Grüße
downie

01.04.2019 19:22 • #8


P-B
Hallo Alpha_Omega,
bei mir ist es gerade mal einen Monat her und es tut auch noch sehr weh. Aber ich halte es ähnlich wie du, akzeptiere nun das es vorbei ist und versuche nach Vorne zu blicken.

Die Verhaltensänderung in den letzten Monaten war exakt die selben bei meiner Frau. Auch die Antworten auf die Frage was los sei. Noch vor einem Jahr sagte sie mir unter Tränen, dass es nicht an mir, sondern an ihr läge. Danach ging es emotional steil Berg ab. Emphati wich sinnfreien Facebooksprüchen und Haßtieraden über Kollegen und ethnische Minderheiten. Das war nicht mehr meine Frau. Und dennoch habe ich sie geliebt.

Der Unterschied bei uns ist (war), dass ich bis zum Schluss gehofft habe, dass alles gut wird. Bis zu dem Tag an dem ich letztendlich ohne ein Wort der Vorwarnung, durch jemand anderen ersetzt wurde, der scheinbar besser zu ihr passt.

Menschen ändern sich mit der Zeit. Die intrinsischen Gründe hierfür werden wir von so jemandem wohl nie erfahren. Aber das müssen wir auch nicht. Bleib dir selbst treu und geh deinen Weg weiter. Ich wünsche dir alles Gute und das du irgendwann wieder jemanden findes, der deine Werte teilt und dem du erneut dein Herz schenken kannst.
Halte durch

01.04.2019 21:03 • x 1 #9


LastUnicorn
So schön geschrieben und doch so traurig.
Und sehr reflektiert.
Mir sind gerade Tränen geflossen, weil ich es so gut verstehen kann.
Hätte es aber nie so ausdrücken können.

Ich wünsche Dir von Herzen das Du wieder glücklich wirst.

01.04.2019 21:16 • x 2 #10


A
Hallo,

@downie .

Verlassen hat sie während der Ehe. Sie wollte das nicht wahr haben und hat lieber geschwiegen anstatt ihre Zweifel an uns mir mitzuteilen. Mir trotz bemerken und reden meinerseits, bin ja nicht aus Holz, stetig ihre Liebe beteuerte. Nur passte ihr Handeln nicht zu ihren Worten. Und so wurde ich immer unglücklicher bis ich nicht mehr konnte und durch bohren das Finale einleutete. Ich wusste das es das Ende bedeuten könnte aber so ging es auch nicht mehr. Und erst da sprudelte es so aus ihr raus. Verletzend und den Rest meiner Gefühle zerstörend. Habe zwar noch versucht, weil nicht wahr haben wollte, zu retten was nicht mehr zu retten war aber erkannte sehr schnell das nur Auszug meine Rettung sein kann.
Für meine Heilung, mein Unabhängigkeit, kurz mein Leben. Weil das will ich so nie mehr.

alpha_omega

01.04.2019 21:24 • x 1 #11


EM_1966
Glückwunsch zu Deinem Mut und Deiner Kraft den Schritt zu gehen!
Der finale Schritt steht mir noch bevor, obwohl ich ihn tief drinnen längst vollzogen habe und nur noch berechnend den Empfehlungen meines Anwalts folge, zum richtigen Zeitpunkt der Trennung.
Ich habe auch Angst davor, klar, vor allem wegen der kids.
Aber es gibt keine Alternative.
Alles Gute auf Deinem Weg!

01.04.2019 22:20 • #12


A
Hallo,

@Winterfee2002 .

Die Logik setzte aber auch erst nach ca. 2,5 Monaten bewusst ein. Vorher war das nur ein selbsterhaltendes Handeln um über die Runden zu kommen. Hilfe zu suchen und anzunehmen rate ich jedem. Mich, dachte ich könnte nichts mehr nach so vielen persönlichen Schicksalsschlägen wie Tod der Eltern durch schwere Krankheiten in eine solche Extreme schicken. Doch der eigentliche dominierende rationale Teil in mir wurde förmlich überrannt. Funktionierte aber glücklicherweise noch in Hintergrund.

Kontaktsperre oder Minimalkontakt wie bei mir wegen der Kinder und der Scheidung ist wegen der emotionalen Lösung aber das A und O. Alles andere ist Augenwischerei und künstliche Verlängerung des eigenen Leidens.

alpha_omega

01.04.2019 22:25 • x 2 #13


downie
Hallo,

nur um Dich richtig zu verstehen...

Du hast immer weiter gebohrt, weil Du aufgrund Ihrer Art und Weise gemerkt hast, dass Ihre Liebesbekundungen nur Lippenbekenntnisse waren? Und weil Du nicht aufgehört hast zu reden, wurde sie aufrichtig und hat Dir mitgeteilt, dass da nichts mehr für Dich ist? Oder wollte sie Eure Ehe weiter aufrechterhalten?

LG
downie

01.04.2019 23:00 • #14


A
Hallo,

@P-B .

Ein Monat. Puh... Dir alle Kraft der Welt. Ich kann mich voll in dich hineinversetzten. Aber vielleicht erkennst Du nach einiger Zeit der Trauer, das der Teil in dir der bemerkte was ist wegen der Wesensverändung und der stetigen Verletzung schon los ließ. Denn genau die Erkenntnis kann zwecks Heilung Gold wert sein. Das wünsche ich dir jedenfalls.

alpha_omega

01.04.2019 23:09 • x 1 #15


A


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