Was ich gerade denke ... ich denke etwas schon seit mehreren Tagen. Warum sind Menschen so, wie sie sich manchmal aufführen. Und ja, diese Frage rührt vom Lesen in dem Forum hier. Mich erschreckt dieser Ton und Umgang hier und nicht zuwenig, allerdings auch nicht zum allerersten Mal.
Vermutlich hab ich eine andere Sicht auf Höflichkeit und Respekt.
In dem Zusammenhang denke ich gerade besonders an eine Freundin von mir ... Sie kam irgendwann in meine Klasse. Und sie war anders. Anders wie die meisten anderen, also eher so wie ich ... und von daher verstanden wir uns gleich und freundeten uns auch an. Ich weiß noch genau, wie sie da vor der Klasse stand, gekleidet mit Bluse und Rock, schwarze Schnallenschuhe, sie hatte so viele Sommersprossen und dunkle Augen, aber so schöne Farbe, wie dunkle Kirschen und ein richtig schönes dunkelrotes Haar, nicht so ein rostrot. Das war in der 8. Klasse. Sie hatte einen Vater, der war schon sehr alt und Schauspieler an unserem Theater, ihre Mutter war Sängerin. Sie wurde sehr behütet erzogen und war sehr feinsinnig, klug und kultiviert. Sie fluchte nie, drückte sich immer sehr ordentlich aus ... also ich konnte durchaus von ihr lernen. Während wir noch mehr oder weniger pubertierten, war sie immer sozusagen ein anständiges Mädchen. Wir verbrachten viel Zeit außerhalb der Schule, sie half mir bei Mathe, ich ihr bei Sprachen. Ich war oft bei ihrer Familie zu Gast, mir gefiel dieser Umgang in der Familie, obwohl ich den alten Vater damals immer ein wenig seltsam, aber auch geheimnisvoll fand. Er hatte so eine wunderbare Stimme, ich weiß noch, später dachte ich immer, so müsste jemand reden, der von ganz oben redet ... In der Familie wurde ich auch so ein wenig in die künstlerischen Sphären gebracht. Ich fühlte mich richtig wohl dort.
Die Mitschüler haben meine Freundin oft geärgert, aber wir haben zusammengehalten. Nicht nur einmal riss ich meine Klappe zu weit auf, ihretwegen. Das wollte sie gar nicht ... Aber mich regte das schon immer auf ... dieses sich Erheben anderer Menschen, dieses gemeinschaftliche Draufhauen ... sich lustig machen ... also das, was heute anonym so super im Internet stattfinden kann ... alles für paar Likes und Beifall.
Wie es dann so kam im Leben, unsere Wege trennten sich, sie studierte in einer anderen Stadt, ich studierte in Leipzig und Berlin und wir sahen uns nur noch selten. Internet und Handy waren ja noch nicht erfunden. Hin und wieder trafen wir uns, wenn wir gemeinsam in meiner Heimatstadt waren.
Und ich erfuhr, wie es weiterging. Sie war so ein empfindsames Mädel, ja, manchmal hatte sie auch ein wenig, ich sag mal, weltfremde Ansichten ... was so das Leben anging, waren wir wie Feuer und Wasser, sie war so geradlinig und ich so ein Querschläger ... Dann erzählte sie mir, wie man sie behandelte, u. a. ihr Kleidungsstil war z. B. öfter mal Gesprächsstoff, es gab selbst Dozenten, die sie vor die Gruppe holten und dann sagten, sieht sie nicht wieder gut aus, unsere .... V.? Sowas öffnete die Schleusen auch für die anderen ... wenn das schon Dozenten taten, dann könnten es doch andere auch tun ... Ihre Hausarbeiten wurden besonders gern zerpflückt ... Man hatte sich auf deutsch gesagt, auf sie eingeschossen. Wenn sie das erzählte, dann bin ich immer halb ausgeflippt ... doch sie war irgendwie so verträumt, sie glaubte immer an das Gute im Menschen ... ach, das ist doch gar nicht soo schlimm. Ich traf irgendwann ihre Mutter, wir redeten über dieses Thema, sie machte sich auch Gedanken über ihre Tochter. Ich nahm mir vor, das muss ich unbedingt mit V. nochmal in Angriff nehmen ...
Dazu kam es nicht mehr ... sie sollte nach Hause kommen, freie Zeit hier verbringen ... und auf der Heimfahrt hat sie sich aus dem Zug in den Tod gestürzt.
Ich vergesse niemals, wie ich mich fühlte, als ich es erfuhr ... Sie hat es nicht mehr ertragen.
Vielleicht sollte der eine oder andere mal etwas mehr drauf achten, wem er hier was schreibt ... vielleicht. Es gibt manchmal Leute, die sind halt anders als Du und ich ... dann kann man auch mal dran denken, Schreiben ist Silber und Nichtschreiben ist Gold.
24.03.2021 22:25 •
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