@pandemonium
Die ,,Einsicht in das Fehlverhalten wäre eine freiwillige, selbskritische Option und nicht der Zwang einer abstrakten Autorität.
Natürlich wäre die Voraussetzung einer Kehrtwende, die verheimlichte Untreue und das Doppelleben überhaupt als Fehlverhalten einzusehen. Ganz gleich, ob moralisch aus Schulbewußtsein oder rational im Eigeninteresse. Der Anlaß der Einsicht und eine daraus resultierende Korrektur könnte der empfundene Leidensdruck, das Unbehagen in einer gestörten Beziehung, die Belastug ungeklärt schwelende Konflikte, die Furcht vor einem desaströsen Ende etc. sein. Das ist in meinem Verständnis nicht als moralisches Verdikt gesellschalicher Konventionen gemeint, sittliche Normen einhalten zu müssen, sondern die Erkenntnis einer Bedürfnisabwägung kraft der Vernunft.
Wenn ich intellektuell einsehe, daß ein Vertrauensverhältnis bekömmlicher ist als permanentes Mißtrauen, Treue weniger Streß bereitet als Betrug, könnte ich darüber nachdenken, was für die Bewahrung einer intakten zwischenmenschlichen Beziehung zuträglicher ist, welches Verhalten das Verhältnis stärkt und welches es zerstört. Das ist eine banale Beurteilung und unterliegt der Domäne deiner Freiheit, den Einfluß deines Verhaltens auf den Zustand der Beziehung zu deiner Frau selbstkritisch einzuschätzen - Erkenntnis geleitet. Selbstkritik wäre in diesem Prozeß die Schlußfolgerung aus der Erkenntnis der rationalen Feststellung des eigenen Anteils am Unheil, das du ja selbstredend abwenden willst. Die Einsicht bewegt sich auf der objektiven Metabebene deiner Urteilsfähigkeit und wäre eine rein subjektive Eigenleistung und kein pädagogischer Zeigefinger der Erziehung von außen, kein oktroyierter Zwang, der dich gegen deinen Willen zur Besserung nötigt.
Wenn ich akzeptiere, daß ICH es bin, der durch sein notorisches Täuschungsverhalten destruktiv das Verhältnsi zur Partnerin zersetzt, in fortwährender Desintegrität in die Entfremdung getrieben hat, aber gleichzeitig die Geborgenheit der Bindung/Abhängigkeit nicht verlieren will, würde ich nicht nur anfangen, mein Verhalten infrage zu stellen, sondern es auch nachhaltig ändern. Das ist profan mit Einsicht in eine Fehlentwicklung gemeint. Nochmal: Es wäre deine Entscheidung, daß zu tun oder zu lassen!
Ich persönlich würde mich in einem zerrütteten Verhältnis dieser Normalität nicht einen Tag wohl fühlen und hätte den Anspruch, das dringende Verlangen, schwelende Konflikte zügig zu klären, weil mein eigenes Wohlbefinden an aufrichtiger Wahrhaftigkeit gekoppelt ist. Wenn ich tagsüber wegen einer Meinungsverschiedenheit in einen Streit mit meiner geliebten Frau gerate, muß ich alsbald den Konflikt klären, bevor er sich verfestigt, am besten mit einer versöhnlichen Umarmung, die wieder die vertraute Nähe herstellt. Ansonsten drohen disharmonische, seelische Gleichgewichtsstörungen, die mir nicht gut bekommen.
Dein psychologisches Kardinalproblem besteht augenscheinlich in der Unfähigkeit bzw. dem Unwillen, ein Beziehungsfundament zu bilden, das auf Vertrauen, Zuneigung und Integrität beruht - dir offenbar fremde Begriffe oder Kategorien, die du sogar ostentativ ablehnst. Dein Freiheitsbegriff am Beispiel des Schulaufsatzes, den du originell konterkariert hast, erinnert mich an Diogenes in der Tonne, der sich konsequent allen Konventionen entzogen hat und nur seinen unmittelbar kreatürlichen Bedürfnissen gefolgt ist, wozu nach der Überlieferung der griechischen Antike auch die anstößige SB in aller Öffentlichkeit gehört hat, die enthemmte Auslebung der Triebhaftigkeit nach dem Lustprinzip. Es gibt die Anekdote, daß ein König an die Tonne getreten ist, mit dem Angebot, ihm jeden Wunsch zu erfüllen, wenn er aufsteht und seine solipsistische Orientierung (= nur die unmittelbare Ich-Wirklichkeit hat Geltung) aufgibt, worauf Diogenes ihn lediglich gebeten hat, aus der Sonne zu gehen, weil der Schattenwurf sein Befinden stört..
Dein Freiheitsbegriff ist egozentrisch geprägt, haftet trotzige Infatilität an, deute ich als Hinweis auf fehlende Reife, was nicht ungewöhnlich für übersteigerten Narzißmus wäre. Wobei deine reflektierte Offenheit im Thread diese vage Ferndiagnose wiederum widerspricht. Narzißten leugnen gerne ihr schädliches Verhalten oder suchen das Weite, wenn sie entlarft werden. Nichts ist psychologisch bedrohlicher für einen Narzißten als eine Spiegelung seines falschen Größenselbst. Das wäre ein furchtbarer Kontroll- und Machtverlust. Selten treffen zwei gleichermaßen gestörte Narzißten emotional aufeinander. Passiert es dennoch in einer manipulativen Beziehung und beide stehen dermaßen unter Leidensdruck, das eine sogenannte Spiegelung eine schlagartige Entladung des falschen Selbst hervor ruft, bleibt meist der schwächere Part auf der Strecke. Die Psyche hat kapituliert und das Problem in eine Depression verschoben, die heilsam sei kann.
Die narzißtische Problemmatik kann in deiner Darstellung nicht eindeutig erkennen, insofern erschließt sich mir die Ursache deines zweispältigen Dilemmas nicht. Es kann aber auch sein, daß deine Frau die passive Rolle einer narzißtischen Abhängigkeit in eurem Verhängnis inne hat und gegen die Dominanz deiner Aktivität machtlos ist. Dann seid ihr beide gleichermaßen nicht zu beneiden.
Angesichts der beharrlichen Verteidigung deines fragwürdigen Lebenswandels, um nicht zu sagen, im verpanzerten Korsett selbstbezüglichen Bedürfnisopportunismus gefangen, würde ich aber die Prognose wagen, daß dich früher oder später, vermutlich früher als später, eine äußerst schmerzhafte Lektion in Form einer Dissoziation ereilen wird, die dir das Leben im falschen Selbst erteilt. Wer dauerhaft die eigene psychische Desintegrität riskiert, wird irgenwann durch eine heftige Reaktion der eigenen Psyche heimgesucht bzw. belehrt. Mit dem Zusammenbruch einer fragilen Persönlichkeit der Widersprüchlichkiet hätte sich das Doppellebenspiel endgültig erledigt, im psychischen Ruin aber auch vieles andere.
Irgendwann fehlt die Kraft für das Doppelleben, schließlch frißt es die doppelte psychische Energie im Vergleich zu einer intakten Beziehung. Immer darauf achten zu müssen, daß die Fassade bestehen bleibt, ständig aufzupassen, sich nicht durch ein Mißgeschick bei der Täuschung zu verraten, zieht viel Konzentration ab? Schon aus Gründen der intellektuellen Ökonomie und wegen des immensen psychischen Energieverbauchs für die Simulation würde ich die Bilanz überdenken.
Es gibt beizeiten die Einsicht aus Vernunft oder eben die bittere Medizin der Lektion, meist im Zusammenbruch eines Lebensmodells, das die Belastung nicht mehr trägt. Deinen Zustandsbeschreibungen und die Ratsuche hier, entnehme ich, daß der Boden unter deinen Füßen bereits löchrig ist.
Im Geschäftsleben magst du mit Abkürzungen finanziell erfolgreich sein, im Beziehungsdasein hast du dich aber offenbar mit den Abkürzungen gehörig in einem Labyrinth verlaufen.
P.S.:
Übrigens mußt du dich für meine ausführliche Auseinandersetzung nicht bedanken. Mich leitet durchaus empathische Anteilnahme für deine Lage aber auch ein übergeordnetes literarisches Interesse an Sozialpsychologie und dein Fall ist forensisch sehr interessant. Mein Motiv ist die Heilsamkeit im Austausch, nicht die Zersetzung. Moral ist fehl am Platz. Wenn manche deiner apodiktischen Auskünfte auch verstörend sind, lese ich zwischen den Zeilen mehr Verzweiflung als Gewißheit. Du machst keinen Hehl aus deiner Sicht, das spricht für dich und wäre deine Chance für eine grundlegende Kursänderung.