Zitat von Mira93: ch habe dennoch früh Verantwortung übernommen (finanziell) und auch weil ich 3 jüngere Geschwister habe. Es ist nicht so dass ich auf irgend etwas verzichten musste aber ich wollte meinen Eltern nie eine Last sein und immer helfen…ich bin wohl von Natur aus so.
Nein, das wurde Dir anerzogen. Du warst die Ältere, die Vernünftige, die auf die jüngeren Geschwister Acht geben musste. Du hast praktisch schon sehr früh die Rolle einer Ersatzerzieherin übernehmen müssen. Das prägt fürs Leben und ist auch nicht schlimm.
Denn eine andere Begleiterscheinung ist eben auch, dass Du Verantwortung übernehmen kannst und Dich und Dein Leben im Griff hast. Du hast Ziele, die Du verwirklichst. Das ist ein positiver Nebeneffekt der Dir ermöglicht Dein Leben strukturiert zu gestalten.
Auf der anderen Seite hast Du aber die Seite der Kümmerin in Dein Erwachsenenleben übernommen. Das führt dann offenbar dazu, dass Du automatisch und aus dem Unterbewusstsein gesteuert Männer witterst denen genau das fehlt. Du findest unabsichtlich schwächere Männer die Du dann eben auch erziehen musst und auf Kurs bringen musst.
Nur, auf Dauer lässt sich ein erwachsener Mann halt nicht erziehen. Erst nimmt er das Positive für sich, weil Du sein Leben halbwegs in Ordnung bringst, aber mit der Zeit wirst Du dann eher als eine Art Ersatzmama, Lehrerin oder Erzieherin eingeordnet. Der Mann driftet ab, sucht sich Mittel um Dich (ebenfalls unbewusst) zu bestrafen (Kaltstellen, mangelnde Zuwendung, Abwertungen sind probate Mittel) und klein zu halten. Und schließlich geht er, weil Du ihm ein Leben aufzwingen willst, das er nicht schafft und auch nicht schaffen will.
Mit ein wenig Abstand kannst Du die Muster sicher klar erkennen. Jetzt fühlst Du Dich gedemütigt. Erst hat er Dein Selbstwertgefühl demoliert und Dich in seiner Abhängigkeit gehalten, dann hat er Dich eiskalt abserviert. Und jetzt siehst Du Dich als Versagerin, als Schwächling, die ihn nicht halten konnte.
Die Folge sind Scham und daher sozialer Rückzug. Lieber nichts sagen, lieber zu allem schweigen ...
Das macht Dein Leben aber nicht leichter, sondern schwerer, denn nun schämst Du Dich auch noch. Fürs Schämen braucht es ein Gegenüber, ohne Gegenüber keine Scham. Scham heißt in Deinem Fall auch, dass Du mit der gefühlten Niederlage nicht umgehen kannst und sie daher lieber verschweigen willst.
Das geht doch eh nie lange gut. Irgendwann kommen die Fragen. Was ist eigentlich mit Sven? Von dem sagst Du gar nichts mehr. Den wievielten Job hat er denn jetzt eigentlich? Wieso kommt er nicht zum Geburtstag von Oma?
Da ist es besser und auch leichter gleich mit offenen Karten zu spielen und zu sagen, es ist aus. Die anderen werden Dir vermutlich sagen: Gott sei Dank bist Du weg von dem, der war doch noch nie was für Dich!
Es ist leichter darüber zu reden als darüber zu schweigen. Mach den Anfang damit und Du wirst sehen, es ist leichter als Du denkst. Man kann Niederlagen, die letztendlich keine sind, auch mal eingestehen. Das tut sogar gut, denn es löst sich dann innerlich auch ein Knoten. Der Knoten der Scham nämlich.
Du bist eine tüchtige junge Frau und das kann Dir keiner nehmen. Ein gutes Kapital fürs Leben, eben der positive Nebeneffekt Deiner Erziehung. Nur musst Du aufpassen, dass Du Dir nicht wieder einen Mann suchst, der eher ein kleiner Bub ist und den Du dann erziehen möchtest.
In jeder Beziehung gibt es Machtstrukturen, auch in Familien und in Beziehungen. Wenn hier jedoch ein krasses Ungleichgewicht entsteht, dann fühlt sich meist zumindest einer nicht mehr wohl. Der Unterlegene, der Schwächere. Der will die Unterlegenheit ausgleichen und findet dazu Mittel. Seine Mittel waren eben ein unstetes Leben und seine emotionale Instabilität, die es ihm ermöglichten, Dich in Abhängigkeit und endlich auch mal in die unterlegene Position zu bringen. Denn Du wollstest ihn nicht verlieren und hast Dich dann angepasst und dich im Grund genommen auch emotional erpressen lassen. Wenn Du nicht nett und lieb zu mir bist, dann bestrafe ich Dich mit Gleichgültigkeit, Abwertung, Kälte. Also hast Du nicht aufgemuckt, sondern klein beigegeben. Das wiederum aber geht gegen Deine innere Ehre und es stellt sich eine innere Zerrissenheit ein. Einerseits bist Du feige und kleimütig, denn Du willst ja nicht noch Öl ins Wasser gießen, andererseits fühlst Du Dich damit auch schlecht, weil Du gegen Deinen Stolz, gegen Deine Würde handelst.
Er hat jetzt der Qual ein Ende bereitet und auch für Dich war diese Beziehung doch eine Qual. Es ist zu früh, jetzt Erleichterung zu empfinden oder gar froh darüber zu sein, Denn er fehlt Dir ja auch, Du vermisst ihn und musst erst heilen.
Lerne gut zu Dir zu sein. Scheitern gehört zum Leben genauso wie gewinnen, aber keiner gewinnt immer nur. Ohne Gewinn keine Niederlagen und ohne Niederlagen auch kein Gewinn. Ohne Traurigkeit gäbe es keine Freude und umgekehrt. Also ist das ganz normal, denn es gehört zusammen.
Wenn Du dich emotional losgelöst hast, wirst Du vieles klarer sehen und beurteilen können als jetzt. Du musst Dich jetzt ein wenig pflegen, Dir Gutes tun und dazu gehört auch der Mut, Deinem Umkreis vom Ende der Beziehung zu erzählen. Die Ablösung wird sicher Monate dauern, aber es wird Dir in dieser Zeit nicht nur schlecht gehen. Aber er wird immer wieder in Deinen Gedanken auftauchen, sich sozusagen einnisten. Aber das gehört eben dazu. Dennoch wird er mit der Zeit verblassen und irgendwann merkst Du dann, dass er einfach keine Rolle mehr spielt für Dich. Und dann wird sich das einstellen, was Dir in dieser Beziehung völlig gefehlt hat, Ein Gefühl der inneren Freiheit (weil Du Dich nicht mehr verbiegen musst und das Leben eines verzogenen kleinen Buben richten musst) und der Erleichterung.
Woher ich das weiß? Beziehungen sind oft ziemlich gleich und verlaufen nach ähnlichen Mustern. Nach der anfänglichen Glückseligkeit kommen dann die Eigenarten und Defizite ins Spiel und dann wird es oft schwierig. Anfangs glaubt man das noch steuern zu können und wiegelt es ab mit den Gedanken, das wird schon, eine vorübergehende Krise. Ich darf bloß nicht locker lassen, muss dran bleiben, dann ...
wird er wieder lieb zu mir sein. Und mich endlich schätzen für das was ich bin und tue.
Pah, er hat Dir was gepfiffen! Und das schmerzt, weil man Deine Mühen und Deine Anpassungen nicht etwa geschätzt, sondern weggeworfen hat. Das ist halt so mit den Kümmerinnen. Die werden oft nur ausgenützt und dann entsorgt, so hart das jetzt klingt. Du kennst ihn ja, folglich passt sein Verhalten doch ins Bild. Er übernimmt keine Verantwortung für sich, sondern verschwindet einfach. Die merkt dann schon dass ich weg bin.
Es ging mir mal genauso wie gut. Eine Beziehung in Schieflage. Dabei wollten wir doch ehrlich sein, offen sein, Konfliktthemen rechtzeitig ansprechen. Und wie hat es geendet? Ich wurde immer kleinmütiger und ängstlicher und hatte keinen anderen Lebensinhalt mehr als diesen Typen und diese defizitäre Beziehung. Und er verteidigte seine Unabhängigkeit, seine sogenannte Freiheit und ließ mich wie eine Marionette agieren. Er zog an einem Fädchen und ich hob das Bein oder den Arm. Ich war immer willenloser geworden und hatte nur ein Ziel: Alles, nur kein Beziehungsaus!
Denn ich hing an ihm wie eine Klette und er war der Puppenspieler.Und anstatt von diesem Karussell abzuspringen, fuhr ich immer weiter und akzeptierte alles und redete es mir noch schön. Dabei war ich von Ängsten zerfressen und ich fühlte mich fremdgesteuert, was ich auch war.
Und dann tat er das Beste für mich und trennte sich. Natürlich ging es mir schlecht. Nach der Heulphase kamen Wut und Hass auf ihn. Die miese Ratte, es sollte ihm schlecht gehen, er sollte am besten sterben, damit er endlich weg wäre! Aber Wut, Hass und Zorn kann man nicht ewig fühlen, denn das kostet zu viel Energie.
Und erst ganz lange nach der Trennung, als er schon lange aus meinem Leben verschwunden war, begriff ich auf einmal, was da zwischen uns abgelaufen war. Nicht nur er war der Schuldige, der Gemeine, nein, auch ich hatte einen großen Anteil an der Misere. Und ich war nicht halb so gut wie ich mir eingebildet hatte.
Das sorgt dann auch für inneren Frieden. Er war nicht gut, aber nicht nur schlecht und ich war auch nicht gut, aber auch nicht ganz schlecht. Aber es etablierten sich eben sehr schnell Mechanismen bei uns, die ein Anzeichen für unsere inneren Defizite waren. Ich die Ängstliche, Abhängige, die eisern an ihm festhielt und er derjenige, dem Beziehungen schnell über den Kopf wuchsen, weil er dafür einfach nicht gemacht war. Ein Bindungsvermeider in Reinkultur, der zwar eine große innere Sehnsucht nach Vertrauen, Nähe und Liebe hatte, aber wenn er sie bekam, dann wurde es ihm schnell zu eng und er ging auf Abstand. Das wiederum verstörte und ängstigte mich, weil ich eben von Verlustängsten geplagt war. Auch ein Erbe aus der Kindheit, bei ihm wie auch bei mir.
Vielleicht war das auch bei Euch so. Du kannst ja mal, wenn Du magst, ein Buch lesen: Jein. Bindungsängte erkennen und bewältigen von Stefanie Stahl. Das hat mir die Augen geöffnet über ihn und über mich.