Womit soll ich anfangen?
Es ist so enorm viel passiert in den letzten 2,5 Jahren. Ich habe nach all der Zeit selbst nochmal den ganzen Thread mit allen Antworten gelesen und mit der Erkenntnis von heute muss ich sagen:
die Ratschläge waren sinnvoll – ich konnte sie seinerzeit aber nicht umsetzen oder gar verstehen. Dafür glaube ich, muss man durch seine persönliche Hölle gegangen sein, alles gefühlt und reflektiert haben. Um dann in der Rückschau von außen betrachtet die emotional nicht involvierten Beiträge richtig zu deuten.
Um es vorweg zu nehmen: es war die schlimmste Zeit meines Lebens und gleichzeitig die wertvollste – für mich in meiner Persönlichkeit und für meine Ehe die größte Chance auf einen wirklichen Neubeginn auf Augenhöhe.
Um alle Verstrickungen und Entwicklungen nachvollziehbar aufzuführen, bräuchte es hunderte Seiten. Ich versuche die Kurzfassung und antworte dann gerne auf bestimmte Fragen.
Erst viele Monate nach meiner Entdeckung der Reha-Frau wurde mir von 2 aufeinander folgenden Schocks der letzte Rest Boden unter den Füßen gerissen.
Das Verhältnis zur Reha-Frau wurde nie beendet, sondern auf einem versteckten Kanal nicht nur weitergeführt, sondern ausgeweitet (tägliches Schreiben über Stunden, Telefonate während ich arbeiten war, zig Bilder die hin- und hergeschickt wurden (auch etliche Bilder) Liebesbekundungen zwischen den beiden sowie mehrere Treffen – die alle mein Mann organisiert und bezahlt hat- in Hotels in ihrer Nähe, bei denen es dann auch zu 6 uellen Handlungen kam).
Zudem erfuhr ich, dass er eine 6 uelle Affäre mit einer Kollegin hatte. Diese lief bereits 1 Jahr, als er in Reha ging und wurde von ihm beendet, nachdem er sich in die Reha-Frau verliebt hatte (also 2 Monate lief das noch zeitgleich).
Ich kannte die Kollegin, war mit ihr über Whatsapp in „nettem“ Kontakt seit einigen Jahren. Es gab auch einige Unternehmungen mit ihr und ihrem Mann, später dann mit ihr alleine.
Obwohl ich den Beginn der Annäherung zwischen den beiden irgendwie gespürt und mit meinem Mann mehrfach darüber gesprochen habe, schaffte er es, dass ich meinem Bauchgefühl immer mehr misstraute und seinen Worten „das bildest du dir ein“ Glauben schenkte.
Ich zweifelte an mir und meiner Wahrnehmung. Und dann dachte ich irgendwann: er hat Recht. Schließlich würde er ja nicht mit uns beiden oder zu viert Zeit verbringen und schon gar nicht würde sie so netten Kontakt zu mir haben.
Misstrauisch wurde ich erst wieder, als mein Mann in Reha war und mein IPad einen Anruf über Facetime von ihr anzeigte. Ich ging ran – sie legte wortlos auf. Ich rief zurück – sie legte wieder auf. Ich sah, dass sie im Bett lag und wunderte mich. Fragte meinen Mann am nächsten Morgen, ob sie ihn angerufen habe – er verneinte.
Später kam heraus, dass sie ihm in die Reha geschrieben und mehrfach mit ihm telefoniert hatte…
Herrje, was wurde ich verarscht für meine Gutgläubigkeit.
Das tat extrem weh. Nicht nur, dass ich belogen und betrogen wurde. Nicht nur, dass mich alle für naiv hielten (ich mich besonders), sondern dass mir Nettigkeit und all das ekelhaft heuchlerisch vorgespielt wurde – und ich zwar skeptisch war, aber mich trotzdem habe verarschen lassen.
Es stimmt: Verlustangst war immer mein Thema. Das hat es meinen Mitmenschen all die Jahre leicht gemacht, mich zu benutzen und auszunutzen.
Und es stimmt auch, dass ich mich von meinem Mann emotional entfernt hatte über die letzten Jahre. Mich kleingemacht habe, um ihm zu „genügen“ und zu „gefallen“. Aus Angst, er findet eine Bessere. Das war und ist aber mein Thema – das weiß ich heute.
Das hatte sich dann endgültig erledigt. Nach erstem Schock, Entsetzen, Trauer und nicht mehr Vor-und Zurückwissen übernahm mein Lebenswille. Wochenlange Wut (die körperlich nicht gut verlief, aber psychisch meine Handlungen ermöglichten) folgte. Diese ungewohnte Energie, wenn ich nicht gerade Hass auf die beiden „Damen“ in mir trug, setzte ich nach und nach für mich ein.
Ich machte mir eine Liste, was ich alles tun könnte, wenn ich alleine bin. Ich erkundigte mich beim Anwalt, was im Falle einer Trennung zu tun wäre (zu Beginn befürchtete ich tatsächlich noch, dass ER mich verlässt und zu einer seiner Affären geht). Meine damals größte Angst war, verlassen zu werden und ihn mit der Kollegin glücklich zu sehen.
Dass das alles aus meiner Vergangenheit stammte, war mir natürlich nicht klar und hatte ich niemals hinterfragt oder aufgearbeitet.
Mein Mann teilte mir immer nur das mit, was ich (durch später vermehrte Kontrollen) nachweisen konnte und selbst das nur wiederwillig. Stundenlange Gespräche ohne wirkliches Weiterkommen. Ich wollte alles wissen – er wollte möglichst nichts erzählen.
Mit der Wut wurde meine Verlustangst langsam relativiert. Diese unglaubliche Wut hat mir geholfen, mich selbst wieder zu spüren. Erstmals in meinem Leben Grenzen zu setzen und an diesen festzuhalten.
Wir begannen umgehend mit einer Paartherapie, die er 1 Jahr zuvor abgelehnt hatte.
Ich stellte per sofort jeglichen „Service“ ein (bügeln, kochen, einkaufen usw) – die Empfehlung einiger User, die ich damals nicht umsetzen konnte.
Wir lebten über ein halbes Jahr getrennt von Tisch und Bett. Denn eine Beziehung mit ihm konnte ich nicht mehr leben. Er bat mich nichts zu überstürzen und ihm ein letztes Mal eine Chance zu geben, sich zu ändern, weil ihm erst mit meinem Trennungswunsch eigentlich klar wurde, was er da aufs Spiel gesetzt hatte.
Ich fragte nicht mehr, ob es ihm recht wäre, sondern machte ausschließlich das, wozu ich Lust und wofür ich Zeit hatte. Ich setzte mich zum ersten Mal rücksichtslos an erste Stelle in meinem Leben.
Treffen mit Freundinnen, ausgehen, einer Sportgruppe beitreten, mehr Zeit mit Familienangehörigen verbringen. Das, so weiß ich heute, wäre ohne all den Schmerz nicht möglich gewesen.
Ich wurde nach 1-2 Monaten krank, weil mein Körper dem psychischen Albtraum und den Gedankenkreisen nicht gewachsen war. Keine schöne Zeit, aber auch hier weiß ich heute, was ein Mensch in der Lage ist, auszuhalten.
Ich beschäftige mich sehr ausgiebig mit Verhaltensmustern, Affären und wie sie entstehen, was im Körper und im Gehirn passiert, wie man seine Beziehung und sich selbst attraktiv macht. Mit Bedürfnissen, dem unterschiedlichen Denken und Fühlen von Mann und Frau.
Das alles lenkte mich vom Schmerz ab. Und von der Vorstellung, allein mit diesem Drama zu sein. Ich analysierte mich bis ins Kleinste und bis in meine frühe Vergangenheit.
Mein Mann unterstütze mich in allem (was schon ein Zeichen großer Veränderung war, denn bis dato wollte er von diesen Themen nichts wissen).
Wir hatten mehrere Couches. Allein und gemeinsam. Nahmen uns monatelang die Zeit, um neben dem Alltagsleben die Hintergründe zu verstehen.
Wir lernten, über die Jahre, Wünsche zu äußern, statt Erwartungen zu haben (die nicht erfüllt würden).
Uns war von Anfang an klar, dass wir beide nie wieder wie vor der Geschichte sein werden. Dass unsere Beziehung nie wieder so wäre wie früher.
Und das war der Schlüssel. Die Chance. Denn so wie früher wollten wir beide nicht mehr leben.
Und mit der Gewissheit, dass ich mich immer noch jederzeit trennen kann, wenn ich es nicht schaffe, schaffte ich es nach und nach Teilchen für Teilchen loszulassen und mich auf den Versuch Ehe 2.0 einzulassen. Das ist nichts, was man in wenigen Wochen quasi durcharbeiten kann. Es ist ein Prozess und der läuft teilweise mehr als träge, manchmal ein paar Schritte rückwärts. Aber wenn das Grundgefühl sagt „es geht irgendwie voran“, dann bleibt man dran – oder schmeißt das Handtuch, weil es zu anstrengend ist.
Was mir geholfen hat in der ganzen Zeit? Meine Gewissheit, dass ich allein klar komme, egal wie. Das Ablegen von People-Pleasing um Everybody’s Darling zu sein.
Viel schreiben, jeden Gedanken zu Papier bringen.
Die Gewissheit, dass ich jederzeit „nein“ sagen kann.
Unzählige Bücher und viel Lesen im Internet.
Mein wiederentdeckter Selbstwert (mit Hilfe einer Therapeutin) und meine positive Grundeinstellung zum Leben. Zu fühlen, dass ich es wert bin, dass man sich um mich bemüht, auch wenn ich nichts leiste. Einfach, weil ich ein besonderer Mensch mit besonderen Gaben bin. So hatte ich mich nie in meinem Leben gesehen (und wurde gekonnt von meinen Mitmenschen unterdrückt).
Wir haben uns beide verändert und so, wie es seit Monaten zwischen uns ist, wäre es ohne seine Affären nicht geworden. Ich musste dafür akzeptieren, dass ich den größten Teil für die Aufarbeitung, das Verständnis und das Verzeihen aufbringen muss. Dass nichts ungeschehen gemacht werden kann, egal, wie sehr ich es wollen würde. Dass sich wohl niemals auch nur eine der beiden „Damen“ für das, was sie mit mir gemacht haben, entschuldigen werden. Damit meine ich das Versprechen der Reha-Frau, meinen Mann nicht mehr zu kontaktieren und das heuchlerische „freundschaftliche“ Verhalten der Kollegin.
Für mich war das eiskalt und abgebrüht, denn in meiner Welt gilt der Kodex „Frauen behandeln andere Frauen nicht so niederträchtig“. Nun, ich habe mich entsprechend gerächt und ja, ich würde es wieder tun.
Das Hauptthema war und bleibt mein Mann. Das sehe ich anders, als @Dinania.
ER war es, der all das inszeniert hat. ER war es, der jedes Bild von sich geschickt, jede Nachricht getippt und jedes Wort am Telefon gesprochen hat. ER hat sich jedes Mal ohne Gedanken an mich freiwillig dafür entschieden.
Tatsächlich war er sogar überrascht von meiner heftigen Reaktion, er hätte nie vermutet, dass mich das so sehr treffen würde. Er hatte sich noch weiter von sich selbst und von uns entfernt, als ihm klar war und vermutete, dass ich ähnlich denke. Am meisten hat ihn erschüttert zu sehen, was sein unbedachtes Fremdgehen mit meiner Seele angerichtet hat. Das hat ihn verändert.
Vielleicht nochmal zum „Burnout“. Inzwischen hat mein Mann zugegeben, dass er Stress mit seiner Affäre und deren Verheimlichung und Organisation hatte. Der berufliche Stress war ein Vorwand, warum er so nervös und gereizt war (auch mich hat er hierzu natürlich angelogen). Deshalb wollte er eigentlich gar nicht in Reha, sondern nur einige Monate Auszeit „genießen“. Nach einem halben Jahr Kranksein musste er sich einen Platz suchen (von der Krankenkasse aus).
Schon frech, wenn man bedenkt, dass ich quasi seine Affäre „finanziert“ habe. Zeitlich und geldlich.
Das alles und noch viel mehr Lügen sind in den letzten Jahren aufgeflogen.
Ich war nicht die Einzige, die getäuscht wurde (kleiner Trost?). Die Reha war für ihn eine Art „Pflichturlaub“. Sowohl dort als auch beim Psychiater hat er nie über seine wahren Gefühle oder Erlebnisse gesprochen. Allen wurde das gleiche gesagt: Burnout wegen zu viel Arbeit.
Wenn es ein wenig durcheinander klingt, bitte ich das zu entschuldigen. Es ist nicht leicht, sich all die Dinge wieder in Erinnerung zu rufen, deshalb berichte ich nicht zu detailliert aber bestmöglich.
Ich habe zwar in den letzten 2,5 Jahren viel Federn gelassen – aber all das sehe ich heute als Entwicklung meines Selbst. Ich musste viel lernen, bin oft gescheitert, war tief getroffen und unendlich verzweifelt beim Gedanken an den nächsten Tag. Ziele und Zukunftsgedanken existierten lange nicht. Für mich war Überleben angesagt und in allem Schlechten das Gute zu finden war mein einziges Streben. Heute kann ich sagen: es war erfolgreich und ich bin dankbar für die Erfahrungen (auch wenn sie etwas weniger heftig hätten sein dürfen).
- Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern.
- Vertrauen lässt sich nicht mit Worten wiederherstellen, sondern nur mit Handlungen.
- Authentizität schwingt höher als Liebe.
- Der Mensch hält mehr aus, als er sich vorstellen kann.
- Alles braucht seine Zeit und alles hat seine Zeit.
Ich hoffe für alle, die zweifeln, dass sie die Wahrheit erfahren (denn damit lässt sich besser leben, als mit der Ungewissheit). Ich weiß, wovon ich rede.
Genauso hoffe ich für alle, die das Thema gerade aktuell bei sich auf der Matte haben, dass sie sich Zeit lassen und keine voreiligen Entscheidungen treffen. Bleibt euch treu und macht nichts, was ihr nicht vor euch selbst rechtfertigen könntet. Gebt jedem, der ehrlich bereit ist, sich zu ändern, eine Chance (auch mehrere). Es kann sich lohnen, den hohen Preis für eine bessere Beziehung zu zahlen. Und falls es nicht klappt, so hat man es wenigstens versucht.
17.07.2025 13:43 •
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