Ui, Grundsatzdiskussion.
Hier mein Senf:
Ich denke ja, unser ganzes Wirtschafts- und das damit eng verwobene Bildungssystem tragen viel Schuld an dem, was uns gerade so um die Ohren fliegt.
Was wird den Kindern schon seit langer Zeit vermittelt? Leistung musst Du bringen! Und Leistung = Geldwert. Und da fängt es an. Der Mensch wird nicht nach seinen sozialen Kompetenzen, Talenten oder auch nur an seinem Dasein wahrgenommen bzw. gemessen (wie ich das Wort in dem Zusammenhang hasse...), sondern an dem, was er produktiv im Sinne eines Geldwertes in die Wirtschaft einbringt, die ja de facto die Politik macht und die Gestaltung unseres Zusammenlebens übernommen hat.
Das System in dem wir leben, hat es sich nicht zur Aufgabe gemacht wert zu schätzen sondern wert zu schöpfen. Und wer keine Leistung im Sinne eines pekuniären Ertrages erbringt, fällt sehr schnell aus dem System; hat keinen Erfolg. Der Wert findet im Außen statt und nicht im Innen. Das haben wir gelernt. Und schon entsteht die Leere im Inneren, weil wir nur das Außen füllen. Und diese Leere wird dann gefüllt mit dem, was uns die Wirtschaft oder der Markt anbietet. Konsum. Konsum von Medien, Suchtmitteln, Entertainment und eben auch von Partnern. Wir sind was wir haben, aber nicht das was wir sind.
Ein wirklich selbstbewusster, unabhängiger Mensch durchschaut das Spiel und entwickelt eine gesunde Distanz dazu. Fehlt aber dieses Selbstbewusstsein, also das Erkennen des eigenen Wertes im Inneren, bleibt das aus. Und dann dreht die Spirale los. Man sucht nach seinem Quäntchen Glück; nach dem Ausstoß von Endorphinen, nach seinem Platz. Und Konsum liefert genau das. Instant-Glück in Form von Spielzeug á la Smartphone, stetiger Berieselung und eben auch durch Partner, die letztlich den gleichen Wert wie ein technisches Gerät haben. Es gab mal eine Studie, wonach das iPhone auf die gleichen Hirnareale wirkt wie der Zustand des Verliebtseins. Noch Fragen?
Und wenn man sich das vor Augen hält, darf es eigentlich nicht wundern, dass Partner schnell ausgetauscht werden. Ein Smartphone lässt sich schließlich auch ersetzen, wenn es nicht mehr dem neusten Stand der Technik entspricht. Dass man trotzdem noch damit telefonieren kann, was ja die eigentliche Funktion eines solchen Gerätes sein sollte, wird ignoriert.
Ich sehe bei alldem aber auch ein kolossales Versagen der Elterngeneration, was vielleicht mit dem Krieg zusammenhängt. Der Deutsche war mit seinem Selbstbewusstsein ja am Ende und hat es nur durch Wirtschaftswachstum wieder zu Ansehen in der Welt gebracht. Die emotionale Aufarbeitung der NS-Zeit wurde ja in großem Maße ausgelassen. Man musste schließlich die Städte wieder aufbauen. Keine Zeit für Seelenheil.
Warum schaffen es Mama und Papa nicht mehr, ihrem Kind den Selbstwert beizubringen, der sich aus dem inneren Gefühl speist? Haben die beiden es selbst nie gelernt oder ist es die schiere Angst, die sie antreibt oder eher lähmt? Die Angst davor, dass ihr Kind aus dem System fallen könnte? Müsste der Anspruch nicht eigentlich sein, dass das Kind daran geht, eben diese Zustände zu ändern, unter denen auch seine Eltern zu leiden haben? Warum lehren wir Kindern nicht die Skepsis bzw. Distanz gegenüber dem, was sie in der Welt erwarten wird? Dann wären nämlich auch Facebook und Co. nicht mehr so wichtig und würden nicht zum Tummelplatz für Selbstdarsteller werden, die nach likes haschen und künstliche Hypes generieren.
Wo ist unser Selbstbewusstsein geblieben? Warum haben wir das Nein! verlernt? Wo ist die Vernunft, wo der Verstand?
Wir sind wie Kinder, die glitzernden Glasperlen hinterherrennen. Nochmal, nochmal!
Aber ganz schwarz sehe ich nicht, denn es gibt durchaus Menschen, die aus dem System aussteigen und selbstbewusst genug sind, darüber zu lachen und die Welt im Kleinen zu verändern, selbst wenn die Weltverbesserer heute nicht sonderlich populär sind. Aber es liegt eben an uns. Es wird keiner herabgestiegen kommen, der uns die Verantwortung abnimmt, die Zuständen zum Besseren zu verändern. Und wir sollten auch nicht darauf warten, dass die da oben etwas unternehmen werden. Sie sind Geiseln der Wirtschaft und Wirtschaft handelt niemals ethisch.
Es beginnt alles bei uns selbst. Bei Dir und bei mir. Wir sind die Gestalter unseres Lebens. Wir können andere Menschen positiv infizieren. Und irgendwann entwickelt sich eine Art Schneeballsystem der Humanität und der Vernunft. Daran glaube ich ganz fest!
Und dann führen wir Liebe vielleicht wieder zu dem zurück, was sie eigentlich ist.
Ziemlich verschwurbelt, das alles, oder?
Schönen Abend!