Guten Abend,
mein Name ist Jan, ich bin 40, verheiratet seit 8 Jahren, zwei Kinder 8 und 3. Ich denke ich gleite derzeit in eine Affäre.
Viele die hier schreiben, wirken so als hätten sie bislang kaum Persönlichkeitsarbeit hinter sich. Das ist bei mir etwas anders. Ich bin relativ einsam bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, männliche Bezugspersonen gab es für mich nicht. Meine Gefühle und Bedürfnisse als Kind haben keinen Platz bei meiner überforderten Mutter gehabt. Ich bin deswegen zu einem sogenannten Nice-Guy geworden (siehe Buch: No more Mr. Nice-Guy, Robert Glover). Ich versuche Menschen zu gefallen und kann wenig Kritik ertragen, meine Bedürfnisse ordne ich unter und auf die Frage Wie fühlst Du Dich? hätte ich bis vor wenigen Jahren mit Hab Kopfschmerzen geantwortet(Was sind Gefühle?).
Das hinter meiner menschlichen Existenz noch etwas mehr steckt, wurde mir erst sehr langsam bewusst. Doch, der Reihe nach.
Ich hatte bis zum 30ten Lebensjahr keine Beziehung, kein S.. Ich bin nicht ganz blöd, habe studiert aber mich maskiert und versteckt um mit mögichst wenigen Menschen intensiven Kontakt haben zu müssen. Irgendwie ist mit einem Umzug dann meine Einsamkeit zu erstickend geworden und ich hab mich 2012 ins online-dating gestürzt. Kurz danach lernte ich meine jetzige Frau kennen. Es war pure Anziehung von Anfang an, jedoch eher vom Kopf und weniger körperlich.
Einschub: Heute kann ich sagen, dass meine Frau und ich, ultrakompatible Persönlichkeitsmerkmale haben. Wir sind quasi dependent, in unterschiedlichen Bereichen ist sie abhängig von mir und umgekehrt in anderen Bereichen. Ich der aufopfernde Nice-Guy, sie die durchsetzungsstarke Borderlinerin (Züge davon, keine komplette BPS).
Naja. irgendwann fehlte ihr jedoch die körperliche Anziehung zwischen uns. Sie begann eine Affäre 2018, die etwa ein halbes Jahr dauerte. Heute sehe ich diese, als bestes Geschenk meines Lebens. Die Eheberatung die wir begannen, wurde durch eine sehr fähige Sozialpädagogin geleietet.
Und hier noch mal ein Einschub: Was ich an unfähigen diplomierten Psycho/- und Verhaltenstherapeuten bei meiner Frau erlebt habe, geht auf keine Kuhhaut. Gut waren bislang eher Sozialpädagogen bei kostenlosen Beratungsstellen (Awo, Landkreise, und ähnliche Dienste).
Im laufe der nächsten drei Jahre haben wir diese Eheberatung gemacht. Und hier kam für mein Leben eine Wende. Die Therapeutin fixte sozusagen erstmal unseren Zustand innerhalb von drei Sitzungen und machte dann vorrangig Einzelgespräche mit uns. Sie erkannte dann, dass wir beide kaum bei uns selbst waren. In den letzten Jahren, führte sie mich und mein Bewusstsein, aus dem Schlamm der kindlichen Glaubenssätze dahin, dass ich so langsam mal mich spürte und wahrnahm dass ich selbst für mich eintreten muss.
Bei meiner Frau ging es eher richtung Traumatherapie aufgrund ihrer gewaltgeprägten Kindheit, usw.
Nun standen wir da: Total reflektiert und in vollem Bewusstsein wer wir sind. Wissen um unsere Anteile und wissen um unsere Defizite. Doch. nur, weil wissen warum wir so sind wie wir sind, heisst dass ja noch lange nicht dass wir uns anders verhalten. und genau so ist es auch. Unseren S. hat das nicht verbessert. Meine Frau hat dieselben Tendenzen anderen Männern zu gefallen wie früher und S. Aufmerksamkeit zu bekommen. Grund dafür ist eine Mischung aus dem normalen S. Bedürfniss, aber auch aus Persönlichkeitsanteilen ihrer Störung, die Selbstwertgefühl zu großen Teilen aus S. Interesse von einem ganz bestimten Männertypus zieht.
Und ich?
Naja, vor einem Jahr etwa kam ich von der rein theoretischen Erkenntniss ins handeln. Mehr kümmern um mich selbst. Abnehmen, Sport, Hobbys, Abgrenzung, Wahrnehmung und Vertreten meiner Grenzen, etc. Ein Prozess der immer noch voll im Gang ist und keineswegs abgeschlossen. Aber ich verändere mich dabei. dies fällt auch meiner Frau und meinem Umfeld auf.
Meine Frau hat mir vor wenigen Tagen gesagt, dass sie nicht weiss, ob sie mich noch liebt. Sie schätzt meine Fürsorge und meine Präsenz als Vater und Versorger - Ja, aber bei der Liebe ist sie pessimistisch. Und bei mir ist es ähnlich. Ich verbringe gerne den Feierabend mit ihr und ich reflektiere gerne mit ihr. Aber ist das Liebe? War es das jemals? Oder habe ich nur 8 Jahre mit jemanden gelebt, der einen kompatiblen Charakter zu meinem hat?
Wie dem auch sei. Nun ist da diese Kollegin. ja, wie bei jedem zweiten Thread hier. blos die Kollegin. Und ich bin was dies betrifft, leider immer noch unbedarft: Bislang war ja meine Frau meine einzige S. Referenz!
Mit der Kollegin treffe ich mich seit Corona regelmäßig zum Kaffee und quatschen bei der Arbeit. Sie ist ein ganz unscheinbarer Mensch, kleidet sich nicht modisch, schminkt sich selten aber ich finde sie irgendwie ganz nett. Ihre Ansichten sind interessant und sie hat auch Kinder, irgendein Thema hatten wir immer. Neu war für mich, dass ich mich in Gegenwart von Frauen entspannen konnte, das gelang mir davor nicht oft, bei ihr schon. Im Laufe der Zeit fingen wir auch an zu schreiben. Nicht sehr intensiv, vielleicht 10 Nachrichten pro Woche im Schnitt. Und dann fingen wir irgendwann an, witzchen über Zweideutigkeiten zu machen. Lustig war, dass wir dies zwar schreiben konnten doch wenn wir uns sahen irgendwie zu beschämt waren, dies auch auszusprechen.
Nun hab ich mich überwunden und mich mit ihr privat getroffen. Sie hat danach gefragt und wir waren jetzt zweimal zusammen Abends weg. Kneipe, schlendern, reden. Es war nett. Sie hat mir dann eröffnet, dass ihr Mann vor einem Jahr ausgezogen ist. Da habe ich gestaunt, irgendwie hätte ich gedacht wir waren schon so Kumpels dass sie mir so etwas früher gesagt hätte. Er hatte psychische Probleme und wollte nicht mehr mit ihr zusammenleben. Das hat für mich die ganze Beziehung zu ihr in neuem Licht scheinen lassen. Wir sprechen nun auch viel über Beziehungen und ich kann mich ihr auch ganz gut öffnen.
Aber dann ist da noch diese körperliche Sache. Bislang dachte ich, ich fände sie nicht anziehend. bis wir unterwegs waren. Sie wurde ziemlich touchy, berührt mich häufig mal mit der Hand oder ich merke dass sie Tendenzen hat, sich kurz anzulehnen oder mich an der Schulter anzufassen. Ich verspür aber ständig in ihrer Gegenwart dasselbe, möchte sie gerne berühren. Irgendwann hatten wir uns schon mal intuitiv die Hände gehalten und sind dann wie im Film oh, hoppla erschrocken und haben uns losgelassen. Oder wenn wir was trinken, lassen wir uns gegenseitig probieren, trinken aus demselben Glas. Ich bin so unsozial aufgewachsen, dass ich nicht weiss, ob das unter Freunden nicht doch normal ist so umzugehen?!
Was also ist das? Und wie finde ich es heraus? Wie gesagt, sie ist optisch so unscheinbar, doch ich habe das gefühl von steigender S. interesse, ganz ohne dass ich das an etwas optischem festmachen kann. Das hatte ich bislang noch nie so.
Keine Ahnung was ich eigentlich fragen will. Vielleicht auch nur mal von der Seele schreiben.
Danke.
10.07.2022 01:12 •
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