Zitat von Evchen: Ja. Ich muss mir klar machen, was ich will oder eben nicht. Leichter geschrieben als getan.
Danke für eure Unterstützung
Liebes Evchen,
ich schreibe Dir jetzt mal was aus meiner persönlichen Erfahrung.
Ich bin verheiratet, Kinder haben wir keine und ich war vor vielen Jahren in einer ganz schlechten Phase. Die Ehe dümpelte vor sich hin, Austausch und Gemeinsamkeiten blieben auf der Strecke und das größte Problem war, dass ich mich damals selbst nicht mochte. Ich redete mir ein, ich sollte doch zufrieden sein und es sei doch alles so weit paletti, aber in mir gärte etwas. Ich dachte mir irgendwann, ich bin jetzt Mitte 40 und das war jetzt alles? Tatsächlich?
Überdruss und Perspektivlosigkeit überkamen mich und ich dachte mir, hätte ich doch nie geheiratet! Dann wäre ich wenigstens frei! Vielleicht frei im Sinne von ungebunden, aber unfrei im Sinne meiner Einstellung mir und dem Leben gegenüber. Wer sich nicht mag, mit sich nicht klar kommt, der sucht. Irgend etwas, eine Veränderung, eine Perspektive. Wer sucht, der findet, auch wenn er nicht aktiv sucht.
Und dann kam ER, die Lichtgestalt in mein Leben. Auf den ersten Blick war ich hochinteressiert, etwas, was ich lange nicht mehr gespürt hatte. Da war nun einer, der mich triggerte. Aber ich kannte ihn nur dienstlich, er lebte und arbeitete zudem in einer anderen Stadt und wir hatten keine Querverbindungen auf der dienstlichen Schiene, über die man ja vielleicht ... eines Tages auch auf eine private Ebene hätte übergehen können.
Über Wochen und Monate ging mir der Typ nicht mehr aus dem Kopf, obwohl ich ihn nach unserem Kennenlernen nur noch einmal auch wieder dienstlich gesehen hatte. Da war er irgendwie komisch, irgendwie nicht ganz bei sich. Also Wiedersehensfreude sah definitiv anders aus. Und ich wusste nichts über seine privaten Hintergründe, weder Familienstand noch sonst was.
Monate später kam ein Kongress und ich fragte per Mail, ob wir uns mal auf einen Kaffee dort treffen könnten. Er sagte sofort zu und wir trafen uns und die Sache nahm ihren Anfang. Mittlerweile hatte ich herausgefunden, dass er unverheiratet ohne Kinder war. Sonst hätte ich ihn nicht kontaktiert.
Was dann folgte, war Verliebtheit pur - beidseitig. Und auf einmal hatte mein Leben wieder Farbe bekommen und ich lebte einige Wochen auf Wolke 7. Meine Ehe, was interessiert mich das?
Einige Wochen später, als sich der Hormonschub wieder Richtung Normalmaß einpendelte, kam auf einmal so was wie das Gewissen. Ich hatte meinem Mann natürlich nichts gesagt und da ich dienstlich ohnehin oft unterwegs war, fiel es nicht weiter auf, dass da halt noch ein paar Reisen mehr waren. An den Tagen fuhr ich zu ihm, der Lichtgestalt oder wir trafen uns in einer Stadt dazwischen.
Irgendwann sagte ich es meinem Mann, dass ich Jemand kennengelernt hatte. Er reagiert cool, fast verständnisvoll und sagte: eher ein Wunder, dass es jetzt erst passiert!
Und ab da führte ich eine Art Doppelleben und fuhr alle zwei Wochen zur Affäre, die sich aber immer schwieriger gestaltete. Ich hätte es wissen müssen, denn das Muster hätte ich kennen können und hatte es schon öfters erlebt. Zwei bindungsvermeidende Menschen kommen zusammen und täten ja wollen, aber können es nicht. Der eine, er, boykottierte unsere Beziehung aktiv und ich war die passive, die vordergründig doch nur eine Beziehung wollte und ihn heftigst liebte, aber unbewusst wieder mal einen herausgegriffen hatte, der für eine feste Beziehung gar nicht in Frage kam. Je mehr der aktive sein eigenes Leben wieder in den Vordergrund stellte, desto mehr litt ich und meine Versagens- und Verlustängste feierten fröhliche Wiederauferstehung.
Es gab Tage, da kam ich nach Hause und auf einmal war ich erleichtert. Ich hatte noch ein Zuhause und da war Jemand, der weiterhin freundlich und zugewandt mir gegenüber war! Ein Ort, wo ich ich mich heimisch fühlte. Und mit der Zeit wurde mir klar, dass der Kampfplatz der Affäre Stress bedeutete und hier Ruhe herrschte.
Denn mein Mann war sehr großzügig und großmütig. Ich war immer die Unruhigere gewesen, die Neues brauchte und er kannte mich. Vermutlich besser als ich mich selbst. Hätte er angefangen, mir ein Ultimatum zu stellen oder eine Entscheidung einzufordern, hätte er mich nur weiter weg getrieben. Er wusste, dass ich erst wieder zur Besinnung kommen musste und mich nicht festlegen konnte.
Denn beide hatten natürlich ihre Vorteile. Der Neue passte im manchen Dingen besser zu mir und wir konnten uns auch sehr gut austauschen, aber er zeigte eben auch eine Palette an bindungsvermeidenden Verhaltensweisen. Und dann mein Mann, altbewährt, in sich ruhend und offensichtlich nicht interessiert am Nebenbuhler. Er wusste nichts über ihn und fragte nichts und ich sagte auch nichts, denn diese Person hatte er scheinbar ausgeblendet.
Wenn ich so zurück blicke, dann war mein Mann schlauer als ich. Er kannte mein unruhiges Wesen und ließ mich meine Erfahrung machen und wusste wohl inwendig, dass ich mich erst wieder fangen musste.
Es kam wie es kommen musste. Der AM trennte sich und ich litt. So einfach war die Sache ja nicht. Die Verliebtheit, die Gefühle verschwinden doch nicht auf Knopfdruck. Sie wüten und schwanken, von wütendem Mach-doch-was-Du-willst, Du Ar.! bis Tränen war alles dabei.
Ich zeigte davon zu Hause nichts und ich sprach nicht darüber. Es wäre ja wohl das letzte gewesen, erst den Mann zu betrügen und ihn dann als Kummerkasten zu benützen.
Die ersten Wochen waren naturgemäß die schlimmsten, dann kehrte eine Akzeptanz ein und dann der innere Abstand. Es war ja nicht so, dass ich die schlechten Eigenschaften des AM nicht gesehen hätte und auch nicht gewusst hätte, dass da etwas in mir ganz schief gelaufen war, denn ich war trotz allem in eine emotionale Abhängigkeit gerutscht. Aber dennoch war der Abschied schwer und dauerte.
Das Gute war, dass ich den AM nicht mehr sah und auch nicht Gefahr lief, ihm über den Weg zu laufen. Wir hatten noch einige Zeit Kontakt per Mail und Telefon, aber die Sache war klar. Es war unwiderruflich zu Ende und nur meiner Anhänglichkeit geschuldet, dass ich glaubte, ich könnte ihn einfach nicht ganz aus meinem Leben streichen.
Viel später wurde mir klar, dass ich viel falsch gemacht hatte. Eine Ehebruch ist keine konsequente Lösung und bringt nur weitere Probleme hervor, aber wie hätte ich mich denn entscheiden können für einen, den ich kaum kannte? Es geht nicht. Du lebst einfach in einem Zwiespalt, der sich aber früher oder später ohnehin gibt, denn dafür sorgt das Leben schon.
Der Neue, dieser untaugliche Typ, sollte mein Retter aus meinem Schmalspurleben sein, diese Rolle hatte ich ihm zugedacht, wenn auch unbewusst. Das kapierte ich erst viel später, dass ich ihn im Grund auch nur benützt hatte für etwas, was er mir hätte geben sollen, was ich mir selbst aber nicht geben konnte.
Er sollte mir zeigen, dass ich liebenswert war, weil ich ja mich selbst nicht annehmen konnte.
Er sollte mich achten, was ja ein Witz ist, wenn man sich selbst nicht achtet.
Er sollte mich glücklich machen, weil ich selbst nicht in der Lage war, gut mit mir umzugehen und keine Ahnung davon hatte, dass Glück nicht nur von außen kommt, sondern dass es auch viel mit Eigenverantwortung zu tun hatte.
Wieso bei sich selbst anfangen, wenn die Lösung scheinbar wo anders zum Greifen nah ist?
All diese Dinge begriff ich im Lauf der Monate und dann schämte ich mich. ich hatte meine Ehe wissentlich aufs Spiel gesetzt und verdankte es nur dem Großmut meines Mannes, dass er meine Eskapade duldete und die Lösung aller meiner Probleme war dann der Neue. Haha, so billig kommt man nicht davon!
Mit der Zeit stellte ich auch Vergleiche an. Mein Mann und das Phantom und da merkte ich, dass in vielen Dingen mein Mann die Nase vorn hatte und der Neue ihm doch nie das Wasser hätte reichen können. Mein Mann, der Fels in der Brandung, auf den ich zählen konnte. Immer, sogar während dieser 10 Monate mit der Affäre. Der einfach da war, nichts forderte, sich nie beklagte, keine Bemerkungen machte, keinerlei Spott für mich übrig hatte, als ich sagte, dass es zu Ende war.
Es wäre so leicht gewesen, mich zu verurteilen. Na, zu hoch gepokert, was? Ha, hätte ich dir gleich sagen können, dass das nur eine Verirrung war? Oder: ach, hat der Andere Dich etwa nicht mehr lieb? Oder: Sind Dir Deine Flausen jetzt ausgegangen?
Er hätte mich zurecht weisen könnten, aber das würde er nie tun. Denn er ist nicht so billig, dass er schadenfroh wäre, wenn ich auf die Schnauze falle und das nicht zu Unrecht. Hätte er das getan, wäre unsere Ehe zu Ende gewesen. Hätte er ständig gefragt, was war denn das für einer und was hat der Dir gegeben, was ich Dir nicht geben konnte, ebenfalls. Hätte er mich abgeurteilt, wären wir heute getrennt. Ich konnte zwar geschlagen, aber dennoch erhobenem Hauptes zurück kehren, warten, bis die Gefühle abgeebbt waren und ich durch den Trennungsschmerz durch war.
Das verlangt vom Partner viel Kraft und Ausdauer und auch ein gewisses Verständnis, dass Fremdverlieben vorkommen kann.
Einige Ehe überstehen es, andere nicht. Aber es braucht Geduld von beiden Seiten, bis der Fremdverliebte damit durch ist, denn Gefühle ändern sich nicht so schnell. Da kann der Verstand durchaus schon längst klar sehen, aber wenn die Gefühle noch nicht gleich ziehen können, hilft es (noch) nichts.
Wir sind heute besser verheiratet als früher und wir haben jetzt wieder ein Miteinander statt ein Nebeneinander. Von Affären bin ich völlig geheilt, ja völlig immun dagegen, mich wieder für einen anderen Mann zu begeistern.
Du bist in der Lage der Wartenden, der Zweifelnden und den einen Rat, der alles richtet, gibt es nicht. Aber wenn Dir an der Ehe und Deinem Mann gelegen ist, würde ich der Sache eine Chance geben. Getrennt ist man schnell, aber ist es hinterher besser? Das verlangt etwas, was nicht einfach ist und auch eine innere Größe voraussetzt und etwas wie Selbstsicherheit. Diese außerehelichen Verliebtheiten beruhen zum großen Teil auf Illusionen und Projektionen und halten der Realität selten statt.
Was aber auf jeden Fall gut ist, ist ihn einfach sein zu lassen und verstärkt auf Dich zu schauen. Er trifft sie nicht mehr und da greift eben auch das Prinzip aus den Augen, aus dem Sinn. Es ist nur eine Frage der Zeit. Kümmere Dich gut um Dich, tue Dinge auch mal für Dich und vernachlässige keinesfalls eigene Interessen. Und schau was passiert, aber suche nicht den Fehler im Getriebe.
Rein statistisch gesehen verlässt nur ein geringer Prozentsatz der Männer ins Lager einer Geliebten. Dafür ist das gewohnte und eingerichtete Leben und die Frau zu Hause dann doch zu wertvoll, um es für eine Luftblase zu riskieren.
Wenn Du aber weißt, dass Du es ihm nicht verzeihen kannst, dann ist es besser sich zu trennen und einen Cut zu machen. Manche können es nicht und wollen es auch nicht, den Vertrauensbruch zu vergessen oder als eine Verirrung zu betrachten.
Aber eine Ehe ist es meiner Ansicht nach wert, dass man sie nicht gleich aufkündigt. Er braucht auch seine Zeit, aber er muss auch konsequent sein und dazu gehört auch der Kontaktabbruch. Denn ein Durchlavieren ist keine Basis für eine Wiederbelebung einer Ehe. Ihm muss klar sein, wo er sein will. Aber ein hier und da kann es dann nicht mehr geben.
Lass Dir aber nicht auf der Nase rumtanzen und alles musst Du auch nicht nachsehen. Entweder er begreift dass er viel zu verlieren hat oder eben nicht. Aber dann muss mit der Trulla auch Schluss sein. Und alles hinnehmen musst Du auch nicht, denn Du bist nicht der emotionale Mülleimer Deines Mannes und ein wenig zusammen reißen kann er sich auch. Denn Du gibst ihm etwas, was nicht selbstverständlich ist, nämlich eine Chance. Wenn er sie nicht nützt und sich hängen lässt, dann hat er sie nicht verdient.
Und irgendwann wurde mir dann auch klar, dass ich meinen Mann doch nie hätte aufgeben können. Hätte der Andere gedrängt, hätte ich erst auf Zeit gespielt oder er hätte womöglich viel schneller seinen Reiz verloren. Denn ein passiver Bindungsvermeider hängt gerne Kraft, Energie und Herzleid an einen unerreichbaren Partne