Zitat von badMonkey: Du projizierst da aus meiner Sicht deine eigenen Themen und Ideen aufs Kind.
Nope. Es gab bei uns keine No-Contact-Regel und mir persönlich war der Ex egal als ich die Trennung aussprach. Mein Mann hatte schon während der Schwangerschaft den Schalter umgelegt und aufgehört, zu kommunizieren, zu arbeiten oder bei irgendwas mitzumachen. Ich hatte also genügend Zeit, mich zu entlieben und das Kind hat uns nie als Paar erlebt, so dass die nach-Trennungs-Kommunikation keine andere war als die vor-Trennungs-Kommunikation, spärlich und sachbezogen.
Nur dass mein Ex nach dem Rauswurf 600km wegzog und sich die Frage, ob er täglich vorbei kommt, damit gar nicht stellte.
Hier fragt sich der Vater, ob er in seiner Kindfrei-Woche bei seiner Ex vorbei schauen soll, um das Kind zu sehen. Das ist was ganz anderes als gute Kommunikation auf der Elternebene. Und es ist auch was ganz anderes als es früher war, als er da noch wohnte.
Und ganz unabhängig davon, dass da die Ex ja auch noch ein Wörtchen mitzureden hat, halte ich kürzere Wechselintervalle bei dieser Familie für die fürs Kind schonendere Variante, als abends für ne Stunde da zu sein, beim Frühstück aber nicht mehr, dafür dann die Woche darauf ganz, aber dann Mama nicht, etc. Als Elternteil bist Du entweder da oder nicht da. Nur kurz da zu sein, heißt für das Kind auch immer wieder Abschied zu nehmen.
Zitat von badMonkey: Woran und wie hast du das gesehen, wenn man fragen darf?
Das Kind hat es mir gesagt.
Der Vater wollte zu bestimmten Zeiten anrufen bzw. angerufen werden, um trotz 600km immer noch präsent zu sein. Und ich hab dem zunächst zugestimmt, weil das auch meine erste Trennung mit Kind war und es mir persönlich egal war, ob und wie mein Ex noch stattfindet. Die ersten Telefonate war das Kind noch Feuer und Flamme und hat jedes Mal erzählt und auch gefragt, wann Papa kommt. Nach wenigen Wochen war die Begeisterung verflogen und das Kind war auffällig beschäftigt, wenn ich mit dem Telefon ankam, musste noch dringend was zu Ende spielen und wollte nicht so recht. Ich hab es dann gefragt, warum es nicht möchte. Und es hat Weil ich Papa dann nur hören, aber nicht knüdeln kann, gesagt.
Hab ich so an den Vater weiter gegeben, der mir sofort vorwarf, dass ich das Kind manipulieren und ihm entfremden würde. Was komplette Paranoia war, weil es mir ganz Recht war, wenn der Vater das Kind abends am Telefon bespaßte und ich in Ruhe kochen konnte. Zumal ich den Vater nie als Konkurrenz empfunden habe. Schon gar nicht, als er sich durch den Umzug 600km weit weg selbst aus dem Umfeld des Kindes rausgezogen hat.
Der Vater hat dann auf Videocall umgestellt, aber auch da hat sich das Kind nicht darauf gefreut und war nach den Telefonaten wütend und traurig. Und das fand ich dann nicht mehr tragbar, weil der Vater durch die Art, wie er Bindung zum Kind aufbauen oder erhalten wollte, das Kind mehrmals in der Woche zum Weinen oder Toben gebracht hat. Das wollte ich unserem Kind dann nur 1 Mal die Woche maximal antun. Zumal die Trauer erst nach dem Anruf kam, wenn Papa wieder weg war. Für meinen Ex schien daher alles in bester Ordnung und er hat mir ein Anwaltsschreiben geschickt, woraufhin ich einen Anruf der städtischen Erziehungsberatung beim Vater organisiert habe. Wenn er mir nicht glaubt, dann hoffentlich einem neutralen Pädagogen, dem es wirklich nur ums Kind geht.
Heute ist das Kind groß genug für ein eigenes Handy und hat nur noch 1 Mal die Woche einen Telefontermin, den es aber auch häufig ausfallen lässt.
Und jetzt stell Dir das Szenario mit einem Elternteil vor, das nach dem Abendbrot oder der Gutenachtgeschichte Tschüß sagt. Einschlafen mit Traurigkeit über den Abschied. Oder, noch schlimmer, Mama oder Papa geht, wenn das Kind eingeschlafen ist. Dann bekommst Du ein Kind, dem ständig im Schlaf eine wichtige Person abhanden kommt und morgens nicht mehr da ist. Die Eltern sehen nur die schöne Zeit, die das Kind mit ihm hatte. Sie sehen nicht den Ablösungsprozess, wenn sie weg sind.
Ich habe, als unser Kind im Kita- und Grundschulalter war, beides gesehen. Die anderthalb Tage, die mein Kind sich vor der nächsten Papawoche langsam von mir ablöste, und den Tag, den das Kind nach jeder Papawoche brauchte, um wieder ganz bei mir angekommen zu sein. Der Vater meinte, dass sowas bei ihm nicht vorkommt und das Kind sich einfach nur freut, ihn wieder zu sehen und bei ihm zu sein. Dass das Kind bei ihm ein halbes Jahr länger Windeln brauchte als bei mir, hat er als meine Behauptung abgetan. Dabei hätte er das Kind ja einfach mal fragen können.
Ich hab, während mein Kind nicht bei mir ist, keine festen Telefonzeiten, sondern die Abmachung, mich jederzeit anrufen zu können. Das wurde auch einige Male in Anspruch genommen. Aber ich weiß, dass an allen Tagen, an denen das Kind mich nicht anruft, es ihm gut geht und es gar nicht an mich gedacht und mich deshalb auch nicht vermisst hat. Und das ist der beste Zustand, den ich mir für mein Kind wünschen kann.
Ich finde schon, dass man hinterfragen sollte, ob man häufig anruft oder vorbei kommt, weil man das selber braucht oder aus schlechtem Gewissen oder ob das wirklich dem Wunsch des Kindes entspricht und ihm gut tut oder ob man damit (auch) Emotionen weckt, die das Kind jedes Mal wieder verarbeiten muss.
Zitat von badMonkey: Im besten Fall erlebt das Kind, dass beide Elternteile respektvoll und kommunikativ miteinander umgehen können
Das steht doch völlig außer Frage. Aber ein respektvoller Umgang bedeutet nicht, dass da jederzeit die Tür für das Elternteil offen zu stehen hat, das
selbst gerade das Gefühl hat, es könnte fehlen. Das Signal, dass etwas fehlt, sollte imho vom Kind kommen und nicht aus den Gefühlen der Erwachsenen. Wer aufmerksam hinschaut, sieht diese Signale auch und kann dann Telefonate/Besuche anbieten. Das habe ich auch gemacht, wenn ich den Eindruck hatte, das Kind denkt an den Vater. In 9 von 10 Fällen hat das Kind aber abgelehnt.
Wenn das Kind einen vermisst, wird und kann es sich hoffentlich melden.
Wenn es aber darum geht, dass man selbst das Kind vermisst oder Angst hat, zu fehlen oder in Vergessenheit zu geraten, ist der Fokus nicht wirklich beim Kind.
Mein Kind vermisst auch, vor allem, wenn es bei Freunden oder bei uns mit Next gesehen hat, wie Familie sein kann. Und dann wünscht es sich so eine Atmosphäre und ein Zusammensein mit Mama und Papa. Aber Kontakt mit Papa will er in solchen Momenten nicht, weil er weiß, dass es sowas nicht in seiner Wunschkombination geben kann. Dann möchte er von dem, der gerade da ist, getröstet werden und nicht den Eltern dabei zusehen, wie sie keine Zuneigung mehr für einander haben.
Dass Du, badMonkey bei der Empfehlung, nicht zu viele oberflächliche Kontakte aus schlechtem Gewissen heraus zu planen, sofort an gestörte Elternebene denkst und dass schlecht über das andere Elternteil geredet würde, sagt mir ganz viel über Deine eigenen Ängste. Und Du wärst auch nicht der erste Vater, der nach dem viel hilft viel-Prinzip über Quantität versucht, die Trennung vom Kind zu mildern. Dabei geht es Kindern meiner Erfahrung nach eher um Qualität. Und die sehen ganz genau, ob da nur eine Elternebene ist oder eine Familie und ob Mama oder Papa für die nächsten Tage sicher ist oder immer wieder geht.
Wer aus mein Kind freut sich, wenn ich komme schließt, dass es dem Kind gut tut, wenn man da ist, verkennt imho die Komplexität der menschlichen Psyche und setzt bei Kindern Skills zur Verarbeitung voraus, die selbst viele Erwachsene noch nicht erworben haben, aber wenigstens besser kompensieren, sich besser ablenken und besser rationalisieren können als Kinder. Wer häufig zu Besuch kommt, ist eben nicht für das Kind da im Sinne von, für das Kind verfügbar, sondern nur zu Besuch, also für das Kind da im Sinne von gekommen, um das Kind zu sehen. Nur weil etwas so aussieht, wie es früher aussah, wenn man zu Hause war, ist es nach der Trennung nicht das gleiche und auch nicht ein bisschen so wie früher, sondern etwas ganz anderes.