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Gefühle für Klientin

E
Liebe Forengemeinde,

Ich möchte heute mal ein Thema ansprechen, was mich aktuell sehr fertig macht - mehr als ich eigentlich dachte. Ich denke, helfen kann mir hier keiner so wirklich, weil das Dilemma nicht wirklich zu lösen ist, aber trotzdem möchte ich das hier einfach mal niederschreiben. Der Austausch hilft ja trotzdem irgendwie.
 
Kurz zur Geschichte: Ich arbeite in einer Einrichtung zur Weiterbehandlung für psychisch Erkrankte (also keine akuten Psychosen oder dergleichen). Dabei lernt man natürlich jede Menge Menschen kennen, mit verschiedenen Geschichten, Erkrankungen und Einstellungen. So unter anderem auch eine Schizophrenie Erkrankte in meinem Alter. Zunächst hatten wir nicht viel miteinander zutun, da ich in ihre Behandlung nicht direkt involviert war. Später kam es jedoch zu einer Vertretungssituation in welcher wir unter anderem zu zweit zu mehreren Praktika fuhren. Hierbei ergeben sich natürlich auch Gespräche über allerlei Themen und man lernt sich ein Stück weit kennen. Und wie das eben manchmal so ist, stellt man auch fest, dass man enorm viele ähnliche Ansichten hat, sich Interessen decken, etc. pp. Man kommt ja bei viel Zweisamkeit und Autofahrten auch im professionellen Rahmen mal ins Plaudern. Dazu kam noch, dass Sie von anderen Stellen innerhalb der Einrichtung schlichtweg bei der Frage, wie es nach der Behandlung weitergeht, übersehen wurde, sodass es zeitlich auch sehr eng wurde und ich mich ins Zeug legte, mit ihr alles in die Wege zu leiten, was auch gerade noch so klappte. Sie tat mir einfach wahnsinnig Leid. Sie ist eine wirklich extrem liebe Person, hilft anderen wo Sie nur kann und ist auch sehr intelligent - hatte schlichtweg großes Pech in jungen Jahren in die Erkrankung zu rutschen. Für die Unterstützung zeigte Sie sich sehr dankbar und Sie kam auch häufiger vorbei, um aus ihrem Leben zu berichten. Mit der Zeit wurden auch ihre Blicke zunehmend eindeutiger (weiß gar nicht wie ich das beschreiben soll. kann man sehnsüchtig schauen?), sie war regelrecht nervös, wenn Sie zu mir kam. Natürlich ist jegliche romantische Beziehung zu Klienten verboten und das war mir auch klar - weshalb ich versuchte, so professionell wie möglich zu handeln und ihr sachlich zu helfen. Vor etwa einem Monat endete ihre Zeit in der Einrichtung und kurz zuvor fing Sie auch an mich zu duzen, was ich zuließ und aufgrund des Behandlungsendes (+ ich war ja auch nicht ihr Therapeut) auch erwidert. Dass man hier auf's du umsteigt, ist prinzipiell nicht ungewöhnlich und auch nicht verwerflich. Ich bin mir aber durchaus bewusst, dass dies in dieser Situation ein Fehler war. Auch merkte ich längst, dass auch ich viel zu viel über Sie nachdachte.
Naja. Jedenfalls ging Sie dann vor zwei Monaten und man sah ihr am letzten Tag an, dass Sie nicht weiß, was Sie tun soll, sie wirkte traurig und kam extra noch einmal nur zu mir, um sich persönlich zu verabschieden. Alles Gute gewünscht, Sie wolle sich mal melden. Zja. Am liebsten hätte ich Sie umarmt und ihr meine Nummer gegeben, aber die Konsequenzen wenn das schief geht sind mir durchaus klar. Außerdem ist es moralisch und auch im Sinne des Berufsethos einfach mehr als zweifelhaft, das zu tun. Ich verkniff es mir also mit aller Macht und auch von ihrer Seite kam nichts - Sie war sich sicherlich auch bewusst, dass man das nicht darf. So ging Sie dann, wartete noch draußen um zum Abschied zu winken und fuhr dann.
Nuja, und seitdem geht Sie mir seit Wochen einfach nicht mehr aus dem Kopf. Auch wenn ich prinzipiell weiß, dass ich in Sachen Handynummer richtig gehandelt habe, frage ich mich jeden Tag, was wäre wenn ich es getan hätte. Es verfolgt mich regelrecht, die letzten traurigen Blicke, wie Sie vorher immer noch freudig vorbeikam - einfach alles.

Das ist dieses Mal einfach anders als sonst. Normalerweise gibt es immer eine Seite, die nicht will, die kein Interesse hat, wo irgendwas nicht passt.
Hier darf es einfach nicht sein. Meines Wissens auch bis zu einem Jahr nach Behandlungsende, rein rechtlich. Dazu käme auch noch das Abstempeln durch die Kollegen und natürlich viele weitere Schwierigkeiten - es sind ja trotzdem ganz andere Lebenswelten. Und trotzdem oder gerade deswegen macht es einen fertig. Ich hätte nie gedacht, dass mich das so mitnimmt, aber manchmal hat man eben gefühlstechnisch nicht wirklich eine Wahl.

So. Was will ich hier nun eigentlich von euch? Im Grunde genommen geht's mir um den Erfahrungsaustausch. Hat jemand schonmal ähnliches erlebt? Eine Liebe die nicht sein darf? Wie geht man damit um?
Wir werden uns noch ein paar mal im Nachgang der Behandlung sehen. Auch hier habe ich keine Ahnung, wie ich mit der Situation umgehen soll.

Und ja, ich weiß auch, dass das alles teils unprofessionell war und dass ich hätte anders handeln müssen. Ich merke auch beim Schreiben des Textes, dass mir das garnicht so leicht fällt, schäme mich fast etwas dafür. Aber was soll's es musste einfach mal raus.
Vielen Dank für's Lesen und ich freue mich über jegliche Ratschläge, Anregungen oder ähnliche Erfahrungen.

Liebe Grüße

14.12.2023 20:03 • #1


F
Es heisst ja immer man kann nicht kontrollieren dass man sich verliebt und auch nicht in wen aber man muss sich dann auch nicht in die möglichen Konsequenzen ergeben.

Du hast richtig gehandelt, aber es ist Dir grad dein Trost.

Keine Ahnung ob Dir dieser Gedanke vielleicht grad helfen mag aber das sogenannte Schicksal (sollte man daran glauben) kann dafür sorgen dass sich diese richtige Entscheidung auszahlen wird- wie auch immer.

ich wünsche Dir alles Gute und dass Du die Trauer die Du grad verspürst bald überwinden kannst.

14.12.2023 20:19 • x 1 #2


A


Gefühle für Klientin

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F
(KEIN Trost meinte ich)

14.12.2023 20:19 • #3


I
Zitat von Elohim:
Ich arbeite in einer Einrichtung zur Weiterbehandlung für psychisch Erkrankte (also keine akuten Psychosen oder dergleichen)

Ich habe hier aufgehört zu lesen und rate dir dringend, lass die Finger davon! Du machst dich privat zum persönlichen Therapeuten und Seelsorger, das wird sich auf dich auswirken.
Und du bindest dir beruflich die sch. ans Bein, keine Ahnung ob es da bei euch Vorschriften gibt (Schutzbefohlene?) ich vermute aber mal schon. Und selbst wenn nicht, den faden Beigeschmack schmecke ich bis hier…
Und ohne ihr was unterstellen zu wollen, sie ist schizophren schreibst du, wenn es mal nicht läuft oder nicht so wie sie will und es wird die „er hat mich manipuliert und gefügig gemacht“ Karte gespielt, bist du fertig.
du hast richtig gehandelt, bleib professionell, so schwer es fällt

14.12.2023 20:21 • x 2 #4


O
Das tut mir sehr leid für dich. Leg das einfach schnell zu den Akten und verbuche es unter Liebeskummer.

14.12.2023 20:33 • x 1 #5


E
Danke erstmal für eure Beiträge. An ein Schicksal glaube ich zwar nicht, aber ich denke durchaus, dass einem einiges erspart bleibt und sich neue Türen öffnen, wenn man eine schwerwiegende Entscheidung in diesem Fall nicht trifft. Aber du hast schon Recht @felicitas2023, das miese Gefühl bleibt trotzdem.


Zitat von Iunderstand:
Ich habe hier aufgehört zu lesen und rate dir dringend, lass die Finger davon! Du machst dich privat zum persönlichen Therapeuten und Seelsorger, das wird sich auf dich auswirken. Und du bindest dir beruflich die sch. ans Bein, keine Ahnung ob es da bei euch Vorschriften gibt (Schutzbefohlene?) ich vermute aber mal ...


Ja natürlich gibt es diese Vorschriften wie ich ja später im Text auch erwähne. Die Behandlung ist ja vorbei, hier ist also wenig zu befürchten. Und das Mädel ist auch medikamentös eingestellt und lange schon stabil, Schizophrene sind ja eher selten manipulativ - das würde dann eher bei Borderlinern oder generell Persönlichkeitsstörungen zutreffen. Eben das ist ja mein Problem - sie war gesund genug (so blöd das auch klingt), dass ich den Mensch dahinter kennenlernen konnte, mit all den Wünschen, Interessen und Träumen, die natürlich im Laufe der akuten Krankheitsphase vergraben waren.
Aber danke, professionell bleiben sollte ich trotzdem und eine gute Idee wäre es so oder so nicht, da hast du ohne Zweifel recht. Aber ihr wisst ja wie das ist. Nur weil man logisch weiß was richtig ist, fühlt es sich noch lange nicht richtig an, leider.

14.12.2023 21:05 • x 1 #6


F
Du hast aber eig. immer nur die guten Seiten von ihr kennengelernt hab ich das richtig verstanden?
Also speziell bei ihr niemals die Schattenseiten ihrer Krankheit erlebt?

ICh frag nur weil man so ja gerne vergisst dass man es immer noch mit einem kranken Menschen zu tun hat und es den Anschein einer totalen Normalität ergibt.

Ich glaube viele hier wissen WIE schwer es ist eine Person aus dem Kopf und Herz zu bekommen auch wenn man doch genau weiss dass es nicht sein kann und darf. Und einem vermutlich viel Leid bringen wird, würde man Grenzen überschreiten.

14.12.2023 21:11 • x 1 #7


Elfe11
Ach, mein Bruder ist Zahnarzt und hat sich in seine Patientin verliebt. Sie sind heute verheiratet.

14.12.2023 21:18 • x 6 #8


E
@felicitas2023

Richtig. Wir sind keine Einrichtung für akute Fälle, sondern auf dem Papier chronisch Kranke. Heißt sie kam bereits ohne akute Symptomatik und stabilisierte sich auch im gesamten Verlauf. Die ganze Maßnahme war also durchweg positiv. Schattenseiten habe ich keine erlebt, kenne Sie aber natürlich durch die Vorberichte. Auch sie selbst hat davon berichtet. Schizophrene, die medikamentös eingestellt und gut therapiert sind, sind ja quasi normal.
Ich störe mich zwar eigentlich an dem Begriff normal - auch jeder andere psychisch Kranke ist normal - aber ich denke ihr wisst hier was ich in Bezug auf das Verhalten meine. Man lernt eben ein normales Mädel kennen, sozusagen - man hat nicht das Gefühl, dass Sie krank ist. Borderliner hingegen bleiben beispielsweise oft ein Leben lang emotional instabil und auch unterbewusst manipulativ, da ist das von Anfang an was anderes.

14.12.2023 21:19 • x 1 #9


L
Hast du die Möglichkeit in Einzelsupervision zu gehen?

14.12.2023 21:19 • x 2 #10


E
@Lillilli

Nein, die Möglichkeit haben wir nicht. Ich habe auch nicht die besten Erfahrungen mit Supervision gemacht. Gibt es das überhaupt, Supervision für vergangene Fälle? Im Endeffekt ist die berufliche Problematik mit ihrem Gehen vor 2 Monaten ja eh entschärft. Mir geht es vor allem um die Nachwehen und ein eventuelles Wiedersehen.

@Elfe11

Ja, ähnliche Fälle sind mir auch bekannt. Lässt einen natürlich auch zweifeln. Trotzdem ist da eine chronische psychische Erkrankung ja nochmal eine andere Hausnummer.

14.12.2023 21:25 • x 2 #11


F
Ich denke dass Du in dem Moment absolut richtig gehandelt hast. Regeln und Vorschriften und Berufsethos kennst Du eh besser als wir hier und kannst das richtig beurteilen.

Ich hab mal eine dumme Frage aber kennt man in eurem Bereich ähnliche Geschichten? Hast Du Dich mal mit Kollegen über das Thema unterhalten oder ist es Teil eurer Ausbildung? Also dass sich Patienten in ihre Therapeuten verlieben ist ja nix neues aber umgekehrt?

Du wirkst ziemlich verständig, darf ich mal fragen wie alt ihr beide seid?

Ich kann mir grad nicht vorstellen dass diese Konstellation in eine glückliche Beziehung enden könnte, weil es so ungleich wirkt, da ist die Patientin auf der einen Seite und der Arzt auf der anderen. Also stellen wir uns mal vor da gibt es eine Begegnung z.b. ein Jahr später und ihr trefft euch in einem ganz anderen Kontext. Und habt immer noch dieses Gefühle. Aber es fühlt sich für mich von aussen betrachtet seltsam an, deshalb die Frage ob es so etwas gibt oder generell ein totales Tabu ist?

14.12.2023 21:26 • x 1 #12


Wasabix
[quote=Elohim:1kfkaS.]Danke erstmal für eure Beiträge. An ein Schicksal glaube ich zwar nicht, aber ich denke durchaus, dass einem einiges erspart bleibt und sich neue ...[pid:1kfkaS.]3432917[/pid:1kfkaS.][/quote:1kfkaS.]

Hallo,

Ich denke wenn es sein soll..werdet ihr euch wieder begegnen.

14.12.2023 21:40 • #13


Wasabix
Zitat von Elohim:
Danke erstmal für eure Beiträge. An ein Schicksal glaube ich zwar nicht, aber ich denke durchaus, dass einem einiges erspart bleibt und sich neue ...


Hallo,

Ich denke wenn es sein soll..werdet ihr euch wieder begegnen.

14.12.2023 21:41 • x 1 #14


E
@felicitas2023

Ich bin 27, Sie ist (glaube) 23. Also ein wenig jünger.

Ja, das gibt es tatsächlich häufiger als man glauben mag. Das Problem ist natürlich, dass die meisten über derartige Dinge nicht sprechen, weil sich ein verlieben in diesem Kontext natürlich auch als ein Versagen anfühlt. Das darf auf dem Papier eben nicht sein. Trotzdem geschieht es, insbesondere in längeren stationären Behandlungen, wo man die Klienten täglich und auch im Alltag sieht und mit diesen interagiert. Eine Kollegin hatte ein ähnliches Problem und war mit dem Ex-Klienten auch noch länger in Kontakt. Hier handelt es sich aber laut ihrer Aussage v.a. um reine Sympathie. Emotional verstrickt war Sie trotzdem und musste auch selbst Hilfe in Anspruch nehmen.´

Zu deiner zweiten Frage: Die Regularien in der Behandlung sind da recht klar, romantische oder S. Avancen seitens der Professionellen wäre Missbrauch Schutzbefohlener. Dies gilt im Falle eine Therapeutenbindung dann glaube ich auch noch bis zu einem Jahr nach der Behandlung, zumindest bei Psychotherapeuten. Ganz sicher bin ich mir da aber auch nicht, müsste man sich mal genauer belesen. Nach dem Jahr in einem anderen Kontext ist das gesetzlich absolut okay. Moralisch sicherlich weiterhin schwierig und natürlich massiv rufschädigend. Und eine Beziehung ist natürlich auch dahingehend schwierig, weil das Machtgefälle (wieder so ein blödes Wort) vorhanden ist. Man selbst weiß quasi alles über die Klienten, kann Vorberichte und weiß der Geier was lesen und die Klienten kennen nur das Arbeits-Ich der Professionellen.
In meinem Fall ist das noch mal ein Sonderfall. Bei uns hat jeder Klient ein Therapeutenteam, also zuständigen Psychologen, Sozialarbeiter, usw.
Ich bin in ihrem Fall nichts davon, sondern nur vertretungsweise eingesprungen.

14.12.2023 21:41 • x 1 #15


A


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