Ich möchte dir gerne eine Rückmeldung zu deiner Situation geben, weil ich einige Gedanken sehr gut nachvollziehen kann.
Ich bin seit über 20 Jahren mit meiner ersten großen Liebe glücklich zusammen und auch verheiratet. Wir kennen uns seit Kindertagen, sind zur selben Schule gegangen, aber natürlich gab es auch bei uns davor andere Schwärmereien und erste Verliebtheiten. Und ich erinnere mich gut daran, wie stark sich Gefühle in jungen Jahren anfühlen, manchmal kommt das hoch, wenn man eine bestimmte Person wieder trifft oder ein bestimmtes Lied hört. Keine Ahnung, ob das an den Hormonen liegt. Aber ich denke, jede Liebe bleibt oft irgendwie in einem verankert. Ich halte es also für absolut menschlich, dass immer mal wieder Gedanken oder Gefühle aus alten Zeiten hochkommen. Es ist nichts, wofür man sich schämen oder was man unterdrücken müsste. Wichtig ist eher, wie man diese Gefühle einordnet und damit umgeht.
In deinem Fall finde ich es richtig und stark, dass du dich damit auseinandersetzt und auch das Gespräch mit deiner Frau gesucht hast. Das zeigt, dass du ihr und eurer Beziehung vertraust. Gefühle kann man nicht steuern, aber den Umgang damit schon.
Aus meiner eigenen Erfahrung heraus kann ich dir sagen: Versuchungen, Zweifel und Fragen wird es immer wieder geben, ganz gleich, wie stabil eine Beziehung auch ist. Auch Verletzungen gehören dazu. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Beziehung liegt darin, wie ihr damit umgeht.
Ich hatte selbst Anfang 20 eine Phase, in der ich mich oft gefragt habe, ob ich etwas verpasse, auch S.. Das war eine Mischung aus Neugier, Unsicherheit und vielleicht auch ein bisschen Überforderung mit dem „Für-immer“ Gedanken. Mein Mann wollte mich schon sehr früh heiraten, ich bin ein Scheidungskind und konnte es mir damals noch überhaupt nicht vorstellen.
Aber mein Mann und ich konnten immer darüber reden. Er hat mir nie das Gefühl gegeben, dass meine Gedanken unsere Beziehung wirklich gefährden. Ich musste nie etwas verheimlichen, er hat mich nie für meine Unsicherheit verurteilt. Und rückblickend bin ich unglaublich froh, dass wir offen geblieben sind, da es uns eine Intimität gebracht hat, die ich nie erwartet hätte. Diese Offenheit hat uns auch körperlich viel näher gebracht. Denn wenn man alles teilen darf – auch Unsicherheiten, Fantasien oder Zweifel – entsteht eine Nähe, die keine flüchtige Begegnung ersetzen kann.
Ich finde manche Reaktionen auf deine Situation zu hart. Du machst bisher noch nichts falsch. Im Gegenteil: Du sprichst Dinge an, bevor sie sich verselbstständigen. Du machst dir Gedanken, wie du es lösen kannst. Bist dir deiner Verantwortung gegenüber deiner Familie bewusst. Und beziehst deine Frau mit ein, weil sie und deine Ehe dir sehr viel bedeuten. Das ist für mich kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke. Auch bist du noch jung und es ist ganz normal, dass man sich weiterentwickeln darf. Und ja, solche Phasen sind extrem herausfordernd, aber sie können euch auch als Paar weiterbringen.
Was ich dir in deiner Situation raten möchte: Ich würde auf ein „Abschlusstreffen“ mit der Ex komplett verzichten, auch auf Aussprachen, außer es ergibt sich mal in lockerer Atmosphäre. Manchmal glauben wir, solche Gespräche würden Klarheit bringen, aber oft wühlt es nur auf, ohne wirklich etwas zu lösen. Die Frage ist, was du dir konkret davon versprichst. Höre mal tief in dich hinein und versuche es zu definieren.
Vielleicht kommst du jetzt langsam drauf, dass eure Beziehung damals und euer Ende nicht optimal war. Wahrscheinlich holt dich auch ein bisschen das schlechte Gewissen ein und du suchst Gründe, was dir an deiner Ex gefallen hat, um besser zurechtzukommen. Möglich auch, dass sie einfach etwas in dir ausgelöst hat, das du vermisst, das kann natürlich auch sein. Dein Ego wurde von deiner Ex nämlich ganz schön verwöhnt. Aber bewerte es nicht länger über. Wenn du an sie denkst, auch auf S. Ebene, verurteile dich nicht dafür, sondern nehme die Gedanken an und werde dir klar, was dir gefallen hat. Nicht wer, sondern was hat dich damals beeindruckt, das ist der entscheidende Punkt. Denn oftmals ist es gar nicht die Person, sondern etwas anderes und das Gefühl, das sie dir gegeben hat.
Ich bin der Meinung, die Vergangenheit darf ihren Platz haben – auch in Gedanken – aber sie sollte nicht die Gegenwart überschatten. Das kann man lernen. Du bist heute in einer anderen Lebensphase, du bist Ehemann, Vater, und hast Verantwortung.
Ich bin da so etwas wie ein gebranntes Kind, da mein Vater Affären hatte und ich sie auch im Umfeld leider immer wieder mitbekomme. So komisch es sich anhört, aber ich lerne irgendwie aus den Beziehungsfehlern der anderen und mag es in meiner Ehe bewusst anders machen. Und natürlich braucht es auch viel Liebe und Glück für das Gelingen.
Ich wünsche dir von Herzen alles Gute. Ich finde, du bist auf einem guten Weg. Bleib offen, ehrlich und vertraue darauf, dass ihr gemeinsam daran wachsen könnt.
16.09.2025 15:02 •
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